Die Entlassung aus der Psychiatrie kann nach einem stationärem Aufenthalt entweder ein erfreuliches oder aber auch belastendes Ereignis für den Patienten sein. Die stationäre Entlassungsvorbereitung und ambulante psychosoziale Betreuungsmöglichkeiten nehmen in der Nachsorge psychisch kranker Menschen einen großen Stellenwert ein. Während meines fünfmonatigen Praxissemesters in Kuopio (Finnland) im Jahr 2003 konnte ich interessante Gespräche mit Patienten aus der forensischen Psychiatrie führen, weshalb der Fokus meiner Diplomarbeit der forensischen Psychiatrie gelten soll.
Sie beschäftigt sich mit Personen, die aus Sicht unserer Bevölkerung mit ihrer doppelten Stigmatisierung – krank und kriminell – am äußeren Rand der Gesellschaft stehen. Auf einer deutschen Fachtagung zum Maßregelvollzug in Eickelborn (Nordrhein-Westfalen) berichtete ein noch stationär behandelter Patient: „Als Patient weiß ich was ich will: Ich will entlassen werden. Geredet und diskutiert wurde bisher im Maßregelvollzug viel. Aber zu wenig mit uns, dafür mehr über uns. (…) Wir Patienten wünschen uns mehr Klarheit, Offenheit und Akzeptanz. Wir wollen ernst genommen werden.“ (Lüdtke, 1990: 254)
Durch meine berufliche Tätigkeit als Krankenschwester in der Allgemeinpsychiatrie erlebe ich es allerdings nicht gerade selten, dass Patienten im Sinne des „Drehtüreffekts“ nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie nach kurzer Zeit wieder stationär aufgenommen werden. Deshalb ist das Ziel dieser Arbeit, Antworten darauf zu geben, inwieweit sich die ehemaligen forensischen Patienten auf die Entlassung vorbereitet fühlen, welchen Schwierigkeiten und Problemen sie nach dem Auszug aus der Maßregelklinik begegnen und welche Rolle Ängste, Erfahrungen, Hoffnungen, Erwartungen, Bedürfnisse und Zukunftsperspektiven dabei einnehmen.
Aber auch die psychische Erkrankung, die begangene Straftat und die damit verbundene Therapie und Behandlung in der Maßregelklinik sollen durch die retrospektive Sichtweise des Betroffenen einen bedeutungsvollen Aspekt bilden. Hierzu wurden insgesamt elf männliche Patienten und eine Stationsleitung nach dem qualitativen Verfahren des problemzentrierten Interviews nach Witzel befragt. Anschließend wurden alle zwölf Interviews nach dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
- Einleitung
- Ergebnisse der Literaturstudie
- Die rechtlichen Grundlagen des psychiatrischen Maßregelvollzugs in der Bundesrepublik Deutschland
- § 63 StGB: Die Maßregel der Besserung und Sicherung
- Dauer und Beendigung der Maßregel
- Das niedersächsische Maßregelvollzugsgesetz
- Psychische Gesundheit - Psychische Krankheit
- Psychiatrische Langzeitpatienten
- Hospitalismus
- ,,Krank und kriminell“ – Die Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzugs
- Die Behandlung und Therapie im Maßregelvollzug
- Schwierigkeiten und Probleme während einer stationären Behandlung
- Entlassungsvorbereitungen und Rehabilitation
- Die kriminologische Rückfälligkeit forensischer Patienten
- Die Entlassung aus einem psychiatrischen Krankenhaus
- Die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen
- Psychosoziale Einrichtungsmöglichkeiten
- Forensische Fachambulanz
- Exkurs: Lebensqualität
- Die Lebenspraxis psychisch kranker Menschen
- Zusammenfassung
- Methodisches Vorgehen
- Qualitativer Forschungsansatz
- Das problemzentrierte Interview nach Witzel
- Entwicklung des Interviewleitfadens
- Auswahl der Stichprobe
- Darstellung der Stichprobe
- Datenerhebung
- Experteninterview
- Datenauswertung
- Ergebnisdarstellung
- Leben in der Maßregelklinik
- Verlust eines Lebensabschnitts
- Zwanghafter Freiheitsentzug
- Der mühsame Prozess der Behandlung
- Die forensische Psychiatrie als Erfahrungswert
- Entlassungsvorbereitung
- Zusammenfassung und Diskussion
- Leben nach der Maßregelklinik
- Das Probewohnen: Der erste Schritt zurück zur Normalität
- Eingeschränkte Freiheit durch Beobachtung und Kontrolle
- Schutz- und Sicherheitsfunktion durch die Anbindung zur Maßregelklinik
- Leben in der neuen Unterkunft
- Pflegerische Unterstützung im Wohnheim
- Bewältigung alltäglicher Aufgaben
- Wieder gewonnene Freiheit und Privatsphäre
- Umgang mit Medikamenten
- Umgang mit Konflikten
- Arbeitsbeschäftigung
- Finanzielle Situation
- Soziales Umfeld
- Folgen der Beziehungsabbrüche
- Aufbau sozialer Kontakte
- Familiäre Kontakte
- Wunsch nach einer partnerschaftlichen Beziehung
- Freizeitgestaltung
- Angst vor Ausgrenzungen
- Zukunftsperspektiven
- Zusammenfassung und Diskussion
- Der Bedarf einer forensischen Fachambulanz
- Abschließende Diskussion und Fazit
- Empfehlungen für die Praxis
- Literaturverzeichnis
- Anhangsverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der Entlassungssituation forensischer Patienten aus der Psychiatrie und verfolgt das Ziel, die Herausforderungen und Chancen dieser komplexen Lebensphase zu beleuchten. Die Arbeit analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen, die psychosozialen Aspekte und die individuellen Erfahrungen von Patienten nach ihrer Entlassung aus der Maßregelvollzugsanstalt.
- Rechtliche Rahmenbedingungen und die Umsetzung des Maßregelvollzugs
- Psychische Gesundheit und Krankheit im Kontext forensischer Psychiatrie
- Behandlung und Therapie im Maßregelvollzug und die Vorbereitung auf die Entlassung
- Die Entlassungssituation und die Herausforderungen im Übergang in die Freiheit
- Der Bedarf an spezialisierten Hilfestellungen für forensische Patienten nach der Entlassung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer umfassenden Literaturstudie, die die rechtlichen Grundlagen, die spezifischen Herausforderungen psychisch kranker Menschen im Strafvollzug und die Bedeutung der Behandlung und Therapie im Maßregelvollzug beleuchtet. Anschließend werden die Entlassungsmöglichkeiten und die Herausforderungen für die Patienten im Übergang zurück in die Gesellschaft analysiert.
Im weiteren Verlauf werden qualitative Forschungsmethoden wie das problemzentrierte Interview eingesetzt, um die Lebenserfahrungen und Perspektiven von forensischen Patienten nach ihrer Entlassung aus der Maßregelvollzugsanstalt zu erforschen.
Die Ergebnisse der empirischen Studie zeigen die vielfältigen Herausforderungen, denen Patienten nach ihrer Entlassung gegenüberstehen, sowie die Bedeutung individueller Bedürfnisse und Unterstützungsmöglichkeiten.
Schlüsselwörter
Forensische Psychiatrie, Maßregelvollzug, Entlassung, Rehabilitation, psychische Krankheit, Stigmatisierung, soziale Integration, Lebensqualität, Behandlung, Therapie, Rechtliche Rahmenbedingungen, Empirische Forschung, Qualitative Methoden, Problemzentrierte Interviews, Patientenperspektive.
- Quote paper
- Diplom Pflegewirtin (Fh) Michaela Kirchmeier (Author), 2005, Die Entlassungssituation forensischer Patienten aus der Psychiatrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88041