Bedeutsamkeit von Ritualen für Kinder in der Grundschule


Thèse de Master, 2015

113 Pages, Note: 1,7

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Begriffserklärung Ritual
2.1 Wortabstammung und Definition
2.2 Begriffsunterscheidung
2.3 Bestimmungsmerkmale
2.4 Allgemeine Funktionen

3.Historischer Exkurs: Ansätze aus der Ritualforschung
3.1 Das Modell der Übergangsriten nach Arnold van Gennep
3.2 Die Ritualtheorie nach Victor Turner
3.3 Dreiphasenmodell ritueller Prozesse in deanushar Grundschule

4.Rituale im Kontext Grundschule
4.1 Erklärungsansatz schulischer Rituale
4.2 Kategorien schulischer Rituale
4.3 Auswahl schulischer Rituale und deren Funktionsgehalt
4.4 Die Rolle der Lehrkraft und der Kinder
4.5 Wirkung von Ritualen und ihre Bedeutung für das soziale Gefüge in der Klassen-gemeinschaft

5.Forschungsuntersuchung
5.1 Kurze Vorstellung und Leitgedanke des Projektes
5.2 Methodenauswahl und Vorgehensweise
5.3 Aufbau und Analyse
5.4 Formen rituellen Handelns in gegenwärtigen Grundschulen

6.Fazit und persönliche Stellungnahme

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Das Interesse für Rituale in der Gesellschaft ist wieder neu entflammt und findet einen immer größer werdenden Bedeutungszuspruch. Die erneute Beschäftigung mit Ritualen hängt unter anderem damit zusammen, dass sich heutzutage viele Menschen einem Orientierungsverlust ausgesetzt sehen, der aus einer wachsenden Traditionsarmut resultiert und einen Wandel in allen Lebensbereichen offenbart. Heutzutage ist zu beobachten, dass die familiären Gegeben-heiten nicht immer von Kontinuität, Ordnung und Struktur geprägt sind. Daher erscheint es umso wichtiger, Kindern in der Grundschule -als erste Bildungsinstanz und Grundlage folgender Lerninstitutionen- eine geeignete Orientierung zu geben. Die Schule stellt eine Institution dar, ohne die ein modernes Gemeinwesen nicht denkbar wäre (vgl. Fees 2006, S. 81). Rituale sind eine geeignete Möglichkeit den Kindern einen Leitfaden in der Lernumgebung zu geben und die kindliche Entwicklung erheblich zu unterstützen und zu fördern. Es gilt herauszufinden, welchen Beitrag Rituale zu der Entwicklung und Bildung leisten, woraus sich der Untersuchungsgegenstand und die Frage nach der Bedeutsamkeit von Ritualen in der Institution Grundschule für Kinder ergibt. In der Schulpädagogik wird Ritualen ein hoher Stellenwert zugesprochen, der sich in einem vielfältigen Einsatz wider-spiegelt. Um die Diskussionen rund um diesen Begriff zu verstehen und der Frage nach Ritualen in der Schulpädagogik und somit der Schulerziehung nachgehen zu können, ist eine allgemeine gesellschaftliche Bedeutungszuschreibung nötig (vgl. Kaiser 2003, S. 21).

Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, inwieweit die Theorie mit der Empirie und Praxis übereinstimmt und vereinbar ist, weswegen die Methodik einer vergleichenden Fragebogen-analyse angewendet wird. Durch diese Vorgehensweise können zwei Untersuchungsfelder, das der Lehrer und Schüler der dritten und vierten Klasse, gegenübergestellt und untersucht werden. Aufgrund der vielfältigen Erfahrungen innerhalb der Praktika im Rahmen des Lehramtsstudiums an Grundschulen soll es außerdem darum gehen, was es bedeutet Rituale spät oder früh, vermindert oder vermehrt einzusetzen und welche Auswirkung das für die Beteiligten hat. Die Bewusstheit und Erfahrung über eigene Rituale im privaten Bereich stellt eine zu untersuchende Grundlage für das Erforschungsfeld der Grundschule dar.

Die Literaturrecherche hat gezeigt, dass sich für diese Thematik besonders die Werke von Astrid Kaiser, Susanne Petersen, Christian Wulf, Jörg Zirfas und Stephan Sattler eignen, weswegen diese Autorinnen und Autoren vermehrt in der vorliegenden Arbeit Verwendung finden. Die Analyse bezieht sich konkret auf die deutsche Gesellschaft im Hinblick auf die soziologische Institution Schule, weswegen auf die Ritualdynamik verzichtet wird.1 Vielmehr wird ein Einblick in die Begriffserklärung hinsichtlich Wortabstammung, Definition, Begriffsunterscheidung, Bestimmungsmerkmale und allgemeine Funktionen von Ritualen gegeben. Im Anschluss daran wird ein Ausschnitt aus der Historie mit Blick auf die Forschungen von Arnold van Gennep und dem darauf aufbauenden Modell von Victor Turner vorgestellt, um ein besseres Verständnis für die Begrifflichkeit und dessen Entwicklung zu bekommen. Daran anknüpfend wird aufgezeigt, inwieweit sich diese Theorie auf das Untersuchungsfeld der Grundschule anwenden lässt. Im darauffolgenden Kapitel geht es darum zu klären, was Rituale im schulischen Kontext ausmachen, welche Kategorien und Unterscheidungen es gibt und wie diese in der Grundschule umgesetzt und gestaltet werden können. Dabei soll festgehalten werden, welche Rolle der Lehrkraft und der Schüler2 zukommen, um zu zeigen, welche Auswirkungen Rituale in diesem Kontext haben. Dabei wird über die Wirkung und Bedeutsamkeit von Ritualen für das Klassengefüge reflektiert. Mittels der Vorstellung und dem Leitgedanken der Forschungsuntersuchung im letzten Hauptkapitel wird nicht nur auf den Inhalt und die Intention eingegangen, sondern die Methodik des Fragebogens näher erläutert. Im Folgenden wird zunächst der Aufbau des Bogens vorgestellt, woraufhin die Auswertung und die anschließende Analyse der gemachten Aussagen folgen. Zum Schluss kommt es zu einer persönlichen Einschätzung der Ergebnisse, die in ein allgemeines Fazit übergehen.

2. Begriffserklärung Ritual

2.1 Wortabstammung und Definition

Hinter der Begrifflichkeit Ritual verbirgt sich eine Fülle interessanter Definitionsansätze, die auf den ersten Blick nicht zu erwarten sind, denn das Verständnis, das dem Begriff des Rituals zugrunde liegt, ist breit gefächert.

Seit dem 18. Jahrhundert wird die Verwendung des Ritualbegriffes im Deutschen nachgewiesen und geht etymologisch auf das lateinische Wort „rituale“ zurück (vgl. Dücker 2007, S. 14), welches als substantiviertes Neutrum des Adjektivs „ritualis“ im Duden zu finden ist (vgl. Duden 1999, S. 3212). Insbesondere in katholischen Ländern ist der Terminus bereits früher bekannt sowie tief verankert, was auf das 1614 herausgegebene Regelbuch mit dem Titel „Rituale Romanum“ der katholischen Kirche zurückzuführen ist (vgl. Dücker 2007, S. 14). Das Buch beinhaltet die schriftlich nieder­gelegten liturgischen Handlungen sowie Texte und gilt seit 1918 als die „vom Papst verbindlich erklärte Form des Rituale“ (Duden 1991, S. 3212). Es wird somit im Kontext aller religiösen Kulte als ein Spektrum festgelegter Bräuche und Zeremonien verstanden, um die Beziehungen zu göttlichen Wesen darstellen und spüren zu können, sodass ein tieferer Sinn in der äußerlich sichtbaren Handlung entsteht (vgl. Schultheis 1998, S. 5). Ritual wird hier als Oberbegriff religiöser Handlungen verstanden und darf nicht mit dem Begriff des Ritus verwechselt werden, welcher von dem lateinischen Wort „ritus“ abstammt und die kleinste Sinneinheit rituellen, heiligen Handelns sowie einen feierlichen, oftmals religiösen Brauch darstellt (vgl. Boelderl/Uhl 1999, S. 233ff; Butters/ Gerhardinger 1996, S. 34; Duden 1963, S.57). Demnach beinhaltet ein Ritus bestimmte Handlungen, die durch entsprechend vorgegebene Gesten sowie Sprachformen markiert sind. Sie werden hinsichtlich eines bestimmten Zweckes ausgeführt (vgl. Butters/Gerhardinger 1996, S. 34). Sprachgeschichtlich betrachtet hat sich der Begriff des Rituals im Deutschen erst später gegenüber dem damals bereits bekannten und verwendeten Terminus des Ritus (oder in der Mehrzahl: Riten) durchgesetzt. Das Lexikon „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“ aus dem Jahr 1960/61 weist beispielsweise keinen Eintrag mit dem Schlagwort Ritual auf, beinhaltet jedoch Lemma mit Ritus und Kultus, welche bis heute oftmals zusammen betrachtet werden (vgl. Stausberg 2004, S. 31). Oftmals kommt es im heutigen Sprach-gebrauch vor, dass die beiden Begriffe Ritual und Ritus synonym verwendet werden, was in der vorliegenden Arbeit bewusst vermieden wird. Der Fokus richtet sich ganz klar auf den Begriff und die Inhalte des Rituals. Das Begriffsfeld, bestehend aus den beiden Bezeichnungen und den jeweiligen Kombinationen, ist zum Gegenstandsbereich vieler Wissenschaften geworden. Der Ritualbegriff hat sich besonders in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Leitbegriff interdisziplinärer wissenschaftstheoretischer und -praktischer Forschungsentwürfe entwickelt (vgl. Dücker 2004, S. 219).

Mittlerweile reicht das Begriffsverständnis des Ritualbegriffes weit über die religiöse Praxis hinaus und taucht in allen Bereichen wie Gesellschaft, Gemeinschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur, Erziehung und Bildung auf (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 7). Rituale erfassen folglich den kompletten Lebensraum des Menschen und zeichnen sich als allgemeine Vorgehensweisen aus, die durch Wiederholbarkeit, Unveränderlichkeit sowie Regelmäßigkeit nach einer festgelegten Ordnung gekennzeichnet ist (vgl. Schultheis 1998, S. 5). Es handelt sich um wiedererkennbare und sinngebundene Handlungen mit Symbolcharakter (vgl. Dücker 2004, S. 226), die nicht mehr nur für die theologische Wissenschaft von Relevanz sind. Vielmehr ist der Fachbegriff des Rituals Gegenstand eines breit gefächerten Spektrums an Wissenschaftszweigen, wie beispielsweise der Anthropologie, Ethologie, Ethnologie, Psychologie sowie Soziologie, wobei die unterschiedlichen Ansätze ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Sie können nicht klar voneinander getrennt betrachtet werden. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle eine kurze exemplarische Vorstellung der unter-schiedlichen Zweige, um einen Einblick in die Bedeutungszuschreibung des Ritualbegriffes zu geben.

In der Ethologie werden unter Ritualen bestimmte, gewohnheitsmäßig durchgeführte Verhaltensweisen in gleich geltenden Situationen bezeichnet (vgl. Kraml 1999, S. 29). Das heißt, dass das biologische Normalverhalten einer Handlungsweise weicht, die durch einen bestimmten Anlass ausgelöst wird. Rituale dienen zur Regelung und Minderung von konfliktgeladenen Situationen wie es sie beispielsweise in der Tierwelt gibt, wo es als abgewandeltes, verselbstständigtes und gegebenenfalls übertriebenes Signalverhalten in sozialen Situationen verstanden wird. Dies geschieht instinktiv sowie spontan und wird durch eine stilisierte, regelmäßig ablaufende Gebärde oder Körperhaltung deutlich (vgl. Grimes 2013, S. 118). Als Beispiel gelten Imponier-, Droh-, Unterwerfungs-, Paarbildungs- und Kampf-Rituale (vgl. Braungart 1996, S. 41; Kraml 1999, S. 29). Die Verhaltensforschung zählt diesen Habitus zu den sogenannten Ritualisierungen, die sowohl beim Menschen als auch beim Tier auftreten, aber in ihrer Form verschieden sind. So beschäftigt sich die Humanethologie zum Beispiel mit Gebärden wie dem Lachen, Weinen oder Begrüßen. Trotz gleicher Grundmuster erfolgt mit der Zeit eine kulturelle Ausdifferenzierung. Allgemein stellt eine Ritualisierung eine Handlung dar, die so ausgeführt wird, dass sie zu einem Ritual wird. Oftmals ist daher von ritualisierten Handlungsabläufen die Rede (vgl. Braungart 1996, S. 42ff; Duden 1999, S. 3212). Die Bereitschaft zu Ritualisierungen resultiert aus dem Willen, neue Formen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens auszuprobieren (vgl. Caduff/ Pfaff-Czarnecka 1999, S. 16).

Aus der Perspektive der Ethnologie handelt es sich bei einem Ritual um kulturelle Handlungen und Erscheinungen, welche aus Sicht des Ausführenden unverzichtbar sind. Gleichzeitig kann das Ritual aus einer rational-technischen Sicht auch als überflüssig gelten (vgl. Streck 1998, S.49).

In der Psychologie wird das Ritual als starres, sinnentleertes Verhalten mit einer festen Abfolge von Zwangshandlungen in neurotischer Form (Häcker/Stapf 2009, S. 864; Kaiser 2003, S. 12) betrachtet, bei der die Situation zwar mit Hilfe entsprechender Rituale über-wunden wird, diese allerdings beibehalten werden und sich zu einem Zwangsritual entwickeln (vgl. Sattler 2007, S. 54). Ein Beispiel hierfür wäre das unzählige Kontrollieren der abgeschlossenen Haustür. Dies hat oftmals eine Einschränkung in der Entwicklung des Betroffenen zur Folge (vgl. Kaiser 2003, S. 12).

Die Disziplin der Soziologie beschäftigt sich mit sozialen Prozessen, in denen Rituale zur Identitätsbildung und -kräftigung einer Gruppe oder eines Einzelnen dienen. Im Mittelpunkt steht die Konstitution von Macht und Unterwerfung (vgl. Jungaberle/Weinhold 2006, S.7). Darüber hinaus befassen sich Anthropologen mit Kulturen, in deren Traditionen viele Handlungen auf eine religiöse Bedeutung zurückzuführen sind. Doch nicht nur auf den religiösen Sinn des Rituals richten die Anthropologen ihren Blick, sie setzen ebenso den Fokus auf die Symbolkraft, die Notwendigkeit des Handelns sowie Kombination von Ordnung und Spontaneität mit Blick auf das Besondere (vgl. Roberts 1995, S. 20ff).

Um dem Begriff trotz der vielfältigen Definitionen und Ansätze gerecht zu werden, kann dieser gemeinsame Nenner aller genannten Wissenschaftsgebiete festgehalten werden: Das Ritual ist ein festgelegter, gleichbleibender, sich zu bestimmten Anlässen wiederholender Verhaltens- und Handlungsablauf (vgl. Dücker 2004, S. 219; 249), welcher sinngebundenes Potential durch rituelle Aktionen aufweist (vgl. Caduff/Pfaff-Czarnecka 1999, S. 13). Dücker (2004) weist darauf hin, dass Wiederholung nicht zu engstirnig betrachtet werden darf (wie es beim psychologischen Ansatz der Fall ist), da es sich bei den ablaufenden Handlungen um Ereignisse mit ähnlichen Strukturen handelt, die situationsabhängig nur einmal so aus-zuführen sind. Infolgedessen muss bei einer Wiederholung von einer wieder erkennbaren Kontinuität erhaltenden Struktur gesprochen werden (vgl. Dücker 2004, S. 251). Rituale sind somit gleichermaßen starr wie dynamisch, da sie sich bei jeder Durchführung verändern. Aufgrund dessen wird ihnen ein innovativer Charakter zugesprochen (vgl. Schwedler 2006, S. 41). Unter Handlung wird derweilen im Allgemeinen ein Ablauf von einhergehenden, miteinander verbundenen Ereignissen verstanden, welche in Form von Verhaltensabläufen in die Umwelt eingreifen (vgl. Luckmann 1999, S. 12). Die vorliegenden Arbeit gibt daher einen vertiefenden Einblick in die wissenschaftlichen Schwerpunktbereiche, ausgehend von der Soziologie, Ethologie und Anthropologie, und konzentriert sich weniger auf die Theologie, Liturgie- und Religionswissenschaften, da sich der Blick auf das pädagogische Geschehen in Grundschulen richtet.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, allgemeine Bestimmungsmerkmale von Ritualen aufzuzeigen, um einerseits den bereits genannten Definitionsansatz weiter auszuführen und andererseits eine Vorstellung der zuvor genannten Vielfältigkeit zu erhalten. Da die Wissenschaftsbereiche nicht klar voneinander zu trennen sind und ineinandergreifen, werden in Kapitel 2.3 bewusst allgemeine Kriterien zur Bestimmung von Ritualen benannt. Zuvor ist es allerdings wichtig, einen Einblick in die Begriffsunterscheidungen zu ähnlichen Termini zu geben, um ein besseres Verständnis im Fortgang der Arbeit voraussetzen zu können.

2.2 Begriffsunterscheidung

In diesem Kapitel geht es darum, eine Ein- beziehungsweise Abgrenzung des Terminus Ritual zu verdeutlichen, um sich den Begrifflichkeiten annähern zu können. Rituale beschreiben menschliches Verhalten und müssen von Regeln, Routinen und Gewohnheiten abgegrenzt werden (vgl. Braungart 1996, S. 47 f).

Regeln stellen eine in bestimmten Bereichen verbindlich geltende Richtlinie, Richtschnur, Vorschrift oder Norm dar, die aus spezifischen Rechtmäßigkeiten abgeleitet und aus individuellen Erfahrungen sowie Erkenntnissen gewonnen werden. Sie können schriftlich fixiert wie auch mündlich festgelegt werden (vgl. Butters/Gerhardinger 1996, S. 34; Duden 1999, S. 3212). Die Zielsetzung ist von den Adressaten und der Dynamik abhängig. Regeln gelten als Reaktion auf bestehende Schwierigkeiten und dienen der Bekämpfung sowie Vermeidung von vorherrschenden Missständen. Die betroffenen Personen werden zum einen angesprochen und zum anderen zur Einhaltung jener Regeln aufgefordert, wodurch eine Disziplin bewirkt wird, die bei Nichteinhaltung zu Konsequenzen führt. Regeln zielen demnach auf den Schutz und die Bewahrung einer gewaltfreien Umgebung der Gemeinschaft ab, sodass diese eine dauerhaft positive Verhaltensänderung der Einzelnen bewirkt. Rituale hingegen dienen zur Stärkung der Gemeinschaft und zielen auf einer anderen Ebene auf eine positive Wirkung ab (vgl. Petersen 2010, S. 14). Regeln haben einen rationalen Kern, jedoch keinen Symbolcharakter im Gegensatz zu Ritualen (vgl. Butters/ Gerhardinger 1996, S. 34).

Unter Routine sind erworbene Fertigkeiten, Gewandtheiten und Erfahrungen zu verstehen, welche durch vielfache Wiederholungen einer Tätigkeit zustande kommen. Daraus können ebenso Gewohnheiten entstehen ohne dass ein gegebener Anlass oder ein Beteiligtsein vorausgesetzt werden (vgl. Duden 2010, S. 771). Oftmals wird der Begriff mit Automatisierung gleichgesetzt, da eine Handlung so oft ausgeübt wird bis sie automatisch abläuft und keine weitere Reflexion erforderlich ist. Eine Routine unterscheidet sich vom Ritual darin, dass hinter ihr kein Symbolwert steht und sie nicht im Rahmen einer rituellen Handlung zu erfolgen hat.

Gewohnheiten stellen zwei Drittel des menschlichen Alltags dar (vgl. DuBois/Jungaberle/ Verres 2006, S. 28), worauf die umgangssprachliche Bezeichnung „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ zurückzuführen ist. Ohne Gewohnheiten müsste jeder Mensch ununter-brochen Entscheidungen treffen, was er zu tun oder zu lassen hat. Dies würde den Alltag enorm erschweren und viele Menschen zur Verzweiflung bringen. Durch die Regelmäßigkeit, Wiederholbarkeit, Dauerhaftigkeit, Vorhersehbarkeit und Konstanz der einzunehmenden Momente wird dem Menschen diese Bürde abgenommen (vgl. ebd.; Baslé/Maar 1999, S. 16). Dies bedeutet, dass der Einzelne von individuellen, automatisierten Gewohnheiten Gebrauch macht, die er sich im Laufe seines Lebens aneignet und dann umsetzt; diese Gewohnheiten entstehen folglich in Abstimmung des Verhaltens untereinander. Eine Gewohnheit stellt also eine Handlung dar, die automatisch abläuft ohne dass diese hinterfragt oder von Emotionen begleitet wird (vgl. Sattler 2007, S. 3). Infolgedessen kommt es zu keinen Änderungen oder Verbesserungsvorschlägen. Petersen (2001) nennt als Beispiel das tägliche Aufstehen und Begrüßen der Lehrperson, wenn diese morgens den Raum betritt. Die Schüler wissen wie sie sich zu verhalten haben ohne dass die Lehrkraft viel erläutern muss. Solch eine Reaktion macht die Unterscheidung zwischen Gewohnheit und Ritual so schwer, da das Handeln durch eine Rhythmisierung beeinflusst wird (vgl. Petersen 2001, S. 14). Es ist somit weniger ein Ritual, wenn jemand jeden Morgen seine Zähne putzt oder mit der Erwartung auf die Straße geht, dass die Autos alle rechts fahren. Es sind Gewohnheiten und bei Letzterem handelt es sich um sogenannte Verhaltenskoordinationsgewohnheiten (vgl. Kraml 1999, S. 31). Gewohnheiten erweitern den Verhaltenshorizont auf neutraler Ebene und werden ohne große Umstände umgesetzt (vgl. Petersen 2010, S. 14). Die Unterscheidung von Ritual und Gewohnheit liegt in deren Sinngehalt, da Rituale durch ihren Symbolcharakter an Bedeutung gewinnen. Gewohnheiten können sich ebenso zu Ritualen entwickeln, wenn diese auf eine bestimmte Art und Weise gefeiert werden beziehungsweise ihnen eine emotionale Bedeutung zugesprochen wird (vgl. Baslé/Maar 1999, S. 16 f). Gemeinsam ist den beiden Begriffen, dass das Handeln durch eine von außen festgesetzte Rhythmisierung beeinflusst wird (vgl. Petersen 2010, S. 14).

Abgesehen von den hier genannten Bezeichnungen, müssen Rituale von ähnlichen Begriffs-nischen wie voraussehbaren Ablaufstrukturen, Spielen mit Wiederholungscharakter sowie Automatisierungen abgegrenzt werden (vgl. Kaiser 2003, S. 7).

2.3 Bestimmungsmerkmale

Rituale stellen somit komplexe, individuelle sowie kollektive Gewohnheiten dar, die das Überschreiten von Grenzen ermöglichen und so das Selbst vor dem Nichts retten (vgl. DuBois/Jungaberle/Verres 2006, S. 28; Boelderl/Uhl 1999, S. 30). Beispiele hierfür sind der Wohnungswechsel, Verlust in Form von Tod sowie die Auflösung von Beziehungen zu Freunden, Familienmitgliedern oder Partnern, wodurch es zur Entwöhnung persönlicher Gewohnheiten und somit zum Verlust von Ritualen kommt. Diese braucht der Mensch allerdings, um die Fremdheit zu durchbrechen, der er sich in solchen und anderen Situationen ausgesetzt sieht. Dadurch wiederum widerfährt ihm der Verlust von Vertrautem, sodass eine kaum auszuhaltende Leere entsteht, die den notwendigen Sinn des Lebens in Frage stellt. Diesen Sinn geben Rituale, welche zusammenhanglose Fragmente wie ein Puzzle zu einer Abfolge zusammensetzen und so eine Vernetzung zum Ganzen sichtbar und erfahrbar werden lassen (vgl. DuBois/Jungaberle/Verres 2006, S. 28). Erfindung und Planung von Ritualen werden von einem Grundgedanken bestimmt (vgl. Kaiser 2003, S. 4) und bauen zumeist auf bestehenden Segmenten ritueller Erfahrungen und Traditionen auf ohne dass auf Anhieb etwas komplett Neues hervorgebracht wird. Hierbei kann es sich um Elemente handeln, welche bereits aus anderen Kontexten bekannt sind, die dann zu etwas Neuem zusammen-gefügt werden (vgl. Schwedler 2006, S. 42). So wird Altes mit Neuem und Bekanntes mit Unbekannten kombiniert, sodass es wiederholt zu neuen oder anderen Kreationen von Ritualen kommt. Ein Wandel ist allerdings nicht zwangsläufig und hängt von dem jeweiligen Kontext sowie den Rahmenbedingungen einer Gesellschaft ab (vgl. Caduff/Pfaff-Czarnecka 1999, S. 9ff). Bei den Bausteinen kann es sich um konkrete Verhaltens- und Handlungs-abläufe handeln, welche durch Gesten, Lieder, Texte, Sprechsequenzen, Gegenständen und vielem weiteren hervorgebracht werden (vgl. Schwedler 2006, S. 42).

Aufgrund der bereits erwähnten formalen Handlungskriterien wie Kontinuität, Öffentlichkeit und Unwiderruflichkeit sind sie nicht spontan, zufällig und willkürlich. Rituale sind hinsichtlich ihrer Ausführbarkeit auf gewisse Art unendlich, da sie von den Menschen beliebig oft verrichtet werden können. Der Moment des Rituals selbst ist hingegen endlich. Außerdem gehen ihnen modale Handlungskriterien voraus, die sich in Vergemeinschaftung, Grenzüberschreitung und subjektiver Wirkung zeigen (vgl. Caduff/Pfaff-Czarnecka 1999, S. 8). Es handelt sich um verbale sowie nonverbale Äußerungen und Ausführungen, die sich nicht gegenseitig bedingen und von den Teilnehmern umgesetzt, wenn nicht sogar nach-geahmt werden (vgl. Kaiser 2003, S. 4). Rituale haben infolgedessen ebenso einen mimetischen Charakter3, der sich im Nachahmen von vorgeführten, sinngebundenen und zweckmäßigen Handlungen zeigt (vgl. Braungart 1996, S. 75). Die Aufmerksamkeit liegt auf Details, die im Ablaufgeschehen zu beobachten sind und die jeweilige situative Ausdrucksform erkennbar werden lassen. Demnach setzen Rituale ein Zeichen für die Beteiligten, welches für sie sichtbar ist und an Bedeutung gewinnt. Durch die Geschlossenheit des Ablaufes sind Anfang sowie Ende vorhanden und stecken einen zeitlichen Rahmen ab (vgl. Kaiser 2003, S. 4; Pfütze 1998, S. 96). In der Literatur ist, wie bei der Recherche festgestellt wurde, häufig von Ritualen als szenische Darstellung, Inszenierung oder Aufführung die Rede, da sie aufgrund ihrer vorgefertigten Interaktion und Kommunikation einem Theaterstück ähneln. Die Teilnehmer werden zu Akteuren oder Zuschauern, die Handlung zur Inszenierung und der Platz des Geschehens zur Bühne jener Handlungen. Sie erfahren Momente der Reproduktion, Konstruktion und Innovation (vgl. Wulf 2001, S. 8f). Warum das so ist, wird in Kapitel 3.2 erläutert. Allen gemeinsam ist die Symbolhaftigkeit und Strukturierung, die von den Beteiligten erkannt werden, sodass sie daran anschließen und teilhaben können, ohne sich zuvor darüber verständigt zu haben. Entscheidend ist die soziale und kommunikative Bedeutsamkeit von Ritualen (vgl. Boelderl/Uhl 1999, S. 29). Die Handlung verläuft eigenständig, vorhersehbar, übersichtlich und ermöglicht die Herstellung von sozialen Zusammenhängen, was wiederum einen Sinn für den Menschen erzeugt (vgl. DuBois/Jungaberle/Verres 2006, S. 30f).

Kaiser (2003) untergliedert Rituale des Weiteren in vier Dimensionen. Dazu gehören Zeit, Raum, der kulturelle Stellenwert sowie der institutionelle Umfang. Demzufolge erkennt die Autorin in der Perspektive Zeit nennenswerte Strukturen von Ritualen, wonach diese in individuelle und gesellschaftliche Dimensionen differenziert werden können. Hinsichtlich der individuellen Perspektive dienen Rituale zur Markierung des eigenen Lebens sowie dem Feiern von Übergängen. Dazu zählen beispielsweise Geburt, Schuleintritt, Reife, Partnerschaft und die Begegnung mit dem Tod. Alle diese Ereignisse haben einen Stellenwert im Tagesablauf eines jeden Menschen und sind demnach an eine Integration im Alltag sowie eine Verselbstständigung gebunden. Rituale dienen der Gesellschaft außerdem zur Regelung des Jahresablaufes wie beispielsweise Frühlings- und Erntefeste und haben je nach Kultur einen unterschiedlichen Stellenwert im Ablauf des Tages. Infolgedessen unterscheidet Kaiser zeitliche Variationen, nämlich ob ein Ritual einen repetitiven und somit wiederholenden beziehungsweise kontinuierlichen Charakter hat oder ob es eine feste Gestalt annimmt, die einen Variationsspielraum lässt. Unter Raum versteht sie nicht nur den geografischen Raum einer Kultur, sondern alle Orte, wo Rituale stattfinden können. Dazu zählen zum Beispiel religiöse sowie schulische Einrichtungen, Fußballstadien und vieles mehr. Darüber hinaus sind darunter im engeren Sinne Räume ritueller Handlungen zu verstehen, so in etwa ein Sitzkreis in der Schule, der als „Raum im Klassenraum“ entsteht. Als weiteren Aspekt sieht Kaiser die Ausgestaltung von Ritualen in gesellschaftlichen Subsystemen. Diese können einen religiösen Kontext hinsichtlich regionaler Kultureinflüsse, wie auch eine nationale Herkunft, aufgrund genereller, kultureller Muster haben. Neben den lokalen Kontext-bedingungen, die sich auf spezifische Alterskulturen wie beispielsweise die Jugend beziehen, kann ebenso ein sozio-kultureller Kontext zugrunde liegen. Über den jeweiligen Kontext und den entsprechenden Inhalt hinaus, können gesellschaftliche Rituale in ihrem institutionellen Aktionsradius variieren (vgl. ebd., S. 6ff). Rituale können in kulturellen Konstellationen wie im engen Familien- und Freundeskreis oder in Peer Groups sowie in größeren Sozial-verbänden, beispielsweise in politischen Organisationen, stattfinden. Sie treten ebenso in gesellschaftlichen Subsystemen in anonymer Form auf: hierzu zählen bestimmte Berufs-sparten oder Institutionen wie Gericht, Behörden, Krankenhäuser oder Schulen. Dort verlaufen Rituale meist untergründig und sind als institutionelle Rituale kaum erkennbar (vgl. Kaiser 2004, S. 9).

Es ist deutlich erkennbar, dass eine Fülle an Aspekten für die Bestimmung eines Rituals auschlaggebend ist. Aufgrund dieses Reichtums an Merkmalen und unterschiedlicher Facetten, die ein Ritual ausmachen, ist es notwendig, einen Überblick über die allgemeinen Funktionen der Rituale zu geben. Abgesehen davon stehen sich einige Punkte gegenüber, welche einen gewissen Spielraum sowie Unvereinbarkeiten bezüglich der Begrifflichkeit lassen. Rituale können manchmal zwischen zwei Gegensätzen angesiedelt werden, auf die es keine direkte Antwort gibt, da die Wirkung des Rituals sich mit dem Blickwinkel und der Einstellung des Betrachters ändert (vgl. Alberts 2000, S. 4ff).

Bestimmungsmerkmale auf einen Blick

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 Allgemeine Funktionen

Welche Möglichkeiten bieten Rituale den Menschen und den daraus resultierenden Gemeinschaften? Wie wirken Rituale auf den Menschen? Diesen Fragen wird im nächsten Kapitel nachgegangen.

Christoph Wulf, ein deutscher Erziehungswissenschaftler sowie Anthropologe, und Jörg Zirfas (2004), ebenfalls ein deutscher Erziehungswissenschaftler mit dem Schwerpunkt pädagogische Anthropologie, formulieren sieben idealtypisch beschriebene Funktionen hinsichtlich der Ritualstudien, welchen gegenwärtig eine wichtige Rolle zugesprochen werden (vgl. ebd., S.18). Sechs von sieben Funktionen werden als Grundbaustein genommen und mit weiteren Aspekten anderer Wissenschaftler ergänzt, um einen besseren Überblick zu geben. Bewusst wird sich nur für die ersten sechs entschieden, da sie ineinander übergehen und den siebten Punkt beinhalten.

1. Kommunität

Rituale haben die Kraft, Gemeinschaften durch rituelle Prozesse zu schaffen, zu gestalten und wieder herzustellen, sodass sich diese dadurch abheben und deren symbolischen sowie emotionalen Zusammenhalt sicherstellen. Dies bezieht sich einerseits auf deren Interaktionsgefüge, andererseits auf die Kommunikationsformen, denen performative Prozesse4 zugrunde liegen. Das heißt, dass das Gesagte von den Betroffenen konkret ausgeführt wird (vgl. Duden 1999, S. 2888), was wiederum die Gemeinschaft stützt, festigt und stärkt. Rituelles Handeln bildet dann die Grundlage beziehungsweise den Auslöser, Verlauf und Effekt von Gemeinschaften (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 18 f). Die Gemeinschaft und deren Mitglieder wirken durch Rituale auf ihre gemeinsame wie persönliche Tradition und Kultur ein, welche wiederum an den Menschen, ihrem Verhalten und ihrer Verbundenheit an die Gesellschaft arbeiten (vgl. DuBois/Jungaberle/ Verres 2006, S. 13), sodass sich daraus eine Wechselwirkung ergibt. Demzufolge stellen Rituale eine Brückenfunktion zwischen dem Einzelnen, der Gemeinschaft und deren Kultur dar (vgl. Wulf 2004, S. 7). Dadurch entsteht eine unverzichtbare Wechselwirkung, die Einfluss auf das Bewusstsein der Menschen nimmt und somit Rituale stärker in den Fokus rückt. Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung des Sozialen sind dann ausschlaggebend für die Erzeugung der Gemeinschaft mit ihren institutionellen Mustern (vgl. ebd.). Die damit verbundenen Methoden und Praktiken dienen der Steuerung sowie Kontrolle und ermöglichen den Mitagierenden einen Überblick der stattfindenden Vorgehensweisen (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 18 f). Darüber hinaus können Rituale wie ein Sieb betrachtet werden, welche Wirkungen und Störungen sichtbar werden lassen. Demnach bildet jede Gemeinschaft eigene Wiedererkennungsmerkmale, sodass deren Facettenreichtum widergespiegelt wird (vgl. Schwedler 2006, S. 41).

2. Stabilisation und Ordnungsmacht

Im vorherigen Kapitel wurde bereits deutlich, dass es sich bei Ritualen um komplexe Gewohnheiten handelt, deren Verhaltensmuster ständig wiederholt beziehungsweise ähnlich durchgeführt werden, wodurch das alltägliche Handeln strukturiert, geordnet und dementsprechend gefestigt wird. Der Mensch gelangt dadurch zu Sicherheit und wird in seiner Entscheidungspflicht entlastet (vgl. Schultheis 1998, S. 5). Schließlich gibt sich das Individuum einer festen Bedeutungsordnung hin, die es kennt (vgl. Braungart 1996, S. 81) und deren Ablauf ebenfalls bekannt sowie vertraut ist. Rituale stellen somit soziale Bindungen innerhalb der Gruppe her und ermöglichen die Identifikation mit dieser, wodurch die Gemeinschaft stabilisiert wird (vgl. Schultheis 1998, S. 5). Abgesehen davon geht es um die Ordnung des gemeinsamen Handelns und die damit verknüpfte Verbindlichkeit. Rituale stehen somit jedem jederzeit zur Verfügung und ermöglichen einen Zugriff, wenn sie benötigt oder verlangt werden. Sie sind zeit- und ortlos (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 19), werden von den Menschen konstituiert und können ebenso wieder abgeschafft werden, weswegen Kaiser (2003) von einem „Verfallsprozess“ (ebd. S. 13) spricht. Sie gehen nicht verloren, sondern werden an anderer Stelle, hinsichtlich Raum und Zeit, neu gebildet (vgl. ebd.). Demzufolge stellen Rituale eine besondere Form von Realitäten dar, in denen nach Wulf und Zirfas (2004) die Richtigkeit des Handelns und die Decodierung der geschaffenen Regelhaftigkeit im Fokus stehen. Dies ist nur durch die Mimesis, wie sie im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, möglich, da diese die Basis für Stabilität und Legitimität bildet (vgl. ebd., S. 19f).

3. Identifizierungsprozess

Die dritte Funktion richtet sich auf die identifikatorisch-tranformatorische Rolle von Ritualen, welche auf die Theorie des Ethnologen van Gennep (1908) zurückzuführen ist und im nachfolgenden Kapitel ausführlich beschrieben wird. Er spricht von Ritualen als Möglichkeit der Organisation und Erleichterung zur Schaffung von Übergängen hinsichtlich der Dimensionen von Raum, Zeit, Identifizierung und sozialer Aspekte. Die Identität einzelner kann gestärkt wie auch neu gebildet werden, was ebenso die Aufnahme neuer Individuen in die Gemeinschaft umfasst (vgl. Wulf/Zirfas 2004 S. 20). Rituale markieren dann die Zugehörigkeit Einzelner zu einer Gemeinschaft und schaffen soziale Bindungen. Schließlich sind die Beteiligten nicht nur Teil jener Handlung, sondern sie nehmen aktiv daran teil, werden akzeptiert und identifizieren sich mit deren Normen und Werten und tragen zur Stabilisierung bei (vgl. Schultheis 1998, S. 5f). Kaiser (2003) macht darauf aufmerksam, dass die Menschen ihr Selbst intensiv und eigenbestimmt erleben (vgl. ebd. S. 5), sodass sie in ihrer Selbstdarstellung bestärkt werden. Dies liegt außerdem an der Bestätigung durch die gemeinschaftliche Ordnung und das kollektive Wissen und Handeln (vgl. Wulf 2001, S. 7). So können sie beispielsweise durch den symbolträchtigen Taufvorgang neue Mitglieder begrüßen, genauso jedoch Menschen durch eine Beerdigung verabschieden (vgl. DuBois/Jungaberle/Verres 2006, S. 40).

4. Gedächtnisstiftung

Durch die bereits erwähnte Zeitlosigkeit, Gültigkeitsordnung und das Wandlungspotential von Ritualen unterstützen sie die Prozesshaftigkeit und Projektion einer Gemeinschaft. Darüber hinaus dienen sie als soziales Gedächtnis und ermöglichen es kollektive Zukunftsentwürfe zu formen. Dies ist aufgrund der Anwesenheit aller Beteiligten sowie der bereits beschriebenen zeitlichen Dimension möglich. Zeitliche Ritualisierungen wie sie von den Ritualforschern Turner und van Gennep genannt werden, strukturieren nicht nur den Alltag, sondern das gesamte Leben und stärken das Zusammenleben aller. Rituale fördern Erinnerungen dadurch, dass sie rituelle Handlungen aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportieren und diese erfahrbar machen (vgl. Wulf/Zirfas 2001, S. 21). Dadurch kann Altes in Form von Neuem transformiert werden, im Gegenzug kann Neues im Ritual auf Altes zurückgreifen. Dies bewahrt das kulturelle Gedächtnis und gestaltet zugleich die Zukunft aus.

5. Kuration

Unter Kuration ist allgemein das Behandeln, Pflegen oder die therapeutischen Maßnahmen hinsichtlich medizinischer Aspekte zu verstehen (vgl. Duden 2007, S. 228). Rituale treten nämlich genau dann in Erscheinung, wenn Menschen sich in Krisen-situationen befinden und sich Differenzerfahrungen gegenübersehen. Dementsprechend brauchen sie einen Ausweg beziehungsweise eine Umgangsweise, um die Krise zu entschärfen; aus diesem Grund werden Rituale oftmals als Ventil für Krisenbewältigungen verstanden (vgl. Wulf/Zirfas 2004 S. 22). Rituelle Handlungen steuern Verhältnisse wie etwa Gewalt, Wut, Trauer sowie Unterwerfung und können so von der Gemeinschaft abgewendet werden. Rituale fungieren in dem Moment als eine Art „Airbag“ für die Betroffenen und geben ihnen Sicherheit in Zeiten der Unübersichtlichkeit, Verlust-erfahrung und Orientierungslosigkeit (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 7). Demnach können Rituale therapeutische Wirkung haben, indem sie Heilungsprozesse voranbringen, da sie bei den Menschen unbewusst etwas bewegen (vgl. Kaiser 2003, S. 8). Das heißt, Rituale schaffen nicht nur Ordnung, sie ordnen ebenso Dinge, die in Unordnung geraten sind. Sie gelten somit nicht nur als Ausdrucksform und Kommunikationsmittel, sondern stellen Kriseninterventionen dar, die den Menschen in besonderen Situationen helfen sollen (vgl. Caduff/Pfaff-Czarnecka 1999, S. 16), damit sie vor einer Überforderung geschützt werden (vgl. Jackel 1999, S. 14). So können Trauer- oder Bewältigungsrituale dabei helfen, mit Verlusterfahrungen wie dem Tod umzugehen (vgl. DuBois/Jungaberle/Verres 2006, S. 40) und Zusammenhänge herzustellen. Schließlich sind Menschen in solchen speziellen Momenten häufig orientierungslos sowie verunsichert und suchen nach Auswegen aus diesem Zustand (vgl. Caduff/Pfaff-Czarnecka 1999, S. 165). Ritualen kann eine emotionale Funktion zugesprochen werden, da sie neben Trauer, Bewältigung und Anpassung, ebenso der Macht, Unterwerfung, Solidarisierung und dem Andenken dienen. Demnach unterstützen und fördern sie nicht nur Entwicklungsprozesse, sondern initiieren einen ganzheitlichen Lernprozess aller Beteiligten durch den Einbezug des Mensch-Umwelt-Feldes (vgl. Kaiser 2003, S. 10f). Warum das so ist, wird im nachfolgenden Kapitel erklärt. Letztlich bleibt festzuhalten, dass von konnektiven Ritualen die Rede ist, wenn diese durch Krisenbewältigung den Zusammenhalt von bestehenden Sozialitäten unterstützen (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 77).

6. Übersinnlichkeit

Rituale sind transzendent-magische Handlungen, da sie in ihren Methoden und Äußerungen erprobt und eingeübt werden, was im gewohnten Alltag nicht immer unbedingt durchführbar und kontrollierbar ist. Es handelt sich um Mechanismen, die dazu dienen, die Komplexität zu reduzieren und so Situationen planbar zu machen. Dies hat Auswirkungen auf den Einzelnen sowie die Gruppe selbst, schließlich besteht die Möglichkeit der Abgrenzung zur Außenwelt, andererseits jedoch die Schaffung von Solidarität in der Gemeinschaft, was ebenso an deren mimetischen und performativen Charakter liegt. Dadurch beziehen sich Rituale nicht nur auf die in dem Moment geschaffene Wirklichkeit, sondern ebenso auf die tatsächliche Realität. Dies ist außerdem durch die bereits beschriebene Symbolkraft möglich, durch welche Erfahrungen auf eine andere Bedeutungsebene, wie beispielsweise eine soziale oder religiöse, transformiert werden, sodass neue Wirklichkeiten entstehen (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 22f). Für die Menschen werden dann Räume, Gegenstände, Zeiten, Handlungen und das Miteinander zu bedeutsamen Erfahrungen, welche für sie einen heiligen und somit übersinnlichen Charakter annehmen. Das bedeutet, dass mit Ritualen Grenzen überschritten werden, die vom Alltäglichen weg-, und zum Außergewöhnlichen hinführen. Damit Rituale „funktionieren“ können, ist ein Glaube an das Transzendente unabdingbar, sodass Erwartungen gemindert, aber Sicherheit und Vertrauen tradiert werden (vgl. ebd.). Obwohl die Ergebnisse nicht greifbar sind, bewirken sie bei den Beteiligten viel und haben aufgrund der entstehenden Erinnerungen einen hohen Symbolwert (vgl. Schwedler 2006, S. 41).

Es wird deutlich, dass die Funktionen nicht voneinander getrennt betrachtet werden können, da sie ineinandergreifen, aufeinander aufbauen und sich vielmehr ergänzen als ausschließen. Darüber hinaus gibt es Überschneidungen zu den vorher bestimmten Merkmalen, was wiederum zeigt, wie eng die Eigenschaften und Funktionen zusammenhängen. Außerdem wird klar, dass sich Rituale eindeutig von anderen wiederkehrenden Handlungen abheben und überall und immer diese Funktionen erfüllen. Dabei spielen soziale Hintergründe und die historische Periode keine Rolle. Rituale wirken überall auf der Welt und erfüllen die hier aufgelisteten sechs Aufgaben im unterschiedlichen Maße (vgl. Kaiser 2003, S. 4f). Der Frage, warum Rituale diese Aufgaben erfüllen und solch eine Wirkung auf den Einzelnen oder eine Gruppe haben, wird im nächsten Kapitel nachgegangen.

Funktionen auf einen Blick

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Historischer Exkurs: Ansätze aus der Ritualforschung

3.1 Das Modell der Übergangsriten nach Arnold van Gennep

In diesem Kapitel wird erläutert, warum Rituale, einerseits das Überschreiten zum vermeidlich Fremden erleichtern und so Unsicherheiten des Einzelnen aufheben und andererseits den Verlust von Vertrautem auffangen und dem dabei entstehenden Schwebe-zustand entgegenwirken.

Der französische Ethnologe Arnold van Gennep (1873-1957) wird als Vater der Ritualtheorie betrachtet, da er weltweit sogenannte „Übergangsriten“ verschiedener Kulturen untersuchte und die Ergebnisse dieser Forschungen 1909 in seinem Werk „Les rites de passage“ (zu Deutsch: Passageriten beziehungsweise Übergangsriten) in Paris veröffentlichte. Bis heute gelten seine Forschungsuntersuchungen als Ausgangspunkt kultur- und sozial-anthropologischer Wissenschaften (vgl. Uhl 1999, S. 237). In seiner Arbeit legt van Gennep den Schwerpunkt auf die sozialen Strukturen und betrachtet diese hinsichtlich unter-schiedlicher Gesellschaftsgruppen. Seiner Auffassung nach besteht jede Gesellschaft aus mehreren sozialen Gruppierungen, die sich jeweils aus kleineren Untergruppen zusammen-setzen (vgl. van Gennep 1999, S. 135 ). Diese Gruppenbildung ergibt sich daraus, dass sich jeder Einzelne in einer Alters-, Verwandtschafts-, Berufs-, Religions-, Status-, politischen und territorialen Gruppe oder Einheit wiederfindet (vgl. Stohrer 2008), deren Zugehörigkeit nicht von Dauer ist, sodass das Individuum zu einem immer wieder stattfindenden Gruppenwechsel gezwungen wird. Das heißt, es ist das Leben selbst, das die Übergänge und den sozialen Wechsel notwendig und somit unabdinglich macht, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gruppe. Dieser Wandel verläuft dynamisch und nimmt die Form eines Übergangs an, der durch bestimmte Rituale erkenntlich und überwindbar gemacht wird (vgl. van Gennep 1999, S. 14). Diese Strukturgebung kann sich in räumlichen, zeitlichen, identifikatorischen und sozialen Übergängen zeigen (vgl. Dücker 2007, S. 210). Folglich besteht jedes menschliche Leben aus ähnlichen Etappenfolgen, gekennzeichnet durch eine Anfangs- und Endphase wie etwa Geburt, soziale Pubertät, Elternschaft, Klassenaufstieg und viele weitere mehr. Für den Einzelnen bedeute das, dass entsprechende rituelle Handlungen im Ablauf des Lebens Übergangsriten darstellen (vgl. Uhl 1999, S. 237; van Gennep 1999, S. 15), die das Überschreiten und Zurücklassen von Grenzen zur Folge haben (vgl. van Gennep 1999, S. 15) und einen „Orts-, Zustands-, Positions- oder Altersgruppenwechsel begleiten“ (ebd.). Demnach stellen sie eine besondere Kategorie von Ritualen dar, welche einmalig, irreversible Ereignisse sind und alle das gleiche Ziel der Zustandsveränderung realisieren. Konkret bedeutet das, dass Übergangsriten dabei helfen, von einem Zustand in einen andern zu gelangen und diesen dann zu verwirklichen (vgl. Stagl 1983, S. 85). Van Gennep unterscheidet zwischen Übergangsriten, die entweder den Einzelnen, die Gruppe oder die ganze Gesellschaft in Form von sich jährlich wiederholenden, jahreszeitlichen Veränderungen betreffen (vgl. Turner 1989, S. 34ff) wie beispielsweise der Übergang von einen in den anderen Monat oder von einer Jahreszeit in die andere (vgl. van Gennep 1999, S. 16).

Jeder Mensch wird folglich mit einer Differenzbearbeitung zwischen dem Vorher und dem Nachher konfrontiert und erhält dann in Übergangsritualen eine Lösung (vgl. Mori 2010, S. 26). Idealerweise setzt sich dieser rituelle Handlungsprozess aus drei Phasen zu einem Strukturmodell zusammen, welches van Gennep mithilfe seiner Untersuchungen zu Riten und den daraus resultierenden Ähnlichkeiten entwickelt hat (vgl. Dücker 2007, S. 209; Herlyn 2002, S. 20):

1. Trennungsphase (=rites de séparation)

Die erste Phase dient der Loslösung oder zumindest einer Ergänzung des Einzelnen beziehungsweise eines Kollektivs von bereits bestehenden Sozialstrukturen wie Identitäten, Eigenschaften, Altersstufen, Jahreszeiten sowie den kulturellen Bedingungen oder beiden zusammen (vgl. Turner 2005, S. 94; Wulf/Zirfas 2004, S. 14; Braungart 1996, S. 82). Demnach wird ein Mitglied von der Gruppe abgetrennt (vgl. Mori 2010, S. 26), um zwangsläufig einer anderen beizutreten: Der Mensch löst sich also von seinem Ist-Zustand, um über die Schwellenphase zu seinem Soll-Zustand zu gelangen.

2. Schwellenphase- beziehungsweise Umwandlungsphase (=rites de marge)

In dieser Phase wird eine Art Zwischenraum erreicht, der keinerlei Kennzeichen des alten, noch des zukünftigen Zustandes aufweist, sondern in welchem sich das rituelle Subjekt einer Statuslosigkeit konfrontiert sieht (vgl. Turner 2005, S. 94). Darauf folgt dann „eine Phase der Umwandlung, Neukonstituierung oder Restabilisierung“ (Wulf/Zirfas 2004, S. 14), die den eigentlichen rituellen Zustand ergibt und die Gleichheit aller betroffenen Personen durch deren Statuslosigkeit und Abgrenzung zur Folge hat. Auf dieser Grundlage bildet sich die Solidarität und Identifikation mit der neuen Gruppe aus (vgl. Turner 1989, S. 95).

3. Angliederungsphase (=rites d’agrégation)

In der abschließenden Phase der Wiederangliederung wird der Einzelne oder die Gruppe abermals in einen stabilen Zustand zurückgeführt und in die neue Gruppe integriert, wodurch ein neuer Status in der Sozialstruktur erreicht wird, der sie zur Einhaltung der neu gewonnen Rechte und Pflichten beauftragt. Die neuen Verhaltensweisen orientieren sich an traditionellen Normen und ethischen Maßstäben (vgl. Turner 2005, S. 94f; Mori 2010, S. 26), wodurch eine Neuordnung und Reinkorporation erfolgt (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 15). Dies gilt nicht für kalendarische oder jahreszeitliche Rituale. Sie haben zwar Auswirkungen auf das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben, bedeuten allerdings keine Statusveränderung (vgl. Turner 1989, S. 35).

Während der Übergangsphasen ändert sich die Lebenslage der teilnehmenden Personen, sodass die Gemeinschaft bestätigt wird. Konkret bedeutet das ein ständiges Trennen und Wiedervereinigen, eine Erfahrung, die sich auf die Normalität des Alltages auswirkt (vgl. Dücker 2004, S. 227; van Gennep 1999, S. 182). Ein Beispiel für das Dreistufenmodell der Übergangsriten nach van Gennep nennen Baslé und Maar (1999). So stellen Verlobung, Hochzeit und Hochzeitsreise im traditionellen Sinn dar. Die Verlobungszeit dient zur Vorbereitung auf die Ehe und der Verabschiedung vom Junggesellinnendasein, während die Hochzeitszeremonie mit all den symbolischen Handlungen die eigentliche Übergangs-markierung darstellt. Die sich anschließende Hochzeitsreise dient nicht nur der Trennung vom Elternhaus, sondern leitet gleichsam das Leben als Ehepaar ein. Demnach geben Übergangs-riten, Raum für widersprüchliche Gefühle sowie eine Orientierungshilfe im alltäglichen Leben. Begrüßungen und Verabschiedungen stellen ebenfalls solche Übergänge, die überwunden werden müssen, dar (vgl. Baslé/Maar 1999, S. 97). Die Gestaltung des Schul-eintritts, der Führerscheinerwerb oder im religiösen Kontext, der Erstkommunion, Firmung oder Konfirmation sind Übergangsrituale, die heute weit verbreitet sind und den Übertritt von einer vorher bekannten Sozialgruppe in die nächste Unbekannte regeln (vgl. Braungart 1996, S. 82).

Diesen drei erläuterten Phasen ordnet van Gennep jeweils entsprechende Riten zu, welche die Hauptcharakteristika der Passagen wiederspiegeln: 1. Trennungs-, 2. Schwellen- beziehungs-weise Umwandlungs- und 3. Angliederungsriten, wobei diese in weitere Passsagen unter-gliedert werden können, sodass mehrere Ritenarten verbunden werden (Stohrer 2008; van Gennep 1999, S. 5). Das heißt, die verschiedenen Phasen werden nicht gleichgewichtig betrachtet, da in bestimmten Riten bestimmte Phasen betont werden (vgl. Herlyn 2002, S. 21). Van Gennep (1999) macht deutlich, dass nicht alle Riten automatisch Übergangsriten sind, sondern, dass sie oftmals einfach nur so eng miteinander verknüpft sind, dass eine Aus-differenzierung kaum möglich ist. Folglich kann es passieren, dass beispielsweise nicht ersichtlich wird, ob es sich um ein Schutz- oder Trauerritual handelt (vgl. van Gennep 1999, S. 22). In einem solchen Fall haben die Rituale nicht nur eine Zustandsveränderung zur Folge, sondern es verbinden sich weitere rituelle Formen miteinander. Um diese These zu stützen, zieht van Gennep eine Reihe von Beispielen zur Veranschaulichung heran. Neben räumlichen Übergängen und Initiationsriten widmet er sich in weiteren Kapiteln seines Werkes auch den Übergangsritualen im Lebenslauf eines Menschen wie zum Beispiel der Geburt, Kindheit, Verlobung oder Heirat (vgl. Stohrer 2008; van Gennep 1999, S. 5). Beim Überschreiten und Wechsel zwischen jenen Alters- und Tätigkeitsgruppen verändert sich die Zugehörigkeit des Menschen von einer zu der anderen Gruppe und setzt eine Dynamik des sozialen Lebens frei, welche die Stabilität der Gruppe zum Schwanken bringen kann. Umso wichtiger erscheint es dann, die Sicherung der Sozialordnung durch die Begleitung des Statuswechsels mithilfe von Übergangsriten von einen in den anderen Zustand (vom Kind zum Erwachsenen zum Beispiel) zu regeln, ordnen, kontrollieren und zu gewährleisten (vgl. Stohrer 2008; Herlyn 2002, S. 20). Damit ist zu erklären, warum Rituale trotz unterschiedlicher Gestaltungsformen überall auf der Welt die gleichen Funktionen erfüllen und ähnlich ausgeprägt sind (vgl. Stohrer 2008).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bezeichnung der Übergangsriten als Ausgangspunkt verschiedener wissenschaftlicher Untersuchungen dient. Die Anwendbarkeit ist zeitlos und stets zutreffend, da sich jede Gesellschaft in krisenhaften Übergangssituationen befinden kann (vgl. Uhl 1999, S. 239). Das bedeutet, dass jeder Übergang aus dem Vertrauten zunächst in das Ungewisse führt, denn der Einzelne gibt auf, was er kennt und begibt sich in die Sphäre des Unbekannten, in die er wiederum von Ungewissheit, Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit begleitet wird (vgl. Stagl 1983, S. 84). Zum einen vollziehen die Beteiligten eine Statusveränderung und zum anderen finden sie sich gleichsam in einem Zwiespalt wieder, da sie nicht wissen, welche Erwartungen an sie gestellt werden, zum Beispiel in der persönlichen Anrede oder bei der Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen. Mit dem Status-wechsel geht eine Anpassung der Interaktionen an die veränderte Konstellation einher. In der Konsequenz bedeutet das, dass ein Rückgriff auf bekannte, gesellschaftlich anerkannte Umgangsformen erforderlich ist, um die Übergänge so zu überwinden, dass diese steuerbar sind und die Menschen diese in Krisensituationen routiniert bewältigen können (vgl. ebd.). Rituale stellen also einen Kontrollmechanismus für die soziale Lebensdynamik dar, der bei der Grenzüberschreitung und dem Wechsel von Status und Zugehörigkeit notwendig ist. Da die Menschen im Laufe ihres Lebens nicht nur ihren Aufenthaltsort, sondern ebenso ihre Alters-, Berufs- oder Statuszugehörigkeit wechseln und damit eine Dynamik freisetzen, die das Gemeinschaftskonstrukt erschüttern kann, dienen Rituale der Stabilisierung und Konstituierung der sozialen Gesellschaft (vgl. Schultheis 1998, S. 6).

3.2 Die Ritualtheorie nach Victor Turner

Nach der Herausgabe einer Übersetzung des Buches „Les rites de passage“ von van Gennep schreibt der britische Sozialanthropologe Victor Turner (1920-1983) einen Aufsatz mit dem Titel „Betwixt and between: the liminal period in rites de passage“ (zu Deutsch: Die liminale Phase in Übergangsriten), in dem er das Modell zu den Übergangsriten von van Gennep aufgreift, weiterentwickelt und die strukturellen Charakteristika in den Mittelpunkt stellt. Seine Überlegungen und Untersuchungen fügt er in seinem Werk „The Ritual Process. Structure and Anti-Structure“ (zu Deutsch: Das Ritual. Struktur und Antikstruktur6 ) in New York 1969 zusammen (vgl. Dücker 2007, S. 211; Herlyn 2002, S. 25). Der Schwerpunkt liegt hierbei auf einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff Liminalität hinsichtlich transformativer Funktionen von Ritualen und der Transformationsphase. Diese entscheidende Phase des rituellen Zustandes, die Schwellen- oder Umwandlungsphase macht er unter jener Bezeichnung bekannt (vgl. Strecker 1999, S. 43). Der Begriff geht auf das lateinische Wort „limen“ zurück, das Schwelle bedeutet und damit den Bezug auf die zuvor genannte Phase herstellt (vgl. Turner 1989, S. 35). Die Liminalitätsphase zeichnet sich durch eine unbestimmte menschliche Situation und eine Eigenständigkeit aus, die sich durch den Wechsel von einem Zustand in einen anderen ergibt und so als Angelpunkt der Transformation zu betrachten ist. Da sich diese Phase zwischen zwei klar strukturierten Abschnitten befindet, geht ihr eine gewisse Unstrukturiertheit, Doppeldeutigkeit und Wider-sprüchlichkeit voraus (vgl. van Gennep 1999, S. 246; Mori 2010, S. 26). Durch die Auf-hebung jeglicher Strukturen und des daraus resultierenden Individualitätsverlustes während der rituellen Liminalität wird ein sozialer Raum ohne Grenzen geschaffen, in welchem soziale, kulturelle und alltägliche Normen sowie verteilte Rollen zeitweise außer Kraft gesetzt werden (vgl. Strecker 1999, S. 46). Die zuvor genannte Struktur- und Ordnungs-losigkeit wird nach Turner unter dem Begriff der Antistruktur zusammengefasst (vgl. Dücker 2007, S. 211). Hier finden sich die Beteiligten in einer Zwischenphase wieder, in der sie auf Gleichgesinnte einer Gesellschaft treffen (vgl. Stohrer 2008). Sie durchlaufen einen Status- beziehungsweise Seins-Wechsel und finden sich weder in der alten noch in der neuen Situation wieder, was bereits van Gennep formuliert hat (vgl. van Gennep 1999, S. 246): Merkmale wie Identität, Status, Rang, Besitz und Unterschiede durch Kleidung, Sexualität und Herkunft sind demnach bedeutungslos -die Menschen erfahren in der liminalen Phase eine Umkehrung alltäglicher Wirklichkeiten. Die Schwellenwesen, wie Herlyn (2002) sie nennt, existieren zwischen den fixierten Sozialpositionen von Gesetz, Tradition, Konventionen und Zeremoniell. Demnach werden die Mitglieder auf einen einheitlichen Zustand reduziert, sodass sie in den strukturierten gesellschaftlichen Soll-Zustand überführt werden, wodurch die Gesellschaft stabilisiert wird (vgl. ebd., S. 25f). Liminale Wesen sind Menschen an sich, ohne jegliche Erkennungsmerkmale, die frei von normativen Statusregeln sind. Sie gelten als strukturell tot oder in ihrem Verhalten als passiv (vgl. Stohrer 2008; Döhnert 2002, S. 81; Strecker 1999, S. 43). Mittels Ritualen, die Turner als „vorgeschriebenes formales Verhalten für Ereignisse, die noch nicht einer technologischen Routine überlassen wurde und sich auf den Glauben an mystischen Wesen oder Kräfte beziehen“ (Herlyn 2002, S. 19) versteht, erwachen die Betroffenen in einer Art Zwischenwelt zum Leben. Diese wird als rituelles Abseits von der Gesellschaft markiert, in der sich eine Gemeinschaft beziehungsweise ein Gesellschafts-modell, mit den zuvor genannten Auffälligkeiten herausbildet. Turner nennt sie Communitas, in der vorübergehend soziale Normen aufgehoben und neue Regeln aufgestellt werden. Obwohl sich die Mitglieder in einer Art Schwebezustand befinden, ist ein Phänomen von Gleichheit, Vertrautheit sowie Ungezwungenheit untereinander zu erkennen, wodurch die Mitglieder Verbundenheit erfahren (vgl. Stohrer 2008; Stagl 1983, S. 87; Herlyn 2002, S. 26). Ein solcher Zustand bildet nicht nur den Nährboden für alternative Lebensstile, sondern führt ebenfalls Communitaswerte in die Gesellschaft ein. Die Transformation jedes Einzelnen wird außerdem zum Antrieb existierender Sozialstrukturen (vgl. Strecker 1999, S. 48). Die Betroffenen werden im Übergang an die neuen gesellschaftlichen und traditionellen Werte herangeführt, um dem neuen Status gerecht zu werden. Dafür unterliegen sie Gehorsam und Unterwerfung, weswegen diese Phase von Differenzierung und Hierarchie geprägt ist (vgl. Stohrer 2008). Diesem Status wird die Phase der Strukturlosigkeit, der sogenannten Antistruktur, entgegengesetzt. In der sich die Beteiligten in einer ambivalenten Lage zwischen der Gefahr, bestehende gesellschaftliche Strukturen zu stören, und der Möglichkeit, durch Veränderungen positive Auswirkungen auf die Gesellschaft zu haben, befinden. Die Menschen jonglieren mit vertrauten Elementen und verfremden diese so, dass Neues geschaffen wird. Die Communitas zeichnet sich somit durch strukturiertes Chaos aus und verpflichtet die Mitglieder zu normwidrigem Verhalten. Es kristallisiert sich eine Tendenz in Richtung Struktur und Hierarchie heraus, sodass die Antistruktur zugleich Quelle der gesellschaftlichen Ordnung ist (vgl. Stohrer 2008; Turner 1989, S. 40). Struktur und Antistruktur durchdringen sich kontinuierlich und stehen vielmehr in einem dialektischen Verhältnis zueinander (vgl. Strecker 1999, S. 59).

Turner nimmt eine Segmentierung der Communitas in drei Unterformen vor: die spontane beziehungsweise existenzielle, die normative und die ideologische Communitas. Unter der ersten Form ist ein kurzzeitiger, liminaler Zustand zu verstehen, der auf eine spontane Ekstase der Gemeinschaft abzielt. Die Mitglieder bilden gefühlsmäßig eine Einheit, sodass Emotionen die Basis schaffen und sich die Communitas außerhalb der Struktur befindet. Bei der zweiten Gruppierung geht es darum, dass es zu einer Unterbrechung der emotionalen Erfahrungen von Einheit durch Reflexion und Praxis kommt. Es entsteht ein beständiges Sozialsystem, das sich mit der Zeit aus der Communitas entwickelt. Der Grund liegt hier in der Notwendigkeit, die Ressourcen zu aktivieren und zu organisieren sowie die Mitglieder zur Einhaltung der Ziele der sozialen Struktur zu unterwerfen. Die dritte Communitasform steht für eine Vielzahl utopischer und somit fiktiver Gesellschaftsmodelle oder -ordnungen, die sich ebenso aus der existentiellen Communitas ergeben. Die letzten zwei Unterformen, die normative und ideologische, sind nicht nur auf die spontane Communitas zurückzuführen, sondern gehören dem strukturierten Geflecht menschlichen Zusammenlebens an (vgl. Turner 1989, S. 129; Dücker 2007, S. 212; Mori 2010, S. 27).

Zu seinen Erkenntnissen gelangt Victor Turner durch seine Feldforschung Mitte des 20. Jahrhunderts bei den Ndembu, einem Volk im südafrikanischen Staat Sambia, wo er sich deren Sozialstruktur, Ökonomie und Politik widmet (vgl. Strecker 1998, S. 66; van Gennep 1999, S. 245). Unter Ritual versteht er seitdem den Ausgleich von Unzulänglichkeiten sozialer Strukturen, das heißt eine Integrationsfunktion zur Steuerung und Orientierung von Werten streitender Menschen: diese eröffnet die Möglichkeit, sich auf einer anderen Werte-ebene außerhalb des Streits zu begegnen und miteinander leben zu können (vgl. ebd.). Während seiner Untersuchungen wendet sich Turner zunehmend von seiner struktur-funktionalistischen Überzeugung ab und verlagert sein Interesse auf die symbolische Bedeutung von Ritualen, womit er den Grundbaustein seiner Arbeit legt. Während er zuvor noch die Gesellschaft als statisch geschlossenes System betrachtet hat, beginnt er sie nun als prozesshaftes Geschehen und als Austragungsort von Kräften und Konflikten wahrzunehmen (vgl. van Gennep 1999, S. 245). Turner stellt in seinem Werk „From ritual to theatre. The human seriousness of play“ (zu Deutsch: Vom Ritual zum Theater: Der Ernst des menschlichen Spiels)7, den Begriff des Rituals in einen neuen Bedeutungszusammenhang und spricht von sozialen Dramen, die auf das prozesshafte Geschehen zurückzuführen sind und in den einhergehenden Unstimmigkeiten zum Ausdruck kommen. In den sozialen Dramen sind wiederkehrende Handlungsabfolgen zu erkennen, welche schlussendlich in vier Abschnitte unterteilt werden können: Das Bewusstwerden über die Krise und der Bruch mit sozialen Normen, die eigentliche Krise, der Versuch die Krise zu bewältigen sowie zu reflektieren und die abschließende Aussöhnung beziehungsweise Spaltung durch eine rituelle Lösung (vgl. Wulf/Zirfas 2004, S. 15; van Gennep 1999, S. 245 f.; Bräunlein 2012, S. 96).

Rituelle Ausdrucksformen in eher einfachen, vorindustriellen und traditionalen Kulturen treten grundsätzlich in anderem Ausmaß in Erscheinung als in komplexen, pluralistischen und modernen Gesellschaften. Trotz des Mangels an verbindlichen Übergangsritualen in der Moderne besteht das Bedürfnis nach rituellen Handlungen und liminalen Zuständen. Turner führt in diesem Zusammenhang den Begriff des Liminoiden ein, der dem des Liminalen gegenübergestellt wird (vgl. Turner 1989, S. 85f; Bräunlein 2012, S. 93ff; Herlyn 1999, S. 29). Liminoide Ausdrucksformen ergeben sich in westlichen Gesellschaften im Zuge der Industrialisierung und Mechanisierung und der damit einhergehenden Differenzierung in Klassen, Geschlechter und Altersgruppen wie es zuvor bereits erläutert wurde (vgl. Turner 1989, S. 83ff). Demnach treten liminoide Phänomene in modernen Gesellschaften säkularisiert auf. Das bedeutet, dass rituelle Phänomene nur den Teil der Gesellschaft betreffen, der häufig von bestimmten Personen oder Gruppen beeinflusst wird, die am Rande der Gesellschaft stehen und Kritik an der Sozialstruktur üben. Sie bieten dann alternative Entwürfe mit der Hoffnung, etwas verändern zu können und mit dem Ziel, kollektives Potenzial hervorzubringen, welches auf individuelle Entwicklungen zurückzuführen ist (vgl. Turner 1989, S. 43ff; Döhnert 2002, S. 82). Konkurrenzdenken und -verhalten kann entstehen, bei welchem es um allgemeine Anerkennung geht. Beispiele hierfür wären Freizeitaktivitäten, Kunst, Sport und Spiel (vgl. Herlyn 2002, S. 29; Turner 1989, S. 87).

Liminale Phänomene stellen den Gegenpart zum Liminoiden dar und treten hauptsächlich in einfachen Gesellschaften auf, in denen sich die Mitglieder über ihren sozialen Status definieren und eine Aufrechterhaltung der sozialen Struktur zum Ziel haben. Im Mittelpunkt steht das kollektive Sein, welchem eine natürliche Notwendigkeit zugrunde liegt, die sich aus „kalendarische[n], biologische[n] und sozialstrukturelle[n] Rhythmen“ (Turner 1989, S. 85) ergibt. Turner zählt hierzu religiöse Aktivitäten von Kirchen, Sekten und Bewegungen sowie Initiationsriten von Studentenverbindungen und Clubs. Turner nimmt also eine Klassifizierung vor, die durch einen kulturellen Pluralismus innerhalb der Gesellschaft existiert (vgl. ebd., S. 87).

Abschließend kann festgehalten werden, dass die beiden hier behandelten Theoretiker dem Zusammenhang von Ritualen und Gesellschaftsstrukturen auf den Grund gegangen sind, um so eine Vorstellung über ihre Wirkungskraft zu erhalten. Die Gegenüberstellung der beiden Wissenschaftler hat gezeigt, dass sich van Genneps Theorie auf die Passageriten und den Schwerpunkt des Statuswechsels konzentriert, während Turner sein Hauptaugenmerk auf die Liminalität und deren transformativen Charakter legt, was wiederum Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaften hat (vgl. Strecker 1999, S. 48f). Beide Theorien legen den Grundbaustein für das heutige Verständnis des Ritualbegriffs hinsichtlich Übergänge und eröffnen eine Sicht auf das Individuum und die Gemeinschaft, die eine Übertragung auf moderne Gesellschaften im 21. Jahrhundert möglich macht. Turner unterscheidet hier drei Bedeutungsebenen: Das Phänomen Ritual (Was ist ein Ritual?), die funktionale Dimension hinsichtlich individueller und kollektiver Wirkung und zuletzt der implizite Aspekt, mit dem die allgemeinen Einschätzungen über die Ritualexistenz in anderen wissenschaftlichen Disziplinen gemeint ist. Turner sieht im Symbol den wesentlichen Bestandteil eines Rituals, schließlich stellt es die kleinste Einheit rituellen Handelns dar, deren Relevanz in der viel-fachen Bedeutungsfähigkeit, Verknüpfungsmöglichkeit von komplexen Phänomen und dem Wirkungspotential von sensorischen, kognitiven und ästhetischen Aspekten liegt (vgl. Turner 1989, S. 156ff; Roberts 1995, S. 21). Folglich stellt das Symbolische in Ritualen eine unverzichtbare Ebene dar, in der sich aus all den genannten Elementen ein Kreis ergibt, der sich aus Sein und Sollen zusammensetzt (vgl. Turner 1989, S. 174f).

Hinsichtlich dieser Erkenntnisse setzt sich das nachfolgende Kapitel mit der Frage aus-einander, inwieweit diese Strukturen beziehungsweise Phasen auf die aktuelle Situation in Grundschulen bezogen werden können, welche Rolle Rituale spielen und welche Bedeutung sie für den schulischen Alltag haben.

[...]


1 Seit 2002 (bis 2013) hat sich ein Sonderforschungsbereich der deutschen Forschungsgemeinde an der Universität Heidelberg unter dem Terminus „Ritualdynamik“ konstituiert. Schwerpunkte der Untersuchungen sind soziologische, kulturelle und historische Prozesse im Vergleich unterschiedlicher Kulturen hinsichtlich Entstehung, Wirksamkeit, politischer und psychologischer Bedeutung (vgl. www.ritualdynamik.de; Schenk 2004, S. 11).

2 Alle in dieser Arbeit benannten Personen beziehen sich auf das männliche und weibliche Geschlecht. Bei Ausnahmen wird dies entsprechend gekennzeichnet.

3 Zu der Thematik der Mimesis gibt es noch weitere Anknüpfungspunkte und Zugänge, auf welche im Kontext dieser Arbeit nicht weiter eingegangen wird.

4 Die Performativität stellt einen weiteren Forschungszweig dar, welcher hinsichtlich des hier behandelten Themas zu weit ausholt und somit bewusst nicht ausführlicher aufgeführt wird.

5 Hierbei handelt es sich um das Werk „Les rites de passage“ von Arnold van Gennep, welches aus dem Französischen von K. Schomburg und S. M. Schomburg-Sherff in das Deutsche übersetzt wurde und den Titel „Übergangsriten“ trägt. Im Folgenden stellt die deutsche Fassung die Grundlage dar.

6 Im Nachfolgenden wird sich ausschließlich auf die aus dem Englischen von Sylvia M. Schomburg-Sherff übersetzte deutsche Ausgabe bezogen. Dies gilt für alle Werke von Victor Turner.

7 Turner erkennt in modernen Theatern liminoide (=schwellenähnliche) Prozesse, da das Theater hinsichtlich seiner Krisenbewältigungsfunktion von Ritualen abzuleiten ist. Das Rollenspiel und der Spieleinsatz, die Performance, sind mit dem Prozess rituellen Handelns gleichzusetzen und üben somit Kritik an der sozialen Struktur (vgl. Bräunlein 2012, S. 97), was wiederum eine Erklärungsmöglichkeit für den Begriffsvergleich von Ritual als Spiel oder Inszenierung darlegt.

Fin de l'extrait de 113 pages

Résumé des informations

Titre
Bedeutsamkeit von Ritualen für Kinder in der Grundschule
Université
University of Koblenz-Landau
Note
1,7
Année
2015
Pages
113
N° de catalogue
V455339
ISBN (ebook)
9783668881631
ISBN (Livre)
9783668881648
Langue
allemand
Mots clés
bedeutsamkeit, ritualen, kinder, grundschule
Citation du texte
Anonyme, 2015, Bedeutsamkeit von Ritualen für Kinder in der Grundschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455339

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