Das Thema der Masterarbeit ist die Konstruktion von Geschlecht und Sexualität auf YouTube als Teil der Sozialen Medien. YouTube als das neue Leitmedium Heranwachsender ist aus einer Geschlechterperspektive bislang wenig erforscht, obgleich es den Nutzenden eine „virtuelle Bühne zur Bearbeitung von Identitäts- und Geschlechterfragen“liefert.
Um das Thema zu bearbeiten, wurde exemplarisch das YouTube-Video "Coming Out" der deutschen YouTuberin Melina Sophie und seine plattforminterne Anschlusskommunikation in einer Einzelfallanalyse untersucht. Das Ziel der Analyse war es, die in den performativen Selbstdarstellungen aufzufindenden Diskurse über Geschlecht und Sexualität zu identifizieren.
Ausgehend von der Annahme, dass die Inhalte auf YouTube für die Identitätskonstruktionen Jugendlicher eine maßgebliche Rolle spielen, wurde danach gefragt, wie 1. Geschlecht und Sexualität in dem Video und dessen Anschlusskommunikation diskursiv hergestellt werden, 2. welche Sinn- und Wissensvorräte und Vorstellungen von Normalität den Konstruktionen von Geschlecht und Sexualität immanent sind und 3. wie sich heteronormative Annahmen von der wahrgenommenen Einheit von Geschlecht, Körper, Begehren und Sexualität in den Inszenierungen ausdrücken.
Die Analyse wurde gerahmt und kontextualisiert durch Theorien, Konzepte, empirische Befunde und methodische Überlegungen der Frauen- und Geschlechterforschung sowie der Kommunikations- und Medienwissenschaften. Den theoretisch-analytischen Rahmen und die analytische Folie der Analyse bildeten Ansätze, die essentialisierende Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität ablehnen, nämlich Judith Butlers Konzept der Performativität von Geschlecht und Foucaults Überlegungen zur diskursiven Konstruktion von Sexualität und dem Wirken des Sexualitätsdispositivs. Auch das Konzept des doing gender wurde für die Analyse des Videos herangezogen. Für das konkrete Vorgehen wurden die Kritische Diskursanalyse und die qualitative Videoanalyse mit methodischen Werkzeugen der Grounded Theory verbunden.
Es konnte herausgearbeitet werden, dass das Alltagswissen und die Norm der binären Zweigeschlechtlichkeit und der Heterosexualität im Diskurs auf YouTube von den Akteur*innen verinnerlicht wurden und mehrheitlich als Folie für die Konstruktionen von Geschlecht und Sexualität dienen. Heteronormativität bestimmt größtenteils das Wissen der Akteur*innen auf YouTube, nicht zuletzt auf Grund der Wirksamkeit des Sexualitätsdispositivs.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Einführung in das Thema: Sexismus auf YouTube?
- 1.2 Relevanz von und Blick auf Geschlecht
- 1.3 Relevanz von YouTube als Untersuchungsgegenstand
- 1.4 Untersuchtes YouTube-Video und forschungsleitende Fragen
- 1.5 Das Problem der Reifizierung
- 1.6 Aufbau der Arbeit
- 2 Theoretischer Rahmen
- 2.1 YouTube als Teil jugendlicher Medienwelten und -sozialisation
- 2.1.1 Einfluss der Medien auf die Identitätsentwicklung und -konstruktion Jugendlicher
- 2.1.2 YouTube als sozialer und medialer Raum im Web 2.0
- 2.2 Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit
- 2.2.1 Geschlecht als Konstruktion
- 2.2.2 Die Unterscheidung von sex und gender
- 2.2.3 Konstruktion von Geschlecht: Von Geschlechterdifferenzen zu Geschlechterdifferenzierungen
- 2.2.4 Frühe ethnomethodologische Studien zum doing gender
- 2.2.5 Die Konstruktion von Sexualität bei Michel Foucault
- 2.2.6 Performativität von Geschlecht und Konstruktion von geschlechtlicher Identität bei Judith Butler
- 2.3 Selbstdarstellung
- 2.3.1 Selbstdarstellung im Alltag
- 2.3.2 Selbstdarstellung auf YouTube
- 2.4 Technologie und Geschlecht
- 3 Repräsentationen von Geschlecht in den Medien
- 3.1 Geschlecht und Internet/Cyberfeminismus
- 3.2 Geschlecht und Soziale Medien
- 3.3 Geschlecht und YouTube
- 4 Methodische Vorüberlegungen und methodisches Vorgehen
- 4.1 Diskursanalyse
- 4.2 Kritische Diskursanalyse nach Siegfried Jäger
- 4.2.1 Analytische Kategorien der Kritischen Diskursanalyse
- 4.2.2 Vorgehensweise der Kritischen Diskursanalyse
- 4.3 Wissenssoziologisch-hermeneutische Videoanalyse
- 4.4 Methodisches Vorgehen
- 4.4.1 Feldabgrenzung und Fallauswahl
- 4.4.2 Datenerhebung als Theoretical Sampling für die Analyse der Anschlusskommunikation
- 4.4.3 Videotranskription als Interpretationsarbeit
- 5 Ergebnisse
- 5.1 Videoanalyse: Die Handlung hinter der Kamera
- 5.1.1 Der Kanal „Melina Sophie“ und das Video „Coming Out“
- 5.1.2 Herstellung von Intimität und Nähe durch die Handlung der Kamera
- 5.1.3 Zusammenfassung der Analyse der Handlung hinter der Kamera
- 5.2 Videoanalyse: Die Handlung vor der Kamera
- 5.2.1 „Fuck\": Kampf und Schwere durch Anpassungsdruck
- 5.2.2 das Gefühl [...] mein persönliches lebenslanges Geheimnis, endlich mitteilen zu müssen“: Das Geständnis
- 5.2.3 [...] verdammt viel Zeit gekostet das zu akzeptieren“: Coming Out als langwieriger und schmerzhafter Prozess der Befreiung
- 5.2.4 „ich bin lesbisch\": Identität als Bezeichnungspraxis
- 5.2.5 „woran ich das gemerkt habe [...] und ob ich mir wirklich sicher bin\": Heteronormativität
- 5.2.6 „Ich stehe nicht auf Männer\": Definition als Person über die Abweichung von der Norm
- 5.2.7 „Hier bin ich\": Selbstinszenierung
- 5.2.8 Zusammenfassung der Handlung vor der Kamera
- 5.3 Analyse der Anschlusskommunikation
- 5.3.1 Der Geschlechterdiskurs
- 5.3.2 Der Sexualitätsdiskurs
- 5.3.3 Zusammenfassung der Analyse der Anschlusskommunikation
- 5.4 Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse
- 6 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit den Konstruktionen von Geschlecht und Sexualität in der YouTube-Öffentlichkeit. Die Arbeit analysiert die diskursive Verhandlung von Geschlecht und Sexualität anhand des YouTube-Videos "Coming Out" von Melina Sophie und seiner plattforminternen Anschlusskommunikation. Ziel ist es, zu untersuchen, wie Geschlecht und Sexualität in diesem Kontext dargestellt und verhandelt werden und welche Auswirkungen diese Darstellungen auf die Rezeption haben.
- Die Konstruktion von Geschlecht und Sexualität in der YouTube-Öffentlichkeit
- Die Rolle von YouTube als Plattform für die Verhandlung von Geschlechteridentitäten und -rollen
- Die Auswirkungen von Online-Diskursen auf die Konstruktion von Geschlecht und Sexualität
- Die Bedeutung von Selbstdarstellung und Performativität im Kontext von YouTube
- Die Analyse der diskursiven Verhandlung von Geschlecht und Sexualität anhand des YouTube-Videos "Coming Out" von Melina Sophie
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Masterarbeit ein, stellt die Relevanz einer Beschäftigung mit der Video-Plattform YouTube aus einer Geschlechterperspektive dar und stellt die forschungsleitenden Fragen vor. Außerdem werden die Herausforderung des Umgangs mit dem Problem der Reifizierung thematisiert und ein Ausblick auf den Aufbau der Masterarbeit gegeben.
- Kapitel 2: Theoretischer Rahmen: In diesem Kapitel wird der theoretische Rahmen der Arbeit vorgestellt, der auf Konzepten aus den Bereichen der Medienpädagogik, der Sozialen Konstruktion der Wirklichkeit, der Geschlechterforschung und der Performativitätstheorie basiert. Hier werden die theoretischen Grundlagen für die Analyse der YouTube-Daten gelegt.
- Kapitel 3: Repräsentationen von Geschlecht in den Medien: Dieses Kapitel beleuchtet die Repräsentation von Geschlecht in den Medien und untersucht, wie Geschlecht in unterschiedlichen medialen Kontexten dargestellt und konstruiert wird.
- Kapitel 4: Methodische Vorüberlegungen und methodisches Vorgehen: Hier werden die methodischen Grundlagen der Arbeit dargestellt, die auf einer Kombination aus Diskursanalyse, kritischer Diskursanalyse und wissenssoziologisch-hermeneutischer Videoanalyse basieren. Die Arbeit beschreibt die Auswahl des untersuchten YouTube-Videos, die Datenerhebung und die methodische Vorgehensweise bei der Analyse der Daten.
- Kapitel 5: Ergebnisse: In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Analyse des YouTube-Videos "Coming Out" von Melina Sophie und seiner Anschlusskommunikation vorgestellt. Die Analyse konzentriert sich auf die Handlung im Video, die Handlung vor der Kamera und die plattforminterne Diskussion.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Geschlecht, Sexualität, YouTube, Online-Diskurs, Selbstdarstellung, Performativität, Geschlechterrollen, Geschlechteridentität, Coming Out, Medienpädagogik, Soziale Konstruktion der Wirklichkeit, Kritische Diskursanalyse, Videoanalyse.
- Citation du texte
- Manuela Plöger (Auteur), 2019, Konstruktionen von Geschlecht und Sexualität in der YouTube-Öffentlichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/931769