Zur pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten - Anspruch und Wirklichkeit


Mémoire de Maîtrise, 2006

105 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung in das Thema der Magisterarbeit
1.1. Relevanz und Aktualität pädagogischer Qualifizierung von Fachdozenten
1.2. Zielsetzung
1.3. Einordnung in den betriebspädagogischen Kontext
1.4. Aufbau der Magisterarbeit

2. Begriffsklärung im Rahmen pädagogischer Qualifizierungen
2.1. Weiterbildung oder Erwachsenenbildung?
2.2. Zum Verhältnis von Pädagogik und Qualifizierung
2.2.1. Pädagogik
2.2.2. Qualifizierung/Qualifikation und Kompetenz
2.2.3. Pädagogische Qualifizierung
2.3. Pädagogische Kompetenz
2.3.1. Didaktik
2.3.2. Methodik
2.3.3. Sozialkompetenz
2.3.4. Pädagogische Kompetenz = Didaktische, methodische und soziale Kompetenz
2.4. Fachdozent

3. Genese der Relevanz von Erwachsenenbildung
3.1. Historiographische Entwicklung
3.2. Effekte veränderter Rahmenbedingungen auf die Seminarpraxis

4. Erfolgsfaktor Fachdozent
4.1. Profile der Lehrenden in der Weiterbildung
4.2. Persönlichkeitsmerkmale Lehrender in der Weiterbildung
4.2.1. Menschenbilder
4.2.2. Trainingshaltungen = Rollenspiele der Fachdozenten?
4.2.3. Kompetenzen
4.3. Der optimale Fachdozent (TÜV)

5. Faktoren erfolgreicher Seminare
5.1. Erwachsene lernen! – eine Herausforderung?!
5.2. Didaktik
5.2.1. Didaktische Theorien
5.2.2. Didaktische Prinzipien und Handlungsfelder
5.3. Methodik
5.3.1. Auswahl wichtiger Methoden
5.3.2. Auswahl wichtiger Lernmedien

6. Der „Zertifizierte Fachdozent (TÜV)“ – ein Lehrgangskonzept
6.1. Idee und Zielsetzung des Lehrgangs
6.2. Konzeption des Lehrgangs
6.2.1. Profilerstellungsphase
6.2.2. Qualifizierungsphase
6.2.2.1. Professional Basic
6.2.2.2. Professional Module
6.2.3. Zertifizierung

7. Nutzen und Hemmnisse der pädagogischen Qualifizierung
7.1. Nutzen der pädagogischen Qualifizierung
7.1.1. Nutzen für die Fachdozenten
7.1.2. Nutzen für die TÜV Rheinland Akademie als Weiterbildner
7.2. Hemmnisse der pädagogischen Qualifizierung
7.2.1. Hemmnisse bei den Fachdozenten
7.2.2. Hemmnisse der Weiterbildner

8. Schlussbetrachtung
8.1. Zusammenfassendes Fazit
8.2. Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau der Magisterarbeit

Abbildung 2: Trias der pädagogischen Kompetenz

Abbildung 3: Zuordnung der Persönlichkeitseigenschaften

Abbildung 4: BIP-AM

Abbildung 5: Der Weg zur Zertifizierung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammensetzung der pädagogischen Kompetenz

Tabelle 2: Trends im Training

Tabelle 3: Didaktische Profile

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung in das Thema der Magisterarbeit

1.1. Relevanz und Aktualität pädagogischer Qualifizierung von Fachdozenten

Lernen ist wie Rudern gegen den Strom.

Hört man auf, treibt man zurück.

(Lao Tse)

Der rasche Wandel beruflicher Anforderungen geht mit vielen komplexen Entwicklungen und Änderungen einher. Pluralisierte Lebensformen und soziale Beziehungen, Veränderungen durch neue Technologien oder Medien, internationalisierte Lebensverhältnisse und wandelnde Wertevorstellungen beeinflussen alle Lebensbereiche der Menschen sehr stark. Diese gesellschaftlichen, technologischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen dynamisieren die Anforderungen an die Menschen erheblich. Erfüllt werden können diese Anforderungen aber nur durch kontinuierliche Weiterbildung. Lebenslanges Lernen muss das Motto lauten, um berufliche Leistungsfähigkeit erhalten, demokratische Rechte und Pflichten wahrnehmen und den geistigen Horizont erweitern zu können. (vgl. Arnold 1999: 20) Das berufliche Wissen hat mittlerweile in vielen Bereichen eine Halbwertszeit von weniger als fünf Jahren erreicht, so dass lebenslanges Lernen zur unabdingbaren Voraussetzung aktueller Berufsqualifikationen geworden ist (vgl. Lehner 1989:6). Dabei beschränkt sich Weiterbildung natürlich nicht nur auf die Vermittlung von funktionalem Wissen, sondern bezieht auch die Erweiterung persönlicher Kompetenzen ein (vgl. Leidemann 1998:54).

Bedingt durch die wachsenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt hat der quartäre Bereich des deutschen Bildungssystems - die Erwachsenenbildung - in den letzten Jahrzehnten einen gewaltigen Bedeutungszuwachs zu verzeichnen. Sukzessiv dazu sind als Reaktion auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und auf steigende Anforderungen die Institutionen, Bildungsangebote, Organisationsformen, Zielgruppen, Themenbereiche und Funktionen der Erwachsenenbildung in den letzten Jahren immer vielfältiger und differenzierter geworden. Aufgrund mangelnder finanzieller, technischer und organisatorischer Ressourcen ist diese Reaktion aber nicht immer so einfach. Die Messlatte an Weiterbildungsangebote ist hoch und mit steigenden Ansprüchen an die Arbeitnehmer als Adressaten der Weiterbildungsangebote werden auch die Anforderungen an die in der Erwachsenenbildung derzeit rund 700.000 Tätigen vielfältiger. Das im Auftrag staatlicher und öffentlicher Institutionen und Unternehmen, privater Weiterbildungsanbieter und des kommerziellen Bildungsmarktes lehrende Heer von fachlich sehr gut ausgebildeten Dozenten wird dabei zu etwa 90 Prozent von nebenberuflichen Honorarkräften getragen. Sie dozieren als Volkswirt, Germanist, Rechtsanwalt oder Ingenieur etc. Über einen andragogischen Bildungshintergrund verfügen viele von ihnen nicht. Besonders deutlich wird der Mangel an pädagogischer Ausbildung bei Lehrenden im Bereich der technischen Ausbildungen. Mit der rapiden Zunahme des eigens durch die Teilnehmer finanzierten Anteils an der Weiterbildung steigen überdies nicht nur die Ansprüche an die Qualität des Bildungsortes, sondern besonders an die Qualität der Fachdozenten. (vgl. Jürgens 2004:48) Sie haben bei einem gewandelten Verständnis von Bildung „nicht mehr nur die Aufgabe der Unterweisung, sondern gleichermaßen der Animation, Moderation, Anregung zum Selbststudium und Hilfe“ (Leidemann 1998:54). Mit diesem Anspruch wird allerdings eine Verbesserung der Kombination aus fachlicher und pädagogischer Kompetenz unausweichlich sein, um zu einem erfolgreichen und akzeptierten Unterrichtsergebnis zu kommen. In der Realität ist aber gerade die pädagogische Kompetenz in vielen Fällen als nicht ausreichend zu bezeichnen. Es lehren häufig diejenigen, die fachlich bestens qualifiziert sind, aber leider deutliche didaktisch-methodische Mängel aufweisen. Fest steht ein zunehmender Weiterbildungsanspruch für die Lehrenden in der Weiterbildung. Sie müssen sich ebenfalls aktiv um Weiterbildung bemühen und ein breit gefächertes Spektrum abdecken, um den heterogenen Anforderungen im Bildungssektor gerecht werden zu können und dazu gehört auch eine pädagogische Zusatzqualifikation (vgl. Bergel 2005:87).

1.2. Zielsetzung

Die TÜV Rheinland Akademie als renommierter Weiterbildungsanbieter hat diese zukünftige Notwendigkeit erkannt und möchte ihre Dozenten langfristig mit einer pädagogischen Zusatzqualifikation auszustatten. Der Lehrgang zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ wurde eigens für die Gruppe der externen Fachdozenten entwickelt, die die Teilnehmer zum großen Teil ohne pädagogische Qualifikation in komplexen technischen Seminaren der TÜV Rheinland Akademie ausbilden. Das Ziel ist es, zum einen die hauseigene Seminarqualität durch eine zielgerichtete Weiterbildungsmaßnahme zu erhöhen sowie den wachsenden Qualitätsansprüchen des Weiterbildungsmarktes anzupassen und zum anderen die Dozenten mit einem europaweit anerkannten Qualifikationsnachweis auszustatten.

Die Auseinandersetzung mit einer Professionalisierung in der Weiterbildung bezieht sich in der Regel auf die hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiter in der Weiterbildung, deren Hauptaufgabe eher disponierender Art ist. Sie eruieren Bildungsbedarfe, konzipieren und planen Weiterbildungsangebote, erstellen Seminarprogramme, akquirieren und betreuen Dozenten und beraten Seminarteilnehmer (vgl. Epping 1998:46). Die Entwicklung dieser originär pädagogisch Tätigen steht aber nicht im Zentrum des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“. Fokussiert werden in dieser Konzeption die Fachkräfte, die ohne pädagogische Ausbildung lehrende Aufgaben in der Weiterbildung übernehmen.

Ein Charakteristikum der Erwachsenenbildung ist, dass ein Teil des lehrenden Personals hauptberuflich, ein Teil nebenberuflich tätig ist. Auch in den Seminaren der TÜV Rheinland Akademie lehren überwiegend externe Fachdozenten, die nicht originär pädagogische Arbeit leisten, sondern >>lediglich<< die Durchführung der Seminare übernehmen, deren Seminarinhalte insgesamt in einem breiten Themenkontinuum z.B. zwischen Technik, Umweltmanagement und Datenschutz variieren.

Die akquirierten Dozenten sind hervorragend ausgebildete Fachleute, die einen großen Praxisbezug zu ihren fachlichen Spezialthemen nachweisen können, aber nicht über eine zusätzliche pädagogische Qualifizierung verfügen. Fachleute neigen oft dazu, aus der Fülle ihres Wissens zu schöpfen und mehr mitzuteilen, als die Teilnehmer wissen wollen, für ihre Ziele benötigen und verkraften können. Wohingegen Pädagogen in der Lage sind, Stofffülle zu reduzieren und sich auf das Wesentliche zu beschränken. (vgl. Arnold 1999a: 18) Ein vorrangiges Ziel des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ ist es, die Fachdozenten zu einer Kombination aus Fachwissen und guter pädagogischer Vermittlung zu animieren, um damit ihre pädagogische Qualifizierung als Fachdozent zu untermauern.

Der inhaltliche Schwerpunkt kann sich aufgrund der facettenreichen Seminarthemen der verschiedenen Teilnehmer natürlich nicht auf die Erweiterung der Fachkompetenz und des Arbeitsfeldwissens stützen, sondern konzentriert sich auf den Ausbau der pädagogischen Kompetenz. Mit der Durchführung des Lehrgangs ist natürlich langfristig das Ziel verbunden, eine Etablierung und Stabilisierung des Begriffes >>Fachdozent<< als Bezeichnung für nebenberuflich Tätige in der Weiterbildung zu schaffen und dieser Tätigkeit durch die finale Zertifizierung zu einer höheren Profilierung zu verhelfen. In dem Bewusstsein der Anwender und Anbieter soll verankert werden, dass als Fachdozent nur Anerkennung findet, wer eine entsprechende pädagogische Qualifizierung und ggf. Zertifizierung vorweisen kann. Zwar sind zugegebenermaßen Professionalisierungsansprüche an nebenberuflich tätige Fachdozenten gerade im Bereich der pädagogischen Kompetenz hoch gegriffen, da sie denselben Professionalisierungsgrad wie hauptberufliche tätige Trainer mit pädagogischer Ausbildung nicht erreichen können. Nichtsdestotrotz können sie aber eine zukünftige „Richtschnur der Entwicklung“ sein (Epping 1998:46). Das Ziel der Magisterarbeit soll im ersten Schritt den Weg zur und die gedankliche Auseinandersetzung mit einer pädagogischen Qualifizierungsmaßnahme darstellen, in deren Schwerpunkt die Erweiterung der methodisch-didaktischen Kompetenz steht. Die aktuelle Relevanz der Weiterbildung sowie die Vertiefung der Profile und Persönlichkeitsmerkmale Lehrender helfen, die Anforderungen an die Fachdozenten im Interesse der TÜV Rheinland Akademie in einem „Kompetenz- und Aufgabenspektrum“ (Klein 1998:15) als Optimalprofil zu spezialisieren und damit die Basis für die Lehrgangskonzeption zu formulieren. Diese optimalen Voraussetzungen werden durch didaktische Theorien und eine Auswahl methodischer Vorgehensweisen unterstützt. Nach der intensiven Beschäftigung mit theoretischen Grundlagen werden mit der Erläuterung des Lehrgangs und dessen Zielen die nützlichen und hemmenden Aspekte dieser pädagogischen Qualifizierungsmaßnahme für Fachdozenten verknüpft. Damit soll die Frage beantwortet werden, in wie weit eine Professionalisierung und Zertifizierung dieser Berufsgruppe sinnvoll ist. In einer Diskussion werden die Weiterbildungsanbieter und Dozenten dazu angeregt, trotz aller >>Für<< und >>Wider<< den pädagogischen Bereich verstärkt in die Weiterbildung zu integrieren, um eine hohe Qualität der Weiterbildung gewährleisten zu können.

1.3. Einordnung in den betriebspädagogischen Kontext

Als Wissenschaft betrieblicher Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsprozesse ist die Gestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen eine wichtige Aufgabe der Betriebspädagogik. Die Rolle der Weiterbildung im Bildungssystem verändert sich in jüngster Zeit immer mehr. Das Ziel der Weiterbildung ist es nicht mehr, lediglich für eine Erweiterung und Anpassung der fachlichen Qualifikationen der Mitarbeiter an neue Anforderungen zu sorgen, sondern auch eine „erweiterte Qualifizierung“ (Arnold 1997:7), bei der die methodische und soziale Kompetenzentwicklung im Vordergrund steht. Dies erklärt wachsende Handlungsanforderungen auf dem Weiterbildungsmarkt. Eine heutzutage wichtige Aufgabe der Weiterbildung ist die Vermittlung zwischen den biografischen Lernansprüchen der Individuen und den lebenslangen Lernverpflichtungen, die besonders Arbeit, Beruf und betriebliche Organisationen den Menschen abverlangen (vgl. Dewe 2000:Buchrückseite). Stetig steigende Handlungsanforderungen sorgen in der Konsequenz natürlich für immer höher werdende Ansprüche an Qualifizierungsmaßnahmen jeglicher Art. Für das Gelingen einer Seminarmaßnahme sind viele Faktoren verantwortlich. Einen großen Beitrag zu deren Erfolg leistet der Dozent. Mit seiner Qualität steht und fällt vielfach die Beurteilung. Die TÜV Rheinland Akademie ist daher – wie jeder andere Weiterbildungsanbieter auch – an Dozenten interessiert, die einen möglichst hohen Qualitätsanspruch durch eine gute Seminarpraxis gewährleisten können. Sie repräsentieren schließlich im Augenblick der Seminardurchführung im Kontakt mit den Teilnehmern den Namen des Hauses nach außen. Um die gestiegenen Anforderungen des Weiterbildungsmarktes erfüllen zu können, ist die Entwicklung externer Honorardozenten nicht außer Acht zu lassen.

Bestandteil betriebspädagogischer Arbeit ist u.a. die Personalentwicklung, deren Aufgabe es ist, Menschen zum Lernen zu befähigen, um veränderten Anforderungen gerecht werden zu können, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesichert werden kann (Vgl. Becker 2002:1). Das Ziel einer möglichst kontinuierlichen Qualifizierung der Mitarbeiter ist, diese individuell an die vom Beschäftigungssystem definierten Anforderungen anzupassen und deren Anpassungsbereitschaft sowie –fähigkeit zu erhöhen (vgl. Beck 2001:13, Witten 2004:43).

Die Entwicklung des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ verfolgt die Absicht, zunächst exklusiv den Fachdozenten in Kooperation mit der TÜV Rheinland Akademie die Möglichkeit zu geben, durch eine pädagogische Qualifizierungsmaßnahme mit abschließendem Zertifikat den veränderten Anforderungen ihrer Beschäftigung als Lehrende in der Weiterbildung gerecht werden zu können. Eine Herausforderung dieser Konzeption ist es, die bisherigen Dozenten der Fachseminare zu einer Erfahrung bzw. Rolle zu motivieren, in der sie sich selbst in die >>Schülerrolle<< ihrer sonstigen Teilnehmer begeben. Doch gerade in diesem Aspekt spielt auch der Anspruch der Betriebspädagogik eine wichtige Rolle, speziell den Lehrenden in der Erwachsenenbildung den Erwerb bzw. die Erweiterung ihrer Methoden-, Sozial- und Humankompetenz in lernaktiven und methodisch-didaktisch bewährten Verfahren unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Lernens Erwachsener zu ermöglichen und die eigene Lehrtätigkeit stetig zu verbessern.

1.4. Aufbau der Magisterarbeit

Die Zielsetzung der Magisterarbeit orientiert sich am inhaltlichen Aufbau der Arbeit. Nach einer Einordnung wichtiger Begriffe in den Kontext des Themas im zweiten Kapitel steht im dritten Kapitel die Genese der Relevanz von Weiterbildung im Vordergrund. Ziel dieses Kapitels ist es, nach einer historiographischen Skizzierung der Entwicklung ausgewählte veränderte Rahmenbedingungen auf die Seminarpraxis herauszuarbeiten und deren Einfluss auf die Arbeit Lehrender in der Weiterbildung zu erkennen.

Einen entscheidenden Anteil am Erfolg eines Seminars tragen die Fachdozenten. Durch ihre fachlichen Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit prägen sie die Seminarqualität. Nach der Beschreibung eines statistischen Profils sowie der Skizzierung optimaler Persönlichkeitsmerkmale Lehrender in der Weiterbildung schließt das vierte Kapitel mit einem TÜV-spezialisierten Optimalprofil ab.

Didaktische und methodische Fähigkeiten sind die Voraussetzung für Lehrende in der Weiterbildung. Die Besonderheiten des Lernens Erwachsener sowie theoretische Voraussetzungen beschreiben die Grundlagen bzw. Faktoren, die ein Fachdozent theoretisch wissen und beherrschen sollte, um ein Seminar erfolgreich durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Kenntnisse über veränderte Rahmenbedingungen auf die Seminarpraxis sowie über didaktische Grundlagen beschäftigt sich das fünfte Kapitel mit den lernpsychologischen Voraussetzungen erwachsener Lerner, didaktischen Theorien und deren methodischer und medialer Unterstützung.

Die Konzeption und der Ablauf des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ stehen im Vordergrund des sechsten Kapitels und verbinden die theoretische Frage, wie pädagogische Kompetenzen erweitert werden können mit der praktischen Umsetzung. Im bereits praktizierten, aber leider noch nicht gänzlich abgeschlossenen, dreiphasigem Lehrgang legen eine wissenschaftlich fundierte Standortbestimmung, eine Videoanalyse und ein psychologisches Feedbackgespräch die Grundvoraussetzungen für die Qualifizierung und die abschließende Zertifizierungsprüfung.

Im siebten Kapitel sollen Nutzen und Hemmnisse der pädagogischen Qualifizierung im Mittelpunkt stehen. Diese basieren auf Erfahrungen die vor und während der Durchführung des Seminars „Zertifizierter Fachdozent (TÜV)“ aufgetreten sind.

Das achte Kapitel widmet sich einer kritischen Diskussion dieser pädagogischen Qualifizierungsmaßnahme. Zusammenfassend wird die Dringlichkeit pädagogischen Know-hows für den Erfolg eines Seminars herausgearbeitet und im Rahmen möglicher zukünftiger Entwicklungen bewertet. Der Anspruch und die praktische Umsetzung des Konzeptes zur pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten werden damit abschließend noch einmal manifestiert.

Abbildung 1: Aufbau der Magisterarbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

2. Begriffsklärung im Rahmen pädagogischer Qualifizierungen

Der Kontext der Magisterarbeit zur pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten stützt sich zu einem großen Teil auf Begriffe, die in der Literatur nicht einheitlich definiert werden. Von einer Auflistung aller unterschiedlichen Begriffsbestimmungen wird an dieser Stelle abgesehen, stattdessen werden die für diesen Kontext relevanten Merkmale der einzelnen Begriffe herausgearbeitet. Diese Merkmale erheben keinen konstitutiven Anspruch, da sie subjektiv gewählt worden sind und im Nimbus des zentralen Themas stehen. (vgl. Witten 2004:41)

2.1. Weiterbildung oder Erwachsenenbildung?

Ein zentrales Ziel der Personalentwicklung ist neben der Steigerung der Bereitschaft der Mitarbeiter zur Einführung und Umsetzung von Neuerungen und der Verbesserung von Image und Ansehen auch die Lehre des Lernens. Ohne die Fähigkeit des Lernens können Menschen keine neuen Aufgaben bewältigen (vgl. Jung 2003:247). Lernen wird in diesem Zusammenhang als lebenslanger und kontinuierlicher Prozess definiert, „der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotenzial führt und auf Erfahrung aufbaut“ (Zimbardo/Gerrig 1999:206), nicht direkt beobachtbar ist und aus Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens erschlossen werden kann (vgl. Arnold 1999:11; Zimbardo/Gerrig 1999:206).

Für Personalentwicklungsprozesse spielt die Fähigkeit ebenso wie die Bereitschaft zum Lernen deshalb eine so bedeutende Rolle, weil die >>Ressource Mensch<< der zunehmenden Komplexität und Dynamik des Unternehmensgeschehens ausgesetzt ist, der sie ohne entsprechend kontinuierliche Personalentwicklungsmaßnahmen nicht in vollem Umfang entsprechen kann (vgl. Becker 2002:1). Durch eine regelmäßige Vermittlung von „Qualifikationen, die zur optimalen Verrichtung der derzeitigen und der zukünftigen Aufgaben [...] erforderlich sind“, können Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen den aktuellen Anforderungen angepasst werden (Bröckermann 2001: 30,355).

Im Kontext der Magisterarbeit wird dem Begriff der „Weiterbildung“ eine übergeordnete Rolle eingeräumt. Im Rahmen der Personalentwicklung wird die Weiterbildung in die inhaltlichen Strukturen als Personalentwicklung im engen Sinn in den Bereich der Bildung eingeordnet. Dort steht er gleichberechtigt neben den Bereichen Förderung (Personalentwicklung im erweiterten Sinn) und Organisationsentwicklung (Personalentwicklung im weiten Sinn) (vgl. Becker 2002:6).

Während Bildung als „Spiegel weltanschaulicher, menschenbildlicher, gesellschaftspolitischer, ideologischer Positionen“ (Brünner 1991:187) charakterisiert werden kann, gilt Weiterbildung dagegen als anforderungsbezogene und flexible Vermittlung der Handlungskompetenzen, die zur Bewältigung veränderter und neuer Anforderungen, Qualifikationen und Motivationen erforderlich sind (vgl. Becker 2002:6). Eine einheitliche Definition der Weiterbildung gibt es in der Literatur und Praxis nicht. Differenzierungen lassen sich jedoch zahlreich finden. Während Fortbildung als Vertiefung und Modernisierung von Wissen und Können nach abgeschlossener Berufsausbildung beschrieben wird, kann Weiterbildung als Veränderung oder Neuorientierung des bisherigen Berufsfeldes definiert werden. Unterschieden wird auch zwischen allgemeiner Weiterbildung als Aneignung und Erweiterung von Allgemeinbildung, beruflicher Weiterbildung als Sammelbegriff für alle Aktivitäten, die Erhaltung, Erweiterung und Anpassung der beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse ermöglichen und betrieblicher Weiterbildung, die vom Betrieb initiiert und finanziert und intern oder extern durchgeführt werden. (vgl. Becker 2002:153f)

Im Rahmen der Magisterarbeit muss eine Differenzierung nicht notwendigerweise getroffen werden, da sie nicht von zentraler Bedeutung ist. Stattdessen weist die Definition des Deutschen Bildungsrates aus dem Jahr 1970 auf einen wichtigeren Aspekt hin, der als Oberbegriff im Kontext der pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten im Mittelpunkt stehen soll. Weiterbildung wird dort als „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ charakterisiert. Unabhängig davon, ob Entwicklungsmaßnahmen vor dem Hintergrund beruflicher, betrieblicher oder allgemeiner Weiterbildung stattfinden, beschäftigen sich alle Maßnahmen gezielt mit dem Lernen erwachsener Menschen - mit >>Erwachsenenbildung<<. Erwachsenenbildung wird im bundesdeutschen Bildungssystem auch als Quartärbereich bezeichnet. Der Begriff umfasst sowohl allgemeiner, kultureller und politischer als auch fachlicher bzw. beruflicher Bildung dienende spezielle Veranstaltungen für Erwachsene. Für das Lernen Erwachsener gelten independent von Themen und Umfeld besondere Bedingungen, mit denen sich Fachdozenten als Lehrende in der Weiterbildung im Umgang mit erwachsenen Lernern auseinandersetzen müssen. Da sich der weitere Verlauf der Magisterarbeit zum größten Teil mit einer effektiven Verbesserung der methodisch-didaktischen Gestaltung von Bildungsmaßnahmen für Erwachsene mit dem hauptsächlichen Ziel der pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten unabhängig von ihrem Kontext beschäftigt, erfolgt eine synonyme Verwendung der Begriffe >>Weiterbildung<< und >>Erwachsenenbildung<<.

2.2. Zum Verhältnis von Pädagogik und Qualifizierung

2.2.1. Pädagogik

Der außerordentlich vielseitige Begriff der >>Pädagogik<< steht in seiner traditionellen Bedeutung für eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Bildung, Erziehung und Sozialisation beschäftigt. Der aus den griechischen Wörtern >>pais<< (Knabe, Kind) und >>agogein<< (führen) Begriff wird heute auch analog zu dem Begriff der >>Erziehungswissenschaft<< benutzt. Eine erste wissenschaftlich systematische Konzeption einer Pädagogik entwickelte sich im 18. Jahrhundert, in dem Pädagogik an den deutschen Universitäten als Ethik in der praktischen Philosophie, als Katechetik in der praktischen Theologie und als Didaktik des gelehrten Unterrichts unterrichtet wurde. Die Lehrerausbildung legitimierte die interdisziplinär zusammengesetzte Pädagogik lange Zeit, bis Mitte des 20. Jahrhunderts der wissenschaftstheoretische Standort der Pädagogik in Frage gestellt wurde. Die hermeneutische, phänomenologische und dialektische Wissenschaft wendete sich empirischen Forschungsmethoden zu und etablierte sich dann als Erziehungswissenschaft. Die Aufgaben der Erforschung von Bildungs- und Erziehungszusammenhängen sowie auch der Reflektion der Bildungs- und Erziehungspraxis weisen der Pädagogik eine doppelte Funktion zu. Eine Trennung zwischen der Theorie der Erziehungswissenschaft als Pädagogik und der erzieherischen Praxis als Pädagogie konnte sich nicht durchsetzen (vgl. Schülerduden >>Die Pädagogik<< 1989:293).

Unter Erziehung wird in der Pädagogik „eine bewusste und beabsichtigte Einflussnahme auf das Handeln eines einzelnen Menschen oder einer Gruppe von Menschen verstanden, die mit dem Blick auf ein bestimmtes Ziel hin erfolgt“ (Zimbardo/Gerrig 1999:684). Der Mensch wird in der pädagogischen Anthropologie damit als begabtes Wesen betrachtet, das durch Erziehung lediglich angeregt oder angeleitet wird, um sich selbst zu bilden. (vgl. ebd.:684)

Im Fokus der Pädagogik stand lange Zeit die Schule als Bildungsinstitution und Raum für Lehren und Lernen. Doch der Ausbau des quartären Sektors im deutschen Bildungssystem erweiterte den Fokus auf die Untersuchung aller Altersstufen und Lernräume des Menschen. Neben differenzierten pädagogischen Bereichen wie z.B. der Vorschulpädagogik, Sonderpädagogik, Schulpädagogik oder Sozialpädagogik gewann dabei die Weiterbildung Erwachsener zunehmend an Bedeutung. Die Zielgruppe dieses pädagogischen Bereiches beruht allerdings auf anderen Rahmenbedingungen als die Zielgruppe der Kinder in der Schule. Der Umgang mit dem Lernen Erwachsener erfordert andere Handlungsgrundlagen als Erziehung junger Menschen, deren Persönlichkeit erst während und vor allem durch die Erziehungsphase reift.

2.2.2. Qualifizierung/Qualifikation und Kompetenz

Etymologisch führen die Begriffe >>Qualifikation<< und >>Qualifizierung<< auf einen lateinischen Ursprung zurück. >>Qualis facere<< bedeutet soviel wie >>Beschaffenheit herstellen<<, >>qualificatio<< wird wörtlich mit >>Befähigung<< übersetzt (vgl. Beck 2001:12).

Verweisend auf die Intention des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ wird eine Qualifizierung als Prozess zur Erlangung von Fähigkeiten definiert, die die Erfüllung bestimmter Aufgaben oder Anforderungen ermöglichen. Die Überprüfung der im Lehrgang erlangten Fähigkeiten im abschließenden Zertifizierungsverfahren ist ebenso dem Prozess der Qualifizierung zuzuordnen und wird im Bereich des Qualitätsmanagements als Validierung bezeichnet. (vgl. Wikipedia 2006:1) Das Zertifikat selbst trifft wiederum Aussagen über die Qualifikationen des Fachdozenten. Diese lassen sich quasi als Ergebnis des Prozesses der pädagogischen Qualifizierungen definieren, die sich hinter dem „Zertifizierten Fachdozent (TÜV)“ verbergen. Enthalten sind dort die während der Qualifizierungsphase angestrebten Lehrziele und eine Beurteilung der Befähigung und Eignung (vgl. Schülerduden >>Die Pädagogik<< 1989:310).

„Traditionell wird unter dem Begriff „Qualifikation“ die Gesamtheit der Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen verstanden, über die eine Person verfügt oder als Voraussetzung einer beruflichen Fähigkeit verfügen muss“ (Klein 1995:1f). Mittlerweile muss dieser Begriff jedoch viel umfassender expliziert werden. „Entscheidend ist, dass die berufliche Einsetzbarkeit durch eine ausreichende Breite in der Qualifikation und einen direkten Bezug zur Tätigkeit anwendungsorientiert in Kompetenz transformiert wird“ (Becker 2002:135).

Deutlich wird hierbei der Dualismus von Anforderungen des Arbeits- und Berufsfeldes sowie der Voraussetzungen des Individuums zu deren Bewältigung. Definiert werden diese Erfordernisse vom Beschäftigungssystem, welches individuelle Anpassungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit an die Arbeitswelt und den dort zu erfüllenden Funktionen verlangt. Der Dualismus impliziert die Forderung nach einer Abstimmung von funktionellen Anforderungen und individuellen Voraussetzungen. In diesem Kontext fungiert das Bildungssystem als abhängige Funktion des Beschäftigungssystems. (vgl. Beck 2001:13)

Auch der Deutsche Bildungsrat trennt die Definition der >>Qualifikation<< von >>Kompetenz<<. Im Jahre 1974 wird Qualifikation als „äußere, objektive, beobacht- und überprüfbare Seite der Leistungsanforderungen“ expliziert und rekurriert damit auf handlungsrelevantem Wissen und Erfahrungen (vgl. Becker 2002:483). Kompetenzen als die „innere, subjektive Seite der Leistungsfähigkeit, die sich einer direkten Beobachtung, Überprüfung und objektiven Bewertung entzieht“ (Beck 2001:16) , etikettieren hingegen die motivationale Komponente und die Potenzialität. Weil sich Kompetenzen in der Praxis aus Fach-, Sozial- und Methodenkompetenzen zusammensetzen und diese aus Qualifikationen entstehen, können sie als „Bündel von Qualifikationen“ charakterisiert werden[1] (Witten 2004:43). Insgesamt ist damit zusammenfassend nicht nur eine saubere Differenzierung zwischen dem Prozess Qualifizierung und dem Zustand Qualifikation hervorzuheben, sondern auch die zunehmende Bedeutung der Kompetenzen als weitere wichtige Komponente im Arbeitsumfeld. (vgl. Becker 2002:484)

Der „Zertifizierte Fachdozent (TÜV)“ verwirklicht das Ziel, in einem Qualifizierungsprozess den Zustand der pädagogischen Qualifikationen zu erhöhen, um ergo die Kompetenzen der Fachdozenten zu erweitern. Im Fokus des Lehrgangs steht damit sowohl die Gestaltung des Prozesses der Qualifizierung mit dem Ziel einer definierbaren Qualifikation als auch die Weiterentwicklung des Kompetenzzustandes. Da der Lehrgang im Mittelpunkt der Magisterarbeit steht, ist eine Trennung der Begriffe >>Qualifizierung<< und >>Qualifikation<< in diesem Rahmen nicht notwendig. Sie werden im Verlauf daher kongruent angewandt und deuten immer auf den Kontext des Lehrgangs hin.

2.2.3. Pädagogische Qualifizierung

Im Rahmen einer pädagogische Qualifizierung von Fachdozenten werden die Begriffe >>Pädagogik<< und >>Qualifizierung<< inhaltlich in einer Weiterbildungsmaßnahme kombiniert. Im Vordergrund steht innerhalb dieser Kombination die Verbesserung der pädagogischen Kompetenz, die detailliert in Kapitel 2.3 erläutert wird. Grundlegend für die Konzipierung eines Weiterbildungsseminars mit pädagogischem Hintergrund ist ein dreigeteiltes Raster aus der relevanten Fachkompetenz, einem guten Arbeitsfeldwissen und einer ausgeprägten pädagogischen Kompetenz. (vgl. Tab. 1) Unter die Fachkompetenz fällt das berufsfeldbezogene Wissen und Können, das durch Ausbildung, Berufspraxis und Fortbildungen erworben wurde und sich aus Grundbestandteilen mit langfristiger Geltung und veränderlichen, stets zu aktualisierenden Bestandteilen zusammensetzt. Das Arbeitsfeldwissen beinhaltet Kenntnisse über die Struktur der beruflichen Weiterbildung, z.B. Kenntnisse über rechtliche Regelungen, Finanzierungsmodalitäten, Beratungseinrichtungen sowie Probleme und Entwicklungstrends des Arbeitsmarktes. Zwar sind diese beiden genannten Aspekte von elementarer Bedeutung für die erfolgreiche Leitung einer Seminarmaßnahme, jedoch ist für eine pädagogische Qualifizierung natürlich die Erweiterung der pädagogischen Kompetenz maßgeblich. (vgl. Epping 1998:48f) Diversifiziert in didaktische, methodische und soziale Kompetenz ist deren qualitative Ausprägung für das Gelingen oder Misslingen einer Seminarmaßnahme häufig ausschlaggebend.

Tabelle 1: Zusammensetzung der pädagogischen Kompetenz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Besonders im Zusammenhang mit dem Bedeutungszuwachs des lebenslangen Lernens in der Erwachsenenbildung sind die methodisch-didaktischen Ansprüche an Weiterbildungsmaßnahmen enorm gestiegen. Oft werden die methodisch-didaktischen Kompetenzen der Dozenten von den „Abnehmern“ dieser Weiterbildungsmaßnahmen als nicht ausreichend bewertet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Regel diejenigen lehren, die fachlich dazu qualifiziert sind. (vgl. Lehner 1989:6) Die Frage dagegen, ob die meist exzellenten Fachspezialisten auch gute Lehrer oder Pädagogen sind, wird selten gestellt. Doch nicht immer reicht ein gutes und umfassendes Fachwissen aus, um ein Seminar zum Erfolg zu führen. Viele Fachdozenten der TÜV Rheinland Akademie sehen sich genau diesem Problem gegenüber. Um diesem Problem begegnen zu können, beabsichtigt die pädagogische Qualifizierung zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ die gezielte Verbesserung der pädagogischen Kompetenz mit dem Schwerpunkt Didaktik und Methodik.

2.3. Pädagogische Kompetenz

2.3.1. Didaktik

Der Begriff >>Didaktik<< - etymologisch auf das griechische Wort >> didáskein<< - lehren - zurückzuführen -, wurde ursprünglich in der moralisch-belehrenden Dichtung verwendet und gewann erst im 17. Jahrhundert den Sinn der Lehrkunst. Ein einheitlicher Gebrauch des Begriffes ist bis heute in der Literatur nicht zu finden. Weil Unterricht als Teil der Erziehung angesehen wird und Erziehung als Schwerpunkt der Pädagogik gilt, wird Didaktik häufig der Pädagogik als Lehre vom erziehenden Unterricht untergeordnet. Existent sind allerdings auch Auffassungen, in denen Didaktik als selbstständige Disziplin neben der Pädagogik angesehen wird. Mit der zunehmenden Bedeutung der Persönlichkeit des Lehrenden als wichtiges Element für guten Unterricht zielten allgemeine Unterrichtslehren durch recht konkrete Handlungsanregungen auf die Erteilung eines guten Unterrichts ab und vermittelten Kenntnisse über praktikable Unterrichtsgrundsätze und –formen. (vgl. Schülerduden >>Die Pädagogik<< 1989:101)

Differenziert beschäftigt sich die Didaktik im engen Sinn mit der Theorie des Unterrichtens, in einem weiten Sinn mit der Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens. Im Mittelpunkt der allgemeinen Didaktik steht die Gestaltung von Lernangeboten und Lerntechniken sowie deren Vermittlung unabhängig von spezifischen Lerninhalten. Die Fachdidaktik bezieht sich auf die Vermittlung spezifischer Lerninhalte. Obwohl Lehren und Lernen in ihren Grundthesen unterschiedlich strukturiert sind, begreift die Didaktik Lernen als dialektisches Pendant zum Lehren, weil sie die Sachlogik des Inhalts mit der Psychologik des Lernenden verbindet. In diesem Zusammenhang werden Lernsituationen in Bezug auf deren Rahmenbedingungen analysiert und interpretiert. Auf dieser Grundlage werden bezogen auf Intentionen und Themen angemessene Lernarrangements mit Hilfe von Methoden und Medien konzipiert. (vgl. Siebert 1996:2)

Der Bezugspunkt der Didaktik lag lange Zeit allein auf der Gestaltung des schulischen Unterrichts und galt als Handlungsdisziplin für Lehrer der Primar- und Sekundarstufen. Mit der zunehmenden Bedeutung verschiedener Lernkontexte hat sich die Fixierung der Didaktik relativiert und sich mittlerweile als kontextübergreifende Disziplin konstituiert, in denen Lernzusammenhänge erweitert betrachtet werden. Für Erwachsenen- und Weiterbildung, das Lernen in beruflicher Umgebung und an der Hochschule wurden die didaktischen Inhalte überarbeitet und spezialisiert (vgl. Kap. 5). Der Lehrrahmen von Fachdozenten konzentriert sich auf Erwachsene in der Weiterbildung und ist in der Regel beruflich intendiert. Die Konzeption entsprechender Lernkontexte für Erwachsene ist daher eine wichtige Aufgabe der Fachdozenten. Beherrschen müssen sie nicht nur ihre entsprechende Fachkompetenz, sondern auch die Verknüpfung dieses Wissens mit einer ausgeprägten didaktischen Kompetenz. Dies spielt bei der Vermittlung fachspezifischer Inhalte eine wichtige - wenn nicht sogar die wichtigere - Rolle. Die „Organisation von Lehr-Lern-Prozessen durch die Auswahl und Überprüfung von Zielen, Inhalten und Arbeitsformen“ (Lehner 1989:12) muss den Ansprüchen der erwachsenen Lerner gerecht werden können. (Vgl. Siebert 1996:2f)

2.3.2. Methodik

Im Griechischen bedeutet >>Methodik<< die Kunst des planmäßigen Vorgehens. Der Begriff kann wie kaum ein anderer der erziehungswissenschaftlichen Fachtermini auf eine reichhaltige Definitionsvielfalt verweisen (vgl. Lehner 1989:14). Methodik umfasst neben der Lehre der Gesamtheit aller angewandten wissenschaftlichen Methoden auch die Wissenschaft des Unterrichtens, deren Bedeutung vor dem pädagogischen Hintergrund des „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ im Fokus der Magisterarbeit steht (Bünting 1996:762).

Als Teilgebiet der Erziehungswissenschaft wird Methodik als intentionales und gezieltes Arrangement von Lernmöglichkeiten aufgefasst. Im Blick stehen dabei die Unterrichtsmethoden und die anzuwendenden Lehr- und Lernverfahren. (vgl. Schülerduden >>Die Pädagogik<< 1989:272) Typische Gestaltungselemente der Methodik sind der Einsatz von Medien und anderen Lern- und Arbeitsmitteln, deren Konzeption durch Sozialformen, Aktionsformen, Artikulationsformen und Ressourceneinsatz beeinflusst wird. Wenn von methodischer Kompetenz gesprochen wird, impliziert dies die Fähigkeit, Fachinhalte in Lernarrangements vermitteln zu können, die dem Inhalt, der Zielgruppe und dem Unterrichtenden selbst angemessen sind. Bei der Auswahl diverser Methoden zur Unterstützung der Seminarinhalte, sollten die Besonderheiten des Lernens Erwachsener berücksichtigt werden.

2.3.3. Sozialkompetenz

Auch dem Begriff >>Sozialkompetenz<< wird in der Literatur eine Vielzahl von Bedeutungen zugeschrieben. Soziale Kompetenz bezeichnet das Kontinuum aller persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen, die einen Beitrag zur Ausrichtung des individuellen Verhaltens auf eine gemeinschaftliche Handlungsorientierung - angelehnt an Werte und Normen einer sozialen Gruppe - leisten. Durch diese persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen wird das Verhalten der Menschen beeinflusst. In diesem Zusammenhang kann der Begriff >>sozial<< sozialpsychologisch als >>zwischenmenschlich<<, soziologisch als >>gesellschaftlich<< und wirtschaftsethisch als >>moralisch<< verstanden werden.

Soziale Kompetenz wird als Kriterium häufig simultan zu den so genannten >>soft skills<< verwendet und zählt damit zu den Schlüsselqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu gerechnet wird eine ungeheure Vielzahl Persönlichkeitseigenschaften, von denen besonders Authentizität, Empathie und eine positive Voreinstellung als förderlich für eine erfolgreiche Tätigkeit in der Weiterbildung gelten. Durch Authentizität ist die Voraussetzung gegeben, tragfähige Beziehungen zu Teilnehmern aufzubauen. Empathie beinhaltet eine kognitive und eine emotionale Komponente, die durch Rücksichtnahme Verständnis für Lernschwierigkeiten aller Art hervorbringt. Eine positive Voreinstellung sorgt für ein gutes Lernklima. (vgl. Epping 1998:50f)

2.3.4. Pädagogische Kompetenz = Didaktische, methodische und soziale Kompetenz

Die pädagogische Kompetenz wird aus einer Kombination zwischen methodischer, didaktischer und sozialer Kompetenz gebildet.

Didaktik und Methodik sind in der Erziehungswissenschaft kaum voneinander abzugrenzen. Während sich die Methodik auf das >>WIE<< des Unterrichtens bezieht, greift die Didaktik auf das >>WAS<< des Unterrichtens zurück. Idealerweise ergibt sich aus dem >>WIE<< des Unterrichtens das >>WAS<< des Unterrichtens. Aus diesem Grund wird die Methodik häufig als Teilgebiet der Didaktik aufgefasst, die wiederum als Teil der Pädagogik definiert werden kann. In einem engen Zusammenhang zur methodisch-didaktischen Gestaltung steht die soziale Kompetenz als Fähigkeit, mit Vorgesetzten, Mitarbeitern, Kollegen und Kunden zusammenzuarbeiten.

Abbildung 2: Trias der pädagogischen Kompetenz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Ein Ziel der Zertifizierung zum Fachdozenten ist die optimale Verbindung aller drei Komponenten zu einer ausgewogenen Lehrpersönlichkeit (vgl. Epping 1998:48f). Eine qualitative Erhöhung der pädagogischen Kompetenz kann im Rahmen der TÜV Rheinland Akademie nur dann gewährleistet werden, wenn die Fachkompetenz und das Arbeitsfeldwissen aus der Weiterbildungsmaßnahme ausgeklammert werden. Die Spannbreite verschiedener fachlicher Qualifikationen ist dafür zu facettenreich.

2.4. Fachdozent

Der Bereich Lehrender in der Weiterbildung ist gekennzeichnet von vielen noch nicht professionalisierten Tätigkeiten und fehlenden einheitlichen Berufsbezeichnungen. Vielmehr werden verschiedene und uneinheitliche Bezeichnungen wie Ausbilder, Trainer, Referent, Moderator und viele weitere synonym verwendet (vgl. Epping 1998:46). Mit dem Ausbau des Lehrgangs zum „Zertifizierten Fachdozenten (TÜV)“ geht u.a. das Ziel einher, den Begriff >>Fachdozent<< für die Gruppe der nebenberuflich Tätigen zu etablieren. Nebenberuflich tätige Fachdozenten haben als Leiter der Seminare den zeitlich intensivsten und persönlich engsten Kontakt zu den Teilnehmern beruflicher Weiterbildung und vermitteln bestimmte ausgewählte Inhalte in ihren Veranstaltungen. Weiterbildungsinstitute wie die TÜV Rheinland Akademie arbeiten sowohl mit hauptamtlichen Trainern als auch mit nebenamtlichen Dozenten auf Honorarbasis zusammen. Nebenamtliche Dozenten führen ihre Aufgaben in der Regel neben ihrem Hauptamt als Personaler, Rechtsanwalt, Richter, Ingenieur o.ä. aus und verfügen nicht über eine pädagogische Ausbildung. Die Nebenamtlichen, die einzig aus ihrer Dozententätigkeit Einkommen beziehen, werden als freiberufliche Dozenten bezeichnet. Auf dieser Gruppe liegt der Fokus der Arbeit jedoch nicht.

Von den nebenamtlichen Fachdozenten wird Professionalität erwartet. Sie sollen wie professionelle Trainer arbeiten, ohne deren beruflichen sowie sozialen Status zu besitzen. Es handelt sich ergo vielfach um eine „Struktur von Hauptberuflichkeit mit einer halbierten Professionalisierung“ (Leidemann 1998:57). Die Konzeption des Lehrgangs ist speziell an dieser Ausgangslage ausgerichtet.

3. Genese der Relevanz von Erwachsenenbildung

3.1. Historiographische Entwicklung

Eine historiographische Entwicklung der Erwachsenenbildung zusammenhängend und systematisch zu skizzieren, ist aufgrund des literarischen Kenntnisstandes sehr anspruchsvoll. Zahlreiche Publikationen hinterlassen nur eine lückenhafte Darstellung (vgl. Wolgast 1996:3; Wittpoth 2003:15). Hinzu kommt eine in der Literatur differenzierte Auffassung der erwachsenenbildnerischen Anfänge. Nach derzeitiger Auffassung liegen die immediaten Wurzeln der Erwachsenenbildung in den „geistigen, sozialen und politischen Umwälzungen“ der Aufklärung und beginnenden Industrialisierung (Wolgast 1996:3). Sie veränderten gegen Ende des 18.Jahrhunderts die Lebensbedingungen und Anforderungen Erwachsener erheblich und verpflichteten den Menschen als lernbedürftiges und lernfähiges Subjekt zum lebenslangen Lernen (vgl. Wirth 1978:196f; Wittpoth 2003:25). Die geistigen Ursprünge dieser Entwicklung weisen auf reformative, humanistische und weitere philosophisch-kulturelle Bewegungen hin, aus der „ein in die Breite wirkendes Anregungspotenzial für die Bildung Erwachsener erwächst“ (Wittpoth 2003:25). Zum Teil werden die Wurzeln der Erwachsenenbildung allerdings auch wesentlich früher datiert. Hingewiesen wird dabei bereits auf den Austausch der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen der Jäger und Sammler in der Vorzeit, auf bemerkenswerte Konzepte zur Weiterbildung in der Antike sowie auf die Erhebung der Weiterbildung zum Postulat im Mittelalter, in denen Erwachsenenbildung als „zentrales Charakteristikum“ deklariert wird (Pöggeler 1975:12).

Bei der Ausarbeitung einer historiographischen Skizzierung ist es wichtig, die Erwachsenenbildung als >>Untersuchungsgegenstand<< einzugrenzen, da eine weite und unbegrenzte Begriffsfassung ohne historische Begrenzung alle „Kulturleistungen“ (Tietgens 1981:128) des Lernens und Weiterlernens in die Erwachsenenbildung einbeziehen würde. Ein engeres Begriffsverständnis konzentriert sich entweder auf die in der Geschichte ausdrücklich als Erwachsenenbildung verstandene Form oder auf die Suche nach deren historischen Vorläufern. Unabhängig von der Begriffseingrenzung orientieren sich die geschichtlichen Eckdaten an den Phaseneinteilungen der Geschichtsschreibung. Im Grunde wird damit weniger die Geschichte der Erwachsenenbildung erfasst als Erwachsenenbildung in der Geschichte. (vgl. Wittpoth 2003:15f)

Basierend auf einem engeren Verständnis der Erwachsenenbildung setzten die frühen Ansätze erwachsenenpädagogischen Denkens in der Neuzeit an. Luther propagierte während der christlichen Reformation das „Lesen und Schreiben nicht nur unter den Angehörigen privilegierter Klassen“ (Wolgast 1996:4). Laien erhielten in kirchlichen Sonntags- und Abendschulen ersten Zugang zu einer humanistisch ausgerichteten Erwachsenenbildung. Dieser freie Zugang zu allen Bildungsgütern, der Persönlichkeitsentfaltung und Fähigkeitserweiterung zum Ziel hatte, legte das Fundament für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften ebenso wie für neue Denkansätze in der Geisteswissenschaft. Das aufklärerische Verständnis der rationalen Welt und die Selbstbestimmung der Menschen wurde überwiegend nicht in schriftlicher Form, sondern verdeckt in Geheimbünden oder getarnt „im Dienste der Wissenschaft und Tugend“ publiziert und zog vor allem Adel, gehobenes Bürgertum, Schriftsteller und Künstler an (Wolgast 1996:5). Der daraus entwickelte Boom der Bildungs- und Aufklärungspresse[2] zu Beginn des 18. Jahrhunderts zielte in Deutschland auf eine moralisierende Erziehung und Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten ab. Als Anleitung für ein aufgeklärtes Erwachsenendasein erfüllt von Tugenden der Charakterbildung, das Strebens nach Weisheit, der religiösen Toleranz, der Überwindung von Vorurteilen sowie der Hinführung zu Arbeit und Weckung der Arbeitsbereitschaft genossen die Wochenschriften einen großen Einfluss auf das Denken und Handeln der Erwachsenen. Im Rahmen der dadurch ausgelösten Leserevolution brandete eine unüberschaubare Flut von trivialer und volkspädagogischer Literatur auf, die teilweise bereits eine berufliche Anpassungsfortbildung beabsichtigte. Mit der Herausbildung einer bürgerlichen Gesellschaft und dem Entstehen des Bildungsbürgertums in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts blühte eine neue Bildungs- und Gesellschaftsphilosophie auf, in der veränderte Werte, Normen und Leitbilder ein neues Menschenbild und ein natürliches Recht des Individuums auf Erziehung und Bildung proklamierten. Mit diesem Ziel, jeden Bürger der Nation zu vollwertigen Mitgliedern des Volkes zu erziehen, entwickelten sich im Rahmen des Systems der öffentlichen Erziehung erste Stadt- und Dorfbibliotheken, die eine Erweiterung des allgemeinen, bürgerlichen oder berufsspezifischen Wissens ermöglichten. (vgl. Wolgast 1996:6f)

Öffentliche Vorträge zur Aufklärung der Menschen über wichtige Gegenstände und Angelegenheiten des menschlichen Geschlechts, der Naturkunde und Staaten nahmen zu und bildeten damit erste Wellen der sozialen Bewegung der Volksbildungsarbeit des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Dem Wunsch der Bildungsgesellschaft nach Diskussion und Kommunikation, nach Begegnung und Geselligkeit wurde u.a. durch die Bildung von Lesegesellschaften entsprochen, die in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durch neue Vereine mit einem stärkeren Interesse an Unterhaltung und Geselligkeit abgelöst wurden. (vgl. ebd.:11f) Diese Lesegesellschaften und Vereine funktionierten prinzipiell als „frühe Institutionalform der Erwachsenenbildung“ (Wittpoth 2003:26). Als Motiv für die Gründung dieser Gesellschaften galt neben dem Interesse am Lesen vor allem ein pragmatisch-ökonomischer Effekt, im Verbund eine höhere Zahl Bücher beschaffen zu können ebenso wie eine Befriedigung des kommunikativen Bedürfnisses. Im Rahmen rechtlicher und sozialer Bedingungen erlebte das Vereinswesen in Deutschland einen Aufschwung. Aus unterschiedlichen Beweggründen veränderten und verbesserten sie die allgemeinen, öffentlichen und gesellschaftlichen Zustände und popularisierten intensiv nützliche und wissenschaftliche Kenntnisse, um den gemeinen Nutzen und die Glückseligkeit unter den Menschen zu fördern. (vgl. Wittpoth 2003:26f; Wolgast 1996:6f)

Durch die wachsenden Anforderungen des industrialisierten Arbeitslebens zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerieten die tradierten Korporationsstrukturen und die Zünfte unter Druck. Die gravierenden Folgen der beginnenden Industrialisierung und der liberalisierten Wirtschaftspolitik führten zu Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und fehlender sozialer Absicherung. (vgl. Wittpoth 2003:27) Um das Schulwesen, dass die Probleme allein nicht auffangen konnte, zu unterstützen, bildeten sich zunächst Sonntags- und später Abendschulen heraus, in denen Lehrlinge und Gesellen ihre Grundkenntnisse im Rechnen und Schreiben verbessern und für das berufliche Arbeitsumfeld notwendiges Wissen erwerben konnten. Als berufliche Fortbildungs- oder Ergänzungsschulen prägten sie den Beginn der institutionalisierten Volksbildung. (vgl. Wolgast 1996:11f) Das Zerbrechen der Gesellschaftsstrukturen, die rasante Revolution der Industrie und die neuzeitliche soziale Ordnung wirkten sich im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts reziprok auf die bürgerliche Gesellschaft aus, so dass die geistig bereits disponible fortschrittlich-liberale und soziale Bildungsidee erst nach der März-Revolution 1948 durch die Errichtung von Volksbildungsvereinen und Arbeiterbildungsvereinen praktisch wirksam werden konnten. Die politischen Absichten einiger Vereine standen zunächst in ordnungswidrigem Verhältnis und darum im verborgenen Hintergrund. Sie offenbarten ihre Ziele aber während der Revolution. Deren Ziel war zunächst die Förderung der Allgemeinbildung und vor allem die gleichberechtigte Bildung der Arbeiterschaft sowie die Erziehung zu selbstständigem Denken und Urteilen. Sie forderten deren politische Mitgestaltungsmöglichkeit, u.a. durch die Regelung sozialer Leistungen und umfassende Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene. Die darauf folgende Trennung der liberalen Arbeiterbildung und der politischen Arbeiterbewegung legten erste Grundsteine zur langfristigen Entwicklung politischer Parteien und Gewerkschaften. Neue sozialdemokratische Akzentuierungen erhielt die Erwachsenenbildung im Zuge der Reichsgründung 1871. (vgl. Wolgast 1996:17f) Im gleichen Jahr gründete sich die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung . Weitere Akademien, Gesellschaften, Verbände, Universitäten und Volkshochschulen folgten später. Die Intention dieser Einrichtungen war eine „Popularisierung von Wissenschaft“ (Wittpoth 2003:28) und unterlag dem besonderen Anspruch, die liberale und integrative Volksbildung politisch affirmativen und sozial kommunikativen, aber zugleich antisozialistischen und antiklerikalen Ansätzen des Konservativismus zu berücksichtigen. (vgl. Wolgast 1996:25) Die Ziele und Aufgaben der Bildungsarbeit mussten neu und politisch neutral ausgerichtet werden. Ein Kontinuum breiter Bildungsaktivitäten verfolgte das Ziel, das gesamte Volk durch gesellschaftlich notwendiges Wissen staatsbürgerlich mittels öffentlicher Vorträge, Büchereien und Volksunterhaltung zu erziehen. Als die wichtigste und wirksamste Methode der massenhaften Verbreitung von Kultur- und Bildungsgütern galt der öffentliche Vortrag, der durch freie oder zeitweise fest angestellte Wanderlehrer gestaltet wurde. Pädagogisch reflektiert wurde der Vortrag als didaktisch-methodisches Mittel allerdings nicht. Auch eine Qualifizierung der Wanderlehrer wurde trotz wachsender Kritik in der praktischen Bildungsarbeit nicht durchgeführt. (vgl. ebd.:25f) Das aus dem Aufklärungsdenken frei und eigenständig entwickelte Volksbildungswesen der Industrialisierung organisierte sich bis ins 20.Jahrhundert hinein in Form extensiver Wissens- und Kenntnisvermittlung an Massen. (vgl. Wittpoth 2003:28) Dieser Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Forderung nach Individualität entgegengesetzt. Die >>Neue Richtung<<, die sich ab 1923 im >Hohenrother Bund< zusammenschloss, orientierte sich an einer intensiven, gestaltenden Auseinandersetzung mit Weltanschauungen und Verarbeitung von Informationen. Dieser Bund propagierte eine neue Qualität des Bildungswertes. Ein hoher Bildungswert könne nicht über extensive Massenvorträge, popularisierte Wissenschaft, passive Rezeption von Kulturgütern und unreflektierte Weitergabe von Wissen erreicht werden. Stattdessen fördere individualisierende, intensive Bildung nicht nur das Wissen und die Erkenntnisse, sondern pflege auch die Gesinnung und bilde die menschliche Gesamtpersönlichkeit. Erstmalig wurden teilnehmerorientierte und gruppenpädagogische Methoden für Arbeitsgemeinschaften entwickelt. (vgl. Wolgast 1996:37).

Nach der geistig-materiellen Entwurzelung des 1. Weltkrieges engagierte sich die Politik in der jungen Weimarer Republik verstärkt für die Volksbildungsarbeit, um politische und gesellschaftliche Probleme dieser Zeit zu überwinden. Volksbildung sollte eine Einheit, eine wirkliche Volksgemeinschaft hervorbringen. Unter dem Motto „Volk-Bildung durch Volksbildung“ versprach die Bildung Erwachsener einen Neubeginn, geprägt von einem Integrationsprozess zur Erneuerung der nationalen Identität (vgl. ebd.:37). Für den radikalisierten Vergemeinschaftungsgedanken der Volksbildung in der Weimarer Republik setzte der Staat als Verantwortlicher für die Bildung des Volkes erste Zeichen mit einem schriftlich verankerten Förderungsprogramm für Volkshochschulen. Die pluralistisch ausgerichteten Volkshochschulen als wichtigste Institutionen der Erwachsenenbildung wiesen in der Bildungspraxis kein einheitliches Bildungs- und Aufgabenverständnis aus. Konzeptionelle und ideologische Differenzen zwischen konservativen, humanitären und sozialistisch-demokratischen Richtungen traten auf, denen der >Hohenrother Bund< begegnen wollte. Dieser Bund gründete die >Deutsche Schule für Volksforschung und Erwachsenenbildung<, deren Ziel zunächst akademisch konzipierte, später verstärkt sozialpädagogisch begründete Lehrgänge waren. Dadurch sollte dem „unerträglichen Zustand des planlosen Dilettantismus im Volksbildungswesen“ ein Ende zu bereitet werden und den wachsenden politischen Spannungen durch Bildung und integrative Beiträge zur gesellschaftlichen Konsolidierung begegnet werden. (Wolgast 1996:42) Erstmalig wurde in einem vierwöchigen Akademielehrgang auch eine Ausbildung für Volksbildner angeboten und volkshochschul-pädagogische Kompetenz propagiert. Zur Förderung und Vertretung von Verbänden und Volkshochschulen wurde der „Reichsverbund der deutschen Volkshochschulen“ gegründet, der die Volkshochschulen als öffentlich geförderte Bildungseinrichtung etablieren und für die Interessen einer neutralen Volksbildungsarbeit eintreten wollte. Gemeinsam mit dem Hohenrother Bund wurde das Selbstverständnis der Abendvolkshochschule in der >Prerower Formel< zum Zwecke der Weiterbildung Erwachsener neu formuliert. Die Bildungsziele lagen demnach in der Klärung und Vertiefung von Erfahrungen, in der Vermittlung gesicherter Tatsachen, in einer Anleitung zu selbständigem Denken und in der Übung gestaltender Kräfte (vgl. Wolgast 1996:47). Eingeleitet wurde mit diesen Zielen die Phase der realistischen Wende der Erwachsenenbildung, deren Weiterentwicklung durch die politischen Ereignisse in Deutschland 1933 verhindert wurde. Der Volksbildung in der Weimarer Republik gelang es zu dieser Zeit nicht, sich eindeutig und unmissverständlich von den politisch-radikalen Ansprüchen abzugrenzen, da sich die „Volksgemeinschaftsideologie“ (Wittpoth 2003:29) ebenso wie der Integrationsgedanke im Nationalsozialismus wieder fand (vgl. Wolgast 1996:37f). Die bestehenden Organisationen der Volksbildung wurden mit der Machtübernahme 1933 aufgelöst und ideologisch gleichgeschaltet. Das Reichsministerium wies in einem Erlass vom 19.9.1933 den Volkshochschulen die Aufgabe zu, die Ideenwelt des nationalsozialistischen Staates den breitesten Schichten des deutschen Volkes zugänglich zu machen und dessen Willenshaltung zu beeinflussen. (vgl. Wittpoth 2003:29) Ziel sollte die Verstärkung des Willens „zur Wehrhaftigkeit, zur völkischen Selbstbehauptung, zum Bekenntnis von Blut und Boden und zur Einordnung in die Volksgemeinschaft“ (Keim/Urbach 1976:18) sein. Die organisatorische Gleichschaltung der Volkshochschulen erfolgte 1934. Die Volkshochschulen - im nationalsozialistischen Jargon >Volksbildungsstätten< - wurden dem Reichsschulungsamt der NSDAP und der deutschen Arbeitsfront als deutsches Volksbildungswerk angeschlossen (vgl. ebd.:29). Während die NSDAP für sich die alleinige Aufgabe der Schulung der Weltanschauung beanspruchte, sollten Staat, Gemeinden und Parteien mithilfe der erwachsenenbildnerischen Institute die geistigen und politisch-weltanschaulichen Kenntnisse der Deutschen zu eigenem geistigen und künstlerischem Schaffen anregen. Die Kommunen und der Deutsche Gemeindetag lehnten 1937 eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Volksbildungswerk jedoch ab und gründeten die >Reichsarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung<, in der diverse Interessen und Maßnahmen konsolidiert wurden. Mit Kriegsbeginn wendete sich die Erwachsenenbildung verstärkt der geistig-kulturellen Wehrmachtbetreuung zu und missbrauchte damit viele Volksbildungsstätten als Instrument der Indoktrination politischer Ziele. Gegen das NS-Regime wuchs in einigen Einrichtungen der Erwachsenenbildung allerdings auch ein passiver Widerstand heran (vgl. Wolgast 1996:49f).

Nach dem verlorenen Krieg postulierte die Erwachsenenbildung in Deutschland eine geistige Neuorientierung. Anders als nach der Niederlage des 1.Weltkrieges 1918 zog der wirtschaftliche, geistige und soziale Zusammenbruch des Volkes 1945 andere politische und zeitgeschichtliche Bedingungen nach sich. Das Ziel der alliierten Siegermächte war die Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Deutschland. Die „Democratic reeducation“- Bemühungen der Militärverwaltungen beabsichtigten die Umerziehung der Deutschen zur Demokratie und gegen übersteigerten Nationalismus, Militarismus und Imperialismus. (vgl. ebd.:54f) Die praktische Umsetzung war dabei vom politisch-ideologischen Verständnis der jeweiligen Besatzungsmächte abhängig. In den Westzonen – der späteren Bundesrepublik – knüpfte die Erwachsenenbildung an die Zeit der pluralistischen Weimarer Tradition vor 1933 an. Dennoch gestaltete sich die Wiederaufnahme durch die Nachwehen des Krieges schwierig und begann zunächst ein wenig unkoordiniert. Die neu entstandenen Volkshochschulen näherten sich erst 1953 durch die Gründung des >Deutschen Volkshochschul-Verbandes e.V.< einander an. In der von „Restauration“ und „Amerikanisierung“ (Siebert 1993:15f) geprägten Nachkriegszeit der 50-er Jahre rückte der Ausbau der Erwachsenenbildung erst einmal in den Hintergrund zunehmender technischer und ökonomischer Entwicklung in der hochindustriellen Gesellschaft. Lediglich sozial, politisch oder kulturell motivierte Pädagogen und Bildungspolitiker förderten Erwachsenenbildung nebenberuflich (vgl. Nezel 1992:42). Sie fürchteten andernfalls einen Kulturverfall und gerieten in bildungstheoretische Diskussion über Wesen und Aufgabe der Erwachsenenbildung (vgl. Wolgast 1996:58). Die Hauptaufgabe der normativ-geisteswissenschaftlichen Erwachsenenbildung lag in der Entwicklung pädagogischer Kriterien, die dem Lernenden ein Recht auf Fähigkeits- und Persönlichkeitsentfaltung gewährten und die Ansprüche der Gesellschaft an Erwachsene filterte. Betont wurde erstmalig die „pädagogische Verantwortung des Lehrenden für die individuelle Entwicklung des lernenden Subjekts“ (Nezel 1992:43). Während der 60er-Jahre geriet das gesamte westdeutsche Bildungssystem zusehends unter Druck. Die erzeugten Qualifizierungsmaßnahmen konnten dem international technologischen und ökonomischen Wettbewerb weder qualitativ noch quantitativ Stand halten (vgl. Wittpoth 2003: 33). Die befürchtete >>Bildungskatastrophe<<, über die Deutschland die in den 50-er Jahren erreichte Stellung auf dem internationalen Markt hätte verlieren können, führte zu einer bildungspolitischen Reformdiskussion, aus denen ein neuer, progressiver Bildungsbegriff hervorging: „Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildung wird jeder, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln“ (Deutscher Ausschuss 1960:20). Die Veranlassung des deutschen Bildungsrates, den Bereich der Erwachsenenbildung neu zu regeln, führte zur >>realistischen Wende<< der Erwachsenenbildung zum Dogma der Weiterbildung. Die Bildung Erwachsener wurde nun in funktionale Zusammenhänge gesetzt und ging vom Leitbild des offenen, lebenslangen Lernens aus, das aufgrund des technologischen Wandels und der beschleunigten Veralterung des Wissens für den Erhalt eines funktionsfähigen ökonomischen Systems notwendig war. Um Rechte und Pflichten der gesellschaftlichen Mitgestaltung wahrnehmen und angemessen erfüllen zu können, sollte den Menschen bei wachsender Komplexität und zunehmender Unübersichtlichkeit der Lebensverhältnisse die Möglichkeit gewährleistet werden, gesellschaftliche und politische Kenntnisse zu aktualisieren und zu vertiefen. (vgl. Wittpoth 2003:32) Das Schlagwort dieser Reform wurde die Institution der >Volkshochschule neuen Typs<, in der es nicht um einseitige Intellektualisierung und Spezialisierung gehen sollte, sondern um die komplementäre Verbindung zwischen umfassender human-gesellschaftlicher und beruflicher Bildung. Ziel sollte sein, die Strukturveränderungen der Arbeitswelt aufzufangen. Durch die erkannte Notwendigkeit permanenter Weiterbildung als Folge der rasanten Veränderungsprozesse in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft und nicht nur aus human-anthropologischen oder pädagogischen Gründen gewann die Erwachsenenbildung einen bedeutenden Status. (vgl. Wolgast 1996:59f) Als Folge dessen ebnete die Kultusministerkonferenz im März 1969 der Studieneinrichtung >Erwachsenenbildung< den Weg für eine akademische Professionalisierung und auch eine rechtliche Verankerung der Erwachsenenbildung erfolgte in den 70-er Jahren. (vgl. Wolgast 1996:59f)

[...]


[1] Um die Differenzierung der Begriffe >>Qualifikation<< und >>Kompetenz<< zu umgehen, wird eine primär betriebswirtschaftliche Sichtweise des Begriffs >>Vermögen<< angewandt, in dem „Qualifikationen und Motivationen einschließlich der Entwicklungspotenziale“ das Potential der Beschäftigten vereint darstellt und somit Können, Wissen und Fähigkeiten zu betrieblichen verbesserten Handlungen qualifizieren (Ortner 2000:12). So wird z.B. der in der Literatur vielseitig verwendete Begriff Qualifikation als >>Arbeitsvermögen<< charakterisiert, dass die Gesamtheit der individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten zu einer bestimmten Arbeitsfunktion beinhaltet (Beck 2001:13).

[2] Aus dem 18. Jahrhundert können 577 verschiedene Wochenschriftentitel nachgewiesen werden (Wolgast 1996:7).

Fin de l'extrait de 105 pages

Résumé des informations

Titre
Zur pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten - Anspruch und Wirklichkeit
Université
RWTH Aachen University  (Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
105
N° de catalogue
V80146
ISBN (ebook)
9783638821018
Taille d'un fichier
1455 KB
Langue
allemand
Mots clés
Qualifizierung, Fachdozenten, Anspruch, Wirklichkeit
Citation du texte
Betriebspädagogin M.A. Anke Kristin Bojahr (Auteur), 2006, Zur pädagogischen Qualifizierung von Fachdozenten - Anspruch und Wirklichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80146

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