Bildungsbenachteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund


Dossier / Travail, 2018

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition: Rund um das Begriffsfeld ,TMigration“

3. Verpflichtung des Schulsystems hinsichtlich Migration und seine mangelhafte Leistungsmessung

4. Die Institution Schule und ihre Bildungsungleichheit
4.1. Institutioneile Diskriminierung
4.1.1. Der Bildungserfolg von deutschen und ausländischen SuS im Vergleich

5. Ursachen und Folgen der Bildungsbenachteiligung

6. Förderungsmaßnahmen für Chancengleichheit in der Schule
6.1. Skandinavische Bildungssysteme im Vergleich

7. Fazit

8. Abkürzungsverzeichnis

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seitdem sich die Bundesrepublik Deutschland in den letzten fünfzig Jahren zu einem Einwanderungsland entwickelt hat, sind Begriffe wie Heterogenität und Multikulturalität (das Vorhandensein kultureller Vielfalt) heute gesellschaftliche Realität geworden. Mit dieser Veränderung haben sich vor allem Herausforderungen für das Schulsystem ergeben, die sich seit der PISA-Studie im Jahr 2000 zeigten und damit in das Zentrum der Bildungspolitik rückten: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind an den deutschen Schulen weitaus weniger erfolgreich, als einheimische Schülerinnen und Schüler (vgl. Gogolin/ Neumann/ Roth, 2003, 1). Der internationale Vergleich zeigte zudem, dass diese Disparitäten in der Bundesrepublik sehr viel größer sind, als in den meisten anderen PISA­Teilnehmerstaaten, in denen die Leistungsergebnisse der Migrationskinder von den SuS, die nicht aus Zuwandererfamilien stammen, sehr ähnlich ausfielen (vgl. Fereidooni, 2011, 72). So wurde auf die institutioneile Bildungsbenachteiligung der ausländischen Heranwachsenden im deutschen Bildungssystem und seine Chancenungleichheit aufmerksam gemacht und in das öffentliche Bewusstsein gehoben. Zwar steht diese schwerwiegende Problematik unter den obersten Prioritäten auf der politischen Agenda der Bundesregierung, jedoch wurde diese bis heute nicht erfolgreich bewältigt und bedarf somit fortlaufend einer präzisen wissenschaftlichen Untersuchung.

Die vorliegende Ausarbeitung wird die genannte Thematik mit einer Definition rund um das Begriffsfeld Migration einführen und einen kurzen Einblick in die gesetzliche Regelung des Schulsystems hinsichtlich Migration!Integration geben. Danach wird die Institution Schule und ihre Diskriminierung durchleuchtet, indem empirische Studien herangezogen werden, die zeigen, inwiefern und in welchem Ausmaß Bildungsungleichheit stattfindet. Anschließend werden ihre Ursachen und Folgen analysiert, sowie Förderungsmaßnahmen zur Eliminierung dieses Defizits in Erwägung gezogen, die sich an den skandinavischen Bildungssystemen beispielhaft orientieren. Das Fazit schließt die Hausarbeit mit einer kurzen Stellungnahme und einem Ausblick ab.

Alle Abkürzungen und vollständige Literaturangaben sind im Abkürzungs- und Literaturverzeichnis aufgeführt.

2. Definition: Rund um das Begriffsfeld Migration

Bevor über die Komplexität der Benachteiligung von Migrationskindern in der Schule gesprochen wird, soll rund um den Begriff Migration kurz definiert werden. Ausgehend vom lateinischen Wort migratio, was übersetzt die (Aus-) Wanderung bedeutet, kann Migration demnach als ein langjähriger/dauerhafter Wechsel bzw. Immigration aus einem Gebiet in eine andere (soziokulturelle) Gesellschaft beschrieben werden (vgl. Ceri, 2008, 13). Menschen, die wandern, werden als Migranten oder Immigranten bezeichnet. Somit meinen Beschreibungen wie ״Kinder mit Migrationshintergrund“, ״Migrationskinder“ oder ״Zuwandererkinder“ lediglich, dass ein oder beide Elternteile eine ausländische Herkunft aufweisen - egal ob diese in Deutschland geboren sind, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder erst seit Kurzem hinzugezogen sind. Im alltäglichen Sprachgebrauch benutzt man jedoch die Bezeichnung Ausländer. In den letzten Jahren ist die Dringlichkeit einer erfolgreichen Integration (der Einbezug der Migranten in die Gesellschaft sowie gleichberechtigte Teilhabe) enorm gestiegen, da bereits im Jahr 2017 eine Studie zeigte, dass zehn Millionen Menschen mit einem ausländischen Pass in Deutschland leben und bei einer Gesamtbevölkerungsanzahl von 82,2, Millionen Einwohnern zufolge jeder Achte ein Migrant ist (vgl. https://orange.handelsblatt.com/artikel/29581). Bereits die Kategorisierung in ״Kinder mit Migrationshintergrund“ und ״einheimische Kinder“ fördern jedoch lediglich den gegenteiligen Effekt einer Integration, nämlich einer Segregation (Ausgrenzung), da eine Grenze zur Differenz der ״Deutschen“ und der ״Anderen“ markiert wird und die Population, bzw. in dem Fall die Lehrer- und Schülerschaft, spaltet (vgl. Stosie, 2017, 135). Dies macht sich während der Schullaufbahn bei den Migrationskindern auch bemerkbar.

Der Bildungs- bzw. Schulerfolg soll durch individuelle und institutioneile Leistungen bestimmt werden, allerdings orientiert sich die schulische Leistungsmessung häufig eher an der sozialen Norm der Klasse, anstatt an der individuellen Norm. Somit bleibt die individuelle Schülerleistung vom Klassenkontext abhängig und trägt eine sehr hohe ״Schuld“ für die Bildungsbenachteiligung der Zuwandererkinder. Dies wird unter Kapitel 4 ausführlicher thematisiert.

3. Verpflichtung des Schulsystems hinsichtlich Migration und seine mangelhafte Leistungsmessung

Bevor eine Analyse der Mängel des deutschen Bildungssystems bezüglich seiner Diskriminierung gegenüber Migrations-SuS vorgenommen wird, soll vorab gezeigt werden, ob und inwiefern die Institution Regelschule gegenüber der Inklusions- bzw. Integrationsaufgabe der Bundesrepublik verpflichtet ist und welche Rolle das bestehende Benotungssystem dabei spielt.

Laut der Kultusministerkonferenz seit 1996 müssen alle Menschen in der Schule die gleichen Chancen auf Bildung haben, unabhängig von ihrem sozialen Milieu, der Herkunft, dem Geschlecht und Religion. Die Achtung der Würde des Menschen und die Wahrung der Grundrechte seien Verfassungsnormen, die in den Schulgesetzen der Länder konkretisiert sind. Der Bildungsauftrag ginge davon aus, ״dass alle Menschen gleichwertig und dass ihre Wertvorstellungen und kulturellen Orientierungen zu achten sind.“ (vgl. Ceri, 2008, 19). "Damit Menschen ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen und in ihr mitwirken können, bedürfen sie der Bildung. (...) Gesellschaften, die in ihrer Zusammensetzung von kultureller und sozialer Heterogenität geprägt sind, müssen das Zusammenleben ihrer Mitglieder bereits in deren Bildungsprozessen vorbereiten.“, zitiert die Ceri weiter. Die Schule obliegt demzufolge einer Schlüsselfunktion, da Integration durch Bildung erfolgt und zur gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen System Bildung vorausgesetzt wird. Allerdings wird Heterogenität im realen Schulleben eher als Belastung anstatt Bereicherung gesehen, vielmehr zeigt sich in der Institution Schule der Wunsch nach Homogenität durch den Aussonderungsmechanismus. Laut Untersuchungen erschwert die deutsche Bildungsorganisation jungen Zuwanderern bzw. Flüchtlingen den Zugang zu einem erfolgreichen Bildungsweg, anstatt ihn zu ermöglichen. "Was die Flüchtlinge angeht, wollen wir noch die Tatsache hervorheben, (...) dass die Kinder zuerst in ihrem Status als Flüchtling gesehen werden, und dann erst als Kinder.", so hieß es beispielsweise in der Bundespressekonferenz 2006 in Berlin (vgl. http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/ kurzdossiers/258059/inklusion-in-das-schulsystem?p=all).

Die Aussonderung der SuS zeigt sich nicht nur in der Aufteilung der Lerngruppen unter dem Kriterium scheinbarer Unterschiede, dem fast unmöglichen Übergang von der Primarstufe auf das Gymnasium, sondern auch durch das Bewertungssystem unserer Schulen. Die Schulnoten 1-6 messen Leistungen nämlich nur auf Skalenniveau (vgl. Sacher, 2001, 22), d.h., dass beispielsweise den zu messenden Eigenschaften Zahlen zugeordnet werden. Mittelwerte von Noten geben lediglich eine grobe Information über die mittlere Leistung. Der Schüler fragt sich dabei Dinge wie ״Aus welchen Kriterien und Punkten setzt sich meine 2 zusammen? Was genau kann ich gut, was und in welchem Ausmaß muss ich verbessern, um zur 1 zu kommen?“, da die Messqualität und Aussagekraft einer Ziffer unzureichend ist. Bei schwankenden Noten muss der Lehrer ״aufgrund seines pädagogischen Ermessensspielraumes“ eine eigenverantwortliche Entscheidung fällen (vgl. Ebd.) und an diesem Punkt eröffnet sich das breite Feld für subjektive Bewertungen und die Zulässigkeit von Diskriminierungsmöglichkeiten. Die Subjektivität einer Lehrkraft während der Notengebung kann von vielen Einflüssen geprägt sein, jedoch spielt der ethnische Hintergrund eine äußerst wichtige Rolle für die heutige Gesellschaft, da das multiethische Segment ״wächst und wächst“ - aber trotzdem und gerade deshalb in die Kerngesellschaft zu integrieren ist.

Dem Anspruch der Inklusion (heißt: das Schulsystem passt sich den Bedürfnissen der Lernenden an - nicht andersherum), was die Bildungspolitik fortlaufend in den Schulen umzusetzen versucht, wird diesem allerdings nicht gerecht. Inwiefern und in welchem Ausmaß der schwierige Start und das von Hindernissen geprägte Durchlaufen sowie Absolvieren der Schullaufbahn für Kinder und Jugendliche ausländischer Herkunft sich jedoch laut empirischen Studien tatsächlich erwiesen hat, soll im nächsten Kapitel dargestellt werden.

4. Die Institution Schule und ihre Bildungsungleichheit

In diesem Teil der Arbeit wird das Schulsystem auf das Vorkommen von ungleichen Chancen und Möglichkeiten bezüglich Migrations-SuS überprüft, um im Anschluss mögliche Ursachen interpretieren und analysieren zu können. Davor wird für ein klares Verständnis kurz definiert, was unter ״institutioneller Diskriminierung“ im Wesentlichen gemeint ist.

4.1. Institutionelle Diskriminierung

Institutioneile Diskriminierung übersetzt Fereidooni (2011, 23) mit der Ungleichbehandlung von Personen durch das ״organisatorische Handeln zentraler gesellschaftlicher Institutionen wie Z.B. des Bildungs- und Ausbildungssektors“. Denner beschreibt noch etwas präziser: ״Wenn regelmäßig von der Organisation Schule vorgenommene (Selektions-) Entscheidungen, die in ihrer eigenen Logik und Pragmatik getroffen werden, ungleiche Wirkungen auf die Schüler haben, wenn die selbst hergestellten Unterschiede durch Merkmale/ Eigenschaften, die der benachteiligten Gruppe zugeschrieben werden, ausgestattet werden und wenn es sich dabei um das Kollektivmerkmal der ,nationalen Herkunft/Kultur‘ handelt, so handelt es sich um institutioneile Diskriminierung (vgl. Denner, 2007, 28). Zudem sind Unterrichtskonzepte auf homogene Gruppen ausgerichtet und verweigern das reale multiethische Segment im Klassenzimmer, auf das es sich zu konzipieren gilt. Wie schon erwähnt und von der OECD bestätigt, werden Leistungsunterschiede nicht anhand individuellen Leistungen der SuS festgestellt, sondern basieren auf der Funktionsweise des Schulsystems und seinen ״rechtlichen Rahmenbedingungen, in den organisatorischen Handlungszwängen sowie etablierten Routinen und Deutungsmustern, die zur Begründung von Entscheidungen zur Verfügung Stehen“ (Fereidooni, 2011, 24f.). Bereits in den institutioneilen Rahmenbedingungen von Grundschulen wird sprachliche Heterogenität als unterrichtsstörender Hintergrund gesehen.

4.1.1. Der Bildungserfolg von deutschen und ausländischen SuS im Vergleich

Um einen Eindruck davon zu erlangen, inwiefern sich der Bildungsweg der Migrations-SuS von den deutschen SuS unterscheidet und die Bildungsungleichheit an vielen Stellen des Schulsystems bestätigt, werden die Ergebnisse empirischer Studien und Befunde der vergangenen Jahre näher betrachtet.

Untersuchungen haben dabei erschreckenderweise ergeben, dass bereits der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule für Zuwandererkinder weitaus weniger durchlässig ist, als für einheimische Kinder (vgl. http ://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dos sier- migration/56491/schule-und-integration?p=all). Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der Anteil vorzeitiger Einschulungen bei Zuwandererkindern um ein Drittel geringer ist als bei Deutschen, die Zurückstellungen dagegen sogar doppelt so hoch. Aber auch während der Primarstufe, also in der Grundschule, sieht die Bildungssituation für die jungen Migrant/innen nicht besser aus.

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Bildungsbenachteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund
Université
University of Frankfurt (Main)
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
20
N° de catalogue
V452470
ISBN (ebook)
9783668851993
ISBN (Livre)
9783668852006
Langue
allemand
Mots clés
Bildungsbenachteiligung, Chancenungleichheit, Diskriminierung, Migrationshintergrund, Schule, Institution, Ungerechtigkeit, Bildung, Abschlüsse, Noten, Leistungsbewertung, Leistungsmessung, Bildungserfolg, Schullaufbahn, Ausländer, Migration, Schulsystem, Bildungssystem, Deutschland
Citation du texte
Daniela Mioc (Auteur), 2018, Bildungsbenachteiligung der Schüler mit Migrationshintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/452470

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