Resilienzförderung im schulischen Kontext

Eine qualitative Untersuchung der Konzepte der Deutschen Schulpreisträgerschulen


Bachelorarbeit, 2017

59 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Resilienz
2.1. Annäherung an eine Definition
2.2. Klassifizierung der Belastungen
2.3. Anlage und Umwelt
2.4. Variabilität

3. Risiko- und Schutzfaktoren
3.1. Risikofaktoren
3.1.1. Definition
3.1.2. Kategorisierung
3.1.3. Einflussfaktoren
3.2. Schutzfaktoren
3.2.1. Definition
3.2.2. Kategorisierung
3.2.3. Einflussfaktoren
3.3. Wechselwirkung von Risiko- und Schutzfaktoren
3.4. Kritik am Risiko- und Schutzfaktorenkonzept

4. Der Begriff Coping und Coping-Strategien
4.1. Coping
4.2. Coping-Strategien

5. Resilienzmodelle
5.1. Vorstellung verschiedener Ansätze und Modelle
5.2. Das Kompensationsmodell
5.3. Das Herausforderungsmodell
5.4. Das Interaktionsmodell
5.5. Das Kumulationsmodell

6. Relevante Studien der Resilienzforschung
6.1. Die Salutogenese
6.2. Die Kauai-Längstschnittstudie
6.3. Die Mannheimer Risikokinderstudie
6.4. Die Bielefelder Invulnerabilitätsstudie
6.5. Gemeinsamkeiten der Forschungsbefunde

7. Schule - ein Schutz- oder Risikofaktor
7.1. Schule als Schutz- und Risikofaktor
7.2. Schule als Risikofaktor
7.3. Schule als Schutzfaktor
7.4. Schlussfolgerungen

8. Schulische Resilienzf örderung
8.1. Gemeinsamkeiten der Begriffe Bildung und Resilienz
8.2. Kriterien schulischer Resilienzförderung

9. Der Deutsche Schulpreis
9.1.1. Weiteres Vorgehen
9.1.2. Zielvorstellungen
9.1.3. Entstehung
9.1.4. Auswahlkriterien
9.1.5. Auswahlverfahren
9.1.6. Vorjury und Jury.29 9.2. Qualitätsbereiche guter Schulen
9.2.1. Bedeutsamkeit für diese Arbeit
9.2.2. Leistung
9.2.3. Umgang mit Vielfalt
9.2.4. Unterrichtsqualität
9.2.5. Verantwortung
9.2.6. Schulleben, Schulklima und außerschulische Partner
9.2.7. Schule als Lernende Institution

10. Resilienz f ördernde Möglichkeiten der Hauptpreisträgerschulen des Deutschen Schulpreises
10.1. Beschreibung des weiteren Vorgehens

11. Grundschule auf dem S üsteresch
11.1.1. Schulprofil
11.1.2. Schulprogramm
11.2.1. Leistung
11.2.2. Umgang mit Vielfalt
11.2.3. Unterrichtsqualität
11.2.4. Verantwortung
11.2.5. Schulleben, Schulklima und außerschulische Partner
11.2.6. Schule als Lernende Institution
11.2.7. Bewegungs- und Musikkonzept

12. Gesamtschule Barmen
12.1.1. Schulprofil
12.1.2. Schulprogramm
12.2.1. Leistung
12.2.2. Umgang mit Vielfalt
12.2.3. Unterrichtsqualität
12.2.4. Verantwortung
12.2.5. Schulleben, Schulklima und außerschulische Partner
12.2.6. Schule als Lernende Institution
12.2.7. Konzept zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit

13. Anne-Frank Realschule
13.1.1. Schulprofil
13.1.2. Schulprogramm
13.2.1. Leistung
13.2.2. Umgang mit Vielfalt
13.2.3. Unterrichtsqualität
13.2.4. Verantwortung
13.2.5. Schulleben, Schulklima und außerschulische Partner
13.2.6. Schule als Lernende Institution
13.2.7. Stärkung des schulischen Selbstkonzepts (in Bezug auf Naturwissenschaften)

14. Abschlie ßende Betrachtungen als Resümee

15. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema „Resilienzförderung in Schule und Unterricht.“ Im Folgenden wird die Wahl des Themas begründet.

Das Phänomen der Resilienz kann auf eine sechzigjährige Forschungstradition zurückblicken, erfährt im Kontext von Schule jedoch vergleichsweise wenig Berücksichtigung. Dabei ist es bedeutsam, dass gerade die jüngste Generation unserer Gesellschaft, die Kinder und Jugendlichen, resiliente Denk- und Handlungsmuster vermittelt bekommen, um zu lernen, wie sie aktuellen Widrigkeiten und Belastungen des Erwachsenenlebens standhalten können. Der Schule kommt dabei als einzige verpflichtende Bildungsinstitution eine tragende Rolle zu. Sie stellt eine Konstante im Leben der Kinder dar und hat dadurch die Möglichkeit kontinuierlich das Leben der Kinder, neben ihrem näheren Umfeld, mitbeeinflussen zu können. Aus diesem Grund ist es von Relevanz, die Resilienz mehr in das Zentrum der Schulforschung zu rücken.

In dieser Bachelorarbeit sollen die Möglichkeiten der Resilienzförderung in Schule und Unterricht am Beispiel der deutschen Schulpreisträgerschulen untersucht werden. Für die Untersuchung wurden die Schulkonzepte der Hauptpreisträgerschulen der Jahre 2014, 2015 und 2016 auf Resilienz fördernde Aspekte untersucht. Die Bedeutsamkeit einer Untersuchung dieser Schulen liegt darin begründet, dass sie einen Orientierungsrahmen für andere Schulen bilden. Weisen die Schulpreisträgerschulen Resilienz fördernde Möglichkeiten auf, so ist es wahrscheinlich, dass andere Schulen diese künftig auch für sich nutzbar machen werden.

Bei der vorliegenden Bachelor Thesis wird die Methode der Dokumentenanalyse verwendet. Bei der Dokumentenanalyse werden keine eigenen Daten erhoben, stattdessen wird auf bereits vorhandenes Datenmaterial zur Untersuchung zugegriffen (vgl. Mayring 2002, S. 46ff.). Das Datenmaterial besteht in dieser Bachelorarbeit aus Literatur- und Internetquellen.

Im Folgenden wird das Phänomen der Resilienz, mit dem Risiko- und Schutzfaktorenkonzept, sowie die Befunde aus der Resilienzforschung und verschiedene Resilienzansätze umfassend dargestellt. Auf dieser Grundlage wird Resilienz mit der Institution Schule in Bezug gesetzt und untersucht, welche Schutz- und Risikofaktoren in diesem Zusammenhang zugrunde liegen. Im Anschluss wird die Zielsetzung und Funktion des Deutsche Schulpreises beschrieben, sowie ein besonderes Augenmerk auf die Auswahlkriterien gerichtet. Abschließend werden die Schulprofile und -programme der einzelnen skizziert und ihre Konzepte auf Resilienz fördernde Möglichkeiten hin untersucht.

2. Resilienz

2.1. Ann äherung an eine Definition

Dem Begriff der Resilienz eine konkrete Definition zuzuordnen, ist ein kein einfaches Unterfangen, da das Thema Resilienz mittlerweile in den Fokus zahlreicher Disziplinen, vor allem der Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Neurologie gelangt ist, und daher eine Vielzahl an verschiedenen Begriffsbestimmungen existent ist. Im Allgemeinen kann Resilienz definiert werden als eine Widerstandsfähigkeit, die es einem Individuum ermöglicht, schwierige und belastende Lebensumstände, positiv zu bewältigen. Der Terminus Resilienz lässt sich von dem lateinischen Wort resiliere ableiten, welches zurückspringen oder abprallen bedeutet (vgl. Kormann 2007, S. 188). Es lässt sich auch auf den englischen Begriff resilience zurückführen, welcher mit Elastizität, Spannkraft und Widerstandsfähigkeit gleichzusetzen ist (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 9).

Welter-Enderlin beschreibt Resilienz als Fähigkeit „Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für eine Entwicklung zu nutzen“ (Welter-Enderlin 2010, S. 13). Wustmann Seiler hingegen bezeichnet Resilienz als „eine psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“ (Wustmann Seiler 2012, S. 18). Durch den Vergleich dieser beiden Definitionen sind die unterschiedlichen Auslegungen des Ausdrucks der Resilienz bereits festzustellen: Die Definition Wustmann Seilers beschränkt Resilienz auf Kinder und Jugendliche, die altersentsprechende Entwicklungsaufgaben trotz des Vorhandenseins einer Entwicklungsgefährdung positiv bewältigen. Welter-Enderlins Begriffsbestimmung zeigt keine Restriktionen bezüglich des Alters resilienter Personen. Als Gemeinsamkeit ist anzumerken, dass beide erst bei der Bewältigung einer belastenden Lebenssituation von Resilienz sprechen. Voraussetzung für die Resilienz ist demnach, das Vorhandensein einer risikobehafteten Gegebenheit für das psychische Wohlergehen oder auch eine entsprechende Entwicklung eines Individuums. Diese Bedingung findet sich bei den meisten Definitionen der Resilienz durch unterschiedliche disziplinäre Zugänge wieder.

2.2. Klassifizierung der Belastungen

Als Bedrohung einer gesunden kindlichen Entwicklung können, nach Wustmann Seiler, verschiedene Umstände, die ein unterschiedliches Gefährdungspotential besitzen, aufgefasst werden: 1. Eine kontinuierliche Belastung, durch zum Beispiel chronische Armut, 2. eine gegenwärtige Belastung, wie beispielsweise die Trennung der Eltern, oder 3. eine Belastung durch ein traumatisches Erlebnis, wie zum Beispiel bei einem sexuellen Missbrauch. Durch die Kategorisierung der möglichen Bedrohungen lässt sich herausstellen, dass das Resilienzkonzept, neben der Sicherung der Widerstandskraft, auch aus dem Wiederaufbau dieser besteht, wie es bei Traumata zutage tritt. Weiterhin stellt Wustmann Seiler heraus, dass Resilienz nicht nur „die reine Abwesenheit psychischer Störungen“ meint, insbesondere aber den „Erwerb bzw. Erhalt altersangemessener Fähigkeiten und Kompetenzen“ betrifft (ebd., S. 19f.). Die Einteilung der Belastungsformen lässt sich, aber auch über Wustmann Seilers Zuweisung zum Kindes- & Jugendalters hinaus, auf die Resilienz von Menschen anderer Altersklassen übertragen. Unter Anbetracht der Fragestellung dieser Arbeit wird die Thematik der Resilienz im Folgenden jedoch aus einer kind- und adoleszentzentrierten Perspektive beleuchtet.

2.3. Anlage und Umwelt

Entgegen der anfänglichen Annahme, dass die psychische Widerstandsfähigkeit ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal ist (vgl. Kormann 2007, S. 28, Walsh 2010, S. 45), vertritt die aktuelle Forschung den Stand, dass Resilienz nicht nur erblich bedingt ist. Die meisten Autoren gelangen zu der Ansicht, dass internale und externale Faktoren bei der Ausbildung von Resilienz zusammenwirken (vgl. Welter-Enderlin 2010, S. 9f., vgl. Zander 2008, S. 19). Auf diese Interaktion von Anlage und Umwelt wies insbesondere die Arbeit von Rutter (1988) hin, wie Walsh hervorhebt (vgl. Walsh 2010, S. 45). Es bestehen nichtsdestotrotz Studien, die, wie Berndt aufzeigt, belegen, dass bestimmte neurologische Funktionsmechanismen, wie zum Beispiel eine verstärkte Aktivierung der rechten Hirnhälfte, dazu führen können, dass man mit Risikosituationen schwieriger umgehen kann (vgl. Berndt 2016, S. 113ff.). Diese können aber nicht alleine für eine geringe Widerstandskraft sorgen, sondern erst in Korrelation mit ungünstigen, umweltbedingten Ereignissen ihre Wirkungskraft entfalten. Darüber hinaus, können auch „die Erfahrungen, die ein Mensch macht (…) umgekehrt die Gene durch epigenetische Prozesse verändern“ (ebd., S. 115). Aus diesen Gründen plädiert auch Berndt für ein Zusammenspiel der Erbanlagen und der Lebenswelt. Wustmann Seiler betont ebenso die Interaktion von Genen und Lebensbedingungen, da es durch die wechselseitige Einwirkung unweigerlich zu einem adaptiven Prozess gegenseitiger Beeinflussung kommt (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 28).

2.4. Variabilit ät

Resilienz wird bei fast allen Wissenschaftlern, die sich mit dem Phänomen befassen, nicht als ein stabiles Konstrukt aufgefasst (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, Zander 2008, Hildenbrand 2010). Resilientes Verhalten ist „eine variable Größe“ (Wustmann Seiler 2012, S. 30) und situationsabhängig, weshalb ein Mensch zu einem Zeitpunkt im Leben resilientes Verhalten ausweisen kann, es aber in einer früheren oder späteren Lebensphase nicht meistern kann, bedrohliche Ereignisse adäquat zu bewältigen (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 10f.). Gleichermaßen kann man nicht von einer allgemeinen Immunität gegen widrige Bedingungen ausgehen, da sich die erworbenen Bewältigungsstrategien eines Lebensbereichs nicht zwangsläufig auf andere übertragen lassen. So kann es vorkommen, dass ein Kind zum Beispiel im intellektuellen Bereich sehr versiert ist, aber nur über eine geringe soziale Kompetenz verfügt. Die erworbenen Handlungsschemata zur Bewältigung von Krisen werden zudem durch stetig neue, risikoreiche Erfahrungen erweitert, sodass der Erwerb resilienter Handlungsmuster nicht als ein abschließender Prozess betrachtet werden kann (vgl. Hildenbrand 2010, S, 205).

3. Risiko und Schutzfaktoren

3.1. Risikofaktoren

3.1.1. Definition

Das Konzept der Risikofaktoren behandelt die Thematik aus einer pathogenen Perspektive, was bedeutet, dass der Schwerpunkt auf den entwicklungsgefährdenden Faktoren liegt (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 21).

Ein Risikofaktor wird als ein Merkmal definiert, „das bei einer Gruppe von Individuen, auf die dieses Merkmal zutrifft, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Störung im Vergleich zu einer unbelasteten Kontrollgruppe erhöht“ (vgl. Laucht 1999, S. 303, nach Garmezy 1984). Das Dasein eines solchen Risikofaktors kann die Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Entwicklung erhöhen, jedoch nicht als determinierend für eine solche Prognose angesehen werden (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 36, nach Wolke 2011).

3.1.2. Kategorisierung

Risikofaktoren lassen sich in biologische oder psychologische, sowie in psychosoziale Risiken differenzieren. Die biologischen oder psychologischen Risiken werden als Vulnerabilit ätsfaktoren bezeichnet. Diese Faktoren werden wiederum in primäre und sekundäre Vulnerabilitätsfaktoren unterteilt: Als primäre Faktoren gelten jene, die das Kind von Geburt an aufweist. Hierzu zählen zum Beispiel erblich bedingte Dispositionen und Geburtskomplikationen. Sekundäre Faktoren sind hingegen durch die Umwelt entstandene Defizite, die in das Denk- und Verhaltensrepertoire eingegangen sind. Ein fehlendes Urvertrauen aufgrund mangelnder mütterlicher Fürsorge wäre als Beispiel zu benennen. Die psychosozialen Risiken, auch Stressoren genannt, sind außerhalb des Individuums in seiner Familie oder dem näheren Umfeld zu verorten. Als Beispiel für einen Stressor kann eine Suchterkrankung der Eltern aufgefasst werden. Eine gesonderte Stellung, wie Wustmann Seiler herausstellt, nehmen bei Stressoren traumatische Erlebnisse ein, da diese als existentiell bedrohend empfunden werden.

Eine weitere Kategorisierungsvariante ist die Unterscheidung in diskrete und kontinuierliche Risikofaktoren. Diskrete Faktoren sind akut einschneidende Lebensereignisse, kontinuierliche Faktoren hingegen sind Entwicklungsbedrohungen, die über einen längeren Zeitraum andauern (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 36f.).

Außerdem, kann auch eine, in der Literatur verbreitete, Einteilung in proximale und distale Risikofaktoren erfolgen (vgl. Petermann et. al. 2004, S. 324, Bender et. al. 1998, S. 120, nach Baldwin et. al. 1990, Wustmann Seiler 2012, S. 37). Proximale Faktoren üben einen direkten Einfluss aus, wie etwa die elterliche Vernachlässigung, die zu einer kindlichen Entwicklungsbedrohung werden kann. Distale Faktoren wirken durch indirekte Vermittler, wie etwa ein niedriger sozioökonomischer Status, der zu sozialer Benachteiligung führen kann (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 37).

Die Risikoforschung ist fokussiert darauf, Faktoren zu ermitteln, die die Wahrscheinlichkeit einer misslichen Entwicklung verstärken, aber gleichzeitig veränderbar sind. Demnach wäre eine, unter pädagogischen Aspekten, sinnvolle Dichotomie in variable und invariable Risikofaktoren vorzunehmen. Bei variablen Faktoren kann die pädagogische Praxis ansetzen und Interventions-, sowie Präventionsmaßnahmen zur Abmilderung dieser Risiken ausbauen.

3.1.3. Einflussfaktoren:

Einflussnehmend auf eine unangemessene Entwicklung wirken verschiedene Rahmenbedingungen der Risikofaktoren. Diverse Studien bestätigten, dass besonders die Anhäufung von Widrigkeiten zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Belastung führt (vgl. Petermann et al. 2004, vgl. Bender et al. 1998, S. 120, nach Rutter 1990). So zeigten Forschungsbefunde, dass die Wahrscheinlichkeit an einer psychischen Störung zu leiden durch vier Risikofaktoren auf das Zehnfache erhöht wird (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 41, nach Laucht et. al. 1998). Neben der Kumulation spielt auch die Dauer, der das Individuum den negativen Bedingungen ausgesetzt ist, eine maßgebende Rolle. Bei einer chronischen Belastung ist die Probabilität einer fehlenden psychischen Kompensation der Umstände erhöht. Relevant ist bei kindlichen Entwicklungsrisiken auch das Alter und der kognitive Entwicklungsstand des Kindes. Anzunehmen ist, dass es in Umbruchperioden, oder vulnerablen Phasen, wie bei dem Eintritt in die Pubertät zum Beispiel, zu einer besonderen Sensibilität für Risikofaktoren der Umwelt kommen kann (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 25f.). Ferner, sind geschlechtsspezifische Unterschiede, bei der Art, wie sich ein nicht-bewältigtes Risikomerkmal äußert, festzuhalten. Jungen zeigen eher äußere Auffälligkeiten, Mädchen hingegen öfter innere Störungen (vgl. Bender et. al. 1999, S. 50). Zudem, belegen verschiedene Quellen, dass genetische oder psychologische Risiken im Laufe des Lebens weniger relevant für die Resilienz werden, psychosoziale Bedrohungen aber an Bedeutung für diese gewinnen (vgl. ebd., S. 37 nach Remschmidt 1988, vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 21 nach Scheithauer/Petermann 1999).

3.2. Schutzfaktoren

3.2.1. Definition

Im Gegensatz zu dem Risikofaktorenkonzept, betrachtet man die Thematik der Resilienz bei der Beschäftigung mit Schutzfaktoren aus einer salutogenesischen Sichtweise, das heißt, dass die gesundheitsförderlichen Aspekte im Vordergrund stehen (vgl. Laucht 1999, S. 305).

Schutzfaktoren werden als Merkmale verstanden, durch die die sonst vorhandene Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer psychischen Störung oder einer unangemessenen Entwicklung, vermindert wird, und die die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung erhöhen. Sie sollten jedoch nicht als Pendant zu Risikofaktoren gesehen werden (vgl. Bender et. al. 1998, S. 121f.). Ein solcher Ansatz würde fälschlicherweise zu der Annahme führen, dass Risiko- & Schutzfaktoren miteinander verrechnet werden können und eine Entwicklung sich somit positiv oder negativ durch die vorhandene Menge an den jeweiligen Faktoren vollzieht (vgl. Fingerle 2011, S. 125).

In der Literatur, die sich mit Schutzfaktoren befasst, verweisen die meisten Autoren auf Rutters Ansicht, dass schützende Faktoren mit den Risikofaktoren interagieren, weshalb er davon ausgeht, dass ein Schutzfaktor erst dann seine Wirkung zeigen kann, wenn eine Risikobelastung vorliegt (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 45, nach Rutter 1985, Bender et. al. 1998, S. 122, nach Rutter 1985). Der protektive Faktor kann dann als risikomildernder Puffereffekt fungieren, fehlt dieser aber, kann die Gefährdung sich in seiner Gesamtheit ausbreiten (vgl. Laucht 1999, S. 308). Andere Autoren, wie Scheithauer et. al., sprechen auch dann von einer schützenden Wirkung, wenn kein entwicklungsbelastendes Merkmal vorhanden ist (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse, S. 28, nach Scheithauer et. al. 2000). Diese Auffassung teile ich eher nicht und schließe mich Rutters Standpunkt an, da das gesamte Resilienzkonzept auch dann erst wirksam wird, wenn eine Gefährdung vorliegt und nicht schon, wenn eine Entwicklung ohne Risiko positiv verläuft. Laucht stellt in diesem Zusammenhang auch infrage, wovor geschützt werden soll, wenn kein Risiko besteht (vgl. Laucht 1999, S. 310).

3.2.2. Schutzfaktoren

Wie auch bei den Risikofaktoren, können auch die Schutzfaktoren unter bestimmten Kriterien angeordnet werden. Zumeist werden die protektiven Faktoren in personale und soziale Ressourcen eingeteilt (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 46f.). Petermann et. al. fassen unter die personalen Ressourcen die kindsbezogenen Merkmale und die eigentlichen Resilienzfaktoren (vgl. Petermann et. al. 2004, S. 344). Die kindsbezogenen Merkmale sind festgelegte Dispositionen, wie zum Beispiel intellektuelle Fähigkeiten, die Resilienzfaktoren sind durch die Interaktion mit der Umwelt erworbene Eigenschaften einer Person, wie beispielsweise ein geeigneter Umgang mit Stress. Als soziale Ressourcen werden jene Faktoren verstanden, die in der sozialen Umwelt des Individuums, wie etwa der Familie, dem Freundeskreis und der Bildungsinstitution zu lokalisieren sind (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 46f.). Kipker, die sich an einer Einteilung von Garmezy orientiert, unterscheidet ferner zwischen Merkmalen des Familienmileus und der außerfamiliären, sozialen Umwelt (vgl. Kipker 2008, S. 44, nach Garmezy 1984). Als Beispiel für eine soziale Ressource kann ein wertschätzender Umgang in der Familie, Schule oder in der Peer-Group, erachtet werden.

Im Kontext der Vorstellung einer Untersuchung von Schoon, zur Wirkung von Schutzfaktoren bei vorhandenen und fehlenden Risikomerkmalen von Kindern, greift Zander ein Klassifizierungsmodell von Luther et. al. auf. Dabei wird nicht nach festgelegten und erworbenen Schutzfaktoren differenziert, sondern nach Ausprägungsgrad des Risikomerkmals. Es wird unterschieden zwischen generell protektiven, stabilisierend protektiven, ermutigend protektiven und protektiven, aber reaktiven Faktoren. Die generell protektiven Faktoren sind welche, die eine gleich förderliche Wirkung bei Kindern mit vorhandenem und fehlendem Risiko haben. Die stabilisierend protektiven Faktoren werden, als jene beschrieben, die die bereits vorhandene Resilienz, trotz steigendem Risiko, festigen. Als ermutigend protektive Faktoren werden jene definiert, die dazu auffordern, sich mit dem Risiko auseinanderzusetzen und somit zu einem Zuwachs an Resilienz führen. Unter dem Begriff der protektiven, aber reaktiven Faktoren fallen die Merkmale, die sich allgemein schützend auswirken, aber bei einem hohen Risiko eine geringe Einflusskraft ausweisen (vgl. Zander 2008, S. 65).

Für die pädagogische Forschung und Praxis sind, wie auch bei den Risikofaktoren, die Schutzfaktoren von besonderer Wichtigkeit, auf die von außen Einfluss genommen werden kann und deren protektive Wirkung letztlich auch die persönlichen Resilienzfaktoren moderiert. Meines Erachtens nach, wäre deshalb eine entsprechende Gliederung in personale und soziale Ressourcen aus pädagogischer Sicht zielführend.

3.2.3. Einflussfaktoren:

Wie auch bei dem Risikofaktorenkonzept, ist anzunehmen, dass bei dem Schutzfaktorenkonzept eine Kumulation von schützenden Bedingungen eine größere Chance für eine positive Entwicklung bietet (vgl. Kipker 2008, S. 47f.). Zu betonen ist dabei auch, dass vielfältige Risikofaktoren, oftmals ebenso eine Vielzahl an Ressourcen benötigen, um eine angepasste Entwicklung zu gewährleisten (vgl. Zander 2008, S. 44). Die Effektivität eines Schutzfaktors hängt auch, wie Petermann et. al. herausgestellt haben, von der Geschlechtlichkeit der Person ab. So kann angenommen werden, dass bei Mädchen die personalen Ressourcen, wie das Temperament, und bei Jungen die sozialen Ressourcen, wie der familiäre Zusammenhalt, eine größere Bedeutung haben (vgl. Petermann et. al. 1998, S. 221). Ebenso von Belang ist das Alter, beziehungsweise das Entwicklungsstadium, in dem sich das Kind oder der Jugendliche befindet. Spielen in den frühen Kindheitsjahren vor allem die kindsbezogenen und sozialen Ressourcen des familiären Umfelds eine erhebliche Rolle, gewinnen in späteren Lebensphasen Personen im weiteren sozialen Umfeld an Bedeutung (vgl. Werner 1999, S. 31). In der Literatur herrscht zudem ein einheitlicher Konsens darüber, dass einer sicheren Bindung zu einer erwachsenen Person eine immense Relevanz beigemessen werden kann, wenn es darum geht, dass ein Kind sich trotz widriger Bedingungen angepasst entwickelt (vgl. Zander 2008, Fröhlich-Gilldhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 32, Werner 1999, S. 28).

3.3. Wechselwirkung von Risiko- & Schutzfaktoren

Risiko- & Schutzfaktoren befinden sich in einem Wechselwirkungsprozess und beeinflussen die kindliche Entwicklung und somit auch seine Vulnerabilität und Resilienz. Beide Merkmale werden überdies von individuellen Gegebenheiten des Kindes und Einflüssen des äußeren Umfelds gelenkt (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 34).

In Abhängigkeit eines anlagebedingten Merkmals kann dieselbe Reaktion von außen als psychosoziales Risiko oder soziale Ressource aufgefasst werden. Als Beispiel ist zu formulieren, dass bei einem Kind mit einem angeborenen, stärker ausgeprägten Temperament, ein liberaler Erziehungsstil, bei dem wenige Grenzen aufgewiesen werden, das impulsive Verhalten vermutlich verstärken wird (vgl. Petermann et. al. 2004, S. 324). In diesem Kontext wird das Erziehungskonzept der Eltern zu einem Risikofaktor. Bei einem besonneneren Kind mit einem beherrschten Temperament, kann aber das gleiche Erziehungskonzept den Effekt eines Schutzfaktors haben.

Es kann nicht nur eine Bedingung der Umwelt zu einem Risiko- oder Schutzfaktor werden, ebenso kann sich ein individuelles Kriterium zu einem biologischen/psychologischen Risiko oder zu einer personalen Ressource herausbilden. Empirisch ist belegbar, dass Intelligenz zum einen fördernd dafür ist, sich positive Verhaltensweisen im Umgang mit Konflikten anzueignen, aber auch durch eine verstärkte Wahrnehmung der Umwelt eher zu internalisierenden Störungen führen kann (vgl. Bender et. al. 1999, S. 40f.). Das Phänomen, das besagt, dass derselbe Faktor, ob anlage- oder umweltbedingt, zum Teil sehr unterschiedliche Effekte in der Entwicklung eines Menschen hervorrufen kann, nennt sich Multifinalität.

Fingerle beschreibt auch den Begriff der Equifinalit ät. Dieser meint, dass divergente Faktoren zu dem gleichen Ergebnis führen können (vgl. Fingerle 1999, S. 96). Als Beispiel wäre zu benennen, dass sowohl ein harmonisches Familienklima, als auch ein vertrauensvolles Verhältnis zu Freunden Problemlösefähigkeiten stärken können.

Diese Wechselwirkungsmechanismen untermauern die immense Bedeutsamkeit des Einbezugs aller internaler und externaler potentieller Risiko- und Schutzfaktoren des Individuums bei der Erforschung von Resilienz.

3.4. Kritik am Risiko- & Schutzfaktorenkonzept

Bei der Beschäftigung mit Risiko- & Schutzfaktoren ist augenfällig, dass über eine präzise Abgrenzung beider Merkmale noch Unklarheit herrscht (vgl. Petermann et. al 2004, S. 349). Die meisten Autoren vertreten die Annahme, dass ein Faktor nur als ein Schutz- oder als ein Risikofaktor betrachtet werden sollte. Es wird in dem Zusammenhang häufig darauf hingewiesen, dass das Fehlen eines Schutzfaktors nicht gleichzusetzen ist mit dem Vorhandensein eines Risikofaktors (vgl. Laucht 1999, S. 306f.). Das Ausbleiben eines Risikomerkmals sollte nach Meinung vieler Autoren auch nicht als schützender Faktor konzipiert werden (vgl. Ball/Peters 2007, S. 130).

Bender/Lösel verweisen in dem Kontext auf die Problematik einer klaren Abgrenzung hin, da bei manchen Merkmalen belegbar ist, dass ihr Dasein als risikomildernd und ihre fehlende Existenz als risikobehaftet gilt, wie etwa bei dem Faktor einer festen Bezugsperson (vgl. Bender/Lösel 1999, S. 41).

Laucht merkt an, dass auch die temporale Dimension näher betrachtet werden sollte. Ein Schutzfaktor kann erst als solcher identifiziert werden, wenn er zeitlich bereits vor dem Risikofaktor bestand. Anderenfalls lässt sich nicht einschätzen, ob ein vorgeblicher Schutzfaktor nicht als eine Folge resilienter Entwicklung, trotz Risikobedingungen, gesehen werden sollte. Deshalb fordert er, dass Studien durchgeführt werden sollten, in denen die zeitliche Relation der Risiko- & Schutzfaktoren abklärt ist (vgl. Laucht 1999, S. 311).

4. Der Begriff Coping und Coping-Strategien

4.1. Coping

Der Terminus Coping ist stark an das transaktionale Stresskonzept von Lazarus und Mitarbeitern gekoppelt, auf welches hier im Folgenden nicht weiter eingegangen werden kann. Es bedarf jedoch einer Erwähnung der Definition der Begriffe Stress und Transaktion nach Lazarus, um darauf aufbauend die Bezeichnung des Copings zu verstehen.

Der von Lazarus und Folkmann verwendete Terminus Stress bedeutet in dem Kontext des transaktionalen Stressmodells im Wesentlichen psychischen Stress, der sich auf die Beziehung eines Subjekts mit seiner Umwelt bezieht und von diesem als relevant für sein Wohlergehen angesehen wird. (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 76, nach Lazarus/Folkmann 1984). Gleichzeitig stellt diese Relation aber Anforderungen an das Subjekt, die dessen Bewältigungsmöglichkeiten überfordern. Den Transaktionsbegriff begreifen Lazarus und Mitarbeiter als reziproke Person-Umwelt-Interaktion (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 76).

Als Coping verstehen Lazarus und Launier schließlich „jene verhaltensorientierten und intrapsychischen Anstrengungen, mit umweltbedingten und internen Anforderungen fertig zu werden, das heißt, sie zu meistern, zu tolerieren, zu reduzieren oder zu minimieren (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 76, nach Lazarus/Launier 1981). Coping ist demnach ein Prozess, in dem Problemlösestrategien angewandt werden, um mit belastenden Umständen umgehen zu können. Durch dieses Bewältigungsverhalten soll der Einfluss schädigender Umweltbedingungen verringert, soziale Beziehungen aufrechterhalten, das positive Selbstbild gesichert und das Wohlbefinden geschützt werden.

4.2. Coping-Strategien

Coping-Strategien sind konkrete Handlungsintentionen, mit denen das Individuum auf eine bedrohliche Situation reagiert. Sie differieren nach Art und Absicht ihrer Einsetzung. Es lassen sich unterschiedliche Coping-Strategien erfassen: Aktive, defensive, problemlösende und emotionsregulierende Coping-Strategien.

Aktive Coping-Mechanismen sind jene, bei denen eine direkte Auseinandersetzung mit der Stresssituation gesucht wird. Von defensiven Coping-Strategien wird gesprochen, wenn versucht wird, die Stressereignisse zu vermeiden.

Bei der problemlösenden Bewältigungsstrategie konzentriert sich das Individuum direkt auf die problembringenden Bedingungen, die zu dem Stressor geführt haben und versucht diese zu lösen. Hierbei wird eine Veränderung des Umfelds oder des eigenen Verhaltens vorgenommen. Bei dem emotionsregulierenden Bewältigungsmechanismus versucht derjenige zu einer Kontrolle seiner Emotionen zu gelangen. Diese Handlungen stehen eher im Dienste des Selbstschutzes, als der Problemlösung.

Welche Strategien zum Einsatz kommen, hängt hauptsächlich davon ab, wie kontrollierbar die Stresssituation wahrgenommen wird. Bei gut kontrollierbaren Stressereignissen werden eher problemlösende Strategien angewandt, bei schwer kontrollierbaren Stresssituationen werden emotionsregulierende Strategien bevorzugt (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 76ff.). Darüber hinaus, spielen vermutlich weitere Faktoren, wie bereits erprobte Verhaltensschemata und das eigene Temperament eine Rolle.

5. Resilienzmodelle:

5.1. Vorstellung verschiedener Ans ätze und Modelle

Im Kontext der Untersuchung der Wechselwirkung von Risiko- und Schutzfaktoren entstanden verschiedene Resilienzmodelle, die drei Ansätzen der Resilienzforschung zugeteilt werden können: Der entwicklungspfadbezogene Ansatz, der personenzentrierte Ansatz und der variablenbezogene Ansatz.

Der entwicklungspfadbezogene Ansatz konzentriert sich auf die zeitliche Dimension eines Entwicklungsverlaufs und wird für Längstschnittstudien verwendet.

Bei dem personenzentrierten Ansatz wird die spezifische Kombination aus Risiko- und Schutzfaktoren eines Menschen in den Blick genommen (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 37). Masten unterteilt den personenbezogenen Ansatz in Einzelfälle und aggregierte Fälle, in denen Gruppen von Personen fokussiert werden (vgl. Masten 2016, S. 40ff.). Auf eine nähere Erläuterung der Charakteristika der Untersuchungsfälle wird im Weitern jedoch verzichtet, da sie von keiner Relevanz für diese Arbeit sind.

Der variablenbezogene Ansatz befasst sich vordergründig mit dem Zusammenwirken von Risiko- und Schutzmerkmalen und der Möglichkeit, daraus Schlüsse für die kindliche Entwicklung zu ziehen. Auf dem Grundgedanken des variablenbezogenen Ansatzes lassen sich weitere Resilienzmodelle aufbauen: Das Kompensationsmodell, das Herausforderungsmodell, das Interaktionsmodell und das Kumulationsmodell (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015 S. 37f.). Hervorzuheben bei der Beschäftigung mit Resilienzmodellen ist, dass diese Konzeptionen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern auch ergänzend oder nacheinander wirksam werden können (vgl. ebd, S. 38, nach Werner 2000).

5.2. Das Kompensationsmodell

Die Basis des Kompensationsmodells bildet die Annahme, dass Schutzfaktoren kompensierend auf Risikomerkmale wirken. Sie können ihre entwicklungsförderliche Wirkung aber auch bei fehlenden Entwicklungsrisiken entfalten. Es kann bei diesem Modell unterschieden werden, ob die protektiven Ressourcen direkt oder indirekt durch Mediatoren Einfluss nehmen. Direkt beeinflussen sie die Entwicklung zum Beispiel durch Stärkung der kindlichen Kompetenzen, indirekt helfen sie beispielsweise, wenn die Eltern ihre erzieherischen Qualitäten ausbauen und somit ein konstruktiveres Erziehungsverhalten erlernen (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 57ff.).

5.3. Das Herausforderungsmodell

Das Herausforderungsmodell betont die Prozesshaftigkeit der Bewältigung eines Risikos. Das Kind kann dieses als Herausforderung ansehen, bewältigen und daran wachsen. Erworbene Bewältigungsstrategien können dann das eigene Kompetenzrepertoire erweitern und es kann bei einer erneuten risikoreichen Erfahrung auf diese Fähigkeit zurückgegriffen werden (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 38). Voraussetzung für eine Anwendung dieses Resilienzmodells ist, dass das empfunden Maß des Risikos noch moderat und somit möglich zu verarbeiten ist (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 59).

5.4. Das Interaktionsmodell

Das Interaktionsmodell geht von einer interaktiven Relation von Risiko- und Schutzfaktoren aus. Die risikomildernden Merkmale werden nur wirksam, wenn ein risikoerhöhender Faktor vorliegt und dämpfen seinen belastenden Effekt ab.

5.5. Das Kumulationsmodell:

Das Kumulationsmodell fundiert auf derselben Annahme des vorausgegangenen Modells, rückt jedoch die Anzahl an Risiko- und Schutzelementen in den Fokus. Daher ist der Grundgedanke dieses Modells: Je mehr risikohafte Bedingungen vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist ein negatives Entwicklungsergebnis und je mehr schützende Bedingungen bestehen, desto eher entsteht daraus ein positives Entwicklungsresultat (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, 5. 38).

6. Relevante Studien der Resilienzforschung

6.1. Die Salutogenese

Den Ursprung der Resilienzforschung bilden die salutogenesischen Arbeiten des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky. In den siebziger Jahren untersuchte er „die Adaptation von Frauen verschiedener ethnischer Gruppen in Israel an das Klimakterium“ (Antonovsky 1997, S. 15). Bei der Datenanalyse stellte er fest, dass einige der israelischen Frauen einen Aufenthalt in Konzentrationslagern erleben mussten. Anhand einer tabellarischen Dokumentation der emotionalen Gesundheit dieser Frauen eruierte Antonovsky, dass etwa bei einem Drittel der Frauen, die den Aufenthalt im Konzentrationslager überlebt hatten, ein guter psychischer Gesundheitszustand verzeichnet wurde. Ausgehend von dieser Feststellung, fokussierte sich Antonovsky in seinem weiteren Forschungsvorhaben auf die Entstehung und die Ursachen von Gesundheit. Er ergründete folgende Fragestellung: Weshalb befinden sich manche Menschen auf der gesunden Seite des Gesundheits-Krankheits-Kontinuum und wieso nähren sich manche, unabhängig von ihrer Ausgangslage, schrittweise diesem Pol an? (vgl. ebd., S. 15f). Entgegen der bis dato bestehenden Forschungstradition befasste er sich damit, was Menschen gesund, statt krank, macht und richtet somit abgrenzend von der pathogenetischen Sichtweise einen neuen, salutogenesischen Blickwinkel für weitere Untersuchungen dieses Phänomens ein (vgl. Seeliger 2016, S. 69).

6.2. Die Kauai-L ängstschnittstudie

Die Kauai-Längstschnittstudie wurde von der Entwicklungspsychologin Emmy Werner und ihrer Kollegin Ruth Smith auf der hawaiianischen Insel Kauai durchgeführt und gilt als größte und bekannteste Resilienzstudie. Den Untersuchungsschwerpunkt bildete die Entwicklung unter förderlichen und erschwerenden Bedingungen in einem direkten Vergleich von resilienten und nicht-resilienten Kindern. Das Ziel der Forschung war es, Auswirkungen individueller Entwicklungsrisiken und äußerer, widriger Lebensumstände auf die psychische, motorische und kognitive Entwicklung der untersuchten Kinder, festzustellen (vgl. Wustmann Seiler 2012, S. 87). Hierfür wurden 698 Kinder des Jahrgangs 1955 über 40 Jahre begleitet und Daten bezüglich deren Entwicklung und Lebensweise zu sechs unterschiedlichen Messzeitpunkten erfasst. Die erste Erhebung fand bereits während der Schwangerschaft statt. Bei den anderen Untersuchungszeitpunkten waren die Probanden im Alter von 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahren (vgl. Bengel et. al. 2009, S. 33).

Als Erhebungsverfahren wurden Verhaltensbeobachtungen der Erzieher und Lehrer, Persönlichkeits- und Leistungstests, Informationsmaterial von Behörden, wie dem Gesundheits- und Sozialamt, sowie zu den letzten drei Erhebungszeitpunkten auch Interviews der Studienteilnehmer, herangezogen. Etwa dreißig Prozent der untersuchten Kinder waren einem besonders hohen Entwicklungsrisiko von mindestens vier risikoerhöhenden Konditionen ausgesetzt. Die Risiken waren sowohl biologischer, als auch psychosozialer Natur. Etwa ein Drittel der Kinder mit erhöhtem Risiko wuchs trotz der bestehenden Belastungen altersentsprechend heran und entwickelte sich zu kompetenten Erwachsenen.

Im Vergleich beider Personengruppen wurde bei den resilienten Menschen eine niedrigere Mortalitäts- und Krankheitsrate, sowie eine geringere Anzahl an Scheidungen und finanziellen Konflikten festgestellt. Bei der Suche nach den Gründen, die eine resiliente Entwicklung begünstigen, konnten die Forscherinnen eine Reihe schützender Faktoren in den Personen selbst, aber auch in deren Umfeld identifizieren. Als protektiv wurde zum Beispiel ein günstiges Temperament und eine stabile Vertrauensperson angesehen (vgl. Wustmann Seiler 2012, S, 87f.). Zu betonen ist laut Werner dabei, dass einzelne Schutzfaktoren zusammenwirken und dadurch erst ihren protektiven Effekt hervorrufen können. Werner verweist auch darauf, dass durch die Kauai-Studie anzunehmen ist, dass die inneren Faktoren im Säuglings- und Kleinkindalter bedeutsamer sind, die Wirksamkeit der äußeren Faktoren in der Kindheit und Adoleszenz zunimmt. (vgl. Bengel et. al. 2009, S. 34)

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Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Resilienzförderung im schulischen Kontext
Untertitel
Eine qualitative Untersuchung der Konzepte der Deutschen Schulpreisträgerschulen
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
59
Katalognummer
V539461
ISBN (eBook)
9783346180025
ISBN (Buch)
9783346180032
Sprache
Deutsch
Schlagworte
deutschen, eine, kontext, konzepte, resilienzförderung, schulpreisträgerschulen, untersuchung
Arbeit zitieren
Bianca Butterweck (Autor:in), 2017, Resilienzförderung im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539461

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