Informalität in Krankenhausorganisationen

Formalität, Informalität und brauchbare Illegalität für die Optimierung von Handlungsabläufen


Dossier / Travail, 2020

13 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor

3 Formalität, Informalität und brauchbare Illegalität

4 Informalität in Krankenhausorganisationen

5 Fazit

6 Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Immer wieder hört man davon, dass Krankenhäuser unter Personalmangel leiden. Dadurch kann ein enormer Zeitdruck auf das Personal ausgeübt werden, da sie mit weniger Kräften die gleiche Arbeit verrichten müssen. Zudem geben Krankenhäuser dem Personal Vorschriften, welche als formale Regelungen bezeichnet werden. Dem Krankenhauspersonal, wozu auch die Ärzte1 zählen, wird so ihre Umgangsweise mit Patienten vorgegeben. Es entstehen Problemsituationen, in denen das Personal im Konflikt mit formalen Regelungen steht. Daraus ergibt sich jedoch die Frage, wie die Krankenschwestern2 und die Ärzte das Arbeitspensum einer Schicht hinreichend bewältigen können.

In dieser Ausarbeitung des Referats, welches den Taylorismus als Managementlehre behandelt hat, soll die folgende Fragestellung behandelt werden: Inwiefern werden Vorgaben von Krankenhausorganisationen durch das Personal beachtet oder missachtet, um die anfallenden Arbeiten in problematischen Situationen in einem Krankenhaus hinreichend zu bewältigen?

Die These, die durch die folgende Analyse bestätigt oder gegebenenfalls widerlegt wird, lautet: Das Krankenhauspersonal ist durch die Entstehung von Informalität dazu in der Lage, die anfallenden Arbeiten eines Krankenhausalltags in problematischen Situationen zu erledigen.

Um die Informalität in Krankenhausorganisationen darzustellen, wird anfangs der Begriff der Wissenschaftlichen Betriebsführung erklärt, um Arbeitsstrukturen und deren Vorgaben grundlegend erklären zu können. Das Einbeziehen aller Weiterentwicklungen des ursprünglichen Taylorismus oder aller Arten der Managementlehre wie zum Beispiel den Fordismus überschreitet jedoch das Format der Ausarbeitung. Der Taylorismus dient als Beispiel dafür, die grundlegenden Prinzipien der Managementlehren und ihren Zweck zur Optimierung von Handlungsabläufen zu verdeutlichen. Folgend sollen die Begriffe der brauchbaren Illegalität und Informalität dargestellt werden. Der Begriff der Formalisierung wird zusätzlich als Abgrenzungshilfe zu Informalität und brauchbarer Illegalität erläutert. Die Definitionen basieren auf den Werken Niklas Luhmann´s, welche die Autoren der hier verwendeten Artikel genutzt haben. Zum Schluss werden diese Begriffe auf den Krankenhausalltag übertragen, um den Umgang Personals mit den Anforderungen an ihre Arbeit zu erklären und den Zusammenhang mit der Informalität zu verdeutlichen. Um den Zustand in den Krankenhausorganisationen beschreiben zu können, wird ein Beitrag, welcher neun Krankenhäuser in Nordostdeutschland untersucht, verwendet. Abschließend wird die genannte These bestätigt oder gegebenenfalls widerlegt.

2 Wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor

Die Wissenschaftliche Betriebsführung, auf Englisch Scientific Management, beschreibt die Verwissenschaftlichung von Arbeitsprozessen. Den Ursprung stellt der Taylorismus dar, welcher auf Frederick Winslow Taylor zurückzuführen ist.3 Taylor arbeitete daran, optimierte und standardisierte Prozesse in industrielle Unternehmen einzubringen. Dieser Prozess fand jedoch nicht nur als theoretische Wissenschaft statt. „Als Praktiker führte Taylor umfangreiche Arbeits- und Zeitstudien durch […]“4. Dadurch konnten die Unternehmen möglichst viel Gewinn machen, da sie eine effektivere Produktion hatten.

Organisierte Arbeitsabläufe, wie Taylor sie beschreibt, gab es jedoch schon viel früher. So zum Beispiel beim Bau der Pyramiden im alten Ägypten, bei der Führung des Chinesischen Reiches, im alten Griechenland, aber auch schon im Mittelalter (Vgl. Kieser 2006, S.93 f.).

Im Zuge der Industrialisierung, dem stetig anhaltenden technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, dem damit einhergehenden Industriegigantismus, sowie der Zuwanderung von Arbeitern und einem expansiven Marktpotential entstand der Bedarf nach einem Wandel in den Arbeitsprozessen. So entwarfen neben Taylor auch auch viele andere Wissenschaftler wie etwa Adam Smith, der Mathematiker Babbage, Henri Fayol oder Gulick und Urwick Ansätze für Managementleitfäden mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Vielfältigkeit dieser Ansätze unterstreicht die Dringlichkeit des Wandels.

Der Entwurf Taylors stellte darüber hinaus die sogenannte „Verwissenschaftlichung“ der Managementlehre dar, indem er „das >> wissenschaftliche Experiment <<, das sich in den Naturwissenschaften bewährt hatte“ (Kieser 2006, S.104) mit einbezog.

Taylor entwarf anstatt herkömmlicher Organisationsprinzipien sogenannte Lösungsmethoden. Eine solche Lösungsmethode „beschreibt, wie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ausgangsbedingungen ein gewünschtes Ziel realisiert werden kann“ (Kieser 2006, S.105).

Taylor führte verschiedene Experimente durch. So zum Beispiel das Schaufelexperiment oder das Drehbankexperiment. Er optimierte in seinen Experimenten sowohl die Arbeitsabläufe, als auch die Arbeitswerkzeuge, die Arbeiter selbst und die Entlohnungssysteme. So versuchte er herauszufinden, mit welcher Schaufelgröße ein Arbeiter die größte mögliche Menge über den möglichst längsten Zeitraum von einem Ort zum Anderen befördern konnte (Vgl. Kieser 2006, S.105). Zudem arbeitete er die optimale Belastungsmenge für eine Schaufel heraus. Dabei wurde auch berücksichtigt, welches Material transportiert werden sollte: “Für andere Materialen [sic] als Erde sind andere Schaufelgrößen optimal“ (Kieser 2006, S.105). Taylor traf also die „Auswahl des optimalen Werkzeugs“ (Kieser 2006, S.105) für den Herstellungsprozess eines Produkts.

Taylor überlegte sich zudem die sinnvollsten Arbeitsabläufe, um ein Produkt möglichst schnell fertigzustellen. Zudem teilte er die Herstellung eines Produkts in viele kleine Schritte auf, sodass sich jeder Arbeiter nur auf einen ganz bestimmten Prozess konzentrieren und diesen perfektionieren konnte.

Er bedachte bei der Auswahl der Arbeiter, wer von seiner körperlichen Beschaffenheit eher für schwere körperliche Arbeiten eingeteilt werden konnte und wer eher für die leichteren Aufgaben in Frage kam:“ Wer sich für eine bestimmte Arbeit nicht eignet, wird zu seinem eigenen Vorteil einer anderen Arbeit zugeteilt“ (Kieser 2006, S.112). In diesem Zug führte er auch ein Experiment durch, „um herauszufinden, wie viel ein Mensch bei schwerer körperlicher Arbeit maximal leisten kann“ (Kieser 2006, S.108). Beide Faktoren kombiniert, konnte Taylor durch Testverfahren herausfinden, welche Arbeiter in welchem Bereich eingesetzt werden konnte.

Des Weiteren nahm Taylor eine Trennung von Hand- und Kopfarbeit vor. Die Arbeiter sollten sich darauf konzentrieren, ihre Arbeit durchzuführen. Sie sollten nicht erst überlegen, mit welchen bewährten Methoden sie das nach Erfahrungswerten am besten durchführen können. Kieser verweist hier auf ein Zitat Taylors (1912, S.40), dass es deshalb die Aufgabe des Managements sei, die große Masse des traditionellen Wissens systematisch zu sammeln (Kieser 2006, S.106 f.).

Das Entlohnungssystem optimierte er, indem er die Löhne allgemein höher setzte (Vgl. Kieser 2006, S.106). Zudem „sorgen [ein Bonus oder eine Prämie] dafür, dass die Arbeiter sich auch tatsächlich kräftig bemühen, die vorgegebene Tagesleistung zu erreichen“ (Kieser 2006, S.109). „Bei Nichterreichung des Pensums waren Bestrafungen fällig“ (Kieser 2006, S.110). Darunter fielen zum Beispiel Abzüge vom Gehalt, Freistellung von der Arbeit, Strafgelder oder ähnlichen Sanktionen (Vgl. Kieser 2006, S.110).

So kam Taylor zu der Annahme, dass höhere Löhne und die daraus resultierende Produktionserhöhung in Kombination mit niedrigeren Herstellungskosten zu einem größeren Überschuss führten. Dieser Überschuss führt wiederum zu weniger Konflikten im Betrieb, da auch die Arbeiter dank der gestiegenen Löhne und Prämien zufriedener sind. So kann die Industrie die Nachfrage der Konsumenten sättigen und hat sowohl ausgeglichenere Arbeiter als auch zufriedenere Unternehmen.

Der Taylorismus ist nur ein Beispiel für die Vielfalt der Managementlehren. Zusammenfassend lässt sich darüber sagen, dass die Managementlehren allgemein zur Optimierung, zur Vereinfachung und zur Generalisierung von Arbeitsstrukturen eines Unternehmens dienen. Kurz gesagt: Sie streben eine Verbesserung an. Optimierung kann sich hierbei auf vielfältige Ziele wie die Arbeiterzufriedenheit, die Produktqualität, Zeitersparnisse oder auch die Kundenzufriedenheit beziehen. Die Managementlehren führen dazu, dass die Manager eines Unternehmens ihren Arbeitern bestimmte Strukturen und Arbeitsweisen vorgeben. Diese werden im Folgenden unter dem Begriff der Formalisierung beschrieben. Aus der Kritik an solchen Ansätzen entwickelten sich diverse Bewegungen, wie die human relations-Bewegung, deren Hauptvertreter unter anderem Fritz Roethlisberger war. Auf die Kritik soll hier nicht weiter eingegangen werden. Begriffe wie Informalität waren jedoch eine Folge der Reaktionen auf diese Ansätze, da die Wissenschaftlichen Managementlehren sehr am Homo Oeconomicus festhalten.

3 Formalität, Informalität und brauchbare Illegalität

Die folgenden Definitionen der Begriffe Formalität, Informalität und brauchbare Illegalität stammen aus Artikeln der Autoren Veronika Tacke und Stefan Kühl. Beide beziehen sich in ihren Beschreibungen auf Niklas Luhmann, insbesondere auf das Werk von 19645. Dieser Umstand macht es möglich, beide Texte zur Definition auf Basis von Niklas Luhmann zu verknüpfen und trotzdem ein einheitliches Verständnis dafür zu schaffen.

3.1. Formalität

Die zuvor beschriebene Wissenschaftliche Betriebsführung lässt sich als „Anleitung […] für eine umfassende und zweckmäßige Formalisierung“ (Kieser 2006, S.97) beschreiben. So zitiert Veronika Tacke folgende Stelle aus Luhmann (1964, S.71):“ Sie […] ermöglicht die Konstitution eines zeitlich, sachlich und sozial mit definierten Grenzen versehenes Erwartungssystems, das dazu dient, ein Handlungssystem zu strukturieren“ (Tacke 2015, S.58). Tacke selbst formuliert weiterhin, dass „Zweckbestimmung der Ordnung, klare hierarchische Ämterordnung, Regelbestimmung des Verhaltens und Effizienz […] Grundlagen“ (Tacke 2015, S.40) sind. Insbesondere durch den letzten Begriff der Regelbestimmungen zur Effizienz kann man wiederum den Bezug zur Wissenschaftlichen Betriebsführung herstellen. Formale Regelungen werden oftmals in schriftlicher Form im Vertrag oder in einem Regelwerk festgehalten und geben den Mitgliedern vor, wie sie sich in der jeweiligen Organisation zu verhalten haben. Bei Antritt der Mitgliedschaft ist dem Mitglied bekannt, dass die „Nichterfüllung dieser Erwartung mit der Fortsetzung der Mitgliedschaft unvereinbar ist“ (Tacke 2015, S.59), wie erneut nach Luhmann (1964, S.38) zitiert wird. Zentral sei, dass die Bereitschaft zur Anerkennung von Erwartungen Bedingung des (freiwilligen) Eintritts als Mitglied sei (Tacke 2015, S.59). Die Generalisierung von Erwartungsstrukturen in einer Organisation schafft somit Handlungs- und Erwartungssicherheit auf der Seite der Mitglieder (Vgl. Tacke 2015, S.59).

3.2. Informalität

„Neben der formalen Struktur gibt es in jeder Organisation […] informale Strukturen“ (Tacke 2015, S.59). Zur Definition der Informalität bezieht sich Stefan Kühl in seinem Beitrag zur Formalität, Informalität und Illegalität in Organisationsberatung auf das Werk Luhmann´s (1972a, S.275): „Bei Informalität müssen die Formalstrukturen nicht unbedingt verletzt werden, sondern häufig werden Anweisungen lediglich sehr frei interpretiert“ (Kühl 2007, S.273). Demnach bezeichnet Informalität die Erwartungen, die zuvor nicht klar als solche definiert wurden. Da sie nicht ausdrücklich festgehalten werden, „ist ihre Anerkennung jedoch nicht Mitgliedschaftsbedingung“ (Tacke 2015, S.59). Mitglieder einer Organisation können ihr Handeln nicht durch solche Informalitäten rechtfertigen, aber genauso wenig durch ihr Nichteinhalten der Organisation verwiesen werden (Vgl. Tacke 2015, S.59). Tacke beschreibt die Informalität auch als „unentbehrliche Begleitkommunikation der formalen Organisation“ (Tacke 2015, S.41). So könne vieles in Organisationen dann auch dem Reich der Informalität überlassen werden (Tacke, 2015, S.61).

[...]


1 Der Begriff „Arzt“ wird der Einfachheit halber in dieser Arbeit nicht gegendert, ist jedoch nicht diskriminierend oder ausgrenzend gemeint und bezieht sich auf männliche und weibliche Ärzte/Ärztinnen

2 Der Begriff „Krankenschwester“ wird der Einfachheit halber in dieser Arbeit nicht gegendert und bezieht sich auf männliche und weibliche Krankenpfleger/-innen

3 https://www.akademie-management.de/service/glossar/glossarordner-mit-t/taylorismus/wissenschaftliches-management-taylor- - Letzter Zugriff am 09.04.2020

4 https://www.akademie-management.de/service/glossar/glossarordner-mit-t/taylorismus/wissenschaftliches-management-taylor- - Letzter Zugriff am 09.04.2020

5 Luhmann, Niklas (1964): Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin: Duncker & Humblot

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Informalität in Krankenhausorganisationen
Sous-titre
Formalität, Informalität und brauchbare Illegalität für die Optimierung von Handlungsabläufen
Université
Bielefeld University
Note
1,7
Auteur
Année
2020
Pages
13
N° de catalogue
V703996
ISBN (ebook)
9783346210456
Langue
allemand
Mots clés
Organisationssoziologie, Informalität, Krankenhausorganisation, Brauchbare Illegalität, Luhmann
Citation du texte
Theresa G. (Auteur), 2020, Informalität in Krankenhausorganisationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703996

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