Der normative Inklusionsanspruch im Boulevard- und Qualitätsjournalismus

Eine empirische Studie zur Berichterstattung in deutschen Online-Medien über die "Hetzjagd in Chemnitz"


Thèse de Bachelor, 2019

80 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung & Relevanz

2. Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand 4
2.1 Die „Hetzjagd von Chemnitz“: Zusammenfassung der Ereignisse
2.2 Demokratie und Öffentlichkeit
2.2.1 Die vier Modelle von Öffentlichkeit
2.2.2 Der Inklusionsanspruch der deliberativen Demokratietheorie
2.3 Vom soziologischen Framing-Konzept hin zu Medien-Frames
2.3.1 Goffman‘s soziologisches Framing-Konzept
2.3.2 Framing durch Text-Formulierung
2.3.3 Framing in der Nachrichtenberichterstattung
2.4 Die Flüchtlingskrise in der Wissenschaft

3. Empirisches Vorgehen
3.1 Themenwahl
3.1 Hypothesenbildung
3.2 Operationalisierung von Inklusivität
3.2.1 Frame-Inklusivität
3.2.2 Akteurs-Inklusivität
3.3 Qualitative Inhaltsanalyse
3.3.1 Fallauswahl
3.3.2 Entwicklung des Untersuchungsinstruments
3.3.3 Qualitative Datenauswertung
3.4 Quantitative Inhaltsanalyse
3.4.1 Fallauswahl
3.4.1 Stichprobenziehung
3.4.2 Entwicklung des Untersuchungsinstruments
3.4.2 Pretest des Codebuchs
3.4.3 Quantitative Datenauswertung

4. Forschungsergebnisse 28
4.1 Qualitative Ergebnisse
4.1.1 Berichterstattungs-Frame
4.1.2 Maßnahmen-Frames
4.1.3 Kritik-Frames
4.1.4 Kommentar-Frames
4.1.5 Gesellschafts-Frames
4.1.6 Demonstrations-Frames
4.1.7 Gewaltmonopol-Frame
4.1.8 Wirtschaftsstandort-Frame
4.1.9 Auslands-Frame
4.1.10 Frame-Ursprünge im politischen Spektrum
4.2 Quantitative Ergebnisse
4.2.1 Prozentuale Verteilung der Frames
4.2.2 Absolute Häufigkeiten der Frames
4.2.3 Prozentuale Frame-Herkunft
4.2.4 Prozentuale Verteilung der Akteurs-Kategorien
4.2.5 Absolute Akteurs-Häufigkeit im direkten Vergleich
4.3 Überprüfung der Hypothesen
4.3.1 Überprüfung von H1: Frame-Vielfalt
4.3.1 Überprüfung von H2: Akteurs-Vielfalt
4.3.1 Überprüfung von H3: Frame-Herkunft
4.3.1 Überprüfung von H4: Akteurs-Herkunft

5.Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
7.1 Codebuch
7.2 Fallmaterial und Codierung

Abstract

Diese Studie untersucht den normativen Inklusionsanspruch innerhalb der Berichterstattung zu den Chemnitzer Ausschreitungen im August 2018 in deutschen Online-Nachrichtenmedien. Dabei findet ein Vergleich zwischen Boulevard- und Qualitätsjournalismus statt, vertreten durch die Online-Ausgaben der Süddeutschen Zeitung und der BILD-Zeitung. Die Grundlage für die normativen Inklusionskriterien stellt dabei die normativ-deliberative Öffentlichkeitstheorie nach Habermas dar. Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse wird im ersten Schritt die gesamte Bandbreite vorhandener Frames innerhalb des Chemnitz-Diskurses exploriert, um mit Hilfe dieser Ergebnisse im zweiten Schritt die Häufigkeiten und Verteilungen von Medien-Frames und Akteuren innerhalb der Online-Berichterstattung mittels quantitativer Inhaltsanalyse zu untersuchen. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass beide Medienvertreter in etwa gleichen Maßen den normativ-deliberativen Inklusionsanspruch erfüllen. Auffällig ist jedoch das politische Ungleichgewicht der Frame-Herkunft in beiden Medien. Dadurch bleibt die Frage offen, welche Ursachen und Auswirkungen diese Leerstellen innerhalb des mitte-rechten Spektrums für den demokratischen Pluralismus und die sich zugehörig fühlende Zielgruppe hat.

This study examines the normative demand for inclusion within the reporting about the riots in Chemnitz in August 2018 in german online news media. A comparison is made between tabloid and quality journalism, represented by the online editions of the Süddeutsche Zeitung and the BILD-Zeitung. The normative inclusion criteria are based on Habermas' normative-deliberative theory of discourse. By means of a qualitative content analysis, the entire range of existing frames within the Chemnitz discourse is explored in the first step, in order to use these results in the second step to examine the frequencies and distributions of media frames and actors within online reporting by means of quantitative content analysis. The author concludes, that both media representatives fulfill the normative-deliberative inclusion demand to about the same extent. However, the political imbalance of frame origin in both media is striking. This leaves open the question of what causes and effects these gaps within the middle-right spectrum have for democratic pluralism and the associated target group.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Operationalisierung des Konstrukts der Inklusivität

Abbildung 2: Absolute Häufigkeiten der Frames im direkten Vergleich nach politischen Spektren gegliedert

Abbildung 3: Prozentuale Darstellung der Frame-Herkunft im direkten Vergleich

Abbildung 4: Prozentuale Verteilung der Akteurs-Kategorien

Abbildung 5: Absolute Akteurs-Häufigkeit im direkten Vergleich

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammenfassung der politischen Herkunft aller Frames 34

Tabelle 2: Prozentuale Verteilung der Sub-Frames im Vergleich 35

1.Einleitung & Relevanz

Chemnitz im August 2018: Nicht nur Bilder von Demonstrationen und Protest beherrschen die Nachrichtenmedien, vor allem die erschreckenden Ereignisse abseits der Kundgebungen erzeugen ein ungewohnt starkes Medienecho sowohl national als auch international. Schnell etablierte sich der Begriff „Hetzjagd“ in der Berichterstattung, der den medialen Diskurs für viele Wochen prägen sollte. Aus der wissenschaftlichen Perspektive heraus entstand dabei ein spannendes Feld, auf dem Akteure aus unterschiedlichen politischen Spektren einen medialen Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse rund um die Demonstrationen in Chemnitz austrugen und damit einen genauso vielfältigen Einfluss auf die Berichterstattung jenes Themas ausübten. Es ist daher zu erwarten, dass dieser Einfluss von unterschiedlichsten Meinungen und Aussagen auch den medialen Diskurs in Form von unterschiedlichen Medienframes und -inhalten prägt. Aus Sicht einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft ist diese Vielfältigkeit nicht nur wünschenswert, sondern auch unerlässlich für eine funktionsfähige Demokratie (Beck, 2012, S. 329). Denn die Art und Weise, wie Medien über ein Thema berichten, hat Auswirkungen auf die Meinungsbildung ihrer Leser und somit auch einen Einfluss auf die Säulen einer repräsentativen Demokratie. Ferner wird durch die Art der Berichterstattung nicht nur die Wahrnehmung beeinflusst, welche Themen aktuell von gesellschaftlicher Relevanz sind, sondern auch, wie in Bezug auf diese Themen gedacht und empfunden wird (McCombs, 2000, S. 125). Aufgrund der Zusammenhänge von Art und Weise der medialen Berichterstattung sowie den Auswirkungen auf die Meinungsbildung ihrer Leser entsteht aus wissenschaftlicher Perspektive eine gesellschaftliche Relevanz zur Beobachtung dieses Phänomens.

Das kontroverse Thema der im Fokus stehenden Berichterstattung, die „Hetzjagd von Chemnitz“, erzeugte einen polarisierenden öffentlichen Diskurs, der innerhalb der Bevölkerung sowohl online als auch offline fortgeführt wird. Dabei geht es um Argumente und Perspektiven, die aus verschiedenartigsten politischen Spektren stammen. Dies ist eine vielversprechende Ausgangslage, möchte man Nachrichtenmedien analytisch untersuchen und bewerten. Die dafür notwendigen Bewertungskriterien lassen sich aus den normativen Grundsätzen deliberativer Öffentlichkeitstheorien ableiten und findet im späteren Verlauf der Studie statt. Ein weiterer bemerkenswerter Faktor ist die breite Beteiligung der Bürger am Diskurs, quer durch alle Bevölkerungsschichten. Dazu trägt vermutlich auch die intensive Berichterstattung der Boulevardmedien bei, die Teile unserer Gesellschaft, die von Qualitätsmedien nur schwer erreicht werden, auf Themen aufmerksam machen (Mast & Spachmann, 2005, S. 59). Es fällt auf, dass besonders die jungen Menschen, statt gedruckter Zeitungen, eher Internetmedien rezipieren (Pasquay, 2013, S. 28-30), wodurch Online-Angebote deutscher Qualitäts- und Boulevardzeitungen immer wichtiger für den öffentlichen Diskurs werden. Der Online-Ableger der BILD-Zeitung, das Internetmedium „BILD.de“, war mit ca. 365 Millionen Aufrufen allein im Monat August 2018 der meistbesuchte Online-Ableger einer deutschen Nachrichtenzeitung im Internet (IVW, 2018). Doch trotz der publizistischen Relevanz von Boulevardmedien ist ihre kommunikationswissenschaftliche Erforschung eher schwach ausgeprägt (Dulinski, 2003, S. 16): falls in seltenen Fällen Boulevardzeitungen untersucht werden, steht meist die gedruckte BILD-Zeitung im Fokus der Wissenschaft(Arlt & Storz, 2011, S. 7). Dadurch entsteht eine zusätzliche wissenschaftliche Relevanz, die durch bisherige Leerstellen in der Forschung begründet ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass auf die Art und Weise in der Medien berichten, Einfluss auf die demokratische Gesellschaft durch die rezipierenden Wähler genommen wird. Dabei ist Framing ein wichtiger Faktor für die Meinungsgestaltung eines Nachrichtenartikels und somit auch ein zentraler Untersuchungsgegenstand der Studie. Die explorativen Befunde können anschließend als Grundlage der weiteren Analyse dienen. Hinsichtlich der Berichterstattung zur „Chemnitzer Hetzjagd“ stellt sich also die folgende erste Forschungsfrage:

FF 1: Welche Frames zu den Chemnitzer Ereignissen bestehen in deutschen Online-Nachrichtenmedien?

Es besteht des Weiteren die Annahme, dass sich Präferenzen und Meinungen von Bürgern erst durch den Einfluss von öffentlicher Kommunikation, die den Kriterien eines offenen Diskurses entspricht, herausbilden (Gerhards, Neidhardt, & Rucht, 1998, S. 31-32). Das normativ-deliberative Demokratiemodell nach Habermas (1992) dient daher im nächsten Schritt als theoretische Grundlage zur Bewertung des Chemnitzer Diskurses. Das Ziel ist es, mit einer empirischen Analyse zu bestimmen, inwiefern die mediale Öffentlichkeit im Chemnitz-Diskurs dem Kriterium der Inklusion als Normvorstellung entspricht. Um der Vielschichtigkeit des Diskurses gerecht zu werden, wird dabei ein Vergleich zwischen Qualitäts- und Boulevardjournalismus stattfinden. Daraus ergibt sich die zweite und letzte Forschungsfrage:

FF 2: Inwiefern unterscheidet sich die Online-Berichterstattung der Chemnitzer Ereignisse zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien hinsichtlich des Inklusions-Anspruchs deliberativer Öffentlichkeit?

Die zweite Forschungsfrage baut somit nicht nur direkt auf der ersten Forschungsfrage auf, sondern greift auch zusätzlich auf deren Erkenntnisse zurück. Die erste Forschungsfrage wurde mit Hilfe einer vorgeschalteten qualitativen Inhaltsanalyse beantwortet und liefert dementsprechend induktive Ergebnisse in Form von Frames, die direkt aus der Beschäftigung mit dem Material entstanden sind. Darauf baute die nachgeschaltete quantitative Inhaltsanalyse auf, deren Zweck es ist, eine Antwort für die zweite Forschungsfrage bezüglich des normativen Inklusionsanspruches zu liefern.

Ziel der Arbeit ist es somit einerseits einen Überblick über die gesamte Bandbreite an existierenden Frames aller politischen Spektren zu erhalten, andererseits auf Grundlage dieser Ergebnisse den Diskurs im Boulevard- und Qualitätsjournalismus anhand der normativen Inklusionskriterien in Form von Akteurs- und Frame-Inklusion zu prüfen.

2. Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

2.1 Die „Hetzjagd von Chemnitz“: Zusammenfassung der Ereignisse

Auch im August 2018 ist Deutschland weiterhin mit der Flüchtlingskrise beschäftigt, sowohl politisch als auch medial. Innerhalb der Bevölkerung spaltet das Thema die verschiedenen politischen Lager noch immer, während gleichzeitig auch die mediale Stimmung zunehmend feindseliger und populistischer gegenüber Flüchtlingen wird (Hemmelmann & Wegner, 2016, S. 27).

Am Sonntag, den 26. August 2018, kommt es beim Chemnitzer Stadtfest zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Deutschen und mutmaßlichen Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien. Dabei wird der Deutsch-Kubaner Daniel H. durch Messerstiche tödlich verletzt, seine Begleiter erleiden ebenfalls Verletzungen. Noch am selben Tag rufen die AfD und „Kaotic Chemnitz“, eine Hooligan-Gruppierung aus dem rechten Milieu, zu jeweils eigenen Kundgebungen auf, das Stadtfest wird durch die Stadtverwaltung abgebrochen. Im Laufe der unangemeldeten Demonstration durch „Kaotic Chemnitz“ lösen sich immer wieder kleinere Menschengruppen und machen Jagd auf ausländisch aussehende Menschen, was von mehreren unterschiedlichen Quellen beobachtet und teilweise mit Hilfe von Video- und Bildaufnahmen dokumentiert wird.

Auch am darauffolgenden Montag, dem 27. August 2018, rufen unterschiedliche Verbände und Bewegungen, wie beispielsweise die Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“, zu weiteren Demonstrationen auf. Neu hinzu kommen die Gegendemonstrationen samt Gegendemonstranten, beispielsweise durch die Kundgebungen von „Chemnitz Nazifrei“, wodurch es zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen beider Seiten kommt. Die Polizei steht den insgesamt ca. 6.000 Demonstranten mit lediglich 600 Beamten gegenüber und wird heftig für ihre erneute Fehleinschätzung der Situation kritisiert. Auch hier gibt es wieder Berichte von „Hetzjagden“ und Verfolgungen.

Die weiteren Tage verlaufen ähnlich, doch erst am Mittwoch, dem 29. August 2018, fordert die Chemnitzer Polizei Hilfe durch die Bundespolizei an. Am darauffolgenden Samstag demonstrieren bereits insgesamt ca. 11.000 Menschen in Chemnitz, davon ca. 8.000 auf den rechten Kundgebungen von AfD, „Pro Chemnitz“ und Pegida. Zahlreiche Anzeigen und verletzte Personen bleiben auch hier nicht aus.

2.2 Demokratie und Öffentlichkeit

Das demokratische Repräsentationsprinzip ist nicht ohne Grund die in vielen Teilen der Welt dominierende und unumstrittene Herrschaftsform der Gegenwart: durch enorm hohe Bevölkerungszahlen und flächenmäßig weit ausgedehnte Nationalstaaten entstehen organisatorische Herausforderungen, die ein Volk, dass selbst den regierenden Souverän darstellen und somit die direkte Entscheidungsgewalt besitzen möchte, bei solchen Ausmaßen kaum überwinden kann. Eine direkte Demokratie bräuchte eine regelmäßige Zusammenkunft aller Bürger, um über aktuelle Anliegen und Vorhaben diskutieren oder gar abzustimmen zu können. Nur so wäre es gewährleistet, dass die Bürger direkt mitbestimmen können. Überträgt man dieses Modell auf die modernen Nationalstaaten mit Millionen von Einwohnern, so stellt man schnell fest, dass die direkte Einbeziehung aller Staatsbürger bei allen anliegenden Debatten und Entscheidungsprozessen unmöglich scheint. Aus diesem Grund ist das demokratische Repräsentationsprinzip das einzig probate Mittel, um Demokratie und Realisierbarkeit miteinander zu kombinieren. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass die Staatsbürger ihre Entscheidungsgewalt an eine deutlich überschaubarere Gruppe übertragen, die wiederum in Form von parlamentarischen Institutionen und Versammlungen die demokratischen Interessen der Gesamtbevölkerung aushandelt. Das sich daraus ergebende Legitimationsproblem, wer denn überhaupt die politischen Machtbefugnisse erhält, wird gelöst durch allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen. Das Ergebnis des Wahlprozederes bestimmt daraufhin die legitimierten Vertreter des Volkes.

Voraussetzung für diese Art der Entscheidungsfindung ist ein transparentes und offenes System zwischen Bürgern und Bürgervertretern. In der demokratischen Realität stellt dieses System die Öffentlichkeit dar, worin sich die "Demokratie in jeder Hinsicht zeigen und beweisen muss“ (Klier, 1990, S. 23). Öffentlichkeit ist demnach eine absolut notwendige Voraussetzung für repräsentative Demokratie. Zwar wird das Konzept von Öffentlichkeit als ebendiese Voraussetzung repräsentativer Demokratien im Allgemeinen nicht bestritten, allerdings gibt es unterschiedliche Ansätze, wie diese Öffentlichkeit auszusehen hat, um ihrer Vermittlerrolle gerecht zu werden. Entscheidend dafür ist die jeweilige Vorstellung von Demokratie, dessen Zusammenhang Ferree, Gamson, Gerhards und Rucht (2002, S. 289) wie folgt beschreiben:

„Democratic theory focuses on accountability and responsibility in the decision-making process; theories of the public sphere focus on the role of public communication in facilitating or hindering this process.“

2.2.1 Die vier Modelle von Öffentlichkeit

Ferree et al. (2002, S. 290-315) unterscheiden dabei vier verschiedene Modelle von Öffentlichkeit: das repräsentativ-liberale, partizipatorisch-liberale, deliberative und konstruktionistische Modell. Das repräsentativ-liberale Modell definiert Öffentlichkeit als Produkt der politischen Eliten. Sie hat dabei nicht den Zweck, Konsens durch Diskurs zu erreichen, sondern die Transparenz politischer Prozesse zu garantieren. In diesem Sinne bilden demnach die gewählten Repräsentanten die größte Gruppe aller Öffentlichkeitsakteure, aber auch Fachleute und Experten (Ferree, Gamson, Gerhards, & Rucht, 2002, S. 290-295). Das partizipatorisch-liberale Modell ist dem repräsentativ-liberalen Modell insofern ähnlich, als das auch hier die Staatsbürger nicht als direkt am Diskurs beteiligte Akteure begriffen werden. Jedoch wird diese Rolle nicht den politischen Repräsentanten zugeschrieben, sondern Organisationen, deren Struktur die aktive Teilnahme ihrer jeweiligen Mitglieder berücksichtigt. Denkbar sind beispielsweise Interessengruppen, Verbände oder ähnliche Formen der politischen Bürgerorganisation (Zimmermann, 2008, S. 25-27). Das konstruktionistische Modell

„lehnt vordefinierte Diskursregeln ab, da diese unbewusst oder bewusst den Kreis der Teilnehmer einschränken, indem sie diejenigen ausgrenzen, die diese Regeln nicht kennen oder nicht beherrschen. Konstruktionisten sehen den Sinn der Öffentlichkeit stärker darin, den politischen Raum unaufhörlich durch neue Ideen, Meinungen und Gruppen zu erweitern, als einen Konsens auszuhandeln, der die Debatte abschließt.“ (Zimmermann, 2008, S. 32)

Im Gegensatz zu den bisherigen Modellen muss im konstruktionistischen Modell Öffentlichkeit demnach frei zugänglich für alle Akteure sein. Das vierte und letzte Öffentlichkeitsmodell stellt das normativ-deliberative Modell von Jürgen Habermas dar (1992). Er vertritt dabei ein normatives Leitbild, in dem die Öffentlichkeit durch „rational abwägende Kommunikation die Partizipation verstärkt und zu einer besser legitimierten und auch qualitativ verbesserten Entscheidungsfindung in modernen Demokratien beitragen kann“ (Schicha, 2000, S. 176). In „Faktizität und Geltung“ definiert Habermas (1992, S. 436) Öffentlichkeit wie folgt:

„Die Öffentlichkeit lässt sich am ehesten als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen beschreiben; dabei werden die Kommunikationsflüsse so gefiltert und synthetisiert, daß [sic!] sie sich zu themenspezifisch gebündelten öffentlichen Meinungen verdichten“.

2.2.2 Der Inklusionsanspruch der deliberativen Demokratietheorie

Damit diese Entscheidungsfindung stattfinden kann, muss Öffentlichkeit nicht nur die „vorhandene Pluralität von Partikularinteressen spiegeln“ (Gerhards, Neidhardt, & Rucht, 1998, S. 31), sondern auch die Inklusion der Akteure beachten, „die idealerweise die Teilnahme und gegenseitige Anerkennung aller Beteiligten und Betroffenen bedeutet“ (Skirbekk, 2005, S. 193-194). Nur wenn beide Faktoren gegeben sind, lässt sich normative Legitimität hinsichtlich Inklusivität herstellen. Peters‘ (2002, S. 28) Überlegungen zu einer fairen öffentlichen Debatte gehen sogar so weit, die akteurszentrierte Perspektive vollständig zu ersetzen: „Diese Überlegungen sprechen dafür, das personenbezogene Gleichheits- und Partizipationsideal zu ersetzen durch ein Prinzip der Offenheit oder Chancengleichheit für Themen, Perspektiven, Interpretationen, Ideen und Argumente.“ Er begründet dies mit der Annahme, dass dieselbe Position nicht tausendfach wiederholt werden sollte, nur weil sie tausend Anhänger habe. Vielmehr müsse es um die „gleichmäßige Beachtung aller potentiell relevanten Positionen oder Argumente“ gehen (Peters, 2002, S. 28). Weitere Dimensionen deliberativer Kommunikation bilden “rationality, interactivity, equality, civility, common good reference, and constructiveness” (Friess & Eilders, 2015, S. 328), wobei diese im Rahmen der geplanten Studie aus forschungsökonomischen Gründen nicht weiter untersucht werden. Zudem nimmt die Inklusivität selbst einen besonderen Stellenwert ein, da sie als „entscheidender Faktor politischer Integration“ betrachtet wird (Linden, 2014, S. 30), was wiederum das Fundament einer repräsentativen Demokratie ist.

Einer dieser Legitimationsfaktoren in Habermas‘ Theorie für das Kriterium der Inklusivität stellt also unter anderem die Einbeziehung aller (betroffenen) Akteure innerhalb einer Demokratie in den öffentlichen Diskurs dar. Nicht nur das politische Zentrum, sondern vor allem die politische Peripherie soll demnach der Hauptakteur des öffentlichen Diskurses sein. Als Zentrum definiert Peters (1993, S. 300) dabei sämtliche politische Akteure: politische Parteien bzw. deren Stellvertreter sowie Vertreter der Gewalten (Exekutive, Judikative, Legislative). Die Peripherie definiert Peters (1993, S. 300) hingegen als organisierte Interessenvertreter, die sich Habermas (1992, S. 430-431) zufolge in verschiedene Akteure untergliedern: Bürger als individuelle Akteure selbst, Akteure der Zivilgesellschaft und vermachtete Akteure. Schicha (2000, S. 177) umschreibt die beiden letztgenannten für ein besseres Verständnis als „soziale Bewegungen“ und „Interessengruppen mit professioneller Organisationsform“.

Den zweiten Faktor für das Inklusivitätskriterium, ein ausgeprägter Grad an Pluralismus, stellt für Rohlinger (2007, S. 133) die vorkommende Bandbreite von Frames und Perspektiven dar: „Another indicator of inclusivity is the kinds and range of frames and packages included in media discourse“. Weiter führt sie aus, dass Mainstream-Medien einen Raum für unterschiedliche Perspektiven und Ansichten zu einem Thema bieten sollten, um dem Anspruch der Inklusivität gerecht zu werden (Rohlinger, 2007, S. 128).

2.3 Vom soziologischen Framing-Konzept hin zu Medien-Frames

2.3.1 Goffman‘s soziologisches Framing-Konzept

Erving Goffman (1986, S. 21) hat in seiner Arbeit "Frame Analysis" erklärt, wie Menschen Alltagserfahrungen in sogenannten Deutungsrahmen verorten, die er wiederum "primary frameworks" nennt. Dabei unterscheidet er zwischen zwei Typen von "primary frames", nämlich natürliche und soziale Frameworks. Natürliche Frameworks identifizieren Vorkommnisse als ungerichtet, unorientiert, unanimiert und ungelenkt. Goffman schreibt dazu:

"Such unguided events are ones understood to be due totally, from start to finish, to "natural" determinants. It is seen that no willful agency causally and intentionally interferes, that no actor continuously guides the outcome." (Goffman, 1986, S. 22)

Als Beispiel für ein natürliches Framework nennt Goffman beispielsweise das Wetter, da der Ursprung rein physikalischer Natur ist und kein Akteur hierbei Einfluss genommen hat. Von Anfang bis Ende sind hierbei „natürliche Determinanten“ ausschlaggebend. Der zweite Typ von Frameworks, der sogenannte „social framework“, liefert Hintergrundverständnis für Ereignisse, die durch den Willen eines Menschen kontrolliert oder ausgelöst wurden. Goffman schreibt dazu folgendes:

"Social frameworks, on the other hand, provide background understanding for events that incorporate the will, aim, and controlling effort of an intelligence, a live agency, the chief one being the human being. Such an agency is anything but implacable; it can be coaxed, flattered, affronted, and threatened. What it does can be described as "guided doings.""(Goffman, 1986, S. 22)

Zudem werden Aktionen, die zum sozialen Framework gehören, moralisch bewertet. Je nach Beurteilung der Aktion, beispielsweise in Hinblick auf Erfolg oder Motiv, wird der sozialen Rahmen neu eingeordnet und evaluiert. Die Frames, in denen Akteure ihre jeweilige Umwelt interpretieren, sind nach Goffman angelernt (1986, S. 33). Sie gehören zu der Kultur einer sozialen Gruppe und stimmen innerhalb dieser zwar weitestgehend überein, allerdings können die Interpretationen einzelner Erfahrungen voneinander abweichen (Goffman, 1986, S. 27). Zudem können Akteure Ereignisse falsch interpretieren und sie dadurch falschen Deutungsrahmen zuordnen (Goffman, 1986, S. 26). In diesem Fall könnten Konflikte mit anderen Personen oder Gruppen ausgelöst werden.

2.3.2 Framing durch Text-Formulierung

Tversky und Kahnemann (1981, S. 453-458) untersuchten das Framing hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung von Versuchspersonen. Sie konnten in einem Experiment eindrucksvoll darstellen, wie „quasi-identisch“ formulierte Auswahlmöglichkeiten zu unterschiedlichen Handlungen und Entscheidungen geführt haben. Den Versuchspersonen wurde dabei ein Katastrophenszenario präsentiert, das in zwei Ausführungen daherkam. Bei der ersten Ausführung ist ein Krankheitserreger aus Asien dabei, 600 infizierte Menschen in den USA zu töten. Als Lösung werden zwei Möglichkeiten dargeboten: bei Option 1A können 200 Menschen sicher gerettet werden, während bei Option 1B zwei mögliche Auswirkungen eintreten können – mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel werden alle 600 Menschen gerettet, während mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln alle 600 Menschen sterben. In dieser Experimentalgruppe entschieden sich 72% der Versuchspersonen für Option 1A und somit die sichere Rettung von 200 Menschen. Bei der zweiten Ausführung mit einer weiteren Experimentalgruppe blieb das Szenario identisch, lediglich die Optionen wurden geändert: Bei der Option 2A müssen 400 Menschen sterben, während bei der Option 2B mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel niemand sterben muss und mit einer Chance von zwei Dritteln alle 600 sterben müssen – Option 1B und 2B sind somit das selbe in beiden Gruppen. In der zweiten Experimentalgruppe entschieden sich allerdings nur noch 22% für Option 2A, obwohl die Auswirkungen identisch mit Option 1A aus der ersten Experimentalgruppe sind – hier war lediglich die Art der Formulierung unterschiedlich (200 Überlebende vs. 400 Opfer). Die erste Experimentalgruppe hat bei Option 1A einen Gewinn-Frame dargeboten bekommen, während die zweite Experimentalgruppe bei Option 2A einen Verlust-Frame dargeboten bekommen hat. Tversky und Kahnemann konnten dadurch sehr schön veranschaulichen, welche Auswirkungen unterschiedliche Formulierungen auf die Aktionen und Folgehandlungen von Menschen haben.

2.3.3 Framing in der Nachrichtenberichterstattung

Das aus der Soziologie stammende Framing-Konzept von Goffman (1986) umfasste zwar vorerst nur die Deutung sozialer Handlungen, dennoch wurde es schnell in anderen Forschungszweigen, wie beispielsweise der Psychologie, adaptiert und fand so auch etwas später seinen Weg in die Kommunikationswissenschaft, wobei sich bis heute kein einheitliches Konzept durchgesetzt hat (Scherer, Fröhlich, Scheufele, Dammert, & Thomas, 2005, S. 282). Der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Matthes (2014, S. 9-10) beschreibt Framing zum Beispiel als „Blickwinkel auf ein Thema“, generiert durch die Hervorhebung oder Auslassung bestimmter Informationen oder Positionen. Matthias Potthoff (2012, S. 33) definiert einen Frame hingegen als

„eine abstrakte Idee oder ein Konzept, das selbst nicht direkt beobachtbar oder messbar ist, sich aber durch beobachtbare Merkmale manifestiert oder durch bestimmte Wirkungen offenbart.“

Scheufele (2010, S. 26) bringt es diesbezüglich nüchtern auf den Punkt: „Ganz allgemein ist ein Frame ein Bezugsrahmen oder eine Perspektive, von der aus Themen, Ereignisse und Akteure betrachtet werden.“ Dadurch erlangen Frames bei der Produktion von Nachrichtenbeiträgen einen ganz besonderen Stellenwert, denn die Perspektive, aus der ein Artikel verfasst ist, wird somit massenmedial verbreitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Eine genauere Einteilung von Frame-Typen lässt sich dabei ebenfalls vornehmen. Matthes und Kohring (2004, S. 56) beschreiben hierfür vier unterschiedliche Möglichkeiten aufgrund der Tatsache, dass Frames an "verschiedenen Punkten des Kommunikationsprozesses lokalisiert werden können": Kommunikator-Frames werden zum Beispiel durch politische Akteure oder soziale Bewegungen kommuniziert und werden von Pan und Kosicky (2001, S. 39) definiert als "an idea through which political debate unfolds, and political alignment and collective action takes place". Journalistische Frames bilden die zweite Kategorie, sie werden umschrieben als "particular way in which journalists compose a news story to optimize audience accessibility" (Valkenburg, Semetko, & De Vreese, 1999, S. 550). Als dritter Typus existieren die sogenannten Rezipienten-Frames, die Entman als "mentally stored clusters of ideas that guide individuals´ processing of information" (1993, S. 53) beschreibt und hauptsächlich bei Wirkungsstudien zum Einsatz kommen. Der letzte und für diese Arbeit relevanteste Frame-Typ bildet der sogenannte Medien-Frame, welcher von Gamson und Modigliani als "central organizing idea or story line that provides meaning to an unfolding strip of events" definiert wird. Eine Abgrenzung zu Journalisten-Frames ergibt sich durch die Notwendigkeit wiederholt vorkommender Medien-Frames in der medialen Diskursproduktion (Potthoff, 2012, S. 65). Laut Maurer (2010, S. 78) finden sich journalistische Frames „in den Köpfen“ der Journalisten als kognitive Bezugsrahmen, was sich zwar auch in Medien-Frames bemerkbar macht, aber nicht gleichzusetzen ist. Als Medien-Frame selbst bezeichnet er die Perspektive, aus der ein medialer Beitrag verfasst ist und die den Rezipienten bestimmte Interpretationen des jeweiligen Themas nahelegt.

Entman hat Frames noch weiter klassifiziert und dabei vier Frame-Elemente gefunden, die im Gegensatz zu den eben vier vorgestellten Frame-Typen auf einer untergeordneten Ebene anzusiedeln sind (1993, S. 52-53). Diese Elemente bilden dabei die einzelnen Bestandteile eines Frames, wodurch sich die durch bestimmte Muster und Regelmäßigkeiten auftauchenden Frame-Elemente in tatsächlichen Frames manifestieren. Matthes beschreibt diese Elemente folgendermaßen (2014, S. 11-12):

- Problemdefinition: Die Problemdefinition beschreibt das Thema in Bezug zum sozialen, sachlichen und zeitlichen Kontext. Sie dient damit der Bestimmung des relevanten Aspekts. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Vorhandensein oder das Nicht-Vorhandensein eines Problems thematisiert wird.
- Ursachenzuschreibung: Sobald ein Umstand als positiv oder negativ definiert wird, treten Ursachenzuschreibungen auf. Ursachen können entweder auf Personen (z.B. "der Chemnitzer Bürgermeister ist schuld") oder Situationen (z.B. "die Flüchtlingskrise ist schuld") zurückgeführt werden.
- Lösungszuschreibung und Handlungsaufforderung: Konkret fallen hierunter die geforderten beziehungsweise zu unterlassenden Maßnahmen zur Lösung des Problems, beispielsweise bestimmte Aktionsmöglichkeiten von relevanten Akteuren.
- explizite Bewertung: Die "moralische oder evaluative Einordnung eines Problems" findet durch dieses Element statt. Es wird gefragt, wie negativ beziehungsweise positiv eine Situation ist.

Entman geht demnach davon aus, dass sich der Framing-Prozess aus der Selektion und Hervorhebung von bestimmten Elementen ergibt, die wiederum der Fokussierung auf bestimmte Problemdefinitionen, Ursachenzuschreibungen, moralische Bewertungen und/oder Lösungsvorschläge dienen. Seine eigene Definition für Framing lautet dementsprechend darauf aufbauend folgendermaßen (Entman, 1993, S. 52):

„To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described”

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wird die Definition nach Entman (1993) angewendet, da sie große Vorteile hinsichtlich der analytischen Auswertung bietet. Im Methodenteil wird darauf im späteren Verlauf nochmals ausführlich Bezug genommen, indem die Vorteile dessen beleuchtet werden.

Bis hierher wurde Framing als unbewusster und im Hintergrund automatisch ablaufender Prozess dargestellt, der nur dadurch zustande kommt, dass Nachrichtenmedien Informationen auf irgendeine Art zwangsläufig einordnen müssen. Der Verwendung von Framing wurde bis hierhin noch keine strategische Absicht durch die Journalisten unterstellt, ausgenommen der Schilderung von Sachverhalten. Allerdings ist es natürlich auch möglich, Frames gezielt einzusetzen. Neben vielen anderen Forschern ist auch Entman davon überzeugt, dass die öffentliche Meinungsbildung enorm durch die Medien beeinflusst wird und besonders das Framing-Konzept hierbei einen entscheidenden Faktor darstellt (Entman & Herbst, 2001, S. 203):

„‚Public opinion’ is a useful fiction that actually refers to several distinct phenomena, many of them crucially shaped by the current media system. The process of framing – selecting, highlighting, and sorting into a coherent narrative some facts or observations and deleting many others – is critical to the formation of this convenient fiction”

In diesem Kontext entwickelte Entman das Kaskaden-Modell. Dabei geht er davon aus, dass die politische Elite einen stärkeren Einfluss auf die mediale Nachrichtenberichterstattung hat als die Bürger, die nur im Nachhinein, sprich nach der Text-Rezeption, Einfluss nehmen können. Allerdings ist der Nachrichtenbeitrag zu diesem Zeitpunkt schon veröffentlicht und unumkehrbar (Entman, 2003, S. 419). Für die vorliegende Arbeit ist hierbei vor allem von Interesse, dass die Journalisten-Frames, die sich im Laufe des Medienproduktionsprozesses in Medien-Frames transformieren, größtenteils durch politische Akteure, statt peripherer Akteure, beeinflusst werden. Besonders relevant ist das Kaskaden-Modell in Bezug auf die Annahme, dass Nachrichtenmedien, wenn der öffentliche Diskurs zwischen Regierung und Opposition nicht mehr funktioniert, den Kurs der Regierung nicht mehr hinterfragen. Stattdessen schließen sich die Medien dem allgemeinen Konsens der politischen Elite an, um dadurch auch einen Konsens mit der Bevölkerung zu erreichen (Bennett, Lawrence, & Livingston, 2007, S. 170). Es stellt sich hierbei die Frage, ob dies auch in Bezug auf die Berichterstattung über die "Hetzjagden in Chemnitz" der Fall ist.

Frames liefern Argumente, die im öffentlichen Diskurs als relevant erachtet werden (Harden, 2002, S. 88). Dementsprechend ist eine Debatte aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive besonders dann spannend, wenn viele möglichst unterschiedliche Frames durch die Nachrichtenmedien zum Einsatz kommen. Innerhalb eines Mediensystems kann zu einem Thema „frame dominance“, „frame contestation“ oder „frame parity“ bestehen (Entman, 2003, S. 417-418). Diese drei Ausprägungen sind einem Kontinuum zuzuordnen, das die Intensität des Frame-Wettbewerbs darstellt. Beim Zustand der Frame-Dominanz bestimmt ein Frame alleine die Deutung eines Sachverhalts, wodurch andere Perspektiven kaum als relevant wahrgenommen werden. Beim Zustand des Frame-Wettbewerbs werden mindestens zwei oder mehr unterschiedliche Frames in der medialen Öffentlichkeit diskutiert und thematisiert. Für eine Frame-Ausgewogenheit ist zusätzlich die Präsenz eines "counterframes" notwendig, das heißt einer völlig kontroversen Perspektive, die den absoluten Gegenpol zum kommunizierten Frame der politischen Elite einnimmt:

“To reach frame parity, the news must offer a counterframe that puts together a complete alternative narrative, a tale of problem, cause, remedy, and moral judgment possessing as much magnitude and resonance as the administration’s” (Entman, 2003, S. 418)

Aus der Sicht der meisten Öffentlichkeitstheorien ist eine "frame parity", also der letztgenannte Zustand einer ausgeglichenen Wiedergabe von Frames, optimal (Entman, 2003, S. 418).

2.4 Die Flüchtlingskrise in der Wissenschaft

Die mediale Darstellung der Flüchtlingskrise ist immer wieder Gegenstand der Wissenschaft. Zu nennen wären hier stellvertretend die Studie von Herrmann (2016, S. 6-20), welche die Berichterstattung über Flüchtlinge im Herbst 2015 untersuchte und dabei zeigen konnte, wie bestimmte Nachrichtenbeiträge „Gefühle von Überforderung und Ohnmacht evozierten“ (Herrmann, 2016, S. 6). Hinsichtlich des medial wiedergegebenen Narrativs kam sie zu dem Ergebnis, dass Journalisten zu häufig die bloße „Institutionsperspektive“ wiedergeben:

„Noch immer verstellt der Glaube an die Neutralität von Fakten und Nachrichten den Blick darauf, wie sehr der Journalismus von der Institutionenperspektive geprägt ist und dem Verlautbarungsjournalismus verfällt, weil er die Geschichten der Politiker erzählt.“ (Herrmann, 2016, S. 18)

Zumindest für den betroffenen Untersuchungszeitraum im Herbst 2015 wird also die mangelnde Pluralität und Perspektiv- sowie Akteursarmut kritisiert. Es stellt sich hierbei die Frage, ob ein Umdenken in der Berichterstattung stattgefunden hat und nach drei Jahren noch immer dieselben journalistischen Probleme des Mangels an Inklusivität bestehen. An der Herrmann-Studie ist jedoch zu kritisieren, dass die Bewertungskriterien anhand der Erzähltheorie aufgestellt wurden und keinem normativen Diskursmodell folgen.

Ebenfalls nennenswert ist die umfassende Studie von Haller (2017), welche die mediale Darstellung der Flüchtlingskrise in deutschen Zeitungen und Onlineplattformen, von FAZ bis tagesschau.de, untersucht. Nach der inhaltsanalytischen Auswertung von über 30.000 Medienberichten kam Haller zu einem ähnlichen Fazit wie Herrmann (2016), nämlich dass Medien in Bezug auf die Berichterstattung über die Flüchtlingskrise nur einseitig die Perspektive der Politik wiedergeben (2017, S. 135). Auch Haller untersuchte dabei fast ausschließlich Beiträge aus dem Jahr 2015, also zu Beginn der Flüchtlingskrise, weswegen die kritischen Ergebnisse nicht zwangsläufig noch auf die aktuelle Berichterstattung im Jahr 2018 zutreffen müssen. Zusätzlich löste die Haller-Studie nicht nur ein großes Medienecho aus, auch innerhalb der Wissenschaft wurden viele Reviews zur Studie verfasst. So schreibt beispielsweise Christine Horz (2017, S. 11):

„Als Fazit dieser Betrachtung der Studie „Die Flüchtlingskrise in den Medien. Tagesaktueller Journalismus zwischen Meinung und Information“ lässt sich erkennen, dass durchaus differenzierte Studienergebnisse vorgelegt werden. Die Studie vergibt jedoch die Chance, diese angemessen zu berücksichtigen. Sie werden weder in den Kontext des Forschungskorpus zu Medien und Migration noch der Mediensystemforschung eingebettet. Stattdessen bleiben wichtige Befunde zugunsten des bereits in der Einleitung suggerierten Positivframes der Medien in der Fluchtberichterstattung unterbewertet.“

Weiterhin stellvertretend zu nennen ist die Studie von Greck (2018, S. 71-86), welche sich mit dem Framing innerhalb der Regionalpresse beschäftigte: sie untersuchte dabei die Unterschiede in Ost- und Westdeutschland sowie die Bewertung innerhalb der Frames und stellte fest, dass überraschenderweise im Osten der einzige ausgesprochen positive Frame „Integration“ eine dominierende Rolle einnimmt. Neben dem Integrationsframe fand Greck noch den Kapazitätsframe, welcher die Unterbringung der Flüchtlinge kritisch betrachtet, den Brennpunktframe, welcher sozio-kulturelle Probleme fokussiert, den Protestframe, welcher Demonstrationen und Gewalt thematisiert sowie den Lösungsframe, welcher hauptsächlich aus Handlungsaufforderungen gegenüber Politkern besteht (Greck, 2018, S. 79-80). Leider lassen sich die Frames nicht direkt für die hiesige Untersuchung nutzen, da sie erstens die Perspektivvielfältigkeit zu allgemein für den hier benötigten Anwendungszweck der Inklusion zusammenfassen, zweitens lediglich regionale Qualitätsmedien untersucht wurden und somit Leerstellen (beispielsweise bei Frames aus dem Boulevardsektor oder von Randmedien) vorhanden sein könnten und drittens viele Frames nicht erfasst sein können, die in Bezug auf die „Hetzjagden“ zu erwarten sind, da die Chemnitzer Vorfälle eine gewisse Eigendynamik besitzen und die Berichterstattung hierzu nicht zwangsläufig identisch mit der über die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ist. Allerdings konnten die gefundenen Frames als grobe Orientierung herangezogen werden und dadurch trotzdem als theoretische Basis für den qualitativen Explorationsprozess dienen.

Die Studie von Hemmelmann & Wegner (2016), welche die Berichterstattungsmuster und Themenschwerpunkte in der Flüchtlingsberichterstattung aufzeigt und die Haltung von facebook-Nutzern in Bezug zu Partei-Beiträgen der Flüchtlingsthematik frameanalytisch untersucht, ist an dieser Stelle ebenfalls noch zu nennen. Auch sie fordern in ihrer Studie die Beachtung verschiedenster Perspektiven durch Journalisten (Hemmelmann & Wegner, 2016, S. 35):

„Journalist_innen genau überlegen sollten, welche Perspektive sie einnehmen, wenn sie von Migrant_innen berichten. Wie sie sich auch entscheiden, sie sollten die Gründe dafür sichtbar machen und die Perspektive als eine mögliche von vielen behandeln.“

Sie stützen ihre Forderung auf der Erkenntnis, dass „die Medien in überschwängliche Empathie verfallen“, während gleichzeitig „die politische und gesellschaftliche Meinungslandschaft in zwei Teile zerfällt“ (Hemmelmann & Wegner, 2016, S. 34). Es besteht demnach eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher und journalistischer Perspektive, was sich entsprechend in sozialen Medien bemerkbar gemacht und die Legitimität der Medien geschwächt hat. Auch hier lässt sich die Notwendigkeit erkennen, die Inklusivität durch Nachrichtenmedien des themennahen Diskurses der „Chemnitzer Hetzjagden“ zu betrachten und eventuelle Diskrepanzen oder auch positivere Entwicklungen in der Berichterstattung aufzuzeigen.

Kai Hafez (2016) kommt in seiner Arbeit zu einem ähnlichen Fazit wie die Studie von Hemmelmann & Wegner (2016), nämlich dass Medien aufgrund ihrer Verantwortung hinsichtlich der öffentlichen Meinungsbildung versagt haben und somit dem Rechtspopulismus in die Hände spielten. Besonders dem Framing attestiert er dabei eine entscheidende Rolle:

„In welche Richtungen Aktivitäten allerdings gelenkt werden, hängt vom Framing eines Ereignisses ab und nicht zuletzt davon, welche Vorstellungen zu den Entstehungsursachen wie auch zu den Bewältigungsmöglichkeiten einer Krise verbreitet werden.“ (Hafez, 2016, S. 4)

Weiterhin kommt er zu dem Schluss, dass die Suche nach Ursachen nicht nur für "die advokative Rolle der Medien" relevant ist, sondern auch der schlagartige Wandel hin zur "Mitleidsmüdigkeit" samt völlig konträrer Einordnung der Flüchtlingssituation. Laut Hafez (2016, S. 1) sind "populistische Neigungen, unklare Blattlinien und ein fehlender Konsens eines Humanitätsjournalismuses" die Ursache und treibende Kraft der "unrealistischen Krisenwahrnehmung". Er führt weiterhin aus, dass nicht nur bei den Medien, sondern auch "im politischen Machtzentrum des deutschen Regierungslagers das Zerfallen eines Konsenses deutlich wird" (Hafez, 2016, S. 1).

3.Empirisches Vorgehen

Um die zwei Forschungsfragen methodengerecht beantworten zu können und die Debatte zur „Chemnitzer Hetzjagd“ hinsichtlich Inklusivität empirisch einordnen zu können, waren mehrere Schritte notwendig. Im ersten Schritt wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse in einer sehr breiten und diversen Fallauswahl alle überhaupt vorkommenden Frames der Online-Berichterstattung ausfindig gemacht (Forschungsfrage 1). Im zweiten Schritt konnten die so explorierten Frames quantitativ untersucht werden, in dem ihr jeweiliges Vorkommen innerhalb der Berichterstattung des Boulevard- und Qualitätsmediums statistisch erfasst wurde. Zugleich wurde neben der Framing-Dimension auch zusätzlich die Akteurs-Dimension beider Medien quantitativ erfasst. Die zwei Indikatoren, Akteurs-Inklusivität und Frame-Inklusivität, dienen analog der Studie von Rohlinger (2007, S. 128-133) dazu, die Inklusivität zu messen. Dadurch entsteht eine Übersicht der im Diskurs vorherrschenden Akteurs-Vielfalt und -Dominanz sowie eine Übersicht der Frame-Vielfalt und -Dominanz, die sich zwischen Boulevard- und Qualitätsmedium vergleichen und bezüglich Habermas‘ normativem Legitimationsanspruch der Inklusivität bewerten lassen (Forschungsfrage 2).

Untersucht wurden Fälle, die zwischen dem 26. August 2018 und 2. September 2018 zu den Chemnitzer Ereignissen veröffentlicht wurden. Der Untersuchungszeitraum endete somit am Tag vor dem „Rockkonzert gegen rechts“ bekannter Künstler, das unter dem Motto „#wirsindmehr“ die Berichterstattung ab diesem Zeitpunkt dominierte und nicht mehr direkt der „Hetzjagd“-Berichterstattung zuzuordnen ist. Auch das am 7. September veröffentlichte Interview des damaligen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen in der BILD-Zeitung, das aufgrund seiner kontroversen Aussagen, es gäbe trotz vieler im Internet kursierender Videos keine Belege für Hetzjagden, medial hohe Wellen geschlagen hat, stellt somit keinen Gegenstand dieser Untersuchung mehr da. Im Fokus steht somit einzig und allein die direkte Berichterstattung über die Ausschreitungen, Hetzjagden und Demonstrationen in Chemnitz, nicht aber deren Folgeereignisse.

3.1 Themenwahl

Um die zentrale Fragestellung dieser Forschungsarbeit, inwiefern die Berichterstattung innerhalb deutscher Online-Boulevard- und Qualitätsmedien dem normativen Inklusionsanspruch gerecht wird, beantworten zu können, war ein Nachrichten-Thema notwendig, dass viele verschiedene Perspektiven, Lösungsansätze und Interpretationen zulässt. Das Thema der „Chemnitzer Hetzjagden“ entspricht diesen Voraussetzungen und bietet zudem eine hohe Vielfalt an potentiellen Akteuren, die sich am Diskurs beteiligen könnten. Dies liegt vor allem auch an der bürgernahen Thematik der Ereignisse, die viel mit innerer Sicherheit, gesellschaftlichem Zusammenleben und Integration zu tun hat. Darüber hinaus spaltet das Thema nicht einfach nur in gesellschaftlicher Hinsicht, sondern vor allem auch in politischer Hinsicht. Die unterschiedlichen politischen Spektren lassen sich demnach sehr gut differenzieren und unterschiedlichen Standpunkten zuordnen, wodurch eine gewisse Struktur in den Diskurs gebracht wird. Aus Gründen der empirischen Analysierbarkeit ist diese Strukturierung durchaus sehr vorteilhaft, da sie eine gewisse Grundorientierung bietet und die Nachvollziehbarkeit für den Leser erleichtert. Nicht viele Themen besitzen diese politische Heterogenität und gleichzeitig auch eine hohe gesellschaftliche Anteilnahme, was die Berichterstattung zu den Chemnitzer Ereignissen wiederum zu einem so spannenden Feld macht.

3.1 Hypothesenbildung

Bekanntermaßen gibt es gravierende Unterschiede in der Art und Weise, wie Medien berichten. Ein hoher Kontrast besteht zwischen Qualitäts- und Boulevardjournalismus, weswegen eine Analyse beider Gattungen Unterschiede aufzeigen müsste. Auch das Medium Internet, welches in dieser Studie im Fokus steht, spielt hier eine verstärkende Rolle:

„Was vom journalistischen Boulevard seit Jahrzehnten mit visuell aufgepeppten Informationshäppchen (...) praktiziert und vorbereitet wurde, scheint sich im Web nun zu perfektionieren: die kurzweilige und vergnügliche Inszenierung von Information zum Zweck einer verstärkten Kundenbindung für die Werbewirtschaft – durchaus im Sinne von Habermas' historisch positionierten Einschätzung einer "massenhaft verbreiteten Integrationskultur", die nicht zuletzt einen Wandel von räsonierenden Lesern zu konsumierenden, "gelernten Verbrauchern" zur Folge gehabt habe.“ (Renger & Spudich, 2000, S. 319)

Dies stärkt die Vermutung, dass die „vergnügliche Inszenierung“ zugunsten des „gelernten Verbrauchers“ zulasten der journalistischen Qualität und somit auch legitimierender Faktoren stattfindet. Weiterhin umschreiben Renger und Spudich (2000, S. 320) die Worte von Altmeppen folgendermaßen:

„Als eine der wesentlichsten Gefahren im Bereich des Online-Journalismus beschreibt Altmeppen (1998, S. 211) die "Dequalifizierung des journalistischen Arbeitens", bedingt durch eine systematische Rationalisierung des Berufsfeldes. Auf der Strecke bleiben - bei knappen Budgets und relativ dünn besetzten Online-Redaktionen - in erster Linie journalistische Qualitätsindikatoren wie die gründliche Recherche.“

Vergleicht man dazu Qualitätsmedien, so bringen es Otto und Köhler nüchtern auf den Punkt (2016, S. 10): „Perspektivenvielfalt und Ausgewogenheit sind Merkmale eines Qualitätsjournalismus“. Auch für Arnold (2009, S. 168) ist Vielfalt ein Qualitätskriterium: unterschiedliche Themen, Argumente, Quellen oder Personen mit einem hohen Inklusionsgrad in der Bevölkerung sind seiner Ansicht nach in der Medienöffentlichkeit darzustellen. Eine Offenheit bezüglich unterschiedlicher Akteure, Positionen und Themen erhöht dabei das Ausmaß der Wirklichkeitskonstruktion. Es ist wichtig, „nicht immer nur die gleichen Personen mit ihren Positionen und Themen zu Wort kommen zu lassen, sondern auch neue und ungewöhnliche Personen aktiv einzubeziehen“ (Arnold, 2009, S. 168). Stellt man also die Aussagen von Online-Boulevardjournalismus und Qualitätsjournalismus gegenüber, lassen sich folgende Vermutungen daraus ableiten:

- H1: Wenn das Medium dem Qualitätsjournalismus zuzuordnen ist, ist die Frame-Vielfalt höher, als beim Boulevardmedium
- H2: Wenn das Medium dem Qualitätsjournalismus zuzuordnen ist, ist die Akteurs-Vielfalt höher, als beim Boulevardmedium

Wettstein, Esser, Schulz und Wirz (2018, S. 489) haben in ihrer Studie festgestellt, dass besonders Boulevardmedien die Neigung besitzen, sich als Stimme des Volkes zu präsentieren und antielitär zu positionieren:

“As for the media’s role as originator of populism, we find that journalists — especially in tabloid newspapers — show an inclination to present themselves as voice of the people, portraying the people in a positive light and making advocative statements on their behalf. The same journalists also demonstrate an antiestablishment bias, portraying political elites in a negative light and making conflictive statements toward them. Although journalists of weekly newspapers are more prone to engage in antielitist discourse, tabloid newspapers are again more antielitist than broadsheet news.”

Die Forscher untersuchten dabei in verschiedenen europäischen Ländern die unterschiedlichen Rollen von Journalisten in Bezug auf ihren Umgang mit Populismus. Die erste Rolle stellt Journalisten als Gatekeeper von Populismus dar, da "journalists may open or close the news gates to populist political actors" (2018, S. 478). Die zweite Rolle definiert Journalisten als Interpretatoren von Populismus, wodurch sie populistische Kommunikation und Akteure sowohl kritisieren als auch legitimieren können. Die dritte und letzte Rolle beschreibt Journalisten als Quelle von Populismus, da sie als Textproduzenten auch selbst populistische Kommunikation erzeugen können. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig politischer Natur sein, auch ökonomische Gründe sind oftmals Ursachen für eine solche Rolle, besonders im Boulevardjournalismus (2018, S. 479-480). Die Inhaltsanalyse kam zu dem Ergebnis, dass in den meisten Fällen populistische Politiker negativer bewertet werden als nicht-populistische. Allerdings nutzen vor allem die Boulevardmedien populistische Stratgien ähnlich den populistischen Parteien, da sie sich als Sprecher des Volkes sehen (2018, S. 491).

Einen weiteren Anlass zur Vermutung der Herkunft von Frames in Boulevardmedien liefert die Studie von Arlt und Storz über die BILD-Zeitung und ihren Darstellungen während der Eurokrise 2011 (2011, S. 54):

„Die Deutungsarbeit, die „Bild“ leistet, könnte – wenn der Begriff nur nicht so schwammig wäre – am besten mit der Bezeichnung „Populismus“ charakterisiert werden. Populismus geht von ‚Wahrheiten‘ aus, beispielsweise nationaler, ökonomischer oder moralischer Art, die im Alltagsbewusstsein der Bevölkerung ‚hinterlegt‘ sind und die rational nicht begründet und debattiert werden müssen.“

Dem fügen sie hinzu, dass in Bezug auf Populismus „die BILD darin gut wiederzuerkennen ist, mal mit der nationalen und mal mit der sozialen Frage hantierend“ (Arlt & Storz, 2011, S. 56). Nimmt man nun an, dass diese populistischen Deutungsrahmen eher aus dem rechten Spektrum stammen, lassen sich anhand der eben vorgestellten Befunde folgende Hypothesen aufstellen:

- H3a: Wenn das Medium dem Boulevardjournalismus zuzuordnen ist, dominieren Frames aus dem rechten Spektrum
- H3b: Wenn das Medium dem Qualitätsjournalismus zuzuordnen ist, dominiert kein bestimmtes Spektrum

Die bereits angesprochene Studie von Haller, welche sich überwiegend mit Qualitätsmedien befasst hat, kam zu der Erkenntnis, dass Medien in Bezug auf die Berichterstattung über die Flüchtlingskrise nur einseitig die Perspektive der Politik wiedergeben (Haller, 2017, S. 135). Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass im Qualitätsmedium SZ auch der themennahe Diskurs über Chemnitz eher Akteure aus dem Zentrum der Politik vertritt. Leißner untersuchte den deutschen Diskurs zum Freihandelsabkommen TTIP hinsichtlich der Akteurspräsenz und konnte dabei eine interessante Besonderheit beim Medium „BILD“ aufzeigen (2017, S. 456):

„Die Analyse des medial vermittelten Sprecherrepertoires offenbart zunächst, dass – trotz der zu erwartenden Dominanz von Akteuren aus dem politischen Zentrum – auch die Akteure der Peripherie substantiell am medialen TTIP-Diskurs teilhaben konnten. Die einzelnen Zeitungen sind sich (mit Ausnahme von Bild) insofern ähnlich, als jeweils ungefähr die Hälfte der direkt oder indirekt zitierten Sprecher dem politischen Zentrum zuzuordnen ist.“

Kombiniert man die Erkenntnisse von Haller und Leißner, lässt sich auch hinsichtlich dieser Arbeit ein Unterschied der Akteursherkunft in Boulevard- und Qualitätsjournalismus vermuten und in folgenden Hypothesen festhalten:

- H4a: Wenn das Medium dem Boulevardjournalismus zuzuordnen ist, vertritt der Diskurs eher Akteure der Peripherie
- H4b: Wenn das Medium dem Qualitätsjournalismus zuzuordnen ist, vertritt der Diskurs eher Akteure des Zentrums

[...]

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
Der normative Inklusionsanspruch im Boulevard- und Qualitätsjournalismus
Sous-titre
Eine empirische Studie zur Berichterstattung in deutschen Online-Medien über die "Hetzjagd in Chemnitz"
Université
University of Mannheim
Note
1,0
Auteur
Année
2019
Pages
80
N° de catalogue
V468202
ISBN (ebook)
9783668943872
ISBN (Livre)
9783668943889
Langue
allemand
Mots clés
inklusionsanspruch, boulevard-, qualitätsjournalismus, studie, berichterstattung, online-medien, hetzjagd, chemnitz, demokratietheorie, pluralismus, öffentlichkeitstheorie, habermas, kombinierte inhaltsanalyse, qualitativ und quantitativ, kommunikationswissenschaft, inklusion, medienvergleich, flüchtlingskrise, medien, frames, framing, frameanalyse
Citation du texte
Christian Meradji (Auteur), 2019, Der normative Inklusionsanspruch im Boulevard- und Qualitätsjournalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468202

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