Theorie der Metapher


Term Paper (Advanced seminar), 2002

23 Pages, Grade: 1


Excerpt


1. Einleitung:

Um Sprache verstehen zu können, bedarf es einiger Regeln, bekannten Vereinbarungen und Theorien. Ein Großteil der existierenden Regeln und Theorien nehmen Bezug auf wörtlich zu verstehende Ausdrücke und Sätze. Die Zahl derjenigen, die für das Verstehen der nichtwörtlichen Rede oder Sprache relevant sind, ist jedoch begrenzt.

Der Bereich des uneigentlichen Sprechens beinhaltet unter anderem die metaphorisch verwendete Sprache, die sowohl in unserer Alltagssprache, als auch in literarischen oder poetischen Texten Verwendung finden kann.

Gerade der Metaphernbegriff ist mit seiner zweieinhalb Jahrtausende zurückliegenden Geschichte eines der ältesten Phänomene unserer Sprache.

An diesem Punkt kommt unweigerlich die Frage auf, warum und wie bzw. ob Regeln dazu fähig sein können, das Metaphern – Verstehen bzw. das Verstehen poetischer Texte im Allgemeineren, in ihr Regelwerk aufzunehmen und zu erklären. Hinzu kommt die Frage nach der Notwendigkeit einer Regel für dieses bereits so lange existente Stilmittel. Doch gerade der metaphorische Sprachgebrauch birgt Problemrisiken, da Metaphern so einzigartig in ihrer Bedeutungsvielfalt sind. Je nachdem, ob der jeweilige Hörer oder Leser sie in ihrer wörtlichen Bedeutung oder im übertragenen Sinn versteht, können Metaphern als sinnlos – dementsprechend wird der Kontext des gesamten Satzes in diesem Fall nicht verstanden - oder als besonders bedeutungsvoll aufgefasst werden. Daher ist jeder Bereich, in dem Sprache angewandt wird, auf Methoden der Analyse angewiesen, die den kreativen Denkvorgang beim Interpretieren und Verstehen von Metaphern lenken und erklären.

Zu einer wesentlichen Funktion der Metapher hat sich Paul Henle dementsprechend geäußert, dass sie darin besteht, die Sprache zu bereichern. Durch Metaphern läßt sich ausdrücken, was mit der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oft nicht möglich wäre. Noch nicht existente Dinge kann man beispielsweise mit Metaphern seinem Gegenüber so beschreiben, dass er sie bildlich vor Augen sieht, ohne je den entsprechenden Gegenstand gesehen zu haben. Ohne den Gebrauch der Metapher würde dies bedeuten, einen Namen für das Neue erschaffen zu müssen. Dieser Neologismus würde zu Anfang ein so großes Novum darstellen, dass niemand dazu in der Lage wäre, dem neu geschaffenen Wort eine verständliche Bedeutung zuzuschreiben. Die Folge daraus wäre zwangsläufig Unverständnis. Bei diesen Wortneubildungen und Metaphern, die aus einer sprachlichen Not heraus geboren sind, aus Mangel eines adäquaten Wortschatzes - wie es manchmal bei Ausländern zu bemerken ist, die des Deutschen nicht in allen Themenbereichen der Gesellschaft mächtig sind – läßt sich meist nur ein äußerst umständliches Äquivalent für den Informationsgehalt der Metapher finden. Hier wird man schwer die eigentlich hinter der Metapher stehende Redeweise zuordnen können.[1] Betrachtet man unter diesem Umstand die Theorie, dass Metaphern einen Ersatz für „eigentliche Ausdrücke“[2] darstellen, wie es Pelc in seinem metaphorischen Dreieck getan hat, kann ein Analyseansatz wie dieser nicht angenommen werden.

So war unter anderem der heute bereits lexikalisierte Ausdruck „Motorhaube“ in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Metapher. Dabei beschreibt >lexikalisiert< den Vorgang der Symbolwerdung von Metaphern[3]. Als Abdeckung für den Motor steht die Haube hier in der gleichen Beziehung zum Auto wie zum Menschen.[4]

Bei der Verwendung von Metaphern ist ein Phänomen unseres sich stets weiterentwickelnden Sprachgebrauchs zu bemerken, welches die Bedeutung der Metaphern noch zusätzlich hebt. Nimmt man das Beispiel „Der Fuß des Berges“ als Anschauungsobjekt hinzu, so kann man daran die angedeutete Verschiebung des ursprünglich metaphorischen zum wörtlichen Gebrauch festmachen und findet damit eine gewisse Dynamik in unserer Sprache. Viele sind wohl der Auffassung, auch deutsche Muttersprachler, bei der oben genannten Formulierung handele es sich um einen bereits lexikalisierten Ausdruck und sind nicht mehr in der Lage, den Ursprung ethymologisch richtig einzuordnen[5].

Wird ein nicht–wörtlicher Sinn häufig gebraucht, kann er bei steter Verwendung durch den Prozeß der Symbolifizierung zum wörtlichen werden; eine nähere Erläuterung folgt.

Wenn also die übertragene Bedeutung so allgemeingültig ist, das der Leser / Hörer die wörtliche Phrase ohne eigene Übertragungsarbeit verstehen kann, nennt man das vorliegende Phänomen ein Idiom oder eine >tote Metapher<.[6]

Betreffend einer allgemeingültigen Theorie zur Explikation einer Metapher sind sich die Literaturwissenschaftler untereinander nach Meinung von Gudrun Frieling noch nicht ganz schlüssig. Folglich gibt es noch keine allseits anerkannte Theorie, die alle Aspekte des Verstehensprozesses und die Definition der in verschiedensten Formen auftretenden Metaphern berücksichtigt, obwohl eine große Anzahl von Essays über dieses Thema vorhanden ist. Gudrun Frieling wagt in ihren ‚Untersuchungen zur Theorie der Metapher‘ die Behauptung aufzustellen, dass solch eine „globale Theorie“, die den Anforderungen zur Allgemeingültigkeit gerecht wird und außerdem noch den wissenschaftlichen Kriterien zur Prüfbarkeit der entsprechend aufgestellten Thesen standhält, „beim gegenwärtigen Forschungsstand unmöglich ist“[7]. Da es nicht in ihrem Interesse liegt, eine allseits anerkannte und unantastbare Theorie herzuleiten, beschränkt sie die Anforderungen an ihre Untersuchungen so weit, dass sie die große Vielfalt der vorhandenen Bibliographien zu diesem Thema außer acht läßt. Nur einige Beispiele führt sie an, die ihr zu einer Definition in ihrem Sinne genügen, ohne dabei den Inhalt sämtlicher Werke gegeneinander aufzuwiegen, um eventuell aus den daraus gewonnenen Ergebnissen einen Versuch einer allgemeingültigen Theorie herzuleiten.

Mein Ziel in dieser Arbeit soll es nun sein, eben das, was Gudrun Frieling durchaus wissend nicht getan hat, nachzuholen und einige Theorien vorzustellen, miteinander zu vergleichen und eine eventuelle Allgemeingültigkeit herauszukristallisieren.

2. Hauptteil: Definitionsansätze

Metaphern

Was unter einer Metapher zu verstehen ist, wurde von vielen Literaten verschieden definiert. Schon Aristoteles[8], Cicero und Quintilian entwickelten Definitionen für die Metapher, wobei auch heute noch viele mit Quintilian konform gehen und die Metapher als „verkürztes Gleichnis“[9] ansehen.

Harald Weinrich vertritt jedoch den Standpunkt, das verkürzte Gleichnis würde eine vereinfachende bzw. schlechte Definition darstellen, da die Metapher als ein solches weder einen wahren, noch einen falschen Gehalt haben kann. Dieser metaphorische Nennwert wäre dann poetischer Natur und würde aus dem vorhandenen Bewertungsraster von Tropen herausfallen.

Ein Kommentar von P. Henle besagt, dass „the outstanding characteristic of metaphor“ aus der Sicht des Hörers „the sort of shock which it produces“[10] ist. Damit kommt er dem Überraschungsmoment bei Harald Weinrich sehr nahe, auf den ich noch im weiteren Verlauf zu sprechen kommen werde.

An dieser Stelle bringe ich statt dessen Gudrun Frielings Verständnis von Metaphern an. Frieling setzt der Metapher ein sprachliches ‚Angebot‘ gleich, auf welches das entsprechende Gegenüber, also der Empfänger besagter Metapher, eingehen und daraus schöpfen kann oder es ausschlägt; aus welchen Gründen auch immer. Diese Metapher oder das dargestellte Angebot ist nach Frielings Aspekten eine „implizite Präsentation neuer Hypothesen bzw. Erfahrungen; sie ist ein Vorschlag, eine Möglichkeit, Ausschnitte der Welt neu bzw. anders zu begreifen“[11]. Dem Rezipienten obliegt dabei der kreative Teil des >Metaphern – Verstehens<; im Prozess der Überprüfung dieser durch die Metapher aufgestellten Hypothesen.

[...]


[1] Vgl. Köller, Wilhelm: „Semiotik und Metapher. Untersuchungen zur grammatischen Struktur und kommunikativen Funktion von Metaphern.“ J.B. Metzler Stuttgart. 1975. S. 188f.

[2] s.o. S. 354.

[3] Keller, Rudi: „Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens.“ Franke Verlag Tübingen und Basel. 1995. S. 183.

[4] Vgl. Henle Paul: „Metaphor“ in: Language, Thought, and Culture. In: „Theorie der Metapher“. Hrsg. Anselm Haverkamp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 2. Auflage. S. 96f.

[5] Frieling, Gudrun: „Untersuchungen zur Theorie der Metapher: das Metaphern – Verstehen als sprachlich – kognitiver Verarbeitungsprozess“, Universitätsverlag Rasch Osnabrück. 1996. Vgl. S 17.

[6] Vgl. Henle Paul: „Metaphor“ in: Language, Thought, and Culture. In: „Theorie der Metapher“. Hrsg. Anselm Haverkamp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 2. Auflage. S. 92.

[7] Frieling, Gudrun: „Untersuchungen zur Theorie der Metapher: das Metaphern – Verstehen als sprachlich – kognitiver Verarbeitungsprozess“, Universitätsverlag Rasch Osnabrück. 1996. Vgl S13.

[8] Die Definition Aristoteles‘ zur Metapher lautet wie folgt: „Eine Metapher ist die Übertragung eines Wortes [ónoma] (das somit eigentlich in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird), und zwar entweder von der Gattung auf die Art, oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie.“. „Poetik“, Kap. 21, 1457b [dt. von Manfred Fuhrmann (München 1976), S. 89; die im Original benutzte Übersetzung von Ingram Bywater, „Aristotle on the Art of Poetry (Oxford 1920). S. 71f.] In: „Theorie der Metapher“. Hrsg. Anselm Haverkamp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 2. Auflage. S. 80.

[9] Quintilian: „Metaphora brevior est similitudo“ (Institutio Oratoria 8, 6, 8). Erschienen in: „Folia Linguistica. Acta Societatis Linguisticae Europaeae“. Tomus I. 1967. Mouton & Co. N.V., Publishers, The Hague. „Semantik der Metapher“. S. 3.

[10] P. Henle (ed.) „Language, Thought, and Culture“ (Ann Arbor, 1958). S. 182 und S. 183f. Erschienen in: Jan Johann Albinn Mooij: „A study of metaphor“, North – Holland linguistic series 27. North – Holland Publishing Company. 1976. S. 18.

[11] Frieling, Gudrun: „Untersuchungen zur Theorie der Metapher: das Metaphern – Verstehen als sprachlich – kognitiver Verarbeitungsprozess“, Universitätsverlag Rasch Osnabrück. 1996. Vgl. S. 18.

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Details

Title
Theorie der Metapher
College
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Course
Zeichentheorie
Grade
1
Author
Year
2002
Pages
23
Catalog Number
V52970
ISBN (eBook)
9783638485401
ISBN (Book)
9783638662468
File size
534 KB
Language
German
Keywords
Theorie, Metapher, Zeichentheorie
Quote paper
Phillip Gläsel (Author), 2002, Theorie der Metapher, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52970

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