Gutswirtschaft als Nahrung des Adels in der Frühneuzeit


Seminar Paper, 2007

17 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Begrifflichkeiten der Gutswirtschaft

III. Entstehung der Gutswirtschaften

IV. Der Ausbau der Gutswirtschaften

V. Ausblick

VI. Literaturverzeichnis

I.Einleitung

In der folgenden Untersuchung widme ich mich einem Herrschaftstypus, der für viele Regionen östlich der Elbe das bestimmende Moment für Lebensweise, Wirtschaft und Sozialstruktur war. In erster Linie beschäftigt sich der vorliegende Text mit dem herrschaftlichen Auftreten des Landadels.

Die Gutswirtschaft hat in der Geschichtswissenschaft einen Platz, der einen Zeitraum von über 200 Jahren einnimmt und daher in dieser kurzen Darstellung als eigenständige Wirtschaftsform aufgefasst wird.

Nach einem Versuch, dem Begriff Gutswirtschaft zu definieren und in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen rücken die Stufen der Entwicklung der Gutswirtschaft ins Zentrum der Betrachtung. Es soll hinterfragt werden, unter welchen Bedingungen des ausgehenden Mittelalters sich diese Wirtschaftsform ausbilden konnte, sind doch räumlich sehr heterogene Formen der Agrarverfassung entstanden. Die Voraussetzungen sind stark verankert mit dem gesetzlichen Hintergrund, der, je mehr er die Leibeigenschaft unterstützt, den Phänotyp der Gutswirtschaft umso stärker hervortreten lässt.

Die Betrachtung beschäftigt sich mit der beachtenswerten Dynamik, unter denen Gutswirtschaft statt fand und dadurch einem ständigen Wandel unterlag, der insbesondere durch die Interessen der adligen Grundbesitzer angeschoben wurde. In dieses Feld spielen sowohl demographische Bevölkerungsentwicklungen hinein, als auch Epidemien, Kriege und Agrarpreise.

Angerissen werden außerdem die hemmenden Auswirkungen der Agrarstruktur auf die entsprechenden Gebiete hinsichtlich der Entwicklung der Gesellschaft in Richtung Moderne.

Die Quellenlage für derartige Forschungen ist für eine großräumliche Betrachtung sehr dünn, so dass oft von Landesherrlichen Vorwerkswirtschaften auf die eng damit verwandten Gutswirtschaften geschlossen wird.

II. Begrifflichkeiten der Gutswirtschaft

Das Modell Gutswirtschaft ist eine wissenschaftliche Hilfskonstruktion, um eine sozioökonomische Unterform der adeligen Herrschaftsverhältnisse in der frühen Neuzeit in Europa zu beschreiben.

Vom Idealtypus der Grundherrschaft treten häufig lokale Abweichungen auf. Insbesondere variiert der Anteil der eigenwirtschaftlichen Flächen am Gesamtkomplex der Güter. Viele Autoren versuchen den Verlauf der Elbe als westliche Grenze für einen ausgeprägten Charakter der „Gutswirtschaften“ zu definieren. Jedoch sind beiderseits der Elbe solche Bewirtschaftungsformen nachweisbar. Freilich waren die Bedingungen zur Entstehung der Wirtschaften in den verschiedenen landesfürstlichen Herrschaftsgebieten unterschiedlich, was zu zwei spezialisierten Formen der Grundherrschaft beitrug[1]. Trotz des relativen Formanwandels von West- nach Osteuropa, der regionale Unterschiede im Herrschaftstypus dokumentiert, ist der Untertyp Gutswirtschaft – obschon in geringer Häufigkeit – auch westlich der Elbe zu finden.

Der Begriff deckt sich in räumlicher Ausprägung vor allem vom östlichen Schleswig Holstein bis zum Finnischen Meerbusen im Nordosten und zur nordwestlichen Küste des Schwarzen Meeres im Süden.[2]

Aber auch im Zeitlichen Verlauf ist die Gutsherrschaft kein stetes Gebilde sondern reagiert auf äußere Einflüsse, verändert ihre Struktur usw. und passt sich den Gegebenheiten über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren mehrmals neu an die Bedingungen an. Gleichzeitig gilt Sie als ein hemmendes Element, das den gesellschaftlichen Entwicklungsstand in den betroffenen Regionen verzögert. Dazu weiter unten im Text.

Der Adel steht in der Frühen Neuzeit machtstrategisch zwischen der fürstlichen Gewalt und den bäuerlichen Hintersassen bzw. dem Bürgertum[3]. Diese Stellung beruhte auf dem Besitz von Grund und Boden – Allod – und entsprechend der Herrschaft über „Land und Leute“[4].

„Ländlicher Großgrundbesitz galt als die bevorzugte und angemessene wirtschaftliche und soziale Grundlage des Adels“ im 18. und 19. Jahrhundert. Diese herrschaftliche Stellung entsprach dem adeligen Selbstverständnis wobei längst nicht alle dieser Norm genügten. So blieb der Rittergutsbesitz nur einer Teilgruppe des Adels vergönnt.[5]

Der eigentliche Kern des Modells Gutsherrschaft besteht in der Bewirtschaftung eines Gutes mittels Frondiensten der Bauern bzw. dem Einsatz von hofeigenem Gesinde. Je mehr der Gutsbesitzer auf eine ausreichende Menge von Fronbauern zugreifen konnte, desto weniger Gesinde musste sich der Gutsherr „halten“.

Der Begriff „Gut“ ist für Carsten Porskrog Rasmussen „derjenige administrative Komplex, in dem ein Gutsherr seine Rechte und Pflichten als Gutsherr wahrnahm. Es umfasst […] die den herrschaftlichen Hof und die dazu gehörigen Bauernhöfe, Katen u.a.“ Für den herrschaftlichen Hof an sich wurden Begriffe wie Haupthof, Meierhof, Vorwerk oder einfach Gutshof tradiert.[6]

Die systematische Einordnung wird unterschiedlich gehandhabt, so dass die Gutswirtschaft einerseits als eigenständige Form neben der Rentenherrschaft auftritt[7]. Auf der anderen Seite kommt Sie als Unterform der auf Zinsleistungen basierenden Rentengrundherrschaft bzw. Grundherrschaft vor. In beiden Ansätzen gilt die Haupteinnahmequelle der Stände als das charakterisierende Merkmal.[8] Die Begrifflichkeit Gutsherrschaft verkörpert auch, will man sich man Carsten P. Rasmussen orientieren, mehrere Erscheinungsformen, von denen die „ostelbische Gutsherrschaft“ eine beschreibt.[9]

Das Herrschaftsmodell Rentengrundherrschaft[10] sonach bezieht seine materielle Existenz aus den finanziellen Basisleistungen der erbuntertänigen Bauern, also Natural- und Geldrenten, die dafür Land als Lehen erhalten. Man spricht auch von Zinsherrschaft.

Das grundherrschaftliche System basiert auf gegenseitigem Nutzen, denn die Untertanen erhalten Schutzleistungen des Herren. Was so viel heißt, dass äußere Angriffe abgewehrt werden, sowie Durststrecken nach Missernten aus dem Getreidelager des Haupthofes abgemildert wurden. In den meisten Fällen belief sich diese Unterstützung jedoch nur auf das Nötigste.

Die Transferleistungen haben in der Gutswirtschaft einen anderen Charakter angenommen – von Rentenzins hin zu Fronarbeit – der eine Überschussproduktion auf dem Herrschaftlichen Gut zulässt. Das Spektrum an Rentenleistungen in Form von Naturalien oder Geld wurde in diesen Gütern abgebaut und durch bestimmte oder unbestimmte Frondiensten am herrschaftlichen Gut erweitert bzw. ersetzt.

Durch den Ersatz der eigenen Arbeit änderte sich die Struktur der innerbetrieblichen Viehhaltung enorm: Im Vergleich zum Bauern fiel der Anteil der gutseigenen Schafe um dem Faktor zehn höher aus, dafür der zum Pflugbetrieb notwendigen Pferde (teilweise auch Ochsen) um ein dreifaches geringer. Daraus erschließt sich aufs Neue, dass die Zugviehhaltung dem Bauern zukam während die freien Kapazitäten auf dem Haupthof für eine Wollproduktion oder Ähnliches genutzt wurden konnten.

Signifikant ist besonders der Anstieg der gutseigenen Fläche, die ja benötigt wurde, um das Einkommen auf mindestens dem alten Niveau zu halten.

Das Rittergut als Adelige Nahrung ist also nicht auf eine bestimmte Einnahmestruktur übertragbar. Welche Ausprägung das Herrschaftsverhältnis erreicht, ist mit politischen Hindergründen stark verwoben weil die Rechte der Gutsbesitzer eine herausragende Rolle bei der Entstehung von Eigenwirtschaften spielen. Überdies ist die Ausprägung des Marktes eine Triebfeder der Gutsentwicklung.[11]

So wächst die Qualität der Untertänigkeit zwischen Grundherrschaft und Gutsherrschaft bis zur Leibeigenschaft an, welche ausschlaggebend für die Frondienste ist. Mit der Leibeigenschaft der nun Eigenbehörigen war die bäuerliche Abhängigkeit vom Adel absolut. Um ein solches Verhältnis zu stabilisieren wurde eine göttliche Kontrollinstanz eingeführt, der Eid und der Schwur.[12] Durch Erbschaft dieser gelangte das Verhältnis zu einer zeitüberdauernden Kontinuität.

Dass Maßnahmen wie diese durchaus notwendig waren, belegen Widerstände seitens der Bauern an Punkten, wo die bäuerliche Akzeptanz der gutsherrlichen Versorgung aufgrund ökonomischer Notlagen ins Wanken geriet. Die Gutsherrschaft aber ist ein Gebilde, das an die „Bereitschaft zur Herrschaftsakzeptanz“[13] geknüpft ist.

[...]


[1] Diese Kategorisierung hält einer kritischen Hinterfragung aufgrund der Komplexität der Güterstruktur nicht stand, ist aber für das Ausmachen struktureller Unterschiede (Vogeleperspektive) überaus hilfreich.

[2] Kaak, H. S. 445

[3] Harnisch, H. S. 74

[4] Ebd. S. 76

[5] Flügel, A. S. 79

[6] Rasmussen, C. P. S. 27

[7] Nach Rasmussen S. 1 vertreten diesen Standpunkt Friedrich Knapp, Werner Wittich und Georg von Below.

[8] Heinrich Kaak vertritt Vehement die Meinung von einer eigenständigen Begrifflichkeit der Gutswirtschaft weil die räumliche Ausdehnung der Rentengrundherrschaft in nichts nachsteht und die Grundherrschaft als Unterscheidungskriterium der beiden Formen nicht in Frage kommt, da im Osten und im Westen die Grundherrschaft das integrierende Moment ist. S. 433

[9] Rasmussen, C. P. S. 1

[10] Harnisch, H. S. 81 sowie Henning, F.-W. S. 166 „Sonderform der Grundherrschaft“, ich wähle den Begriff Rentengrundherrschaft, weil wie in Anm. 7 bereits erörtert die Bezeichnung Grundherrschaft in die Irre führt und zu keiner Unterscheidung zur Gutsherrschaft führt. Am geeignetsten erscheint der Begriff „Wirtschaftsgrundherrschaft“ an Stelle der Gutsherrschaft (Kaak, H. S. 433 nach Lütke), was hier aber nicht weiter verfolgt wird, da sich die Gutsherrschaft in der Wissenschaft manifestiert hat.

[11] Wunder, H. S. 40 Interessant ist, dass ein guter Marktanschluss auch Bauern dazu veranlasst hat ihre Produkte zu exportieren.

[12] Ebd. S. 94

[13] Peters, J. S. 8

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Details

Title
Gutswirtschaft als Nahrung des Adels in der Frühneuzeit
College
Dresden Technical University  (Institut für Geschichte)
Course
Adel in der ständischen Gesellschaft
Grade
1,7
Author
Year
2007
Pages
17
Catalog Number
V82543
ISBN (eBook)
9783638000345
ISBN (Book)
9783638910354
File size
478 KB
Language
German
Keywords
Gutswirtschaft, Nahrung, Adels, Frühneuzeit, Gesellschaft, Adel, Frühe Neuzeit, Gut, Wirtschaft
Quote paper
Johannes Schulz (Author), 2007, Gutswirtschaft als Nahrung des Adels in der Frühneuzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82543

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