Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen der Corporate Governance
2.1 Definition und Abgrenzung eines Corporate Governance Verständnisses
2.2 Prinzipal-Agenten-Theorie als theoretischer Bezugsrahmen
2.3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex
2.3.1 Die Entstehung des Deutschen Corporate Governance Kodex
2.3.2 Rechtsnatur, Bestimmungen und Ziele
2.3.3 Aktuelle Empfehlungen und Anregungen zum Vorstand und der Vergütung im DCGK
3 Anreizsysteme in der Vorstandsvergütung
3.1 Ansprüche und Bestandteile von Anreizsystemen
3.2 Bewertung variabler und aktienkursorientierter Vergütungssysteme
3.3 Anreizfunktion und -kompatibilität aktienkursorientierter Entlohnung
3.4 Schwächen, Gefahren und mögliche Lösungen von aktienkursorientierter Vergütung
3.5 Anreizwirkung und Risikoverhalten von Aktienoptionen
4 Die Wirecard AG
5 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In den letzten Jahren sind Diskussion über die ordnungsgemäße Führung und Überwachung von Unternehmen im In- und Ausland von beispielloser Bedeutung geworden. Die Globalisierung der Wirtschaft und die Liberalisierung der Kapitalmärkte gaben Impulse für eine Diskussion über effektive und transparente Formen der Unternehmensführung, da im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise bisherige Governance Methoden in Frage gestellt worden sind (von Werder 2018).
Ganz oben auf der Agenda muss nach wie vor das Thema Vorstandsvergütung stehen. Die Vergütung der Vorstände ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen. Die Transparenz über die Gehälter der Vorstände wird immer größer, gleichzeitig aber steigt die Differenz zwischen den Einkommen der Top-Manager, dem Einkommen der Arbeiter und dem der Kleinaktionäre von Kapitalgesellschaften (Hexel 2006, S. 3).
Aus diesem Grund ist der Zweck dieser Arbeit, den Zusammenhang zwischen Corporate Governance und der Vergütung des Vorstands auf Basis wissenschaftlicher Literatur zu diskutieren. Insbesondere stehen dabei folgende Fragestellungen im Vordergrund der Seminararbeit:
- Wie können Interessenkonvergenzen zwischen Vorstand und Eigentümern hergestellt werden?
- Kann mit Hilfe von aktienkursorientierter Vergütung ein Anreiz geschaffen werden und wie sollte man ein solches Anreizsystem gestalten?
- Welche Anforderung und Bestandteile bestehen an ein Anreizsystem?
- Wie kann ein Vergütungssystem bewertet werden?
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Der erste Abschnitt befasst sich mit Corporate Governance und der Prinzipal-Agenten-Theorie, die den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit stellt. Nach Definition und Abgrenzung des Corporate Governance Begriffs wird auf den Deutschen Corporate Governance Kodex eingegangen, insbesondere auf seine Rechtsnatur, seinen Beitrag zu der Vergütung des Vorstands und der Gestaltung von Vergütungssystemen.
Der zweite Teil behandelt Anreiz- und Vergütungssysteme. Nachdem Anforderungen und Bestandteile erläutert werden, widmet sich die Arbeit insbesondere der Bewertung von aktienkursorientierten Vergütungssystemen, sowie speziell deren Anreizfunktion. Auch Gefahren, Schwächen und Lösungen werden erläutert. Am Ende des zweiten Abschnittes werden Aktienoptionen als spezielles Instrument näher charakterisiert.
Der dritte Abschnitt behandelt ein Praxisbeispiel, in dem die aus der Arbeit gewonnenen Kenntnisse auf ein Beispiel der Realität angewendet werden und diese anhand des Vergütungssystems noch einmal dargestellt werden. Zudem wird der Bezug zum Deutsche Corporate Governance Kodex hergestellt.
Das letzte Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Kenntnisse und gibt einen Ausblick auf offene Fragestellungen.
2 Grundlagen der Corporate Governance
2.1 Definition und Abgrenzung eines Corporate Governance Verständnisses
Bis zum heutigen Tag gibt es keine einheitliche Theorie zur Beschreibung und Erklärung der Corporate Governance Problematik. Im Gegenteil, die Corporate Governance Problematik wird aus Sicht sehr unterschiedlicher Disziplinen theoretisch empirisch begründet und erforscht. Besonders hervorzuheben sind die neue institutionelle Ökonomie, Recht, Rechnungswesen, Management, Organizational Behaviour, Soziologie, Politikwissenschaften und Philosophie. Jede dieser Theorien erklärt einen Ausschnitt des Corporate Governance Phänomens, aber umfassend das gesamte Spektrum der Akteure, ihrer Beziehungen und Handlungen zu beschreiben und zu erklären, ist keine in der Lage (Welge & Eulerich 2014, S. 9-38).
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Intensität der Corporate Governance Diskussion zu vielen Themen deutlich zugenommen, obwohl sich bis heute noch kein einheitlicher, wissenschaftlich verwendeter Begriff der Corporate Governance herausgebildet hat. Zum Beispiel umfasste die Corporate Governance Diskussion eine Reihe von wirtschaftlichen und rechtlichen Begriffen. Die Autoren verwendeten unterschiedliche Auffassungen von Begriffen und Unterscheidungen, die auf den Zielen einzelner Beiträge beruhten (Schmidt 2012, S. 8). Nach Schmidt (2012, S. 8f.) bestehe kein Zweifel daran, dass sich Corporate Governance mit den Rahmenbedingungen der Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung befasst, um die Interessen einer oder mehrerer Gruppen im Unternehmen zu schützen.
Auch Kreipl (2020) schreibt zusammenfassend, dass sich Corporate Governance damit auseinandersetzt, dass richtige Entscheidungen in Unternehmen getroffen werden. Dabei steht die Führung des Unternehmens im Fokus, denn ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen sei das Produkt guter Führung.
Nach Monks & Minow (2001) ist Corporate Governance die Beziehung zwischen verschiedenen Teilnehmern, die die Entwicklungsrichtung und -leistung des Unternehmens bestimmen. Die wichtigsten Teilnehmer sind die Aktionäre, das Management und der Aufsichtsrat.
An dieser Stelle sollte daher nicht der Versuch unternommen werden das ganze Theoriespektrum darzustellen. In erster Linie wird sich im Rahmen dieser Hausarbeit auf das Prinzipal-Agenten-Problem, das im nächsten Kapitel erläutert wird, und die aktienkursorientierte Vergütung, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vertieft wird, eingegangen.
2.2 Prinzipal-Agenten-Theorie als theoretischer Bezugsrahmen
Grundannahmen und Probleme der Prinzipal-Agenten-Theorie, auch Agency-Theorie, sind die asymmetrische Verteilung von Informationen zwischen Agenten und Prinzipal, die Maximierung des persönlichen Nutzens und das Gefühl des Arbeitsdrucks von Agenten (Lazar 2007, S. 10-12). Charakteristisch für die Agency-Beziehung ist außerdem das daraus entstehende Opportunismus Problem (Paul Wentges 2002, S. 30).
Jensen und Meckling (1976, S. 308) definieren die Agency-Beziehung als einen Vertrag, bei dem eine oder mehrere Personen (die Auftraggeber) eine andere Person (den Agenten) beauftragen, in ihrem Namen Dienstleistungen zu erbringen. Dies beinhaltet die Übertragung bestimmter Entscheidungsbefugnisse an den Agenten.
Wenn beide Parteien der Beziehung Nutzenmaximierer sind, gibt es guten Grund zu der Annahme, dass der Vertreter nicht immer im besten Interesse des Auftraggebers handeln wird. Der Auftraggeber kann Abweichungen von seinen Interessen begrenzen, indem er geeignete Anreize für den Agenten schafft und indem Überwachungskosten entstehen, die dazu dienen, die abweichenden Aktivitäten des Agenten zu begrenzen. Darüber hinaus wird er den Vertreter in einigen Situationen dafür bezahlen, dass er Ressourcen aufwendet, um zu gewährleisten, dass er bestimmte Maßnahmen, die dem Auftraggeber schaden würden, nicht ergreifen wird oder um sicherzustellen, dass der Auftraggeber entschädigt wird, wenn er solche Maßnahmen ergreift. Es ist jedoch für den Auftraggeber generell unmöglich, zum Nulltarif sicherzustellen, dass der Agent aus Sicht des Auftraggebers optimale Entscheidungen trifft. Bei den meisten Agency-Beziehung werden dem Auftraggeber und dem Agenten positive Überwachungs- und Kalkulationskosten (sowohl nicht monetäre als auch finanzieller Art) entstehen. Darüber hinaus wird es eine gewisse Divergenz zwischen den Entscheidungen des Agenten und jede Entscheidung geben, die das Wohlergehen des Auftraggebers maximieren würden (Jensen & Meckling 1976, S. 308).
Die Absicht des Prinzipals besteht darin den Agenten, der im Grunde genommen seinen eigenen Nutzen maximiert, zu einem für den Prinzipal vorteilhaften Verhalten zu motivieren. (Paul Wentges 2002, S. 30).
Der Agent wählt eine Alternative aus vielen möglichen Optionen aus. Zusätzlich zu den oben genannten Auswirkungen auf das Wohl des Prinzipals bestimmt der Agent auch sein eigenes, da der Prinzipal für die Bestimmungen der vertraglichen Elemente zwischen den Parteien verantwortlich ist. Dazu kommt, dass sich die Ziele von Agenten und Prinzipal faktisch voneinander unterscheiden (Arrow 1985).
2.3 Der Deutsche Corporate Governance Kodex
Innerhalb einer Aktiengesellschaft ist der Aufsichtsrat für die Überwachung und Kontrolle der Geschäfte und der Leitung des Vorstands zuständig. Dem Aufsichtsrat werden jedoch häufig Abhängigkeit und Interessenskonflikte vorgeworfen. Diese Kritik veranlasste Regierungsverantwortliche und Gesetzgeber dazu, zur Beseitigung von Missständen in der Wirtschaft beizutragen. Das Ergebnis ist wohlbekannt als Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK). Auf den ersten Blick ist der DCGK eine reine Ansammlung von Empfehlung von einer Regierungskommission. Unter Berücksichtigung des rechtlichen Charakters und der mangelnden Verbindlichkeit, beides Aspekte, die im Folgenden erörtert werden, stellt sich die Frage nach der praktischen Bedeutung des Kodex. Es ist fast zweifelhaft, inwieweit politisch gut gemeinte Ratschläge zu verantwortlichen Entscheidungsträgern in Unternehmen durchdringen und von diesen gehört werden sollen (Müller-Michaels 2011, S. 59).
2.3.1 Die Entstehung des Deutschen Corporate Governance Kodex
Als Vorbild für den DCGK diente der Britische „Combined Code“, der seine Ursprünge in den neunziger Jahren hat. Gerhard Schröder hat im Mai 2000 die „Baums-Kommission“ dafür beauftragt. Diese empfahl im Juli 2001 mit Hilfe eines eigenen Corporate Governance Kodex, die Defizite des deutschen Systems der Unternehmensführung und -kontrolle zu beseitigen (Müller-Michaels 2011, S. 60).
Die erste Ausgabe des DCGK wurde am 26. Februar 2002 fertiggestellt und unterlag schon vielen Änderungen. Die erste Veröffentlichung erfolgte allerdings erst am 20. August im offiziellen Teil des elektronischen Bundesanzeigers. Seit Einführung des Artikels 161 des Aktiengesetzbuchs (AktG) müssen alle Kodex Änderungen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden (Müller-Michaels 2011, S. 60).
Der deutsche Corporate Governance Kodex hat nicht nur in Europa, sondern auch in fast allen Ländern mit börsennotierten Unternehmen Befürworter gefunden. Aufgrund der hohen Anzahl der entstandenen Kodizes in Europa, wurde eine Vereinheitlichung gefordert, mit Hilfe einer europäischen Version eines Corporate Governance Kodex. Dies scheiterte aber an den unterschiedlichen Leitungssystemen der Länder. Daher überwacht und koordiniert die Europäische Kommission jetzt allein die nationalen Vorschriften (Müller-Michaels 2011, S. 60).
2.3.2 Rechtsnatur, Bestimmungen und Ziele
Die Änderungen des Kodex werden von der Regierungskommission erarbeitet, dabei durchlaufen sie kein parlamentarisches Verfahren. Deshalb hat er keine rechtliche Wirkung und ist daher nicht bindend (Hölters 2011, §161 AktG).
Er ist nur eine unverbindliche Empfehlung. Allerdings verweist §161 AktG auf den Kodex und verpflichtet als parlamentarisches Gesetz zur Abgabe einer Entsprechenserklärung mit dem Kodex. Es ist nicht neu, dass sich eine Norm mit rechtlicher Bindung auf eine unverbindliche Regelung bezieht. Es entsteht eine indirekte Bindungswirkung, da auf diese Weise durch das Gesetz eine Pflicht zur Befolgung von nicht gesetzlichen Bestimmungen auferlegt werden kann (Müller-Michaels 2011, S. 61).
Im Aktiengesetz §161 ist das Zusammenspiel mit dem DCGK allerdings etwas anders. Hier wird ein „comply-or-explain“ Konzept umgesetzt. Eine Verpflichtung den Empfehlungen des Kodex zu folgen besteht nicht. Unternehmen sind lediglich dazu verpflichtet zu erklären, ob sie den Empfehlungen folgen. Falls sie den Empfehlungen nicht folgen, muss der Grund für die Abweichung erklärt werden. Dies soll dazu beitragen Besonderheiten einzelner Branchen zu berücksichtigen und Freiheit zu geben.
Die Bestimmungen des DCGK lassen sich in drei Kategorien einteilen:
1. In die erste Kategorie fallen alle Bestimmungen, auch Grundsätze, die geltendes Recht oder Auslegungen widerspiegeln. Der Kodex kann aufgrund seiner Rechtsnatur keine Verpflichtungen auferlegen diese Bestimmungen zu befolgen, dies geschieht allein durch die entsprechenden Gesetze.
2. Die zweite Kategorie bildet das Kernstück des Kodex, denn jede Abweichung bedarf einer Begründung. Die Empfehlungen werden durch „soll“ gekennzeichnet.
3. In der letzten Kategorie finden sich Anregungen. Bei einer Abweichung bedarf es keiner Erklärung. Diese Anregungen werden durch „sollte“ oder „kann“ benannt (Müller-Michaels 2011, S. 61f.).
2.3.3 Aktuelle Empfehlungen und Anregungen zum Vorstand und der Vergütung im DCGK
Die Empfehlungen und Anregungen in Bezug auf den Vorstand und dessen Vergütung finden sich in zwei Abschnitten wieder. Zum einen in Abschnitt B, der Besetzung des Vorstands. Zum anderen in Abschnitt G, die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat.
Empfehlungen, die zum Beispiel bei der Besetzung des Vorstandes genannt werden, sind unter anderem, dass der Aufsichtsrat bei der Besetzung des Vorstandes auf Diversität achten soll. Zum anderen soll eine Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern für längstens drei Jahre erfolgen, es soll für Vorstandsmitglieder eine Altersgrenze festgelegt und in der Erklärung zur Unternehmensführung angegeben werden (Regierungskommission 2019, S. 6).
Der Grundsatz für die Vergütung des Vorstandes besagt, dass der Aufsichtsrat ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließt und auf dessen Basis die konkrete Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder bestimmt. Die Hauptversammlung beschließt grundsätzlich mit beratendem Charakter über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Vergütungssystems, sowie mit empfehlendem Charakter über die Billigung des Vergütungsberichts für das vorausgegangene Geschäftsjahr. Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten. Die Vergütung des Vorstands soll zur Förderung der Geschäftsstrategien und der langfristigen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen (Regierungskommission 2019, S. 15).
Weiter im DCGK werden auch Empfehlungen zur Gestaltung der Vergütungssysteme beschrieben. Darunter fällt die Festlegung des Vergütungssystems, die Festlegung der konkreten Gesamtvergütung und die Höhe der variablen Vergütungsbestandteile. Ferner werden auch Empfehlungen gegeben, was bei vorzeitiger Vertragsbeendigung passieren soll.
Empfehlungen über die Höhe der variablen Vergütungsbestandteile sind unter anderem, dass die langfristig orientierten Ziele den Anteil aus kurzfristig orientierten Zielen übersteigen sollen. Unter anderem soll eine nachträgliche Änderung der Zielwerte oder Vergleichsparameter ausgeschlossen sein. Die dem Vorstandsmitglied gewährten variablen Vergütungsbeträge sollen unter Berücksichtigung der jeweiligen Steuerlast überwiegend in Aktien der Gesellschaft angelegt oder entsprechend aktienbasiert gewährt werden. Über die langfristig variablen Gewährungsbeträge soll das Vorstandsmitglied erst nach vier Jahren verfügen können (Regierungskommission 2019, S. 16).
3 Anreizsysteme in der Vorstandsvergütung
Im Allgemeinen wird bezüglich der monetären Vergütungsbestandteile zwischen drei Komponenten unterscheiden: dem Fixum, den variablen, jährlichen Bonus und dem langfristigen Bestandteil. Das Fixum beinhaltet das Grundgehalt und häufig andere Geldleistungen oder Zusatzleistungen (z. B. Telekommunikationsmittel, Versicherungsbeiträge u. v. m.). Der Bonus ist definiert als variable Gegenleistung, die dem Management zur Erreichung bestimmter Ziele gezahlt wird. Diese Ziele beziehen sich im Allgemeinen auf buchhalterische Indikatoren (z. B Nettoergebnis, EBIT, ROCE) oder individuelle Indikatoren (z. B. Einführung neuer Produkte oder Projektabschluss). Es gibt verschiedene langfristige Bestandteile. Beispiele sind Aktien des Unternehmens oder Optionen auf das Unternehmen, wie virtuelle Optionen oder Aktienoptionen. Grundsätzlich handelt es sich um variable und an dem Aktienkurs bemessenen Komponenten, deren Struktur in der Regel auf Aktien- oder Optionslogik basiert (Rapp & Wolff 2020, S. 4).
Um das in Kapitel 2.1.2 dargestellte Opportunismus Problem möglichst schon an der Wurzel zu beseitigen, wurden aktienbasierte Vergütungssysteme für das Top-Management eingeführt. Orientiert sich der variable Bestandteil des Top-Managements letztlich am Aktienkurs des Unternehmens, so wird eine Interessensharmonisierung zwischen dem Vorstand und den Eigentürmern unterstellt. Vergütungsanalysen zeigen jedoch immer wieder, dass jedenfalls von einer flächendeckenden Verwirklichung eines wirksamen Pay-for-Performance1 Ansatzes keine Rede sein kann (Grundei & Talaulicar 2015, S. 131).
3.1 Ansprüche und Bestandteile von Anreizsystemen
Anreiz- und Kontrollsysteme sind wesentliche Werkzeuge zur Entscheidungssteuerung. Aufgrund der Informationsasymmetrien können nur die Ergebnisse kontrolliert werden. Kontrollen und Sanktionen erzwingen nur die Einhaltung, sodass falsche Entscheidungen vermieden werden können, aber sie bieten keine positiven Anreize. Stattdessen können sie zu hohen Kosten führen. Da im Sinne des Prinzipals gehandelt werden soll, müssen positive Leistungsanreize geschaffen werden, die das Verhalten des Agenten auf das unternehmerische Ziel richten (Laux 2006a, S.13-24).
Nach Ewert und Wagenhofer (2014, S. 396-399) bestehen Anreizsysteme aus der Entlohnungsart, dem Performancemaß und der Entlohnungsfunktion. Die Entlohnungsart wird durch die Art der Anreize definiert, welche dem Manager gewährt werden (sowohl materielle als auch immaterielle Belohnungen sind möglich). Das Performancemaß bestimmt die Bemessungsgrundlage, an welcher die Arbeit des Managers gemessen wird. Die Entlohnungsfunktion gestaltet den Zusammenhang zwischen der Bemessungsgrundlage und der Entlohnungsart.
Folgende acht Beurteilungskriterien definiert Laux (2006a, S. 27-33) für Anreizsysteme:
1. Intersubjektive Überprüfbarkeit: Dies ist besonders für die Bemessungsgrundlage relevant und fordert, dass es Agenten, Prinzipal und auch Dritten möglich sein muss, die Komponenten des Anreizsystems zu kontrollieren.
2. Der Grundsatz der Anreizkompatibilität bedeutet, dass der Agent nur dann einen Vorteil erhält, wenn er so handelt, dass der Prinzipal auch einen Vorteil hat.
3. Eine Pareto-effiziente Risikoteilung wird erreicht, wenn aufgrund einer Umverteilung der Erfolge beide Parteien einen Vorteil erlangen und die andere Partei nicht schlechter gestellt wird.
4. Das Kriterium Pareto-effiziente zeitliche Teilung erfordert, dass Erfolge effektiv zwischen zwei (oder mehreren) Parteien aufgeteilt werden.
5. Die Forderung nach der Angemessenheit der Vergütung bedeutet, dass die Agenten die Anreizsysteme als „fair“ oder „angebracht“ betrachten.
6. Die Stabilität setzt voraus, dass Anreizsysteme, nachdem sie einmal gewählt worden sind, unverändert bleiben.
7. Auch Einfachheit ist in Bezug auf Anreizsysteme wichtig, da dadurch eine höhere Akzeptanz erreicht wird.
8. Das Kriterium der Effizienz erfordert, dass der Nutzen des Anreizsystems größer ist als seine Kosten.
Die hier genannten Ansprüche und Bestandteile sind nicht vollends abschließend. Sie stellen einen guten Rahmen dar, um Anreizsysteme zu bewerten. Im folgenden Kapitel wird noch detaillierter auf die Bewertung variabler und vor allem aktienkursorientierter Vergütungssysteme eingegangen werden, damit diese Faktoren herangezogen werden können, um im letzten Kapitel das Vergütungssystem der Wirecard AG anhand dieser Kriterien zu bewerten.
[...]
1 Vergütungsbestandteile, die von einer bestimmten Leistung abhängig sind, werden auch als Pay-for-Performance bezeichnet (Grundei & Talaulicar 2015, S. 132).