Aspekte der Ars Moriendi in Henrik Ibsens "Peer Gynt"


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

18 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Ars moriendi
2.a Der Tod im Mittelalter
2.b Gegenstand der Ars moriendi

3. Henrik Ibsens Peer Gynt
3.a Kurze Zusammenfassung von Peer Gynt
3.b Aspekte der Ars moriendi in Henrik Ibsens Peer Gynt
(1) Ein Leben im rechten Glauben
(2) Sinnvoll gelebtes Leben?
(3) Der Teufel

4. Fazit

Literaturverzeichnis
Aufsätze in Herausgeberschriften
Herausgeberschriften
Monographien
Lexikonartikel
Zeitschriftenaufsätze
Abbildungen

1 Einleitung

Geprägt durch vor allem große Pestepidemien, Hungersnöte und Kriege, erlebt Europa im 7. Jahrhundert eine drastische Minderung der Bevölkerung. Ein Drittel der Bevölkerung findet durch eben diese Ereignisse den grausamen Tod. Die politische Einheit Europas findet ein jähes Ende, und erst im 12. Jahrhundert können die Menschen sich in Sicherheit wiegen. Doch bereits im 14. Jahrhundert folgen erneut die Pest, sowie Hungersnöte, Judenpogrome und der Hundertjährige Krieg. Hinrichtungen oder die Verbrennung von Hexen und die Hetze gegen die Juden standen fortan an der Tagesordnung[1].

Gerade aus diesen Sachverhalten entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit im 15. Jahrhundert eine Literaturgattung[2], die als Ars moriendi bezeichnet wird. Sie zeigt sich vor allem in Sterbebüchern und Erbauungsheften. Das herrschende Lebensgefühl und die gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit werden darin deutlich gemacht. Was genau Gegenstand der Ars moriendi ist, soll hier untersucht werden. Wie genau gestaltete sich der Umgang der Menschen mit dem Tod im Mittelalter? Zentrale Frage soll aber des Weiteren sein, ob und welche Wirkung die Ars moriendi noch bis in die frühe Neuzeit und Moderne gehabt hat. Untersucht und deutlich gemacht werden soll dies an einem literarischen Beispiel, an Henrik Ibsens Peer Gynt. Inwieweit existieren hier Aspekte der Ars moriendi?

2 Die Ars moriendi

2.a Der Tod im Mittelalter

Um die Ars moriendi verstehen zu können, ist es wichtig, die Auffassung des Todes und den Umgang mit ihm im Mittelalter zu kennen. Im Gegensatz zu heute stellte der Tod im Mittelalter kein Tabuthema dar, sondern gehörte für die Menschen des Mittelalters stets zu etwas Alltäglichem. Vielmehr wird der Tod als etwas sehr Natürliches angenommen und auch als solches akzeptiert. Gefürchtet war lediglich der Tod in der Fremde, also fernab der Heimat oder der plötzliche Tod, auch mors repentina genannt.[3] „Ohne rechte Vorbereitung, auch ohne öffentliche Begleitung und Anteilnahme sterben zu müssen, galt als hässlich und geradezu fluchbeladen.“[4] Aber bereits im Mittelalter gibt es differenzierte Auffassungen vom Tod, ähnlich wie in der Gegenwart. Der Tod ist für jeden Menschen etwas anderes und ist immer abhängig von Zeit, Raum und „dem geistigen Horizont der Gesellschaft“, in der man sich selber befindet.[5] Daraus ergibt sich schlussendlich der Umgang mit dem Tod jedes Einzelnen. Kaiser und Könige sterben natürlich anders als der einfache Bauer und auch der Massentod durch Pest oder Krieg ist ständiger Begleiter der Menschen des Mittelalters. Der Massentod leitet gleichzeitig auch eine Zerstörung des sozialen Gefüges ein, da die Menschen wahllos von der Pest dahingerafft wurden.[6] Der Bauer empfand den Tod als einen massiven Eingriff von außen, da er nicht selber dazu in der Lage war, über seinen genauen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen und damit auch selbst über sein Leben verfügen konnte.[7] Da die Bestimmung des Zeitpunktes des Todes generell nicht von einer Person selbst bestimmt werden kann – ganz egal ob niedrige oder höhere gesellschaftliche Schicht – wird hier die hierarchische Stellung der Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters deutlich. Im Gegensatz dazu steht allerdings die These Arno Borsts, dass die Menschen bereits im Mittelalter erkannt haben, dass im Tode letztendlich alle gleich seien und es keine ständischen Unterschiede mehr gäbe.[8]

Der Ablauf einer Todesfeier für einen Sterbenden lief in der Regel folgendermaßen ab: Bevor der Gesang der sieben Bußpsalmen beginnen konnte, nahmen die Anwesenden von dem Sterbenden Abschied. Auf den Todeskampf des Sterbenden folgte dann die Herrichtung der Leiche für den Transport und die Bestattung[9].

Ganz generell ist zu sagen, dass es im Mittelalter zu einer Auseinandersetzung des Individuums mit dem Tod kommt und dass er wie bereits oben erwähnt, stets zum Alltäglichen gehört. Erst durch eine Mentalitätskrise im 14. Jahrhundert, durch Seuchen und Pest kommt es zu einem Wandel im Bewusstsein der Menschen.[10] Der Tod war vertraut und durch die häufige Begegnung ergab sich teilweise eine eher abstumpfende Wirkung.

Das Sterben als eine „Kunst“ wurde von Generation zu Generation weitervererbt. Vielen Menschen war bewusst, dass ihr Leben alsbald zu Ende gehen würde und wer sich auf sein Schicksal einließ, wusste, er könne in Würde sterben. Sie waren sich im Klaren darüber, dass nur Gott allein derjenige ist, der über den Zeitpunkt des Todes zu entscheiden hatte, aber sie selber hatten immerhin noch die Möglichkeit, über das Wie ganz allein zu bestimmen.

Des Weiteren kam es zu einer wechselseitigen Fürbitte: Die Lebenden dachten an die Toten und die Toten beteten bei Gott für die Lebenden.[11]

2.b Gegenstand der Ars moriendi

Gegenstand der Ars moriendi ist die Kunst des Sterbens. Sie beschreibt eine Literaturgattung, die sich zu Beginn der frühen Neuzeit aus oben genanten Gründen entwickelt hat. Mit der Ars moriendi sollte erreicht werden, dass die betroffenen Menschen alles daran setzten, ihr eigenes Seelenheil in letzter Minute doch noch zu erreichen. Der Sterbestunde kam im Mittelalter eine viel höhere Bedeutung zu als es in der Gegenwart der Fall ist. Was das persönliche Seelenheil betrifft, so glaubten die Menschen früher noch daran, dass sie es auch in der allerletzten Minute noch retten konnten und in der Sterbestunde zu entscheiden vermochten. Es bestand noch immer der feste Glaube, dass der Teufel die Seelen von denjenigen holen kommt, die nicht gottgefällig gelebt haben oder ihr Leben nicht nach Gottes Regeln gestaltet haben.[12] Voraussetzung für ein gutes Sterben ist also ein Leben im rechten Glauben.[13]

Zur Form der Ars moriendi ist zu sagen, dass sie meist nicht mehr als 24 Seiten Umfang hatte, die aus einer Einleitung bestand, die sich meist nicht über mehr als zwei Seiten erstreckte; sowie Illustrationen mit dazugehörigen Texten, die in erläuternder Funktion auftraten. Das Wichtigste hierbei waren allerdings nicht die Texte, sondern die Illustrationen, da im Mittelalter sowieso nur wenige Menschen des Lesens mächtig waren und durch die Bilder mehr Menschen erreicht wurden. Inhaltlich zeigt sich in der Literaturgattung der Ars moriendi zumeist ein Disput zwischen Teufel und Engel, den am Ende aber natürlich stets der Engel für sich gewinnen kann. Schließlich sollte die Ars moriendi eine aufbauende Wirkung haben und nicht demoralisieren. Zudem wollte sie vor allem allen Menschen helfen, auch den Schwachen, die nicht lesen konnten und somit auf die Illustrationen angewiesen waren.[14]

In der Ars moriendi werden die fünf gefährlichsten Versuchungen thematisiert: Versuchung im Glauben, Verzweiflung, Ungeduld, Hochmut und die Versuchung durch irdische Güter.[15] Inbegriff all dieser Versuchungen ist der Teufel, der den Menschen immer wieder dazu verleiten will, um seinem Ziel, der Seele des Menschen, näher zu kommen. Antworten auf die Versuchungen geben die Illustrationen auf denen Engel, sowie biblischen Gestalten und Heilige zu sehen sind. Gleichzeitig lieferten sie den Beistand für den Sterbenden und niemand musste sich allein gelassen fühlen. Selbst wenn es keine Familienangehörige mehr gab, vielleicht aufgrund der Pest, so gab es aber immer noch Beistand durch das Büchlein der Ars moriendi.[16]

Ein Beispiel der Ars moriendi: die Versuchung des Teufels zur Habgier. Er stellt einen Angriff auf die „Weltleute und fleischlich Gesinnten“[17]. Der Teufel spricht zu dem Sterbenden, dass er doch noch nicht gehen könne, da er noch über einen längeren Zeitraum hinweg seinen materiellen Reichtum geniessen solle. Erreicht werden soll mit dieser Beeinflussung, dass der Sterbende sich von Gott und seinem Seelenheil abwendet, hin zu irdischen Gütern.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Auf der Abbildung ist Folgendes zu sehen: vor den Augen des Sterbenden wird das Haus gezeigt, in dem er wahrscheinlich sein Leben lang gelebt hat. Vom Sterbebett aus kann er nun also noch einmal alles sehen, was einst sein Eigen genannt wurde. Um den Sterbenden herum sind Teufel zu sehen, die mit den Fingern auf all sein Hab und Gut zeigen. Um den Ausdruck zu verstärken, muss der Sterbende ein reicher Mann gewesen sein, denn im Haus zu sehen sind Weinkeller und auch ein Stall mit Pferdeknecht. Am oberen Rand des Bildes befinden sich heilige Menschen, die betrübt und bedauernd auf den Sterbenden hinunter blicken. Sie empfinden zwar Bedauern für ihn, sind aber gegen die Teufel nicht stark genug und können den Sterbenden nicht von der Habgier abbringen.

Da es sich allerdings um ein Buch der Ars moriendi handelt, muss selbstverständlich der Engel eingreifen und am Ende den Sterbenden und seine Angehörigen für sich gewinnen. Ziel ist, den Sterbenden wieder auf den richtigen Weg bringen. Auf die Versuchung des Teufels folgt nun also die gute Eingebung des Engels: der Engel versucht, eine Eingebung zu geben, die den Sterbenden von dem Teufel und dessen Versuchung abbringen soll. Er mahnt den Sterbenden mit Worten Gottes: „Wenn einer nicht auf alles verzichtet, was er besitzt, kann er nicht mein Jünger sein.“[18]. Der Engel erinnert den Sterbenden stets an die Leidensgeschichte Christi, der auch zeit seines Lebens in Armut lebte. Der Sterbende wird dazu aufgefordert, sich ganz auf Gott zu verlassen, denn nur durch ihn komme jeder zu einem wirklichen und ewigen Reichtum.

[...]


[1] Vgl. Arno Borst, Tod im Mittelalter, S. 395ff.

[2] Vgl. Helmut Rolfes, Eine Sterbekunst aus der Sorge um das ewige Heil, S. 15f.

[3] Ebd., S. 15ff. Siehe dazu auch: Philippe Ariès, Geschichte des Todes.

[4] Ebd., S. 20

[5] Alexander Patschovsky, Tod im Mittelalter. Eine Einführung, S. 8f.

[6] Vgl. Ebd., S. 16

[7] Vgl. Arno Borst, S. 29

[8] Vgl. Ebd, S. 38

[9] Vgl. Ebd., S. 37

[10] Vgl. Karl Josef Rivinus, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 267

[11] Vgl. Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, S. 31ff.

[12] Vgl. Artur E. Imhof, Ars moriendi. Die Kunst des Sterbens einst und heute, S. 18f. und 32

[13] Vgl. auch Theologische Realenzyklopädie, Stichwort Ars moriendi, S. 144f.

[14] Vgl. Artur E. Imhof, S. 32ff.

[15] Vgl. Ebd., S.34

[16] Vgl. Ebd., S.35ff.

[17] Vgl. Hrsg. Jacques Laager, Ars moriendi. Die Kunst, gut zu leben und gut zu sterben. Texte von Cicero bis Luther, S. 218

[18] Vgl. Ebd., S. 222

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Aspekte der Ars Moriendi in Henrik Ibsens "Peer Gynt"
Université
Bielefeld University  (Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft)
Cours
Schrift, Tod und Teufel: Die Literalität der letzten Dinge
Note
1,7
Auteur
Année
2006
Pages
18
N° de catalogue
V79328
ISBN (ebook)
9783638867443
Taille d'un fichier
691 KB
Langue
allemand
Mots clés
Aspekte, Moriendi, Henrik, Ibsens, Peer, Gynt, Schrift, Teufel, Literalität, Dinge
Citation du texte
Katharina Milde (Auteur), 2006, Aspekte der Ars Moriendi in Henrik Ibsens "Peer Gynt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79328

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