Die Geschichte des Schützenvereins Düsseldorf-Heerdt


Livre Spécialisé, 2018

78 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Erster Teil: Die Geschichte des Vereins von 1910 bis

I. Der Heerdter Schützenverein im Kaiserreich

II. Der Heerdter Schützenverein in der Weimarer Republik

III. Der Schützenverein im Dritten Reich

IV. Der Heerdter Schützenverein vom Ende des II. Weltkriegs bis heute
1.: Erste Amtszeit Michael Bahners
2.: Amtszeit Willy Scharfschwerdt
3.: Zweite Amtszeit Michael Bahners
4.: Amtszeit Helmut Wolf
5.: Amtszeit Simon Mellmer
6.: Amtszeit Heinz-Dieter Werner

Zweiter Teil: Neue Studien zur Heerdter Vereinsgeschichte

I. Vom Artillerie- zum Bürgerverein

II. Nachtrag zur Geschichte des Schützenvereins

Der St. Sebastianus Schützenverein Düsseldorf-Heerdt

Erster Teil: Die Geschichte des Vereins von 1910 bis 2016

Obwohl sich der Heerdter Schützenverein auf eine mehr als 440 Jahre alte Tradition beruft, gibt es keine zusammenfassende Darstellung seiner Geschichte. Zwar sind die Anfänge des Vereins gut dokumentierti, aber eine Monographie über das Heerdter Schützenwesen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute fehltii. In der vom Großen Düsseldorfer Schützenverein herausgegebenen Zeitschrift, die seit 1979 „Der Schlossturm“ heißt, wird man zum Thema Heerdt nicht fündigiii ; und die seit 1993 vom Heerdter Schützenverein jährlich publizierte Schrift „Wir in Heerdt“ ist zweifellos ein wichtiges und lobenswertes Presseorgan; es ist aber weniger ein Spiegelbild der Geschichte des ganzen Vereins als vor allem seiner einzelnen Gesellschaften (Kompanien).

Das Fehlen einer neueren Abhandlung über den Heerdter Schützenverein ist umso erstaunlicher, als man von einer hervorragenden Quellenlage ausgehen kann. Insofern stellt der vorliegende Beitrag einen ersten Versuch dar, Kontinuitäten und Brüche im Vereinsleben der letzten 100 Jahre herauszuarbeiten. Dabei wird sich der Verfasser nahezu ausschließlich auf die vom Vereinsvorstand abgefassten und archivierten Protokolle und Berichte stützen und alle anderen möglichen – und sicherlich wichtigen! – Quellen wie die verschiedenen Fassungen der Satzungiv, die Geschäftspost des Vereins, die Kassenberichte, die entsprechenden Unterlagen der einzelnen Gesellschaftenv und einzelner Mitglieder, die Presseveröffentlichungen einschließlich der vielen tausend Fotos, die im Verein und bei den Heerdter Bürgern seit Generationen existieren, nur ausnahmsweise heranziehen. Hinzu kämen Hunderte von mündlichen Berichten der direkt Beteiligten und der „Augenzeugen“ (oral history), aber auch Erzählungen aus zweiter Hand („Der Opa hat früher erzählt,…“). Die im Zusammenhang mit der Publikation dieses Beitrags im siebten Band der Reihe „Heerdt im Wandel der Zeit“ abgedruckten bildlichen und literarischen Darstellungen haben hier keinen Quellenwert, sondern rein illustrativen Charakter. Der Verfasser will damit noch einmal seine materialbezogenen Grenzen abstecken und zugleich dazu ermuntern, die „eigentliche“ große Geschichte des St.- Sebastianus-Schützen-vereins Düsseldorf-Heerdt 1573 e.V. zu schreiben.

Blättert man das erste Protokollbuch durch, das mit der Niederschrift über die Generalversammlung (GV) vom 28.7.1910 beginnt, so ist man erstaunt festzustellen, in wie vielen Heerdter Familien die aktive Mitgliedschaft im Schützenverein über mehrere Generationen eine Selbstverständlichkeit istvi. Dies sei nur ein (erstes) Beispiel für die oben erwähnten „Kontinuitäten“. Die in demselben Zusammenhang genannten „Brüche“ ergeben sich wie von alleine, und zwar durch die beiden Weltkriege. Insofern teilt der Heerdter Schützenverein nicht nur das Schicksal aller anderen Vereine – also z.B. auch der Heimat- und Bürgervereine und der Karnevalsvereine - , sondern ist wie sie eng verbunden mit dem Verlauf der neueren deutschen Geschichte, die – wie noch zu zeigen sein wird – sich mehr oder weniger deutlich in den schriftlich festgehaltenen Aktivitäten einzelner Schützen wie vor allem auch des Vereins und seines Vorstandes widerspiegelt.

Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte müssen nicht unbedingt identisch sein mit dem, was das Bewusstsein der Zeitgenossen bzw. der Nachgeborenen als historischen Ablauf von Epochen aufgenommen und verarbeitet hat. Während man nach 1945 in Deutschland allgemein von der so genannten „Stunde null“ sprach und damit zum Ausdruck brachte, dass man wieder da einsetzen wollte, wo spätestens 1933 die demokratische Tradition aufgehört hatte, um – wie man meinte – die unseligen 12 Jahre des Dritten Reiches auszulöschen, sahen sich die meisten Vereine sowohl nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg in einer ungebrochenen Kontinuität, wie z.B. die für 1924 geplante 60-Jahr-Feier oder die vielen Verleihungen von Ehrennadeln für eine langjährige Mitgliedschaft im Heerdter Schützenverein zeigen: Dabei wurden die Jahre vom Eintritt in den Verein bis zur jeweiligen Würdigung durchgezählt, unabhängig davon, ob zwischenzeitlich wegen des Krieges das aktive Schützenwesen für mehrere Jahre geruht hatte. Nicht nur die deutsche Geschichte hat gezeigt, dass in der Praxis weder die reine Kontinuitäts- noch die reine Diskontinuitätstheorie für die Bildung eines historisch-politischen Bewusstseins anwendbar ist.

Die hier als Quelle zugrunde gelegten Protokolle und Berichte des Heerdter Schützenvereins befinden sich in vier Protokollbüchern, die jeweils 275, 279, 332 und – bis Ende 2007 – rund 200 Seiten umfassen, also insgesamt 1086 Seiten. Der erste Band beinhaltet 250 Protokolle über den Zeitraum 28.7.1910 bis 2.11.1953, der zweite 270 Protokolle (28.11.1953 bis 6.10.1986), der dritte 100 Protokolle (19.11.1986 bis 14.10.1998) und der vierte 67 Protokolle und Berichte (einschließlich einiger Anträge) für den Zeitraum 21.10.1998 bis 4.11.2007. Insgesamt liegen damit 687 Einzeldokumente vor, die wohl eine Aussage über den Heerdter Schützenverein in den letzten 100 Jahren erlauben. Obwohl dieser Verein im Jahre 1864 wieder gegründet wurdevii, gibt es anscheinend für die ersten 46 Jahre keine Protokolle; das erste Protokollbuch verzeichnet lediglich für jedes Jahr – mit 1864 beginnend – den Namen des jeweiligen Schützenkönigs und seiner Gesellschaft. Es wird noch zu zeigen sein, dass der Verein sich noch 1914 und 1924 mit der 50- bzw. 60-Jahr-Feier auf dieses (Wieder-)Gründungsdatum beruft. Erst 1937 sollte dies anders werden….

Bevor im Folgenden die Geschichte des Vereins – nach historischen Epochen bzw. nach Amtsperioden der ersten Vorsitzenden gegliedert – aufgezeichnet wird, soll der Vollständigkeit halber noch nachgetragen werden, dass – wie oben erwähnt – nicht nur die Protokolle von Vorstandssitzungen und Generalversammlungen bis 1910 fehlen, sondern dass es noch zwei weitere Aussparungen gibt: Es gibt keine Niederschriften für den Zeitraum vom 19. Juli 1914 bis zum 28. Mai 1920 und vom 1. Februar 1937 bis Juli 1946, obwohl es sowohl 1914 wie auch 1937, 1938 und 1939 ein Heerdter Schützenfest gab: Zumindest werden im ersten Protokollbuch für diese Jahre die Namen der Schützenkönige verzeichnet.

I. Der Heerdter Schützenverein im Kaiserreich

Das erste Protokollbuch beginnt wie folgt: „Angelegt am 23. Juli 1910.“ Dann werden die Mitglieder des damaligen Vorstands genannt: „Präsident: Jacob Goebels, Stellvertreter: Josef Schäfer, Schriftführer: Jacob Hummelsbeck, Stellvertreter: Heinrich Lütz, Kassierer: Johann Röthlin, Stellvertreter: Ludwig Osterland“. Für die Jahre 1910 bis 1914 verzeichnet das Protokoll insgesamt 19 GV, 5 Vorstandssitzungen (VS) und zwei so genannte „Vorversammlungen“. In der Regel tagte man bei Carl Bössen („Zu den drei Füchsen“, Krefelderstr. 81), einmal bei Heinrich Mäschig („Zur Trompete“, Heerdter Landstr. 59), einmal bei Jacob Mäschig (Cölnerstr. 162, später Pariser Straße), einmal bei Küppers („Wetzelhof“). Häufig fehlt aber die Nennung des Tagungsortes. Neben den üblichen Formalitäten geben die Protokolle besondere Aktivitäten wie die Planung eines Familienfestes für Schützen am Weihnachtstag wieder. Dabei sollen die neuen Mitglieder vorgestellt werden. Die entsprechende GV endet mit einem Appell an die anwesenden Schützen, Vorbild zu sein an „Bürger- und Gemeinsinn“. Im Jahre 1911 diskutierte man die Frage, ob überhaupt ein Schützenfest stattfinden soll. Nach einer positiven Entscheidung werden die Vereinsmitglieder vom Vorsitzenden ermuntert, die Heerdter Bevölkerung und Geschäftsleute für das Fest einzubinden.

Ab 1912 hat man es verstärkt mit der Problematik des Kugelfangs am Schiessstand und mit der Frage zu tun, wo dieser errichtet werden soll. Ein Teil des Grundstücks von Carl Bössen könnte dafür zu einer jährlichen Miete von drei Mark (!) gepachtet werden. Außerdem wird vom Ökonomierat Reinarz ein Grundstück an der Ecke Krefelder-/Benediktusstraße zum Aufstellen von Karussells und Buden für das Schützenfest zur Verfügung gestellt. Wegen der großen Kosten soll es 1912 am Kirmessonntag keinen Zapfenstreich geben. Der Kirmesmontag wird als ein mangelhafter Tag für Einnahmen angesehen. Die Diskussion um den Kugelfang geht weiter: Er soll beim Schützenlokal, d.h. bei Bössen („Zu den drei Füchsen“), angebracht werden. Wenig später ist ein diesbezüglicher Vertrag zwischen dem Verein und Carl Bössen unter Dach und Fach. Insofern werden die Handwerker unter den Schützenmitgliedern aufgefordert, Angebote für den Bau des Kugelfangs einzureichen. Zwei Monate später wird auf einer GV mitgeteilt, dass dieser 1.768 Mark gekostet habe. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Schützen seinerzeit noch kein für die Festtage aufgestelltes, angemietetes Zelt hatten, sondern in einem Heerdter Lokal feierten, das – laut Satzung - von der GV jährlich zu bestimmen war. Von Interesse ist noch, dass der amtierende Oberst von der GV (und nicht vom Vorstand!) wieder gewählt wurde. Dieses Wahlverfahren muss irgendwann einmal in Vergessenheit geraten sein, denn sonst würde man am 2.11.2003 nicht den Antrag stellen, den Oberst (wieder) von der Basis wählen zu lassen.

Die Versammlungen des Jahres 1914 stehen ganz im Zeichen der Vorbereitung der 50-Jahr-Feier, die im Rahmen des Schützenfestes stattfinden soll. Auf zwei „Vorversammlungen“ im Mai des Jahres wird geklärt, „welche Korporationen sich als Kompanie dem Schützenverein“ anschließen. Der Arbeiterverein und die Jägerlust sagen spontan zu; die Sanitätskolonnen schließen sich an, während der Vertreter des Kriegervereins dessen Beteiligung von einer finanziellen Zuwendung durch den Schützenverein abhängig macht. In dichter zeitlicher Abfolge klären weitere Versammlungen, dass die „Edelknaben“ (also die Pagen) rechtzeitig für das Schützenfest angemeldet werden müssen. Beim Fackelzug sollen die Fackeln die Aufschrift „1864-1914 Schützenverein“ tagen; und das Hochamt für die Lebenden und Verstorbenen des Vereins soll am Kirmessonntag um 10 Uhr stattfinden. Es wird über den „Königssold“ und über die zu verpflichtenden Musikkapellen diskutiert: Das Tambourcorps – nicht zu verwechseln mit dem 1922 gegründeten! – und Kapellen aus Rheinberg, Uerdingen und Düsseldorf werden aufgefordert, entsprechende Angebote abzugeben. Aus ungenannten Gründen sagt der Männergesangverein Heerdt seine Jubiläumsteilnahme ab; und die Mitglieder der Sanitätskolonnen, die zugleich Schützen sind, gehen bei ihren Kompanien mit. Eine goldene „50“ mit grüner Schleife – als Abzeichen zu tragen – wird eigens angeschafft. Bestimmten Persönlichkeiten wird die Ehrenmitgliedschaft angetragen. Dazu zählen u.a. Pfarrer und Kaplan, der Kommissar, Direktor Reinarz, die praktischen Ärzte Dr. Schmitz und Dr. Hesemann sowie der Vorsitzende des Männergesangvereins und 1910 in den Rat der Stadt Düsseldorf gewählte Benedikt Bahnersviii. Die letzten beiden Protokolle aus der Kaiserzeit halten die diversen Beschlüsse hinsichtlich der Beteiligung der Musikkapellen und der „Korporationen“ fest. Neben der Fahnen-erneuerung steht auch die Beleuchtung des Rathauses auf dem Festprogramm. Um dieses publik zu machen, erhalten die Firmen Mühlenbach und Hüren entsprechende Druckaufträge. Mit der Verabschiedung der Festordnung für den 26. Juli 1914 und der Wiederwahl von Oberst Lettgen endet die letzte GV (18.7.1914) vor dem Ersten Weltkrieg. Dass das Schützen- und Jubiläumsfest stattgefunden und Julius Böck den Vogel abgeschossen hat, ist hier nicht mehr verzeichnet.

II. Der Heerdter Schützenverein in der Weimarer Republik

Im Mai 1920 konstituiert sich ein „Vorläufiger Vorstand“, der zu der Erkenntnis kommt, dass die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse noch kein Schützenfest erlauben. Mehr als ein Jahr später beschließt die erste GV nach dem Krieg das Programm für die Schützentage vom 21. bis zum 23. August 1921, die in einem bescheidenen Rahmen begangen werden sollen: Es wird im Lokal Holthausen („Zu den drei Füchsen“) gefeiert werden. Jedoch müssen die Besatzungsbehörden, die aufgrund des Versailler Vertrages von 1919 die Siegermächte vertraten, noch zustimmen. Die grundsätzliche Frage, ob der Schützenkönig von 1914 noch im Amt sei, bleibt offen. Hoffnungsvoll kann man an die Festvorbereitungen gehen, werden doch am 6.8.1921 noch 29 neue Mitglieder gemeldet; eine Woche später kommen weitere 11 dazu. Nachdem der „Ehrensold“ auf 600 Mark festgesetzt – von denen der Wirt Holthausen 250 Mark spendet – und die Frage nach dem Eintritts- und Tanzgeld geklärt wurden, kann das erste Schützenfest nach dem Krieg starten.

Die Herbstversammlung der Schützen 1921 beschäftigt sich naturgemäß mit dem Rückblick auf das erste Nachkriegsschützenfest, beschließt aber auch die – wohl aufgrund der veränderten politischen Verhältnisse – notwendig gewordene Ausarbeitung neuer Statuten, die zwei Monate später von der GV angenommen und anschließend dem Düsseldorfer Oberbürgermeister „zur Genehmigung“ vorgelegt werden. Darin wird für die Mitglieder vorgeschrieben, dass sie „Reichsdeutsche“ zu sein haben, eine - übrigens auf der GV vom 25.7.1925 annullierte - Bestimmung, die der Verfasser in dieser oder ähnlicher Form in der grundlegenden Arbeit von Plett, der mehr als 650 Schützenvereine untersucht, nicht wieder gefunden hat. Als weitere Aufgabe stellen sich dem Verein die Klärung der leidigen Kugelfang-Frageix und die Verabschiedung einer Schießordnung. Das erste Problem beschäftigt die Schützen bis Mitte des Jahres 1924, während das zweite schnell gelöst wurde. Aufgrund der Tatsache, dass sich die GV seinerzeit häuften – heute findet in der Regel jährlich nur eine einzige statt -, kam es nicht selten zu einer mangelhaften Beteiligung der aktiven Schützen, so dass dann die erst bei einer Anwesenheit von einem Drittel der aktiven Mitglieder gegebene Beschlussfähigkeit fraglich war. Diese Bestimmung lässt sich direkt aus der Satzung von 1921 (im Übrigen auch aus den Satzungen von 1905 und von 1934), aber auch aus dem Protokoll vom 29.8.1925 entnehmen. So waren z.B. am 29.10.1921 nur 15 Mitglieder anwesend, am 20.7.1924 nur 16, am 27.7.1924 nur 15, am 4.7.1925 nur 21 und am 12.7.1925 immerhin 28. Obwohl am 1.7.1922 in der GV 37 Schützen gezählt wurden, wurde die Beschlussunfähigkeit explizit festgestellt. Auf der anderen Seite scheint man es mit dieser Erkenntnis doch nicht so genau genommen zu haben: Auf die Frage, ob 1922 ein Schützenfest abgehalten werden soll, gibt es ein einstimmiges „Ja“ (einer an sich beschlussunfähigen Versammlung).

Die folgenden Sitzungen dienen hauptsächlich der Vorbereitung des Festes. Das Angebot des Wirtes Holthausen, dafür 15.000 Mark zu spenden, darf den heutigen Leser nicht in Erstaunen versetzen: Wir sind bereits in der Zeit der Inflation, die im Herbst 1923 ihren Höhepunkt erreichte, als der Wert eines Vermögens von 100.000 Mark (Stand 1914!) auf null Mark zusammengeschmolzen warx. Dann erscheinen auch die „Ehrengabe“ für den Schützenkönig – „mindestens 6.000 Mark“ – und der Mitgliedsbeitrag – 40 Mark p.a. für die Aktiven, 150 Mark für die passive Mitgliedschaft – in einem anderen Licht.

Neben der Inflation erschüttert das große Krisenjahr 1923 u.a. aufgrund des so genannten „Ruhrkampfes“ und des Hitler-Putsches die auf schwachen Füßen stehende Republik, so dass der Vorstand des Schützenvereins für 1923 kein Schützenfest einplant. Die beginnende Konsolidierung von Staat und Gesellschaft ermöglicht erst für 1924, in Heerdt ein Schützenfest zu beschließen und vorzubereiten (GV vom 13.7.1924). Obwohl auf der VS vom 15.7.1924 das Schützenfest-Programm vorgestellt wird, beschließen auf der GV vom 27.7.1924 – die sieben Tage zurückliegende GV hatte sich als beschlussunfähig erwiesen – die 15 anwesenden Mitglieder, mangels Interesse kein Schützenfest abzuhalten. Trotzdem soll auf der Benediktusstraße eine Kirmes stattfinden, falls die Stadt Düsseldorf dem bereits eingereichten Antrag des Vorstands zustimmt. Weiteres wird darüber nicht geschrieben. Das einstimmige „Ja“ der GV vom 4.7.1925 zum diesjährigen Schützenfest spornt alle Beteiligten an, so dass gut eine Woche später bei der Frage nach der Ist-Stärke der Kompanien der Landsturm 70 (!) Mitglieder, die Zweiten Grenadiere 13, die Sanitätskolonne 30 und der Lotterieverein 12 Mitglieder nennen konnten. Die Vorstandswahl ergab: Schäfer (1. Chef), Lütz (2. Chef), Fischges (1. Schriftführer), Wittbusch (1. Kassierer). Am 29.7.1925 wird die Bildung eines „Ehren-ausschusses“ vom Verein beschlossen, ohne dass dessen Funktion näher beschrieben wird.

Zum Jahr 1925 ist noch zu berichten, dass am 10. November der Oberst des Vereins wegen „zu scharfer militärischer Kommandos“ beim Schützenfest vom belgischen Kriegsgericht in Aachen zu einer Geldstrafe von 100 Mark und zum Tragen der Verfahrenskosten verurteilt wurde. Erfreulicher ist dann schon, dass der Vorstand am 18.7.1925 beschließt, die 60-Jahr-Feier des Vereins, die wegen des Ausfalls des Schützenfestes 1924 noch nicht stattgefunden hatte, nachzuholen. Eine sog. Allgemeine Vereins-Delegierten-Versammlung beschäftigt sich am 6.12.1925 mit der Frage, in welcher Weise der Schützenverein auf die Tatsache, dass der ehemalige Bürgermeister Nikolaus Knoppxi sein 25jähriges Dienstjubiläum feiert – er war am 4.1.1901 als Bürgermeister von Heerdt eingeführt worden, das bekanntlich zum 1.4.1909 nach Düsseldorf eingemeindet wurde und daher keinen eigenen Bürgermeister mehr hatte –, reagiert und wie er sich an den Feierlichkeiten beteiligt. Außerdem beschließt diese allgemeine Versammlung diverser Vereine die Beteiligung an der so genannten „Befreiungsfeier“xii. Die „Befreiung“ bezieht sich auf die Räumung der ersten Zone (von insgesamt drei) des von den Alliierten besetzten linken Ufers des Rheins (einschließlich der Brückenköpfe Köln, Mainz und Koblenz), wozu auch der linksrheinische Teil der Stadt Düsseldorf gehörtexiii. Die im Zusammenhang mit dem so genannten „Ruhrkampf“ besetzten „Sanktionsstädte“ Duisburg, Ruhrort und Düsseldorf waren schon im Sommer 1925 freigeworden.

Der Heerdter Schützenverein hatte bereits 1921 die Beteiligung an den Heerdter Martinszügen zugesagt. Jetzt, im Jahre 1926, geht es um die Ehrung der Toten des Krieges auf dem Heerdter Friedhof und um die Planung eines Kriegerdenkmals, an dessen Finanzierung sich der Verein beteiligen will. Andererseits befürchtete man, dass das Schützenfest von 1926 mit einem finanziellen „Fiasko“ endet. Dann seien „sämtliche Kompanien verpflichtet, prozentual beizusteuern, damit der Schaden bzw. die Unkosten gedeckt werden.“ Unter dem 22.4.1926 wird die Gründung der Fidelen Schützen und ihr Beitritt zum Verein mitgeteilt. Die GV vom 3.10.1926 in der Wirtschaft von Fräulein Louise Daniels (Krefelderstr. 3) beschließt die Beteiligung der Heerdter am Gesolei-Schützenfestxiv. Da die GV vom 5.12.1926 nicht beschlussfähig ist, legt man eine kurze Pause ein und eröffnet danach eine neue GV, deren Beschlussfähigkeit implizit vorausgesetzt wird. Der Wortlaut der Satzung von 1921 lässt dies wohl zu, aber dieses Verfahren dürfte nicht dem beabsichtigten Sinn der Vorschrift entsprechen. Eine Beteiligung der Schützen bei der Einweihung der Notkirche am Handweiser wird es nicht geben, weil diese Feier zu spät bekannt gegeben worden sei. Das Titularfest und die Ehrung der Gefallenen sollen im Februar 1927 stattfinden. Schließlich werden noch die neuen Jahresbeiträge festgesetzt: Jedes Mitglied zahlt jährlich sechs Mark; der passive Beitrag beträgt 12 Mark. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage gab es ab 5.7.1930 für die Aktiven eine Beitragsreduzierung um zwei auf jährlich vier Mark.

Im Jahre 1929 erfährt man zum ersten Mal etwas von einem für den 19.10. des Jahres geplanten Festball zu Ehren des „Jungkönigs“; und das Preisschießen soll am 29.9. bei Schalljo („Fischerhaus“, Rheinstr. 78, später Am Hochofen) stattfinden. In Köln wird im Herbst des Jahres ein Delegiertentag der Schützen des Rheinlands und Westfalens abgehalten: Heerdt wird dort durch die Herren Jung – inzwischen erster Vorsitzender – und Barth vertreten sein. Ein wichtiges Datum ist sicherlich der 21.9.1929, weil der Vorstand beschließt, an den Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf wegen der Anmietung eines Grundstücks an der Pariserstraße als Schützenplatz heranzutreten. Dieses Thema wird die Schützen noch viele Jahre beschäftigen. In einer Aussprache mit den hiesigen Martinszug-Vertretern wird festgehalten, dass sich die Schützen am Martinszug beteiligen werden. Unter dem 26.11.1929 findet sich im ersten Protokollbuch ein Bericht über den „Jung-König-Krönungsball“, der in der Wirtschaft Daniels stattgefunden hat und der wohl zu aller Zufriedenheit abgelaufen ist. Stolz wird gemeldet, dass zehn Kompanien teilgenommen haben und dass dies das erste Fest dieser Art gewesen sei. Im Januar 1930 beschließt der Vorstand die Feier des Titularfestes. Außerdem kann er den erfolgreichen Abschluss des Vertrages mit der Stadt Düsseldorf über die Anmietung des Schützenplatzes melden.

Trotz der durch den berühmten „Schwarzen Freitag“ im Herbst 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise wird man 1930 das Schützenfest feiern. Aber der Eintrittspreis zum Krönungsball und das Schussgeld müssen um 50% reduziert werden. Aus Sparsamkeitsgründen wird vorgeschlagen, dass der Oberst und sein Adjutant auf fünf Jahre gewählt werden sollen, um unnötige Ausgaben für die Uniformen zu vermeiden. Für den heutigen Leser, der das stetige Ansteigen der Zahl der Arbeitslosen bis in den Herbst/Winter 1932 hinein kennt, ist es erstaunlich, dass die Protokolle dieser Jahre den Anschein einer Stabilisierung widerspiegeln: Der positive Rückblick auf das Schützenfest 1930, das Abhalten des Jungschützenkrönungsballs 1930, die Feier des Titularfestes 1931, der positive Grundsatzbeschluss bezüglich der Abhaltung des Schützenfestes 1931, die Anschaffung einer Präsidentenkette, die Planung des Jungschützen-Königsschießens 1931, der Antrag auf Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht Düsseldorf und manches andere lassen keinen anderen Schluss zu.

Jedoch – es gibt auch andere Töne: Der Mitgliedsbeitrag soll differenziert werden nach denen, die Arbeit haben und nach denen, die Arbeit suchen. Das Schützenfest 1931 soll in einem bescheidenen Rahmen stattfinden; man stellt sogar noch am 1. August des Jahres 1931 infrage, ob es überhaupt stattfinden wird. Kurz vor Weihnachten überlegt man, ob es Weihnachtspakete für die Arbeitslosen geben soll. Der Vorstand hatte inzwischen mit der Stadt Düsseldorf über die Ermäßigung der Miete für den Schützenplatz verhandelt. Nun steht fest, dass Düsseldorf mit einem klaren „Nein“ geantwortet hat. Das veranlasst die Schützen zu der Überlegung, den Mietvertrag mit der Stadt zu kündigen: Alle diese Informationen deuten auf die sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Lage hin, die zusammen mit anderen gravierenden Ursachen Deutschland in die tiefste ökonomische und politische Krise des 20. Jahrhunderts führte.

Im Jahre 1931 und 1932 wird von den Schützen die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession und an der Primizfeier – letztere am 6.8.1932 wahrscheinlich in der Heerdter Pfarrkirche – beschlossen. Im Zusammenhang mit dem Bestreben, den Schützenverein ins Vereinsregister eintragen zu lassen, wird die Überprüfung der Statuten beschlossen. Ein vorläufiges Satzungsheft soll zusammengestellt werden, das als Beschlussgrundlage dienen soll. Am 16.7.1932 gibt es in der Wirtschaft von Louise Daniels eine heiße Debatte über die Frage, ob in diesem Jahr das Schützenfest stattfinden soll. Es geht dabei wohl so hoch her, dass zwei Vorstandsmitglieder vorzeitig die Versammlung verlassen. Knapp zwei Wochen später fasst man einen positiven Beschluss: Drei Tage soll in Sälen gefeiert werden. Wiederum eine Woche später wird die Frage diskutiert, ob das Schützenfest in Sälen oder im „Heerdter Loch“ stattfinden soll. Die Mehrheit entscheidet sich für die zweite Alternative. Die Wirklichkeit jedoch sieht anders aus: Das Fest wird letztlich in Heerdter Sälen gefeiert. Der oben genannte Grundsatzbeschluss wird knapp zwei Wochen später noch einmal bestätigt. Die Sitzung vom 11.9.1932 legt fest, dass das „Schießfest“ bei Hojan („Zu den drei Füchsen“) abgehalten werden soll. Schließlich finden das „Schießfest“ und der Schützenball am 25.9.1932 in der Gaststätte „Zu den drei Füchsen“ statt – etwa mit vierwöchiger Verspätung bezogen auf den sonst üblichen Termin. Ob diese „schwierige Geburt“ noch „Nachwehen“ hatte? Auf jeden Fall steht fest, dass auf der GV vom 8.10.1932 in der „Schönen Aussicht“ der Antrag auf Neuwahl des Vorstands gestellt wurde. Da dieser Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen war, wird um 21.50 Uhr der Schluss der Versammlung verkündet. Um 22.05 Uhr wird eine neue GV eröffnet, auf der dann eine Vorstandswahl stattfindet. Zur Rechtmäßigkeit eines solchen Verfahrens hat der Verfasser weiter oben schon eine Bemerkung gemacht. Peter Jung (geb. 1871) wird als erster Vorsitzender wieder gewählt. Auch der zweite Vorsitzende und die beiden Kassierer werden gewählt, während die Wahl der beiden Schriftführer auf die nächste GV verschoben wird. Für die Heerdter Schützen klingt die Weimarer Republik – ohne dass sie sich bereits damals dieses Endes bewusst waren – am 8.10.1932 mit einem positiven Signal aus: Die Miete des Schützenplatzes im „Heerdter Loch“xv wird auf 100 Reichsmark vermindert. Wie hoch die ursprüngliche Miete war, geht aus den Protokollen nicht hervor.xvi

III. Der Schützenverein im Dritten Reich

Im ersten Halbjahr des Jahres 1933 deuten mehrere Protokollnotizen darauf hin, dass der Verein Wert auf Disziplin und öffentliche Anerkennung legt: So werden z.B. Sanktionen für Schützen, die im Zug nicht mitziehen, angedacht. Außerdem ergehen Appelle an eine verstärkte Teilnahme bei Beerdigungen von Schützenkameraden und auch an die Heerdter Bevölkerung, das Schützenwesen zu unterstützen (13.5.1933). Ein halbes Jahr nach Hitlers Machtübernahme beendet der erste Vorsitzende die GV mit einem „dreifachen Hoch auf den Schützenverein, das Deutsche Reich und seine Führung“. Man beachte, dass noch sehr vage von dem Abstraktum „Führung“ gesprochen wird und noch nicht von der konkreten Person des „Führers“. Im Übrigen fehlen bis dahin in den Protokollen „Hoch“-Rufe dieser oder ähnlicher Art. Ein deutlicheres Signal ist in dieser Zeit wohl die Umbenennung der vorher von Fräulein Daniels – inzwischen von ihrem Schwiegersohn Johann Wilhelm Vambrie – geführten und von den Schützen geschätzten Wirtschaft in der Krefelderstraße 3 in „Zur Hitler-Eiche“ (30.10.1933). Die GV vom 26.11.1933 spiegelt die sich allmählich durchsetzende Ideologie der neuen Machthaber an verschiedenen Stellen wider: Es wurde inzwischen vom Verein eine Hakenkreuzfahne angeschafft, aber der Kassenprüfer Lensing kritisierte die dafür aufgewendeten 18 Mark als zu hoch. „Kamerad Schäfer“ wird nicht zum ersten Vorsitzenden, sondern zum „Führer“ gewählt. Dr. Mundschenk beantragt, bei allen Vereins-versammlungen Sammlungen für das Winterhilfswerk (WHW) vorzunehmen; 20 Mark sollen direkt vom Verein gespendet werden. Ein weiterer Antrag beschäftigt sich noch einmal mit der schon vor Beginn des Dritten Reiches diskutierten Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Nicht näher erläutert wird die Information, dass es am 3.12.1933 einen „Propagandafackelzug“ mit Transparenten geben soll.

Am 28.1.1934 fand das Titularfest statt. Beim feierlichen Hochamt wurde von Pfarrer Hamacher die Fahne der Marine-Kompanie geweiht. Dann zog das Regiment zum Friedhof, wo Kaplan Brotesser der Gefallenen gedachte. Danach erfolgte die Versammlung der Kompanien in der „Hitler-Eiche“. Anwesend waren auch der Protektor Nikolaus Knopp, der „Gebietsführer“ Albert Kanehlxvii und der „Zellenwart“ Fritz Scheuer. Kanehl teilte der Versammlung mit, dass der von den Schützen vorgeschlagene Kamerad Schäfer als „Führer“ bestätigt worden sei – ein deutliches Zeichen für die Ablösung des demokratischen Prinzips (Wahl) durch das so genannte Führerprinzip (Ernennung). Dann stellte Schäfer die „Mitarbeiter“ seines „Führerrings“ vor und teilte mit, welche Schützen in den „Führerrat“ berufen wurden – auch dies als Beleg für die allmähliche Durchsetzung des „Führerprinzips“xviii. Anschließend nahm der Protektor die Fahnenweihe der Marine-Kompanie vor, so dass man von einer geistlichen und einer weltlichen Weihe sprechen kann. „Zellenwart“ Scheuer heftete den Hakenkreuzwimpel an die neue Fahne. Benedikt Bahners bat um eine Sammlung für das WHW; das spontan gespendete Geld wurde umgehend dem „Zellenwart“ zur Weiterleitung übergeben.

Auf der Sitzung des „Führerringes“ und des „Führerrates“ – d.h. (nach der Satzung vom 30.03.1934) des engeren bzw. des großen Vorstands – in der „Schönen Aussicht“ vom 14.3.1934 beschließt man für den 3.6.1934 die Weihe der neuen Regimentsfahne. Kamerad Leusch wird mit der Überarbeitung der Vereinsatzung und der Vorlage eines neuen Entwurfs für die nächste Sitzung beauftragt. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Satzung im Geist des Nationalsozialismus zu revidieren war. Aber „Geist“ und „Buchstabe“ eines Textes müssen nicht übereinstimmen: Die selbstverständliche Teilnahme des Heerdter Schützenvereins an der Fronleichnamsprozession des Jahres 1934 zeigt, dass der Verein nicht gewillt war, seine christlichen Wurzeln zugunsten der atheistischen Ideologie des Nationalsozialismus zu verleugnen und vorschnell Traditionen aufzugeben, die Teil seiner ideellen Substanz sind, auch wenn sie in der neuen Satzung überhaupt keine Erwähnung mehr finden, sieht man einmal von der Beibehaltung des „St. Sebastianus“ im Vereinsnamen ab. Nur am Rande sei erwähnt, dass in den Satzungen von 1921 und von 1934 die Bestimmung enthalten ist, dass das Schützenfest am Sonntag nach dem 15. August stattfindet, d.h. nach Maria Himmelfahrt. Der namentliche Hinweis auf dieses christliche Fest findet sich auch noch in der Satzung von 1934. Am Schluss der GV vom 13.5.1934 ermahnt der „Führer“ Schäfer die Schützen zur „Einigkeit“ und „nennt unseren Führer [d.h. Adolf Hitler] als Beispiel“. Zur Jahresmitte hält der Vorstand einen Rückblick auf die wohl am 3.6.1934 stattgefundene Weihe der Regimentsfahne und begrüßt eine neue Schützenkompanie vom Handweiser. Wie üblich trifft man Vorbereitungen für das Schützenfest. Dazu gehört auch der von der GV angenommene Antrag zweier Kompanien, den Schützenzug erstmals auch durch die Clarissenstraße ziehen zu lassen. Die Bemerkung des Protokollanten der VS vom 13.7.1934 soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Vorstand unmittelbar vor der Sitzung Hitlers Rede [im Radio] angehört habexix. Inzwischen sind auch die neuen Vereinsstatuten genehmigt worden, so dass sie in Druck gehen können. Der Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg am 2.8.1934 verunsichert den Heerdter Vorstand am 8.8.1934, der wie andere Vereine in Düsseldorf plötzlich vor der Frage steht, ob wegen der Landestrauer Schützenfeste abgehalten werden können. Im Ergebnis steht aber fest, dass die Heerdter ihren geplanten Termin wahrnehmen und auch ihr Schützenprogramm durchführen können.

Am Titularfest des Jahres 1935, das mit einem feierlichen Hochamt und der Totengedenkfeier auf dem Friedhof eröffnet wird und als Schützenversammlung bei Hojan seine Fortsetzung findet, werden die neuen Vereinsstatuten verteilt. Für den 24. März ist ein „Winter-hilfsschießen“ geplant; pro Kopf sollen dabei 50 Pfennig gezahlt werden. Dieses Fest findet zwar nicht statt, aber der kalkulierte Beitrag wird dennoch gespendet. Vom Vereinschef werden wegen des Rücktritts des 1. Kassierers für diesen Posten Karl Lensing, zum 2. Kassierer Johann Junker und zum 2. Platzmeister Franz Schnitzler ernannt. Wichtig ist dem Vorstand die Beteiligung der Heerdter Schützen bei der Fahnenweihe der Hohenzollernkompanie des Großen Vereins, zu der es traditionsgemäß eine gute Verbindung gab. Außerdem stehen verschiedene Fahnenweihen von Heerdter Kompanien an. Dazu gehören u.a. die Scheibenschützen. Die auf der GV vom 1.6.1935 gestellte Frage, ob ein Schützenfest stattfinden soll, wird wie selbstverständlich mit „ja“ beantwortet. Darauf hält der Vorstand bei Küppers eine Sitzung mit den Heerdter Wirten Vambrie, Hojan, Ding, Küppers, Kersberg und Holthausen ab, um sie zur Zusammenarbeit zu ermuntern. Zugleich wird bekannt gegeben, dass der erste Chef Schäfer aus gesundheitlichen Gründen seinen Posten zur Verfügung stellt. Daher setzt der Vorstand am 26.6.1935 Hans Leusch als Chef ein. Als letzte protokollierte Vorbereitung für das Schützenfest wird die Prämierung der Fackeln des Fackelzuges beschlossen; auch die Höhe der Preise wird festgesetzt. In einem Kurzbericht über das Schützenfest wird eine positive Rückschau gehalten: Julius Klapdor ist neuer König; und bei der Jugend hat Heinrich Scholzen diese Würde erlangt. Besonders wird der große Festzug an den Schützentagen herausgestellt, u.a. wegen der neuen Schützenkompanie Heerdt-Handweiser (Scheibenschützen). Beim Schützenfest gab es auch eine Kinderbelustigung und die Vergabe von zwei Stadtorden an verdiente Schützen. Die zahlreichen Ehrengäste werden namentlich und mit ihrer jeweiligen Funktion aufgelistet. Das Jahr 1935 klingt aus mit dem Königsball in den „Drei Füchsen“ am 29.9.1935 und der Überreichung der neuen Amtskette an Chef Leusch auf der GV vom 27.10.1935.

Das Hochamt aus Anlass des Titularfestes am 26.1.1936 wurde vom „ganzen Regiment besucht“. Auf der sich daran anschließenden Versammlung wurde für Fastnachtssonntag ein Preismaskenball angekündigt. Anfang März beschließt man, ein „Kaffeekränzchen der Vereinsdamen“ bei Kersberg in der „Villa Rheineck“ abzuhalten. Dieses scheint eine erfolgreiche Veranstaltung geworden zu sein, verzeichnet das Protokoll doch eine Teilnehmerzahl von rund 190 Personen. Am 31.3.1936 wird über die Erhebung eines „Beitrittsgeldes“ diskutiert. Beim laufenden Mitgliedsbeitrag soll es Sonderregelungen für Kriegs-beschädigte, Soldaten und Arbeitsdienstleistende geben. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Hitler völkerrechtswidrig die allgemeine Wehrpflicht einführte und deutsche Soldaten in das aufgrund des Versailler Vertrages von deutschem Militär frei zu haltende linke Rheinland einmarschieren ließ. Außerdem war das Deutsche Reich aus dem in Genf ansässigen Völkerbund ausgetreten. Zur gleichen Zeit taucht in den Protokollen mehrfach der Begriff „Vereinsführer“ anstatt „Chef“ auf. Neu ist auch die Wahl eines „Ältestenrates“ (24.5.1936), ohne dass dessen Funktion erläutert wird. Von diesem Zeitpunkt an wird aus dem „Hoch“ auf die „Führung“ am Schluss der Versammlung ein dreifaches „Sieg Heil“ „auf den Führer“ (24.5.1936), „auf unseren Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“ (3.7.1936) und „auf unseren Führer Adolf Hitler“ (1.8.1936). In den folgenden Protokollen jedoch fehlt jegliche Form eines „Hoch“- oder „Heil“-Rufes am Ende der entsprechenden Versammlung.

Aus möglicherweise vorgeschobenen Gründen tritt auf der GV vom 10.10.1936 in Anwesenheit des „Zellenleiters der NSDAP und dessen Mitarbeiter“ der erste Chef von seinem Amt zurück. Dies bewirkt die kommissarische Übernahme des Vereinsvorsitzes durch den „Zellenleiter“, der damit den Rest der noch vorhandenen demokratischen Vereinsstrukturen zerschlägt. Dies zeigt sich auch in der Feststellung des neuen „Führers“ Fritz Strang, dass er sogleich den bisherigen Vorstand als aufgehoben erklärt. Er werde nur für eine Übergangszeit die Vereinsgeschäfte führen, bis ein neuer „Vereinsführer“ „aus den Reihen der Mitglieder gewählt werde“. Für diesen Zeitraum ernennt er einen neuen „Führerrat“. Damit vollzieht sich auch im Heerdter Schützenverein das, was typisch ist für die Macht- und Herrschaftskennzeichen des Nationalsozialismus: die so genannte Gleichschaltungxx. Vierzehn Tage später findet eine Erweiterte VS statt: „Kamerad Müller stellte die Frage, warum der ehemalige Vereinsführer Hans Leusch abgedankt hat und ein neuer kommissarischer Führer eingesetzt worden ist. Es sei laut unseren Vereins-Satzungen doch nur möglich, den neuen Vereinsführer aus den Reihen der Mitglieder vom gesamten Verein zu wählen. Auf diese Frage antwortete Kamerad Strang, dass er vom Ortsgruppenleiter Pg. [Parteigenosse] Schecherxxi persönlich eingesetzt worden ist, damit unbedingte Gewähr besteht, den größten Verein unseres Stadtteils für die Ziele, die unser Führer im neuen Deutschland verlangt, auch restlos zur Ausführung gelangen [sic!]. Besonders aber, dass der Verein und die Partei zusammen wirken können zum Wohle aller Volksgenossen. Kamerad Müller erwiderte hierauf, dass er dieses zur Kenntnis nehme.“ Die Schützenvereine werden in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie genommen. Dazu führt Strang aus: „Als erstes gilt es, das neue Schützenleben nach Wunsch des Reichssportführers in unserem Verein wach zu rufen, so dass wir auch als wirkliche Schützen-Kameraden im neuen Deutschland unseren Mann für unseren Führer und [unser] Vaterland stellen können.“ Er wirbt dann für das WHW und zieht auch sogleich schon einen Finanzierungsvorschlag aus dem Hut. Da dieser wohl zu kompliziert und zu umständlich erscheint, beantragt ein Schütze, dass es keine Einzelsammelaktion der Kompanien – wie von Strang vorgeschlagen – geben, sondern dass direkt aus der Vereinskasse pro Mitglied 1 RM entnommen werden soll, „so dass ein Gesamtbetrag von rund 200 RM dem WHW abgeführt werden kann.“ Jeder Leser wird jetzt wohl davon ausgehen, dass der von der Partei eingesetzte neue Vereinschef mit großer Freude diesen – möglicherweise vorweg abgesprochenen – Vorschlag aufgreift. Aber weit gefehlt! „Kamerad Strang lehnte dieses aber ab mit der Begründung, dass es nicht im Sinne unseres Führers sei, einen solchen Betrag einfach aus der Vereinskasse zu nehmen, weil dieses schon kein Opfer sei und auch dieses nicht dem Wunsche des Führers entspreche. Alle anderen Kameraden schlossen sich der Meinung des Vereinsführers an. Als Auftakt zum WHW wurden an diesem Abend 10 Arbeitsbeschaffungslose im Auftrage des deutschen Schützenverbandes restlos verkauft.“

Schließlich kommt man auf das Titularfest des Jahres 1937 zu sprechen. „Kamerad Kluth gab hierauf einen Überblick über die bisherige Art und Weise der abgehaltenen Titularfeste.“ Es sieht so aus, als ob hier für den neuen Chef ein Informationsbedarf besteht, was darauf schließen lässt, dass er noch nicht lange Mitglied des Vereins (vielleicht erst seit der GV vom 10.10.1936) oder gar ein Ortsfremder ist. „Hierauf nahm Kamerad Strang Stellung und erklärte, dass er sich das kommende Titularfest in folgender Form ausgedacht habe: An diesem Tage soll besonders der gefallenen und verstorbenen Kameraden gedacht und wie üblich eine Messe gelesen werden. Da es aber nicht angängig ist, bedingt durch Mitglieder verschiedener Konfessionen, einen geschlossenen An- und Abmarsch zur Kirche durchzuführen, so müsse er dieses auch in Zukunft ablehnen. Ort und Antrittszeit für die Totenehrung auf dem Friedhof werde noch besonders bekannt gegeben. Es ist aber jedem Schützen freigestellt, die Messe in Uniform zu besuchen. Kamerad Kuhrmann sen. wünschte hierzu auch die Regelung über den Verbleib der Fahnen während des Kirchganges, ob die Fahnen von den zur Kirche gehenden Kameraden mitgenommen werden dürfen oder nicht. Vereinsführer Kamerad Strang erwiderte hierauf, dass es nicht angebracht sei, wenn weltliche Vereine ihre Fahnen mit zur Kirche nehmen und wir als Sportverein doch keine Ausnahme machen sollten. Er stelle es aber jeder Kompanie auch frei, ihre Fahne mitzunehmenxxii. Außerdem wurde hierzu noch erwähnt, dass es wohl nicht schön aussehe, wenn die Schützen in der Kirche zerstreut umherstehen. Nach Aussage eines Kameraden sei früher immer Rücksprache mit dem Pfarrer wegen Freihaltung des Mittelschiffes gehalten worden. Wenn es der Wunsch der Kameraden sei, will Kamerad Strang sich diesbezüglich mit dem Pfarrer verständigen.“ Dies ist ganz eindeutig der erste Versuch der Trennung von den christlichen Wurzeln und Traditionen des rheinischen Schützenwesens. Die Teilnahme an der heiligen Messe wird nicht verbotenxxiii, aber sie ist nicht mehr integrierter Bestandteil des Titularfestes, in dessen Mittelpunkt jetzt die Gedenkveranstaltung („Totenehrung“) auf dem Friedhof steht. Weltliche und geistliche Feier werden, wie die Regelung der Fahnenfrage zeigt, strikt getrennt. Der St.-Sebastianus-Schützenverein wird in einen rein weltlichen Verein umfunktioniert und steht damit, wie Strang deutlich sagt, auf der Ebene eines religiös ungebundenen Sportvereins. Da dies aber, wie die grundlegende und in Anmerkung 2 zitierte Dissertation von Plett gezeigt hat, nur gegen den nicht leicht zu brechenden Widerstand der Vereinsmitglieder durchzusetzen war, gibt es in der Anfangszeit des Dritten Reiches noch Kompromisse, die nicht als unklares Manövrieren oder als Halbherzigkeit der Nationalsozialisten auszulegen sind, sondern als – aus ihrer Sicht – taktisch kluges Vorgehen. Den Karnevalsvereinen ist es ähnlich ergangen. Daher erklärt sich Strangs scheinbar großzügige Geste, die Teilnahme am Gottesdienst und das Mitführen der Fahnen freizustellen. Ob und wie 1937 das Titularfest gefeiert wurde, geht aus dem Protokoll vom 31.1.1937 leider nicht hervor.

Es wird Erstaunen hervorrufen, wenn man im nächsten Protokoll das verwirklicht findet, was Strang am 10.10.1936 angekündigt hatte: die Wahl eines neuen Vorsitzenden durch die Heerdter Schützen, anscheinend ohne weitere Bevormundung durch Partei und Staat. Am 31.1.1937 wird auf einer GV der „Kamerad Michael Bahners vorgeschlagen und auch einstimmig zum neuen Vereinsführer gewählt.“ Damit hatte der Verein in ideologisch vorbelasteter Zeit einen Mann aus seinen eigenen Reihen an der Spitze, der als erster Schriftführer schon seit Jahren dem Vorstand angehörte und als Mitglied einer Familie, die seit Generationen ortsansässig und mit dem gesamten Heerdter Vereinsleben vertraut war, das Schützenwesen gut kannte, hatte er doch bereits 1922 das Tambour-Corps mitbegründet. Die Amtsübernahme geschah in Gegenwart des „Ortsgruppenleiters“ Julius Schecher, der mit markigen Worten daran erinnerte, dass der Heerdter Schützenverein „Mitglied des Deutschen Schützenverbandes im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ sei. Unter Berücksichtigung einer langen Tradition gab er ihm den Namen „Heerdter Schützen von 1537“xxiv, damit so die eigentliche Aufgabe des Vereins, nämlich „eine Kameradschaft zur Pflege des Schießsports“ zu sein, klarer hervortreten konnte. Das kommende Schützenfest „soll ein wahres Volksfest werden. Es muss aber auch eine strenge Disziplin unter den Schützen herrschen, wie es der Führer und Reichskanzler von allen Volksgenossen verlangt. Und nach dem Führerprinzip müssen auch wir handeln; nur der Vereinsführer ist verantwortlich und nicht der Führerrat oder der Führerring.“ Aber die kurze Erwiderung des neuen Chefs lässt kaum den Schluss zu, dass die Heerdter Schützen gewillt waren, sich in dieser Weise vereinnahmen zu lassen. Wenn er dabei von den einzelnen „Kompanieführern“ (Hauptleute) „weitest gehende Unterstützung zu allen Vereinsangelegenheiten“ verlangt, dann ist dies eine Selbst-verständlichkeit, die typisch ist für solche Vereinsstrukturen und die nicht primär vom „Geist der Zeit“ diktiert worden ist.

Noch einmal zurück zum neuen Vereinsnamen: Die bereits auf der Sitzung vom 24.10.1936 manifest gewordene Tendenz der Staatspartei zur Entkirchlichung des Vereinslebens wird hier offiziell: Der Hinweis auf den heiligen Sebastian fehlt im neuen Namen. Die andere Tendenz, den Schützenverein einseitig zu einem Sportverein zu machen, um ihn so von oben besser lenken, indoktrinieren, kontrollieren und für die eigenen politischen Ziele instrumentalisieren zu können, wird noch einmal vom Parteivertreter herausgestellt. Dies wird letztlich auch am Schluss der Versammlung deutlich, als „Kamerad Strang d.h. der bisherige kommissarische „Vereinsführer“den Verpflichtungsschein erklärte, der nur den Zweck erfüllen soll, dass jedes Mitglied sich als Einzelmitglied anmelden und auch verpflichten soll, ein treuer und pflichteifriger Schütze zu sein und alle Anforderungen des Vereinsführers“ zu befolgen.

In seiner oben zitierten Ansprache vom 31.1.1937 macht „Ortsgruppenleiter“ Schecher noch eine Anspielung auf das in „diesem Jahre“ zu feiernde „400jährige Gründungsfest“. Auch im neuen Vereinsnamen taucht, wie der Leser weiter oben hoffentlich bemerkt hat, das angebliche Gründungsjahr 1537 auf. Wie wir alle seit langem wissen, liegt hier ein einfacher Lesefehler vor, denn in dem von Pastor Alberti angelegten Bruderschaftsbuch steht ganz eindeutig „1573“xxv. Wann und wodurch dieser „Dreher“ entstanden ist, wird wohl nie mehr festzustellen sein. Der Verfasser fand als frühesten Beleg für „1537“ die oben zitierte Broschüre der „Fidelen“ von 1928 (dort auf S. 21). Erinnert sei daran, dass man das 50- und das 60-jährige Bestehen – wobei die Bezugsgröße das Jahr 1864 war – 1914 bzw. 1925 (für das Jahr 1924) feierte; aber für 1934 fehlt in den Protokollen jeglicher Hinweis auf eine geplante oder durchgeführte 70-Jahr-Feier. Vielleicht hatte sich inzwischen ein stillschweigender Bewusstseinswandel vollzogen, der das Neugründungsjahr 1864 in Vergessenheit geraten ließ, weil man sich inzwischen – soweit es die Quellen zulassen – auf die eigentliche Gründung im 16. Jahrhundert besann. Ob dies mehr dem nationalsozialistischen Geschichtsbild entsprach, das ja am liebsten bei den alten Germanen ansetzte, muss verneint werden. Der eigentliche Lesefehler – nämlich von 1537 anstatt von 1573 auszugehen – ist, wie oben nachgewiesen, erheblich älter. Für die historische Bewertung aber ist entscheidend, dass mindestens seit 1928 die Abkehr von „1864“ und die Hinwendung zur vermeintlichen Gründung im Jahre 1537 belegt sind. Natürlich wurde 1973 – so viel sei an dieser Stelle schon gesagt – das historisch als richtig zu geltende Gründungsjahr 1573 gefeiert.

[...]


i Vgl. Norbert Schlossmacher, Die Anfänge des Heerdter Schützenwesens, in: Bürgerverein Heerdt (Hg.), Heerdt im Wandel der Zeit II, Düsseldorf 1980, S. 41-49; Ulrich Brzosa, Die Geschichte der katholischen Kirche in Düsseldorf, Köln 2001, S. 412-438, hier S. 432-434; Hans Mosler, Aus der Vergangenheit des linksrheinischen Düsseldorf, in: Düsseldorfer Jahrbuch 24 (1911), S. 147-204, hier S. 191-193.

ii In dem Buch Düsseldorf (linksrheinisch) in alten und neuen Tagen, 1931 vom Verkehrs- und Verschönerungsverein für den linksrheinischen Teil der Stadt Düsseldorf e.V. herausgegeben, befindet sich auf den Seiten 70-74 neben einer kurzen Einleitung nur eine statistische Übersicht. In der von Karl Bernd Heppe 1983 verfassten Düsseldorfer Schützengeschichte gibt es nur ein paar dem Aufsatz von Schlossmacher – s. Anm. 1 – entnommene Hinweise. Dies gilt auch für die von der Stadtsparkasse Düsseldorf herausgegebene Broschüre St. Sebastians Schützenverein Düsseldorf 1316 e.V. Eine Chronik zum 675jährigen Bestehen, Düsseldorf 1991. Die immer noch beste Abhandlung zur Gesamtthematik von Walter M. Plett, Die Schützenvereine im Rheinland und in Westfalen 1789-1939, Köln 1995 – eine 745 Seiten umfassende, an der Universität Köln entstandene Dissertation – kann sich naturgemäß nicht mit der Geschichte eines einzelnen Vereins befassen. Aus ihr geht übrigens nicht hervor, dass sich Plett der Quellen bediente, die die Grundlage des vorliegenden Aufsatzes bilden.

iii Vgl. dazu Georg Spickhoff, 500 Jahre St.-Sebastianus-Schützenverein Düsseldorf 1435-1935, in: Schützenzeitung 18 (1966), S. 74-83 und 103-112; Paul Klees/Karl Ludwig Zimmermann, Die Sebastianer blieben sich selber treu. Ein Rückblick auf die wechselvollen letzten drei Jahrzehnte, ebd., S. 188-254.

iv Da dem Verfasser das Original der Satzungen von 1905 vorliegt und er – abweichend von seinem Prinzip, nur die Protokollbücher zu verwenden – darauf rekurriert, umfasst dieser Beitrag den Zeitraum von 1905-2007, also etwas mehr als 100 Jahre, wie der Untertitel bereits ankündigt.

v Dazu gehören z.B. auch Festschriften der einzelnen Gesellschaften und ähnliche Publikationen. Der Verfasser ist – um nur ein konkretes Beispiel zu nennen – im Besitz einer von der 1925 gegründeten Gesellschaft Fidele Schützen herausgegebenen Broschüre, die unter dem Titel „Fest- und Gedächtnisschrift zur Fahnenweihe verbunden mit Gefallenen-Ehrung am 6. Mai 1928“ erschien. Sie umfasst einschließlich Anzeigenteil 74 Seiten. Wenn man bedenkt, dass dort 144 im Ersten Weltkrieg gefallene Soldaten namentlich aufgeführt werden, dann muss man wohl davon ausgehen, dass es sich dabei nicht ausschließlich um Mitglieder des Heerdter Schützenvereins handelte, sondern generell um Heerdter Bürger. So weist die Broschüre auf ihrem Titelblatt darauf hin, dass die geplante Fahnenweihe verbunden wird mit einer „Ehrung der im Weltkriege 1914-18 fürs Vaterland Gefallenen unseres Stadtteils“.

vi So kann der aktuelle Vorstandsvorsitzende Andreas Bahners – aktiver Schütze in der 5. Generation – darauf verweisen, dass bereits sein Urgroßvater (1896), sein Großvater (1938) und zwei Vorfahren seiner Großmutter (1864 und 1882) Heerdter Schützenkönige waren und vier weitere (wenn auch weitläufige) Verwandte im benachbarten Büderich im 19. bzw. 20. Jahrhundert dieselbe Würde erlangt hatten.

vii Da der ursprüngliche Schützenverein die gesamte selbständige Gemeinde Heerdt umfasste, muss man für die Teile Oberkassel, Niederkassel und Lörick von einer Neugründung sprechen. Diese erfolgte laut VVV-Broschüre (s. Anm. 2) 1869 in Lörick, 1879 in Oberkassel und 1890 in Niederkassel. Zum Zeitpunkt der Publikation dieser Schrift – d.h. 1931 – umfasste der Heerdter Schützenverein 12 Kompanien. Protektor der Heerdter Schützen war seit 1903 der ehemalige Bürgermeister Nikolaus Knopp. Aufgrund einer in Heerdt im Wandel der Zeit VI – 2005 vom Bürgerverein Heerdt herausgegeben – auf S. 129 abgedruckten Anzeige wissen wir, dass und wo 1864 das Heerdter Schützenfest stattfand. Zu der in der Anzeige erwähnten Barriere vgl. den Aufsatz von Norbert Schlossmacher in: Bürgerverein Heerdt (Hg.), Heerdt im Wandel der Zeit V, Düsseldorf 2000, S. 173-199.

viii Vgl. hierzu Klaus Bahners, Die Eingemeindung von Heerdt am 1. April 1909, in: Bürgerverein Heerdt (Hg.), Heerdt im Wandel der Zeit II, Düsseldorf 1980, S. 31-38, hier S. 37-38; ders., Die Gemeinderatsabstimmung über die Eingemeindung von Heerdt nach Düs-seldorf, in: Heerdt im Wandel der Zeit VIII, Düsseldorf 2015, S. 55-61, bes. Anm. 12.

ix Anscheinend war der Schießstand von den Besatzungstruppen so sehr beschädigt worden, dass er nicht mehr zu benutzen war.

x Oder mit anderen Zahlen: Der Index der Lebenshaltungskosten, gemessen am Stand Juni 1914 (Index: 1), belief sich im November 1923 auf 657.000.000.000.

xi Zu Nikolaus Knopp vgl. den kurzen Beitrag in Das Tor 49 (1983), S. 184-185 und den grundlegenden Aufsatz einer seiner Enkel in Heerdt im Wandel der Zeit VII (2009).

xii Diese wird erneut zum Tagesordnungspunkt der Versammlung vom 22.4.1926. Vgl. hierzu Nikolaus Knopp, Aus meinen Erinnerungen an die Besatzungszeit des linksrheinischen Stadtteils (1918-1926), in: Düsseldorf unsere Heimat, Heimatkalender 1941, S. 94-106. Hier heißt es auf S. 105: „Befreiungsfeier: Am 31. Januar 1926 zogen die Belgier die Fahne auf der Brücke ein und die letzten von ihnen zogen sang- und klanglos ab. Wir hielten am 7. Februar 1926 in einer inzwischen abgebrochenen riesigen Fabrikhalle zu Oberkassel eine würdige Befreiungsfeier, an der die ganze Bevölkerung teilnahm. In der Halle hatten sich mehr als 10.000 Männer und Frauen eingefunden. Wohl selten ist so tiefsinnig wie hier gesungen worden Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten. “ Vgl. auch G. Cepl-Kaufmann (Hg.), Jahrtausendfeiern und Befreiungsfeiern im Rheinland. Zur politischen Festkultur 1925 und 1930, 1. Aufl. Essen 2009. - Im übrigen hatte der Heerdter Schützenverein lt. Protokoll vom 29.8.1925 seinerzeit bereits 219 Mitglieder.

xiii Vgl. hierzu die Artikel 42, 43, 428 und 429 des Versailler Vertrages vom 28.6.1919: Sebastian Haffner u.a. (Hg.), Der Vertrag von Versailles, München: Matthes und Seitz 1978, S. 143-144 u. S. 367-369. Vgl. ebd. die Karte des entmilitarisierten Gebietes und der drei besetzten Zonen S. 368 u. S. 376-377. Vgl. zur Besatzung des linksrheinischen Teils der Stadt Düsseldorf und zur im Versailler Vertrag nicht vorgesehenen Besetzung des übrigen Stadtgebietes ab 1921 Peter Hüttenberger, Düsseldorf in der Weimarer Republik, in: Hugo Weidenhaupt (Hg.), Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Bd. 3, Düsseldorf 1989, S. 263-419, hier S. 320-335.

xiv Die Gesolei von 1926 war eine berühmte Ausstellung in Düsseldorf für Ge sundheit, so ziale Fürsorge und Lei besübungen.

xv Zur Veranschaulichung der Szene sei auf das Bild von Hanns Seyppel im zweiten Band der Reihe Heerdt im Wandel der Zeit, Düsseldorf 1980, dort S. 47, hingewiesen.

xvi In diesem Zusammenhang sei an die historisch-politische Grundposition des Verfassers erinnert, so wie er sie vor 25 Jahren in seiner Ansprache zum Volkstrauertag 1983 auf dem Heerdter Friedhof dargelegt hat. Vgl. dazu den Abdruck des Redetextes in Heerdt im Wandel der Zeit III, Düsseldorf 1985, S. 130-131.

xvii Vgl. dazu Peter Hüttenberger, Düsseldorf in der Zeit des Nationalsozialismus, a.a.O., S. 421-657, hier S. 457; Klees/Zimmermann, a.a.O., S. 190. Zu Albert Kanehl vgl. den kritischen Rückblick von Heinrich Nelsen, Albert Kanehl – Schützenchef von 1933-1945, in: Der Schlossturm, H. 1(2008), S.45.

xviii Dieses wird von Hitler schon sehr früh entwickelt. Vgl. dazu Adolf Hitler, Mein Kampf, Zwei Bände in einem Band. Ungekürzte Ausgabe, 753.-757. Auflage 1942, S. 378-379 (Abschnitt 9). In dem seinerzeit grundlegenden Werk Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches von Ernst Rudolf Huber spielt das „Führerprinzip“ eine große Rolle (2. Aufl. Hamburg 1939, Kapitel IV). Hubers Interpretation wird bei Reinhold Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, München (Beck’sche Reihe 1041), S. 137-144, anhand von Originalzitaten referiert. Zum „Führerprinzip“ vgl. auch Hans Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, München 1990 (dtv 4425), S. 272-279 u. S. 284-285.

xix Dabei handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Reichs-tagsrede Hitlers, in der er einen Bericht über den so genannten „Röhm-Putsch“ vom 30.6.1934 erstattete. Erhard Klöss, Reden des Führers, München 1967 (dtv 436), kommentiert die dort (S. 132-157) in wesentlichen Auszügen abgedruckte Rede wie folgt: „Gewiss ist diese Rede ein Paradestück der Demagogie, und für Hitlers Wesen aufschlussreich sind die Interpretationen der Details über die Röhm-Affäre. Für die politische Zukunft aber war manches gesagt worden, was viele Zeitgenossen noch in der Praxis erfahren sollten. Die Rechtsunsicherheit sollte wachsen. (...) Die ordentliche Gerichtsbarkeit war ausgeschaltet.“ Mit der Aufhebung der Grundrechte durch die so genannte Reichstagsbrandverordnung vom 28.2.1933, der Beseitigung der Gewaltenteilung durch das Ermächtigungsgesetz vom 24.3.1933, der diversen Gleichschaltungs-Gesetze, der Übernahme des Reichspräsidentenamtes nach Hindenburgs Tod durch Hitler und der Vereidigung der Wehrmacht auf ihn waren im wesentlichen die „Macht-ergreifung“ abgeschlossen und die Grundlagen einer insgesamt zwölf Jahre dauernden totalitären Diktatur gelegt.

xx Vgl. hierzu Hans-Ulrich Thamer, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, Berlin 1986, S. 282-309.

xxi Für das Jahr 1936 stellt Hüttenberger, a.a.O., S. 502-507, die Dienststellen der NSDAP in Düsseldorf zusammen. Danach war der Sitz der Ortsgruppe Oberkassel die Schanzenstr. 25. Ihr Leiter war Julius Schecher. Oberkassel scheint synonym zu stehen für das links-rheinische Düsseldorf (Hüttenberger, ebd. S. 503). Schecher als NS-Ortsgruppenleiter begegnet uns auch an anderer Stelle: Vgl. Klaus Bahners, „Wer nicht will deichen, der muss weichen.“ Hochwasserschutz und Deichverband in der ehemaligen Landgemeinde Heerdt, Düsseldorf 2013, S. 27. Den genauen Nachweis über Schechers Funktion im Dritten Reich führt Joachim Lilla, Die NSDAP-Ortsgruppen im Gau Düsseldorf, in: Düsseldorfer Jahrbuch 70 (1999), S. 185-273, hier S. 219 und 272.

xxii Lt. Klees/Zimmermann, a.a.O., S. 192, war dies dem Großen Verein ab 1936 verboten.

xxiii Der Besuch des Hochamtes war 1936 lt. Klees/Zimmermann, a.a.O., S. 192, „den einzelnen Schützen freigestellt.“

xxiv Die GV von 1938 des Großen Vereins beschloss lt. Klees/Zimmermann, a.a.O., S. 194, sich nicht mehr St. Sebastianus Schützenverein zu nennen, sondern Düsseldorfer Schützenverein.

xxv Hier sei noch einmal an den in Anmerkung 1 genannten Aufsatz von Schloßmacher und an das Buch von Brzosa erinnert. Brzosa weist auf S. 432 in einer Anmerkung auf diesen Lesefehler hin. In diesem Kontext zitiert er zeitgenössische Presseartikel, die von der 1937 abgehaltenen 400-Jahr-Feier berichten. Spätestens seit Moslers in Anm. 1 zitiertem Aufsatz wäre das richtige Gründungsjahr (1573) auch denen bekannt gewesen, die keine professionelle historische Quellenforschung betreiben.

Fin de l'extrait de 78 pages

Résumé des informations

Titre
Die Geschichte des Schützenvereins Düsseldorf-Heerdt
Auteur
Année
2018
Pages
78
N° de catalogue
V445701
ISBN (ebook)
9783668836488
ISBN (Livre)
9783668836495
Langue
allemand
Mots clés
geschichte, schützenvereins, düsseldorf-heerdt
Citation du texte
Klaus Bahners (Auteur), 2018, Die Geschichte des Schützenvereins Düsseldorf-Heerdt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/445701

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Die Geschichte des Schützenvereins Düsseldorf-Heerdt



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur