Erstübersetzung von Unspeakable von Dilys Rose (2017) aus dem Englischen ins Deutsche

Kunstdialekt als Methode der Dialektübersetzung


Masterarbeit, 2018

87 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einführung: Dialekt in Romanen und Verwendung des ‚Scots‘
1.1 Zielsetzung, Aufbau, Übersetzungsansatz und Literatur
1.2 Die Autorin Dilys Rose und die Relevanz von Unspeakable

2 Dialektübersetzung
2.1 Begriffsklärung grundlegender sprachlicher Konzepte
2.1.1 ‚Standard(sprache)‘ oder ‚Standardvariante‘
2.1.2 ‚Varietät‘
2.1.3 ‚Dialekt‘, ‚Idiolekt‘, ‚Regiolekt‘ und ‚Soziolekt‘
2.1.4 Ausgangs- und Zielsprache sowie Kunstdialekt
2.1.5 ‚Scots‘ und lokale Ausprägungen
2.1.6 Scottish (Standard) English
2.2 Dialekt: Bedeutung und Forschungsstand
2.2.1 Weshalb Dialektsprache erhalten werden sollte
2.2.2 Strömungen in der Dialektübersetzung
2.3 Konkrete Beispiele für Übersetzungsstrategien des ‚Scots‘
2.3.1 Trainspotting
2.3.2 Outlander
2.3.3 Fazit zu den Übersetzungen in Trainspotting und Outlander

3 Exkurs: Übertragung von Kreolsprachen
3.1 Klärung der Themenfelder ‚Postcolonial‘ und ‚Kreolsprachen‘
3.1.1 ‚Postcolonial Literature‘ und ‚Postcolonial Writing’
3.1.2 ‚Pidgin‘ und ‚Creole‘ bzw. ‚Kreolsprachen‘
3.2 Übersetzung von Kreolsprachen
3.2.1 Besondere Herausforderungen
3.2.2 Übersetzungsstrategien anhand von Beispielen
3.3 Ansatzpunkte für die Dialektübersetzung

4 Kunstdialekt: Ausgangsdialekt und Konzeption im Deutschen
4.1 Ausgangspunkt: Analyse des ‚Scots‘ der Ausgangssprache
4.2 Konzeption des Kunstdialektes der Zielsprache

5 Untersuchung des Ausgangstextes und Wirkung des ‚Scots‘
5.1 Literaturwissenschaftliche Analyse
5.2 Einschätzung des ‚Scots‘ durch Native Speaker

6 Übersetzung
6.1 Lozenges for Love: Liebespastillen
6.2 At Lucky Lorimer´s: In Lucky Lorimers Taverne
6.3 Kommentar zur Übersetzung

7 Bewertung der Übertragungsmethode ‚Kunstdialekt‘
7.1 Entstehungsprozess des Kunstdialektes
7.2 Der Kunstdialekt im Vergleich zu bisherigen Methoden
7.3 Befragung von Lesern und Übersetzern zum deutschen Text

8 Fazit zur Methode ‚Kunstdialekt‘ und Ausblick

9 Bibliographie
9.1 Primärliteratur
9.2 Sekundärliteratur
9.3 Internetquellen

10 Anhang
10.1 Kapitel aus Unspeakable im Original
10.2 E-Mail-Verkehr mit native speaker des ‚Scots‘
10.3 Umfrage unter Übersetzern und Lesern

Abbildungsverzeichnis

- Abbildung 1: „Texttypen und Sprachwahl in den Lowlands“

- Abbildung 2: „IPA Vowel Chart (eigene Anfertigung)“

Tabellenverzeichnis

- Tabelle 1: „Methoden der Dialektübersetzung (n. Berezowski 1997)“

- Tabelle 2: „ Trainspotting, deutsche Übersetzung“

- Tabelle 3: „ Outlander, deutsche Übersetzungen“

- Tabelle 4: „ Outlander, deutsche Übersetzungen“

- Tabelle 5: „ Outlander, deutsche Übersetzungen“

- Tabelle 6: „Phonologische Abweichungen (n. Mühleisen 2002)“

- Tabelle 7: „Ausländerdeutsch (n. Mühleisen 2002)“

- Tabelle 8: „Deutsche Kunstsprache (n. Mühleisen 2002)“

- Tabelle 9: „Umgangssprachliche Markierung (n. Mühleisen 2002)“

- Tabelle 10: „Vokalverschiebung im ‚Scots‘ in Unspeakable

- Tabelle 11: „Konsonantentilgung im ‚Scots‘ in Unspeakable

- Tabelle 12: „Eigenheiten des ‚Scots‘ in Unspeakable

1 Einführung: Dialekt in Romanen und Verwendung des ‚Scots‘

Bereits im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem vielschichtigen Thema ‚Schottland als Nation‘ und dessen konzeptueller Konkretisierung anhand von literarischen Werken beschäftigt. Ein wesentliches Ergebnis dieser Arbeit war einerseits, dass die Verwendung von Dialektsprache in Romanen, wie dem ‚Scots‘ in Waverley (Scott 1814) oder Outlander (Gabaldon 1991), maßgeblich zur nationalen Identitätsbildung innerhalb Schottlands beigetragen hat - insbesondere nach der Identitätskrise, die auf den letzten, missglückten Jakobiter-Aufstand um ‚Bonnie Prince Charlie‘ von 1746 folgte. Ein weiteres Ergebnis war, dass Romane, die den regionalen Dialekt enthalten, wesentlich an der Komposition des heutigen Bildes von Schottland beteiligt waren (vgl. Weber 2016: 20f.; 31f.). Obwohl speziell das ‚Scots‘ während der Unabhängigkeitsdebatte der letzten Jahre politisch keine größere Rolle mehr gespielt hat, sondern international höchstens noch Anerkennung im Sinne einer Klassifizierung als bedrohte Minoritätensprache erfahren hat, wird es von der Bevölkerung weiterhin gesprochen und in literarischen Werken verschriftlicht - wenn auch mit sinkender Tendenz und in einem geringeren Ausmaß, als dies in früheren Jahrhunderten der Fall war (vgl. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Texttypen und Sprachwahl in den Lowlands, 1400-2000 (Görlach 2002: 26).

1.1 Zielsetzung, Aufbau, Übersetzungsansatz und Literatur

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nun die Dialektsprache im Mittelpunkt stehen: Es wird der Einsatz von Dialekt in der englischsprachigen Literatur anhand einiger Beispiele näher beleuchtet, konkret geht es dann in der Übersetzung um das ‚Scots‘ im Historienroman Unspeakable von Dilys Rose aus dem Jahr 2017. Im Fokus dieser Abhandlung steht dessen Art der Übertragung ins Deutsche anhand der bisher in diesem Kontext kaum verwendeten Methode mittels eines Kunstdialektes, aber auch, wie sich diese Methode zusammensetzt und wie sie sich von anderen Strategien abhebt.

Die nachfolgenden Kapitel untersuchen deshalb zunächst, welche Methoden bereits in der Dialektübersetzung zum Einsatz kamen. Außerdem werden anhand zweier Romane Beispiele für bisherige Übersetzungsstrategien bei der Übertragung von ‚Scots‘ ins Deutsche dargestellt und bewertet. Dem vorangestellt erfolgt jedoch zunächst eine Begriffsklärung der dieser Arbeit zugrunde liegenden sprachlichen Konzepte wie ‚Dialekt‘, ‚Varietät‘, ‚Standard‘ oder ‚Scots‘.

Daran schließt sich ein kurzer Exkurs zu Kreolsprachen als Varietäten des Englischen und den diesbezüglichen Übersetzungsstrategien an. Die dort gewonnenen Erkenntnisse tragen aufgrund der Parallelen zwischen den Übersetzungen von Dialekt- und Kreolsprachen wesentlich zur Herleitung und Konzeption des verwendeten deutschen Kunstdialektes für die Übersetzung von Unspeakable bei, was den Hauptteil der vorliegenden Arbeit ausmacht. Dem folgt eine kurze literaturwissenschaftliche Einordung des Romans, wobei das Hauptaugenmerk auf den ausgewählten Textstellen liegt.

Anschließend wird anhand zweier Kapitel aus dem Roman Unspeakable der Versuch unternommen, unter Verwendung eines zuvor konzipierten künstlichen Dialektes das ‚Scots‘ möglichst äquivalent in Bezug auf Parameter wie Wirkung, lautliche Gestalt, grammatikalische Struktur und Lexik ins Deutsche zu übertragen. Am Ende der Arbeit steht eine kritische Einordnung dieser Methode mittels einer rückblickenden Bewertung des Arbeitsprozesses, sowie deren Vergleich mit den bisherigen, im Verlauf der Arbeit überblicksmäßig dargestellten Übersetzungsstrategien in Bezug auf Dialekte. Abschließend werden anhand einer Leserbefragung die Eindrücke der Leser des deutschen Textes in Bezug auf den künstlichen Dialekt sowie die Meinung von Übersetzern in Bezug auf die Methode berücksichtigt. Somit ist ein abgerundetes und objektives Fazit hinsichtlich der Anwendbarkeit in der täglichen Übersetzungsarbeit und der Zumutbarkeit für das Publikum in der Zielsprache möglich.

Die gewählte Methode, einen künstlichen Dialekt im Deutschen zu kreieren, beantwortet auch die Frage nach der Entscheidung zwischen den beiden Ansätzen der Übersetzungsforschung: ‚einbürgernd‘ oder ‚verfremdend‘? Der Leser soll also mit Hilfe eines neuen, dritten Elementes – nämlich einem Kunstdialekt in der Zielsprache – zum Text bemüht werden, die Übersetzung wird demnach also verfremdend umgesetzt. Übersetzer sollten ohnehin, um es mit Friedrich Schleiermachers Worten zu beschreiben: „[…] den Geist der Sprache auffassen, die dem Schriftsteller einheimisch war, sie müssen dessen eigenthümliche Denkweise und Sinnesart anschauen können […]“ (Schleiermacher 1963 [1813]: 45). Demnach ist es also von Bedeutung, einerseits die Eigenschaften der Ausgangssprache, aber auch den individuellen Schreibstil des Autors[1] in der Übersetzungsarbeit zu verstehen, zu berücksichtigen und somit das einmalige künstlerische Element des ursprünglichen Werkes wertzuschätzen, welches, so Schleiermacher, eigentlich unübersetzbar ist (vgl. ebd.: 40). Wo Schleiermacher die Art des verfremdenden Übersetzens jedoch als einen Weg sah, um die - seiner Meinung nach - noch nicht vollends entwickelte deutsche Sprache zu bereichern (vgl. ebd.: 69), möchte diese Untersuchung eine Möglichkeit vorschlagen, mit der zum Einen die Eigentümlichkeit eines literarischen Werkes gewürdigt werden kann und die zum Anderen den Lesern der Zielsprache eine gleichwertige Leseerfahrung erlaubt, ohne dass durch die Art der Übersetzung zusätzliche, kulturell geprägte Aspekte der Zielsprache und -kultur hinzukommen. Es soll vermieden werden, dass die bereits vorhandene Intertextualität in der Zielsprache aufgrund der Verwendung eines dort bereits bestehenden Dialektes eine Dimension hinzufügt, die der Originaltext nicht vorsieht. In einem anderen Punkt ist eine weitere Überschneidung mit Schleiermacher auszumachen: Dieses neue, dritte Element in Form eines künstlich geschaffenen Dialektes kann trotz allem allenfalls eine Nachbildung des Originals sein. Isoliert betrachtet hat ein Kunstdialekt keinerlei Existenzberechtigung innerhalb der Zielsprache, da sich Dialekte meist als Abweichung einer Standardsprache herausbilden oder sich anderweitig wechselseitig beeinflussen. Vielmehr soll mit dem vorliegenden Versuch eine Brücke zwischen den Verschiedenheiten der Ausgangs- und Zielsprache geschlagen werden, um eine ähnliche Wirkung beim deutschsprachigen Leser hervorzurufen, wie bei den Lesern des Originaltextes:

Die Nachbildung dagegen beugt sich unter der Irrationalität der Sprachen; sie gesteht, man könne von einem Kunstwerk der Rede kein Abbild in einer anderen Sprache hervorbringen, das in seinen einzelnen Theilen den einzelnen Theilen des Urbildes genau entspräche, sondern es bleibe bei der Verschiedenheit der Sprachen, mit welcher so viele andere Verschiedenheiten wesentlich zusammenhängen, nichts anderes übrig, als ein Nachbild auszuarbeiten, ein Ganzes, aus merklich von den Theilen des Urbildes verschiedenen Theilen zusammengesezt, welches dennoch in seiner Wirkung jenem Ganzen so nahe komme, als die Verschiedenheit des Materials nur immer gestatte (Schleiermacher 1963 [1813]: 46).

Frei nach Schleiermacher also wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit ein künstlicher Dialekt gebildet, der kein Versuch sein soll, das Original zu kopieren, sondern einen Versuch darstellt ein zweites, ähnliches „Original“ in der Zielsprache zu erschaffen. Gelingt dies, so vernimmt der Leser einerseits ein Echo aus der Ausgangssprache, aber gleichzeitig ermöglicht ihm diese einzigartige Art der Nachbildung ein Leseerlebnis, dass dem des Originaltextes der Ausgangssprache sehr nahe kommt.

Die für diese Arbeit verwendete Literatur besteht hauptsächlich aus Werken zum Ausgangsdialekt, wie Scots. The Mither Tongue von Billy Kay aus dem Jahr 2006; während der Recherchephase wurde Modren Scots Grammar. Wirkin Wi Wirds von Christine Robinson (2012) hinzugezogen, um einerseits die grundsätzliche Struktur des Dialektes in der Ausgangssprache zu verstehen, aber auch um zu begreifen, was native speaker damit assoziieren und in welcher Tradition die Verwendung von ‚Scots‘ literaturgeschichtlich steht. Die Hintergründe dazu sind sehr gut im Standardwerk A Textual History of Scots von Manfred Görlach (2002) nachzulesen. Um einzelne unbekannte Wörter nachzuschlagen, war die Verwendung des Concise Scots Dictionary (= CSD) , herausgegeben von Scottish Language Dictionaries (2017, 2nd ed.) sehr hilfreich. Die grundlegende Forschung zum Thema Dialektübersetzung wurde aus Dialect in Translation von Leszek Berezowski (1997) entnommen, welches die Strategien zwar hauptsächlich auf die Übersetzung aus dem Englischen ins Polnische bezieht, jedoch können die Erkenntnisse aufgrund des deskriptiven Ansatzes durch die Analyse und Kategorisierung bisheriger Lösungen als allgemeingültig angesehen werden und bilden somit die Ausgangsbasis für die vorliegende Untersuchung. A Linguistic Theory of Translation von J. C. Catford (1965) und F. M. Federicis Sammelband Translating Dialects and Languages of Minorities (2011) stellen zwei gegensätzliche Positionen in der Forschung zur Dialektübersetzung dar, anhand derer sich die Entwicklung der vergangenen fünfzig Jahre bis heute sehr gut darstellen lässt. Dazu sei anzumerken, dass Catfords Ansatz als überholt angesehen wird und in dieser Arbeit einzig aus Gründen einer umfangreichen Überblicksdarstellung erwähnt wird. Das Exkurs-Kapitel zu Kreolsprachen und deren Übersetzungsstrategien stützt sich, was den thematischen Hintergrund zum Bereich ‚post-colonial literature‘ angeht, auf das Überblickswerk von T. Döring, Postcolonial Literatures in English (2011) und auf das Standardwerk zum Thema Kreolsprachen von S. Mühleisen: Creole Discourse. Exploring prestige formation and change across Caribbean English-lexicon Creoles (2002).

1.2 Die Autorin Dilys Rose und die Relevanz von Unspeakable

Die Entscheidung, als Ausgangstext für diese Untersuchung den Roman Unspeakable zu verwenden, hat mehrere Gründe. Die Tatsache, dass Rose relativ viele Passagen in bisweilen schnelle Dialoge verpackt und diese in schottischer Dialektsprache wiedergibt, hat ausschlaggebend dazu beigetragen. Gerade für einen verfremdenden Ansatz ist dieses Charakteristikum sehr interessant, unterstreicht es doch die Bedeutung des regionalen Elementes in literarischen Texten, das sich im Fall von ‚Scots‘ mit Ecken und Kanten präsentiert: Sonderbar, erschreckend, eigentümlich, flapsig und an manchen Stellen auch zum Schmunzeln einladend. Beim Lesen dieser Passagen scheint das setting dadurch noch unmittelbarer, intensiver und greifbarer zu sein. Aber auch auf viele andere englischsprachige Romane trifft dies auf verschiedene Weise zu.

Das Interessante an Unspeakable sind jedoch vielmehr die Parallelen zwischen den Begriffspaaren Geschichte / Geschichte(n) und Dialekt / Übersetzung: Der Roman erzählt aus dem Leben von Thomas Aikenhead, der die letzte Person in Großbritannien war, die im Jahr 1697 für den Anklagepunkt ‚Blasphemie‘ gehängt wurde, ein trotz den Gepflogenheiten der Zeit sehr drastisches Urteil. Obgleich das Buchcover ankündigt „a fair and just account of the case against the criminal, Thomas Aikenhead“ zu sein, setzt Rose den Fokus auf seine Kindheit und Jugend und nicht, wie man demnach vermuten könnte, auf den Prozessverlauf. Der letzte Abschnitt, ab seiner Verhaftung bis hin zu seinem frühen Tod, nimmt entgegen der Ankündigung nur einige wenige Seiten ein, obwohl diese Phase seines Lebens die wohl am besten dokumentierte sein dürfte. Interessant ist also, dass sich Rose auf den Teil seines Lebens konzentriert, zu dem es kaum historisch belegte Fakten gibt. Dies verschafft ihr einerseits den benötigten Freiraum, um eine fiktive Geschichte zu entwerfen, die den Leser den Charakter von Thomas Aikenhead verstehen lässt und nachvollziehbar macht, wie er sich in diese tödliche Lage bringen konnte[2]. Andererseits erschwert diese dürftige Anzahl an Fakten aus seinem frühen Leben den Balanceakt zwischen historischer Sachlage (= Geschichte) und Fiktion. Kritiker empfanden den Versuch als gelungen, die Beschreibung von Thomas Aikenhead sei glaubwürdig, abgerundet und sympathisch. Allerdings stelle das ‚Scots‘ an manchen Stellen als eine „modified version of today´s demotic Scots [with] old words that have fallen into disuse” (Massie 2017) dar. Gleichzeitig wird aber eingeräumt, dass eine historisch vollkommen richtige Überlieferung des Dialektes wohl ohnehin nicht möglich sei (vgl. ebd.). Nur die bereits oben erwähnte Dissonanz bezüglich der Erwartungshaltung, die aus dem Titel hervorgeht und im Gegensatz zur tatsächlichen Struktur des Romans steht, wurde kritisiert. Die Beschreibung des Prozesses hätte viel Potenzial gehabt und den Roman dadurch noch relevanter und aussagekräftiger machen können (vgl. Strachan 2017).

Ebenso wie es Fakten und Fiktion miteinander abzustimmen gilt, ist es ein Balanceakt, gesprochenen Dialekt zu verschriftlichen. Vor allem dann, wenn die Handlung mehr als 300 Jahre zurückliegt. Das Vorhaben, aus Geschichte Geschichten zu konstruieren und gesprochenen Dialekt in schriftliche Dialoge zu fassen erfordert ein glaubwürdiges Gleichgewicht zwischen Fakten[3] und künstlerischem Freiraum, wenn es glücken soll. Ebenso ist dieses Maß an Balance und Verständnis nötig, wenn es darum geht, das ‚Scots‘ mit Hilfe eines künstlichen Dialektes ins Deutsche zu übersetzen. Aufgrund dieser Parallelen erscheint Unspeakable die passende Wahl für die vorliegende Untersuchung zu sein.

Abseits aller linguistischen Aspekte ist der Roman jedoch auch inhaltlich relevant und interessant. Es wird ein Thema aus der schottischen Vergangenheit behandelt, welches neuerdings wieder auf große Resonanz stößt. Vor allem in Verbindung mit der Rede- und Pressefreiheit und dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Jahr 2015 in Paris zeigt sich, dass es heute wie damals keineswegs selbstverständlich ist bzw. war, seine Meinung zu religiösen Themen offen und ungestraft kundtun zu können. Ein Jahr später, 2016, kam die von einer Kurzgeschichte[4] des schottischen Schriftstellers James Robertson inspirierte (vgl. Brown 2016) Produktion I Am Thomas. A Brutal Comedy with Songs auf die britischen Bühnen. Der Titel erinnert an die Parole Je suis Charlie, die sich nach dem Anschlag wie ein Lauffeuer in den Medien verbreitete. Die Umsetzung des englischen Dichters, Dramatikers und Poesie-Professors Simon Armitage zusammen mit der Produktionsfirma Told by an Idiot stellt Aikenhead als einen Märtyrer dar[5], der für die Redefreiheit eintrat und dafür gehängt wurde, obgleich sich das Stück nicht nur darauf oder auf den Vorfall in Paris reduzieren lassen will (vgl. Ross 2018). Der Fall Aikenhead wurde außerdem bereits 1993 im Artikel Aikenhead the Atheist von Michael Hunter sowie im Jahr 2008 von Michael Graham an der University of Edinburgh untersucht. Grahams The Blasphemies of Thomas Aikenhead. Boundaries of Belief on the Eve of the Enlightenment (2008) ist eine sachliche Darstellung der historischen Fakten und bezieht u.a. Prozessdokumente mit ein, sowie einige von John Locke kommentierte Unterlagen zu diesem Fall, die sich im Verlauf der Geschichte im Besitz des Philosophen und Freidenkers aus dem 17. Jahrhundert befanden. Die kompakte Kurzversion des Falles Aikenhead ist außerdem online auf der Seite der Humanist Society Scotland im Artikel A Scottish Martyr (Gibson 2016) nachlesbar.

Die Autorin des Romans Unspeakable, Dilys Rose, wurde 1954 in Glasgow geboren und lebt heute in Edinburgh. Bis 2017 war sie Direktorin des Onlineprogramms für den Master in Creative Writing an der University of Edinburgh, wo sie auch selbst studiert hat. Ihr literarisches Werk umfasst u.a. die Romane Pest Maiden (1999) und Pelmanism (2014) und außerdem Gedichte und Kurzgeschichten, die in jeweils vier Sammelbänden veröffentlicht wurden. Bekannt wurde sie Ende der 1980er-Jahre mit ihren Kurzgeschichten im Sammelband Our Lady of the Pickpockets (1989). Die Geschichten in Lord of Illusions (2005), einem weiteren Sammelband, gehören laut Kritikern zu ihren besten. Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Thema Homosexualität unter Männern. Für den Sammelband Bodywork (2007) wurde ihr der McCash prize in Scots Poetry und im Vorfeld ein UNESCO-Stipendium für einen Aufenthalt in Australien verliehen. Darüber hinaus erhielt sie einige weitere bedeutende Auszeichnungen wie den Saltire Society Scottish Book of the Year Award im Jahr 1994 (vgl. Smith 2010). Neben Lyrik und Prosa schrieb sie in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern auch Texte für Bühnenstücke wie Kaspar Hauser: The Child of Europe (2006), welches in Schottland und Deutschland aufgeführt wurde; oder den 2015 aufgeführten Liedzyklus Watching Over You (vgl. Rose 2018). Ein Teil ihres Werkes wurde zwischen Mitte der 1990er-Jahre bis 2007 ins Deutsche (Schweiz), Französische, Kroatische, Polnische, Portugiesische und Ungarische übersetzt (BOSLIT, s.v. ‚Dilys Rose‘), Unspeakable wurde bislang noch nicht übersetzt (BOSLIT, keine Einträge für ‚Unspeakable‘), was auch daran liegen könnte, dass der schottische Verlag Freight Books, in dem Unspeakable erschienen ist, seit Oktober 2017 von einem Insolvenzverwalter betreut wird.

2 Dialektübersetzung

Dieses Kapitel soll zunächst einen Überblick über die in dieser Arbeit häufig verwendeten sprachlichen Begrifflichkeiten bieten, bevor dann eine Erklärung folgt, weshalb es sich lohnt, die Übertragung von Dialektsprache in den Fokus der Übersetzungsarbeit zu stellen und bisherige Ansätze zu überdenken. Den Hauptteil dieses Kapitels macht der Überblick über bisher zur Verfügung stehende Methoden und Überlegungen aus, gefolgt von aktuellen Tendenzen. Im Zwischenfazit dazu ergibt sich dann eine Lücke, die der angestrebte Kunstdialekt füllen soll. Dieses Zwischenergebnis wird anhand zweier konkreter Übersetzungen veranschaulicht und bekräftigt das in der Einleitung dargestellte Vorhaben, diese Lücke mit Hilfe einer experimentellen, verfremdenden Übertragungsstrategie zu schließen.

2.1 Begriffsklärung grundlegender sprachlicher Konzepte

Im Vorfeld der genaueren Betrachtung von Dialektsprache in der Literatur und deren Übersetzung ist es notwendig, die Definition und Auslegung der grundlegenden sprachlichen Konzepte in dieser Arbeit zu klären, auf welche im weiteren Verlauf verwiesen wird. Die vorliegende Untersuchung folgt der gängigen Interpretation der Begriffe, die hier häufig verwendeten sprachlichen Konzepte werden nachfolgend kurz dargestellt. Die Definitionen orientieren sich an David Crystals Dictionary of Linguistics and Phonetics (=DLP).

2.1.1 ‚Standard(sprache)‘ oder ‚Standardvariante‘

Das zentrale Thema dieser Arbeit ist das Konzept der Dialektsprache und deren ‚Abstand‘ zum sprachlichen Standard. Dialekte an sich sind insofern relative Sprachgebilde, als dass sie in Relation zur Standardsprache einer Sprachgemeinschaft stehen. Unter ‚Standard‘, ‚Standardvariante‘ oder auch ‚Standardsprache‘ wird soziolinguistisch diejenige Varietät einer Sprache verstanden, deren Verwendung am meisten Prestige oder Anerkennung des Sprechers birgt. Es ist diejenige Variante[6] der Sprache, die überregional gesprochen und von allen Sprechern der Sprachgemeinschaft verstanden wird. Diese Norm wird beispielsweise in öffentlichen Medien verwendet oder um Nichtmuttersprachlern die Sprache beizubringen (vgl. DLP s.v. ‚standard‘, n.). Oft handelt es sich bei diesen Standards ursprünglich um eine Variante unter vielen, die sich letztendlich durchgesetzt hat.

2.1.2 ‚Varietät‘

In der Sprachwissenschaft ist mit ‚Varietät‘ gemeinhin eine einzelne Ausprägung einer Sprache gemeint, die abhängig ist vom beispielsweise regionalen oder sozialen Kontext der Sprechsituation. Zur Unterscheidung einzelner Varietäten wurden Anwendungsbereiche wie Dialektsprache, Sprachebene, verwendetes Medium oder fachlicher Kontext vorgeschlagen (vgl. DLP s.v. ‚variety‘, n.). Der Begriff ‚Varietät‘ bezieht sich in dieser Untersuchung lediglich auf den Anwendungsbereich ‚Dialekt‘, sodass darunter stets ein bestimmter Dialekt einer Sprache gemeint ist.

2.1.3 ‚Dialekt‘, ‚Idiolekt‘, ‚Regiolekt‘ und ‚Soziolekt‘

Demnach versteht man unter dem Begriff ‚Dialekt‘ eine der Standardsprache untergeordnete Ausprägung, die auf bestimmte geographische oder soziale Bereiche einer Sprachgemeinschaft begrenzt ist. Sie verfügt meist über eine spezielle grammatikalische Struktur, Lexik und Aussprache (= ‚Akzent‘), die sich mehr oder weniger stark vom Standard unterscheidet. Während sich Sprecher verschiedener Dialekte nicht notwendigerweise gegenseitig verstehen, verstehen doch alle Sprecher verschiedener Dialekte die ihnen gemeinsame Standardsprache (vgl. DLP s.v. ‚dialect‘, n.). In Abgrenzung dazu steht der sogenannte ‚Idiolekt‘, also der individuelle Dialekt eines Sprechers. Mehrere Idiolekte zusammen betrachtet ergeben wiederum einen Dialekt (vgl. DLP s.v. ‚idiolect‘, n.). In Abgrenzung dazu steht der sogenannte ‚Soziolekt‘, der aufgrund eines bestimmten sozialen Kontextes gesprochen wird. Analog dazu verhält sich ein ‚Regiolekt‘ (vgl. DLP s.v. ‚sociolect‘, n.). Das Suffix ‚-lekt‘ in diesen Begriffen beschreibt im Übrigen eine bestimmte Ansammlung linguistischer Phänomene, die in ihrer Gesamtheit innerhalb einer Sprachgemeinschaft eine bestimmte Funktion einnehmen. Die genauere Ausprägung oder Bedingung für derartige Phänomene werden durch die Präfixe (‚Sozio-‘ ‚Regio-‘ oder ‚Idio-‘) näher definiert (vgl. DLP, s.v. ‚lect‘, n.).

2.1.4 Ausgangs- und Zielsprache sowie Kunstdialekt

Auf dem Gebiet der Übersetzung ist mit ‚Zielsprache‘ hier und andernorts diejenige Sprache gemeint, in die das Original übersetzt wird. Die ‚Ausgangssprache‘ ist die Sprache, in der das Original verfasst wurde und aus welcher übersetzt wird.

Unter ‚Kunstdialekt‘ wird in dieser Arbeit ein neuartiger Dialekt der Zielsprache verstanden, den es bisher nicht gab und der für den Zweck dieser spezifischen Übersetzung auf Grundlage des zielsprachigen Standards sowie des ausgangssprachigen Dialektes entworfen wurde. Er hat außerhalb dieser Übersetzung keine Entstehungsgeschichte und keine Sprecher, weshalb er in keiner natürlichen Sprechsituation verwendet wird und daher ‚künstlich‘ ist.

2.1.5 ‚Scots‘ und lokale Ausprägungen

Das ‚Scots‘ umfasst eine Reihe von schottischen Dialekten, die hauptsächlich in den Lowlands, d.h. in Südschottland bis hin zur englischen Grenze sowie in und um Glasgow und Edinburgh gesprochen werden. Vereinzelt finden sich auch in den Highlands und auf den nördlichen Inseln noch Sprechergruppen, ebenfalls in Nordirland, wo der Dialekt im 17. Jahrhundert von schottischen Einwanderern etabliert wurde (vgl. CSD, IX-X). Es gibt derzeit keine offiziell einheitliche schriftliche Form des ‚Scots‘, jedoch hat es den Status einer Regionalsprache.[7] Beispiele für Dialekte des ‚Scots‘ sind das ‚Insular Scots‘, das ‚Northern Scots‘, das ‚Mid/Central Scots‘ und das ‚Southern Scots‘, die jeweils eigene Ausprägungen und Varianten haben (vgl. Kay 2006: 176-177). In der vorliegenden Arbeit wird unter ‚Scots‘ kein bestimmter dieser Dialekte verstanden. In Bezug auf den Roman Unspeakable bezieht sich der Begriff auf die dort von Dilys Rose verschriftlichte Version des historischen ‚Scots‘ in Edinburgh und Umgebung vor etwa 300 Jahren.

2.1.6 Scottish (Standard) English

‚Scottish (Standard) English‘ (ScE) wird oft unklar von den schottischen Dialekten abgegrenzt. Es stellt aber eigentlich eine der Amtssprachen Schottlands dar und ist selbst jedoch kein Dialekt, obwohl der Übergang von ‚Scottish English‘ zu ‚Scots‘ fließend ist. Görlach argumentiert, dass das ScE bereits ein ausreichendes sprachliches nationales Identifikationsmittel darstellt, das ohne die negative Konnotation des ‚Scots‘ als Dialekt auskommt[8], jedoch einiges an regionaler Spezifität eingebüßt hat (vgl. 2002: 1). Es unterscheidet sich im Vergleich zu dem Englisch, das in England gesprochen wird, vor allem durch seine Aussprache und durch eine an manchen Stellen veränderte Wortwahl.

2.2 Dialekt: Bedeutung und Forschungsstand

2.2.1 Weshalb Dialektsprache erhalten werden sollte

Warum sollte sich ein Übersetzer überhaupt die Mühe machen und den Versuch unternehmen, den Dialekt des Ausgangstextes zu berücksichtigen und adäquat zu übertragen? Wäre es nicht praktikabler, im Hinblick auf Aufwand und zur Verfügung stehender Zeit, den Sprechern ein Deutsch in den Mund zu legen, welches problemlos verständlich ist und den Leseprozess nicht behindert? Das Ergebnis wäre in den meisten Fällen eine Glättung des Originals, das den Figuren der Geschichte ihre individuelle Sprachpersönlichkeit abspricht und somit auch die soziale deiktische Dimension unterschlägt, die der Autor aus bestimmten Gründen so vorgesehen hat und die dazu beiträgt, dass die fiktionale Welt greifbarer und die Figuren glaubhafter werden. Hinzu kommt der implizierte Grundsatz übersetzter Werke: Bei der Wahl eines übersetzten Romans ist den Lesern meist klar, dass sich die Handlung in einer anderen Kultur abspielt, als der eigenen. Abgesehen davon, dass das Werk aufgrund des Schreibstils oder Ansehens des Autors gelesen wird, ist es auch die Fremdartigkeit der Szenerie, die zum Lesen anregt. Eine übermäßig einbürgernde Übersetzung spräche dem übertragenen Text also gerade diese Eigenschaft ab.

Ein weiteres Argument für die Erhaltung des fremden Elementes in Übersetzungen ist die steigende Tendenz der Marginalisierung von regionalen Dialekten, die im Zuge der fortschreitenden Globalisierung und der daraus resultierenden Dominanz der gängigen Verkehrssprachen wie dem ‚Standard English‘ laut einer Untersuchung der UNESCO Gefahr laufen, auszusterben[9] (vgl. Miglio 2011: 1-2). Zwar kann durch die übersetzerische Berücksichtigung solcher Eigenheiten der Ausgangsdialekt nicht direkt erhalten werden, jedoch zeigt dessen Beachtung durch eine (etwa dialektal) markierte Wiedergabe in der Zielsprache, dass Dialekte bzw. Regiolekte ein anerkennenswerter Teil der linguistischen Vielfalt sind, die es auch laut Artikel sechs zum Thema kultureller Vielfalt der UNESCO Universal Declaration on Cultural Diversity (Stenou 2002) zu erhalten gilt.

Im Fall von ‚Scots‘ wurde bereits andernorts festgestellt, dass es dem Streben nach einem proper English während der Aufklärung im 18. Jahrhundert seitens schottischer Philosophen wie David Hume zu einem Großteil aufgrund seiner weiteren Verwendung in der Literatur überstanden hat und dadurch nicht vollends vom Standard verdrängt wurde. Autoren wie Robert Burns, aus dessen Feder Auld Lang Syne (1788) und Poems chiefly in the Scottish dialect (1786) stammen, oder Sir Walter Scott, der die Dialoge in seinem Historienroman Waverley (1814) ebenfalls in ‚Scots‘ verfasste, hatten die Sympathie der Leserschaft dadurch auf ihrer Seite und trugen so dazu bei, dass das ‚Scots‘ diese kritische Phase im Hinblick auf die linguistische Diversität während der Aufklärung überstand.

Im weiteren literaturhistorischen Verlauf war ein wichtiges Kriterium für Dialektsprache in Prosawerken, dass sie auch überregional verständlich ist. Dies führte dazu, dass Autoren sich auf deren Verwendung in Dialogen und in kürzeren Texten beschränkten oder eine gut lesbare Version des Dialektes verwendeten. Aus diesem Grund sind auch Determinanten wie die sprachliche Kompetenz des Schriftstellers, Thema und Genre oder das Zielpublikum und die Art des Dialektes entscheidende Faktoren geworden, die über die Akzeptanz der Werke bei den Lesern bzw. auch über den Einsatz von Dialektsprache in der Literatur entscheiden. Versuche, das ‚Scots‘ auf andere Bereiche wie die Bibelübersetzung, die Spracherziehung, auf Geschichte oder Zeitschriften auszuweiten zeigen zwar, dass der Dialekt für den nicht-fiktionalen Einsatz ausgestattet ist – eine Akzeptanz im breiten Publikum allerdings blieb aus. Anders war die Reaktion auf Dramen, die Dialektsprache enthalten: Waren diese an ein regional begrenztes Zielpublikum gerichtet, fiel die Aufnahme positiver aus. Einen Sonderfall stellt der Einsatz in humoristischen Texten dar: In weniger formellen Kontexten wie Cartoons, Witzen oder musikalischen Stücken scheint die Akzeptanz von Dialektsprache in Schottland höher zu sein (vgl. Görlach 2002: 165-167).

Gut zweihundert Jahre nach der Aufklärung und dem Streben nach ‚Standard English‘ wird der schottische Akzent in BBC-Umfragen wieder als attraktiv und vertrauenswürdig eingeschätzt und das ‚Scots‘ ausdrücklich seitens des schottischen, englischen und europäischen Parlaments als eigenständige Sprache anerkannt, dessen Verwendung keinesfalls eine mangelnde Sprachkompetenz des Englischen darstellt (vgl. Kelly 2011: 7-8).

Die Beliebtheit von Romanen, die Dialekt enthalten, spiegelt sich auch auf der Website des Scottish Book Trust wieder, wo es Bücherlisten mit Empfehlungen für speziell in ‚Scots‘ (Barrie 2018) oder auch in ‚Gaelic‘ (The Gaelic Books Council 2018) verfasste Bücher gibt, die zum Stöbern einladen. Dilys Roses Unspeakable lässt sich also literaturgeschichtlich in Bezug auf die Verwendung von ‚Scots‘ in eine beachtliche Reihe von Werken einreihen, die dazu beitragen, dass dieser Dialekt weiterhin gelesen und dadurch vielleicht auch wieder verstärkt verwendet wird.

2.2.2 Strömungen in der Dialektübersetzung

Welche Möglichkeiten hat nun aber ein Übersetzer, wenn es um die Übertragung von Dialekten geht, die aus so viel mehr als nur den reinen Wörtern, Begriffen und Wendungen bestehen, die vom ausgangssprachlichen Standard abweichen? Wie geht man mit der Tatsache um, dass bei Dialekten auch kulturelle, historische, regionale und gesellschaftliche Konzepte und Bedeutungswelten mitschwingen, die nicht einfach so in die Zielsprache übertragen werden können, weil es diese Konzepte und Bedeutungen dort schlichtweg nicht gibt? Wie stellt man den sogenannten ‚Abstand‘, also den Grad der Abweichung zwischen Dialekt und Standard in der Ausgangssprache adäquat in der Zielsprache her?

2.2.2.1 Frühe Ansätze: Domestizierung

Ein als veraltet geltender Ansatz der früheren, präskriptiven Übersetzungsforscher der 1960er-Jahre wie etwa J. C. Catford ist die Übertragung in eine bereits vorhandene Varietät der Zielsprache. So war die gängige Methode, den Dialekt der Ausgangssprache in einen Dialekt der Zielsprache zu übertragen, der ähnliche Merkmale aufweist und somit formal dem Ursprünglichen entspricht. Beispielsweise wurden Varietäten, die geographisch im selben Teil des jeweiligen Landes verortet waren, dafür ausgewählt. Außerdem wurde berücksichtigt, welches Bild bzw. welche Stereotypen die Muttersprachler von den betreffenden Dialekten hatten. Britisches ‚Cockney‘, im Südosten von England beheimatet, könnte demnach ins französische ‚Parigot‘ übertragen werden - obwohl dieses eher im Norden Frankreichs angesiedelt ist, wird es ebenfalls als ein Großstadtdialekt empfunden und entspricht laut Catford somit dem Bild, das Muttersprachler von ‚Cockney‘ haben. Was historische Dialekte betrifft, so sei die absolute Übertragung weder örtlich noch zeitlich möglich. Es würde der Leserschaft zu viel zugemutet werden und zudem auch schwer, sie fachlich richtig zu erfassen. Stattdessen könne auf einige veraltete oder nur selten verwendete Elemente auf lexikalischer Ebene, auf eine veränderte Satzstruktur oder andere Stilmittel zurückgegriffen werden, um dem altertümlichen Charakter des Ausgangstextes teilweise gerecht zu werden (vgl. Catford 1965: 87-89).

2.2.2.2 Berezowski: Einteilung aller Strategien in 10 Kategorien

Komplementär dazu einzuordnen ist Berezowskis deskriptiver Forschungsansatz zur Dialektübersetzung aus den späten 1990er-Jahren. Ausgehend von der These, dass Übersetzungen per se niemals völlige Perfektion erreichen können, da es – vor allem aus der Perspektive der Übersetzer – immer Stellen geben wird, die man anders oder besser übertragen könnte, werden die verschiedenen Methoden der bisherigen praktischen Dialektübersetzung gesammelt, geordnet und kategorisiert. Nachdem Berezowski bereits zu Beginn seiner Ausführung erwähnt, dass es keinen vorgefertigten oder einheitlichen Prozess für das Übersetzen geben kann und die Theorie dieses Fachbereiches („(…) simply replace the source language (SL) dialect with a target language (TL) one (…)“, Berezowski 1997: 7) nicht mit der gängigen Praxis übereinstimmt, weil sie kaum verwendet wird, lassen sich aus seinen ausgewerteten Textbeispielen[10] zehn Methoden zur Dialektübersetzung ableiten, je nachdem wie groß die Anzahl der darin vorkommenden dialektalen Elemente war. Daraus folgert er nach genauerer Untersuchung der Textbeispiele, dass die Eigenschaften[11], wie auch die Art und das Genre des Textes in der Ausgangssprache die Übersetzer in der Wahl der Methode beeinflusst haben (vgl. Berezowski 1997: 90-91).

Insgesamt betrachtet verteilt sich die Wahl der Methode wie folgt: Durchschnittlich wurden etwas mehr als 60 Prozent der ursprünglichen Dialekteinheiten[12] des Ausgangstextes in der Übersetzung wiedergegeben. In den meisten Fällen gibt die Übersetzung die Sprache neutralisiert wieder (= Neutralization, s.u.). Außerdem ergab die Untersuchung, dass zwei kleinere Gruppen eine jeweils außerordentlich niedrige (x̄ = 0.2) und außerordentlich hohe (x̄ = 2.1) Menge an Dialekteinheiten im Vergleich zum Ausgangstext (x̄ = 1.0) enthielten. Die meisten Textbeispiele haben jedoch gezeigt, dass lediglich etwas mehr als die Hälfte an Dialektelementen erhalten blieb, nachranging auf welche Art und Weise dies realisiert wurde. Die extremen Werte haben aber auch deutlich gezeigt, dass die Möglichkeit besteht, Dialekte entweder gänzlich wegzulassen oder aber auch in einem deutlicheren Ausmaß wiederzugeben und so die Verwendung von Dialekt in der Übersetzung zu überzeichnen (vgl. Berezowski 1997:44).

Neben den verschiedenen Methoden berücksichtigt Berezowski zudem, dass die Verwendung von Dialektsprache in Übersetzungen auch immer durch die Form des Textes selbst beeinflusst wird.

Eine wesentliche Eigenschaft von Varietäten ist deren Beziehung zur Standardsprache, ohne die wiederum keine Abweichung in Form von Dialekten möglich wäre. Obwohl es sich bei dem landesweiten, allgemeingültigen Standard meist um die Varietät handelt, die sich durchgesetzt hat, so stehen die regionalen bzw. sozialen Abweichungen davon doch immer in Bezug dazu. Dialektsprache in Texten ist deshalb auch Bestandteil des relativen, deiktischen Referenzsystems. Die Bezugspunkte von Zeitpunkt, Ort und Kontext der Handlung oder auch der Beziehung von Figuren zueinander können durch die Beschaffenheit des Dialektes ausgedrückt werden: Stammt der Dialekt aus einer bestimmten Epoche? Wird er von einer bestimmten sozialen Gruppe gesprochen? Tritt er nur in einem bestimmten Teil des Landes auf? Als Referenzpunkt dieser örtlichen wie zeitlichen Deixis dient stets die Standardvariante einer Sprache. Auch aufgrund von intertextuellen Verbindungen können die oben genannten Merkmale, die außerhalb des sprachlichen Systems zu verorten sind, aufgrund der Lektüre anderer Texte oder vorheriger Erfahrungen[13] dem verwendeten Dialekt attribuiert werden (vgl. Berezowski 1997: 36-41). Beispielsweise würde die Aussage I dinna ken (‚Scots‘ für I don´t know) bereits ausdrücken, dass der Sprecher aus Schottland stammt und sich entweder in einem informellen Kontext befindet, in dem er vom Standard abweichen kann, oder aber situationsunabhängig ausschließlich Dialekt spricht. In beiden Fällen trägt also die Abweichung von der Standardvariante dazu bei, den Kontext bezüglich Informationen über die Figur oder die Situation zu bereichern; je länger der Textabschnitt ist, desto mehr erfährt der Leser über die deiktischen Dimensionen und somit auch über den Kontext der Handlung.

Dass die Übertragung von Dialektsprache von der Ausgangs- in die Zielsprache auch immer die Entwurzelung des deiktischen Referenzpunktes bedeutet, ist eine weitere Schwierigkeit, der sich der Übersetzer stellen muss. Es kommt also darauf an, wie der Übersetzer die (soziale) Deixis auffasst und übertragen will bzw. kann (vgl. Berezowski 1997: 47). Dass dies niemals in einer vollkommenen Übereinstimmung von Original und Übersetzung resultieren kann, ist allein schon aufgrund der Singularität eines jeden Sprachsystems gegeben, sodass die verschiedenen Aspekte eines Textes nicht gleichermaßen priorisiert und übertragen werden können: „Concentrating on one standard of textuality is therefore bound to wreak havock with the other one, putting any translator in a catch 22 situation“ (Berezowski 1997: 41). Entweder vermeidet man also die intertextuellen Referenzen in der Zielsprache und vernachlässigt einen oder mehrere Aspekte des Originaltextes, oder man unternimmt den Versuch, ein möglichst genaues Abbild zu erschaffen und läuft Gefahr, dass die Übersetzung unidiomatisch oder verfremdend wirkt.

Auf folgende zehn Methoden haben laut Berezowskis Untersuchung Übersetzer bei der Übertragung von Dialekt innerhalb der eigenen sowie von der Ausgangs- in die Zielsprache zurückgegriffen. Die nachfolgende Tabelle soll einen knappen Überblick über jede einzelne Methode geben (erläuternde Kommentare: MW, Beschreibungen aus dem Englischen von MW nach Berezowski).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Methoden der Dialektübersetzung nach Berezowksi (1997: 49-87).

2.2.2.3 Aktuell: Forderung nach kreativen Lösungen

Federico M. Federici regt in seinem 2011 erschienenen Sammelband zur Übersetzung von Dialekten und Minoritätensprachen Übersetzer an, besonders kreativ in ihrem Tun zu sein. Dies sei nötig, um innerhalb der vorgegebenen Begrenzungen durch den Ausgangstext, das Sprachsystem der Zielsprache und durch die Konventionen der Übersetzungswissenschaft sowie die des Buchmarktes in Gestalt von Verlagen, Lektoren, Literaturkritikern und Lesern zu einer Lösung zu gelangen, die vergleichbar ist mit dem Endprodukt eines kreativen Schreibprozesses:

In this perspective, as language artisans, translators acquire the same status as the author. (…) Literary and translational norms become directives for a constrained but original creativity, within which the artists must find their recognizable, stylistic voices (Federici 2011: 15).

Die darin enthaltenen zehn Aufsätze verfolgen unterschiedliche Ansätze, beschäftigen sich aber alle mit Dialekt- und Minoritätenübersetzung im Verhältnis zu Konventionen, Regeln und Traditionen. Sie zeigen, dass es besonders für diese Art der Übersetzung keinen präskriptiven Ansatz geben kann. So stetig, wie sich die Sprache selbst verändert, muss sich demnach auch die Übertragung der Sprache anpassen und kann von Fall zu Fall anders aussehen (vgl. ebd.: 14). Beispielsweise die Tendenz der Neutralisation von ins Türkische übersetzen Texten, um zunächst für ein kleines Zielpublikum gedachte Werke einer breiteren Leserschaft zur Verfügung zu stellen, wird vor dem Hintergrund der Grundsatzdebatte (einbürgernd oder verfremdend) diskutiert. Außerdem wird von Nadiani auf die Wichtigkeit der Übersetzung von Minderheitensprachen am Beispiel von ‚Romagnolo‘, einem italienischen Dialekt, hingewiesen. Er argumentiert, dass obgleich die Sprache bedroht ist, man dennoch über die Mittel verfügt, diese kreativ zu übertragen und dass dieses Vorhaben auf der Agenda von Übersetzern zu stehen habe, wenn Minderheitensprachen erhalten werden sollen. Des Weiteren wird am Beispiel von The Commitment (1988) und seinen beiden Übersetzungen ins Deutsche gezeigt, dass die Schimpfwörter, die so typisch für das im Original verwendete ‚Irish English‘ sind, im Deutschen jeweils stark geglättet und an die Standardsprache angepasst wurden. So wurde eine angeglichene umgangssprachliche Übersetzung gewählt, um eine bessere Integrität in den deutschen Buchmarkt zu gewährleisten (vgl. ebd.: 16-17). Federici betont deshalb in seinem Vorwort, dass Übersetzer von den „infinite combinatory possibilities of creatively rendering dialects with dialects, or sociolects with sociolects (…) to surprise and challenge readers” (ebd.: 16) Gebrauch machen sollen, um zu neuartigen, individuellen und kreativen Ansätzen zu gelangen.

2.2.2.4 Fazit und Positionierung des Kunstdialektes

Abschließend betrachtet fällt auf, dass es zwei extreme Ausprägungen im Bereich der Dialektübersetzung zu geben scheint: Entweder das der Neutralisierung bzw. teilweisen Tilgung oder das der einbürgernden Methode des zielsprachigen Dialektes bzw. der ersatzweisen Übertragung mittels anderer Marker.

Die Mehrheit aller englischen Textbeispiele bei Berezowski wurden im Polnischen neutralisiert wiedergeben, demnach wurde also meist auf die Standardsprache oder standardnahe Umgangssprache zurückgegriffen. Die Dialektmarker des Originals wurden in den meisten Fällen allenfalls partiell übersetzt. Federici zeigt weitere Fälle, wie etwa bei der Übersetzung ins Deutsche, bei denen Varietäten im englischen Original im Zieltext geglättet und umgangssprachlich übersetzt wurden.

B. E. Dimitrova, eine Sprachwissenschaftlerin und Übersetzerin an der Universität in Stockholm, kommt zu einem ähnlichen Schluss. Sie folgert, dass Übersetzungen vor allem dann normativer in der Zielsprache ausfallen, wenn sich der Dialekt im Originaltext sehr stark vom ausgangssprachlichen Standard unterscheidet. Sie stellt ebenfalls fest, dass Übersetzungen, die noch Kennzeichen einer bestimmten Varietät oder eines bestimmten Registers aufweisen, meist weniger dieser Marker aufweisen als der Originaltext. Außerdem führt sie an, dass Übersetzungen meist nur lexikalisch markiert sind, auch wenn im Originaltext phonologische, orthographische, morpho-syntaktische und lexikalische Marker einer Varietät enthalten sind (Dimitrova 2004: 127-128).

Catfords früher Ansatz, einen Dialekt aus der Zielsprache zu verwenden, erscheint dagegen schon fast exotisch, wären da nicht die Problematiken unerwünschter Assoziationen des Zielpublikums mit bereits existierenden, bekannten Dialekten, intertextuellen Referenzen oder der Verschiebung des deiktischen Referenzsystems.

Daraus ergibt sich eine Lücke, welche die vorliegende Arbeit zu schließen versucht. Obgleich die Schaffung eines Kunstdialektes auch Nebeneffekte mit sich bringt, soll erörtert werden, wie sich dieser im Vergleich zu den bisher hauptsächlich verwendeten Methoden verhält und ob diese Methode eine für Leser und Übersetzer gleichermaßen praktikable Lösung für die Herausforderung der Dialektübersetzung darstellt.

2.3 Konkrete Beispiele für Übersetzungsstrategien des ‚Scots‘

Bisherige Ansätze der Übertragung schottischer Dialektsprache ins Deutsche haben, wie zuvor bereits für die Dialektübersetzung im Allgemeinen festgestellt, ebenfalls meist zur Folge, dass diese im Zieltext kaum noch bis nicht mehr erkennbar ist. So fällt dem deutschen Leser bei der Lektüre der Übersetzung dann nicht mehr auf, dass im Original Dialekt(e) verwendeten wurden, da dieses Textmerkmal entweder ganz weggelassen, geglättet oder auf andere Art und Weise (vgl. Tabelle 1 im vorherigen Kapitel) wiedergegeben wurde. Überwiegend wird hier auf die Methode zurückgegriffen, aus dem Dialekt eine leichte Abweichung des Hochdeutschen zu machen, sodass infolgedessen die Übersetzung auf eine geographisch neutrale, umgangssprachliche Markierung hinausläuft. Dies ist zwar eine unproblematische Lösung für den Übersetzungsprozess, allerdings geschieht dies auf Kosten der sprachlichen wie kulturellen Vielfalt und der Bedeutung von Dialektsprache an sich. Im Folgenden soll anhand von zwei Beispielen schottischer Literatur aus den 1990er-Jahren aufgezeigt werden, was lost in translation in diesem Fall bedeutet.

2.3.1 Trainspotting

Einer der bekanntesten schottischen Romane der letzten Jahrzehnte ist Trainspotting von Irvine Welsh aus dem Jahr 1993. Die Geschichte spielt sich im Edinburgh der 1980er-Jahre ab und handelt von einer Clique drogenabhängiger junger Erwachsener und deren problematischen Alltag in der Junkie-Szene. Dementsprechend verwendet Welsh im gesamten Roman Jugend-Slang und Milieusprache. Zudem ist der Roman in signifikantem Ausmaß in schottisch-urbanem Dialekt verfasst und stellt damit bereits englischsprachige Leser, die mit dem Dialekt und dem Milieu nicht vertraut sind, vor Herausforderungen. 1996 erschien die Filmversion[14] (Deisinger 2017), die ihrerseits ebenfalls eine sprachliche Verständnisschwierigkeit mit sich brachte, da die Figuren dem Beispiel des Romans folgen und im englischen Original sehr eindringlich Slang und Dialekt gesprochen wird. Die deutsche Romanübersetzung von Peter Torberg aus dem Jahr 1999 (erschienen bei Goldmann) berücksichtigt zwar grundsätzlich die Abweichung der Sprache vom Standard im Original, gibt diese allerdings nicht als Dialekt wieder, sondern weist umgangssprachliche Markierungen auf, die regional nicht verortbar sind - ebenso wie die deutsche Synchronisation des Filmes. Im deutschen Text ist somit nicht mehr erkennbar, dass die Jugendlichen im englischen Trainspotting schottischen Dialekt sprechen, der regional in Edinburgh verortbar ist. Die regionale Einordnung geschieht im Deutschen lediglich über die geographischen Referenzpunkte im Text (z.B. „(…) leere Zimmer mit Blick auf die Links Gardens (…)“, Übersetzung: 24, kursive Hervorhebung MW) oder kulturelle Eigenheiten wie bestimmte Zeitschriften (Scottish Football Today, ebd.: 24, kursive Hervorhebung MW). Was allerdings beibehalten wurde, ist der Stil und das Register, in dem sich die Sprache bewegt. Torberg scheut sich nicht, ebenso auf Schimpfwörter zurückzugreifen, wie Welsh das getan hat. Aus „Fuck…“ (Originalausgabe: 16) wird im Deutschen „Scheiße…“ (Übersetzung: 25), was im Hinblick auf Verwendung und Häufigkeit im Deutschen vor allem heutzutage dem Original ziemlich nahekommt. Aus „[s]ome auld cunt“ (Original: 17) macht Torberg „[e]ine alte Schachtel“ (Übersetzung: 27), was dennoch deutlich milder ausfällt, als die englische Vorlage. Ansonsten wirkt die Sprache insgesamt nicht so unmittelbar, provokant und milieuhaft, wie die Vorlage – zu berücksichtigen ist an dieser Stelle aber auch, dass die Übersetzung vor knapp zwanzig Jahren erschienen ist und damals eventuell eine andere Wirkung auf den Leser hatte, als dies heute der Fall ist. Die nachfolgende Tabelle soll das bisher Festgestellte anhand von vier kurzen Stellen zu Beginn des Romans verdeutlichen. („Übersetzung“ des Originaltextes ins Englische sowie Kommentar: MW.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Trainspotting, deutsche Übersetzung (Hervorhebungen hinzugefügt).

2.3.2 Outlander

Das zweite Beispiel für die Übersetzung von ‚Scots‘ ins Deutsche ist Diana Gabaldons erster Band der Historien- bzw. Liebesromanreihe Outlander, welcher im Englischen unter dem gleichnamigen Titel erstmals 1992 bei Bantam Dell erschienen ist. Die Handlung findet in zwei verschiedenen Epochen statt, da es sich um die Geschichte einer Zeitreisenden handelt. Teile der Erzählung spielen im Schottland der 1940er-Jahre, nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Der hauptsächliche Erzählstrang katapultiert den Leser jedoch in die Zeit der Jakobiter-Aufstände gegen die englische Regierung, die dort etwa zweihundert Jahre zuvor stattgefunden haben. Gabaldon lässt ihre schottischen Charaktere in einer sehr milden Form des ‚Scots‘ sprechen (das eher ScE zu sein scheint), um den Gegensatz zwischen Schottland und England als Nationen sowie den zeitlichen Unterschied der beiden Situationen darzustellen, hauptsächlich aber um die Gegensätzlichkeit der männlichen (Jamie, ein per Haftbefehl gesuchter Schotte) und der weiblichen (Claire, eine gut situierte englische Kriegskrankenschwester) Hauptfigur zu unterstreichen.

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit das generische Maskulin verwendet.

[2] „ […] I discovered after reading and reading about his case […] that the facts gave very little sense of what kind of person Thomas was. […] I decided that he had to be naturally curious, a blabbermouth, and perhaps a bit of a show-off as well. […]” (Rose im Interview; Crawford 2017).

[3] Es gibt eigene Grammatiken und Wörterbücher für das ‚Scots‘, jedoch ist keines der Werke als allumfassend anzusehen, da es je nach Region, Sprecher und sozialer Schicht verschiedene Ausprägungen gibt, u.a. in Dundee, Glasgow, den Borderlands oder auf den Shetland-Inseln, abhängig von den jeweiligen Einflüssen wie dem Französischen, Lateinischen, Gälischen, Dänischen, Flämischen, dem Old Norse oder dem Northern Middle English (vgl. Robinson 2012: 7).

[4] Vermutlich wurde das Stück von der Kurzgeschichte Portugal 5, Scotland 0 angeregt (Robertson: 1993).

[5] Eine Einführung zu dem Stück I Am Thomas ist auf der Website von Told by an Idiot zu finden (https://www.toldbyanidiot.org/media-page/).

[6] Variante ist hier nicht im linguistischen Sinn gemeint, sondern steht eher synonym für ‚Möglichkeit‘, ohne hierarchisch oder wertend gemeint zu sein.

[7] Ob das ‚Scots‘ ein Dialekt ist, oder ob es sich um eine Sprache handelt, ist noch immer nicht abschließend geklärt (Scottish Government 2018).

[8] Dialektsprache unterliegt oft dem Vorurteil, dass deren Sprecher zwar sympathisch, allerdings auch weniger gebildet seien als Sprecher des Standards einer Sprache; dies trifft auch auf das ‚Scots‘ im Vergleich zu ScE [oder auch dem ‚Standard English‘] zu. (vgl. Görlach 2002: 1).

[9] ‚Scots’ stand 1999 auf Platz zwei der „ potentially endangered languages“ im Red Book On Endangered Languages der UNESCO (Salminen 1999) und gilt laut einem Zensus von 2011 im Atlas of the World´s languages in danger der UNESCO als „ vulnerable “ (Moseley 2010).

[10] Berezowski analysiert die Dialektübersetzung englischer Varietäten ins Polnische anhand von 58 Beispielen im Zeitraum von 1885 bis 1994.

[11] Etwa sozialer Status der Figur, sprechen die Figuren den gleichen oder unterschiedliche Dialekte, Alter der Leser, Leseranrede, Verwendung von Diminutiven oder Umgangssprache, Wortwahl, Vertrautheit der Leser mit der sozialen Schicht der Figur, Kenntnis des Dialektes seitens der Leser, Art des Dialektes oder Akzentes der Zielsprache, Textform, etc. (vgl. Berezowski 1997: 90-91).

[12] Die Arten von Dialekteinheiten waren aufgeteilt in phonetisch/phonologisch; morphologisch; lexikalisch und syntaktisch.

[13] Deshalb ist die Leseerfahrung stets subjektiv; die vorherige Exposition des Lesers zu beispielsweise Sprechern des verwendeten Dialektes trägt entscheidend zum persönlichen Verständnis des Textes bei. Auch aus diesem Grund ist die Übersetzungsarbeit immer an die Person des Übersetzers gebunden, weshalb es nicht ,die eine perfekte Übersetzung‘ geben kann.

[14] Der deutsche Filmtitel lautete Trainspotting. Neue Helden.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Erstübersetzung von Unspeakable von Dilys Rose (2017) aus dem Englischen ins Deutsche
Untertitel
Kunstdialekt als Methode der Dialektübersetzung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Englische Philologie)
Veranstaltung
Abschlussmodul
Note
1,00
Autor
Jahr
2018
Seiten
87
Katalognummer
V442415
ISBN (eBook)
9783668810587
ISBN (Buch)
9783668810594
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dialektübersetzung, Schottischer Dialekt, Scots, Englisch, Übersetzung, Literaturübersetzung, Schottland, Unspeakable, Dilys Rose, Historienroman, Anglistik, English, Translation, Dialect, Literary Translation, Romanübersetzung, Vokaltrapez, Lautverschiebung, Kunstdialekt, Konzept, Geschichte
Arbeit zitieren
Cand. M.A. Marlene Weber (Autor:in), 2018, Erstübersetzung von Unspeakable von Dilys Rose (2017) aus dem Englischen ins Deutsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442415

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