Digitales Spielen in der institutionellen Erziehungsberatung. Risiken und Chancen


Dossier / Travail, 2019

28 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2 Umgang Heranwachsender mit digitalen Spielen

3. Digitales Spielen
3.1 Risiken digitaler Spiele
3.2 Chancen digitaler Spiele

4. Institutionelle Erziehungsberatung als pädagogisches Handlungsfeld

5. Medienkompetente Erziehungsberatung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

Digitales Spielen nimmt eine immer größere Rolle im Leben von Kindern und Jugendlichen ein, was Eltern verunsichert und sie nach Hilfestellungen in Beratungskontexten suchen lässt.

Digitale Spiele werden deswegen gemeinhin als eine aktuelle Herausforderung der Pädagogik betrachtet. Das Ziel dieser deskriptiven Arbeit ist, die Chancen und Risiken digitalen Spielens im Arbeitsfeld der institutionellen Erziehungsberatung darzustellen. Das behandelte Thema ist in den pädagogischen Bereich der Kindheit und Jugend zu verorten.

Zu Beginn des Kapitels „Umgang Heranwachsender mit digitalen Spielen“ soll zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff des digitalen Spielens zu verstehen ist. Anschließend soll, unterteilt in die Lebensabschnitte des Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen, mit Unterstützung der Mini-KIM-, KIM- und JIM-Studien, beschrieben werden, wie Heranwachsende hierzulande die neuen Spielmöglichkeiten nutzen und über welche technischen Spielgeräte sie verfügen. Dabei soll auch auf die Rolle der Eltern eingegangen und dargestellt werden, inwiefern diese regelnd bei der Auswahl der Spielinhalte und bei der Festlegung der Spielzeiten eingreifen.

Im Oberpunkt „Digitales Spielen“ wird behandelt, wie die breite Masse der Gesellschaft die Wirkungen des digitalen Spielens einschätzt. Besonders die vermuteten Zusammenhänge zwischen Amokläufen und Ego-Shootern sowie die Gefahr eine Videospielsucht zu entwickeln, werden diskutiert.

Im Unterpunkt „Risiken digitalen Spielens“ wird anhand einiger ausgewählter Studien ein Überblick über die Gefahren und die möglichen negativen Folgen des Spiels mit Computer- und Konsolenspielen gegeben. Hierbei wird schwerpunktmäßig die Frage behandelt, inwieweit gewalthaltige Videospiele aggressionsauslösende Effekte besitzen. Im Unterpunkt „Chancen digitalen Spielens“ werden einige positive Auswirkungen des Konsums von Videospielen dargestellt.

Im Abschnitt „Institutionelle Erziehungsberatung als pädagogisches Handlungsfeld“ folgt eine Beschreibung der Entwicklung, Strukturen und Aufgaben der Erziehungsberatung.

Im letzten Teil der Arbeit soll anhand des Abschnittes „Medienkompetente Erziehungsberatung“ die Einsatzmöglichkeiten des digitalen Spiels mit dem Arbeitsfeld der Erziehungsberatung verknüpft werden.

Das methodische Vorgehen ist hermeneutisch. Die Bearbeitung des Themas erfolgt durch Auswertung wissenschaftlicher Studien und fachgebundener Literatur.

2. Umgang Heranwachsender mit digitalen Spielen

Im Folgenden wird beschrieben, auf welche Art und Weise Kleinkinder, Kinder und Jugendliche digitale Spiele nutzen.

Was genau unter digitalem Spielen zu verstehen ist, wird immer schwieriger zu definieren. Mit dem Aufkommen interaktiven Spielzeuges, beginnen die Grenzen zwischen digitalen und traditionellen Spielen immer mehr zu verschwimmen (vgl. Stephen, Plowman 2014, S. 336f.).

In dieser Arbeit wird deshalb unter digitalem Spielen das Spiel über Computer, Spielkonsole, Tablet und Smartphone verstanden (vgl. Feierabend, Rathgeb, Reutter 2019, S. 52). Dabei wird ein Schwerpunkt auf Computer- und Konsolenspiele gesetzt, da diese von Heranwachsenden am häufigsten genutzt werden (vgl. ebd., S. 53).

Laut den Untersuchungsergebnissen der Mini-KIM-Studie 2014 wachsen die heutigen 2- bis 5-jährigen Kinder mediennah auf. Allerdings hat nur eine Minderheit von weniger als 20% bereits Kontakt mit digitalen Spielen (vgl. Feierabend, Plankenhorn, Rathgeb 2015, S. 32). Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Großteil der Eltern die Nutzung ihrer Kleinkinder von Computer-, Konsolen- und Onlinespielen stark reglementiert. Hierbei legen 87% der Eltern fest, wie lange und weitere 86%, welche Art von Spielen ihre Kinder spielen dürfen (vgl. ebd., S. 28).

Im Leben der 6- bis 13-Jährigen nehmen digitale Spiele einen hohen Stellenwert ein (vgl. Feierabend u. a. 2019, S. 52). Im Vorjahr gehörten digitale Spiele zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen Kinder und Jugendlicher (vgl. ebd., S. 80). Während für Mädchen Simulationsspiele das bevorzugte Spielgenre darstellen, gehört das Open­World-Spiel „Minecraft“ und das Fußballspiel „FIFA“ zu den Favoriten der 6- bis 13­jährigen Jungen (vgl. ebd., S. 54).

Zwei Drittel der Kinder spielen regelmäßig, also mindestens einmal wöchentlich, digital (vgl. ebd., S. 52). 68% der Jungen spielen mit diesen regelmäßig sowie 52% der Mädchen (vgl. ebd., S. 83). Je älter die Kinder werden, desto mehr Zeit verbringen sie mit digitalen Spielgeräten. Jungen nutzen besonders intensiv Konsolen- und Computerspiele (vgl. ebd., S. 53). Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto kürzer fällt die Nutzungsdauer elektronischen Medien aus (vgl. ebd., S. 68). 78% der Eltern legen fest, welche Spiele und wie lange ihre Kinder in diesem Alter spielen dürfen (vgl. ebd., S. 71f.).

Ab dem Alter von zehn Jahren nimmt der elterliche Einfluss auf das kindliche Nutzungsverhalten immer mehr ab und das Interesse ihrer Kinder für gewalthaltige digitale Spiele nimmt zu (vgl. Feibel 2011, S. 202f.). Altersbeschränkungen, die den Zugang Minderjähriger zu gewalthaltigen Spielen reglementieren, erweisen sich häufig als uneffektiv (vgl. Graf 2011, S. 53).

Ein Drittel der 6- bis 13-Jährigen geben an, bewusst Spiele zu spielen, die laut Alterskennzeichnung für ihr Alter nicht vorgesehen sind. Die altersbeschränkten Spiele werden von Jungen fast doppelt so häufig wie von Mädchen genutzt. Der Konsum altersunangemessener Spiele nimmt mit steigendem Alter deutlich zu. Während bei den 12- bis 13-Jährigen bereits 50% die Altersbeschränkung missachten, sind es bei den 6- bis 7-Jährigen noch 17% (vgl. Feierabend u. a. 2019, S. 55).

Insbesondere bei Grundschulkindern weißt es auf elterliche Vernachlässigung und schwierige Familienverhältnisse hin, wenn sich diese bereits im jungen Alter mit altersunangemessenen Gewaltspielen beschäftigen (vgl. Graf 2011, S. 53).

Kinder entwickeln ihre Kompetenz im Umgang mit Medien, indem sie am Vorbild ihrer Eltern lernen (vgl. Feierabend u. a. 2015, S. 30). Mangelnde Reflektion und ein unkritischer Umgang bei einer zugleich hohen Ausstattung mit digitalen Medien ist häufig bei sozial-benachteiligten Eltern, Alleinerziehenden oder Migrantenfamilien anzutreffen (vgl. Petzold 2011, S. 20-22).

Einer Befragung zufolge gelten 9,5% der 11- bis 14-Jährigen als exzessive Nutzer digitaler Spiele. Eine Spielkonsole besitzen besonders häufig Jungen und Kinder bildungsferner Schichten. Heranwachsende mit geringem Selbstwertgefühl, sozialen Ängsten sowie wenig sozialem Rückhalt neigen besonders zu ausschweifendem Computer- und Videospielkonsum. Die Möglichkeit der Realität zu entfliehen und eine interessante virtuelle Welt zu erkunden sowie die Aussicht Kontrolle auszuüben, stellen zudem wichtige Spielanreize dar (vgl. Van Egmond-Fröhlich, Mößle, Ahrens- Eipper, Schmid-Ott, Hüllinghorst, Warschburger 2007, S. 2561).

Digitale Spiele nehmen im Alltag Jugendlicher einen festen Platz ein. Drei Fünftel der 12- bis 19-Jährigen spielen regelmäßig, also mehrmals wöchentlich, digital. Bei den männlichen Jugendlichen liegt der Anteil bei 75%. Nur einer von zehn Heranwachsenden gibt an, nie digitale Spiele zu konsumieren. Vor allem Jugendliche, die über eine formal niedrigere Bildung verfügen, spielen besonders intensiv und häufig (vgl. Feierabend, Rathgeb, Reutter 2018, S. 55).

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Spieldauer der Jugendlichen um 20% an und lag im Jahr 2018 bei 103 Minuten pro Tag. Nicht nur die Spielpräferenzen, sondern auch die Spieldauer männlicher und weiblicher 12- bis 19-Jähriger unterscheiden sich signifikant. Jungen spielen 2,5 mal so lang wie Mädchen. Zu den populärsten Spielen 2018 gehören neben dem Koop-Survival-Spiel „Fortnite“, den Spielen „Minecraft“ und „FIFA“, auch die für die Minderjährigen altersunangemessenen Spiele „Grand Theft Auto“ und „Call of Duty“. Bei Jugendlichem einer niedrigeren formalen Bildung war der Ego-Shooter „Call of Duty“ unter den ersten drei der beliebtesten Spiele (vgl. ebd., S. 58f.).

3. Digitales Spielen

Im Laufe der gesamten Entwicklungsgeschichte der Computer- und Konsolenspiele, beginnend in den 1970-ern und 1980-ern, wurden in der Allgemeinheit moralische Bedenken hinsichtlich gewalttätiger oder sexuell-expliziter Darstellungen in Videospielen, wie „Call of Duty“ oder „Grand Theft Auto“ und ihrer befürchteten, potentiellen Wirkung auf die Nutzer geäußert. Wann immer sich Amokläufe in Schulen abspielten, vermutete die Öffentlichkeit alsbald einen Zusammenhang zwischen Videospielen und den Taten, da diese im Verdacht standen, aggressives Verhalten zu verursachen (vgl. Quandt, Kowert 2016, S. 176f.). Nach der Schul­Schießerei 2002 in Erfurt wurde in der Öffentlichkeit die Forderung laut, gewalthaltige Computerspiele, wie „Counter-Strike“, zu indizieren und das Jugendschutzgesetz zu novellieren (vgl. Graf 2011, S. 43).

Die Vermutung, dass digitales Spielen ein hohes Suchtpotential innehat, wurde von bekannt gewordenen Fällen schwerer Videospielsucht geschürt (vgl. Quandt, Kowert 2016, S. 176f.).

Diese negativ-selektive Wahrnehmung eines neuen Mediums ist kein unbekanntes Phänomen, da Menschen dazu neigen, sich Neuem gegenüber vorsichtig bis misstrauisch zu verhalten (vgl. Muuß-Merholz 2011, S. 85).

Es wurde in den vergangenen Jahren häufig wissenschaftlich untersucht, ob die Ängste der Allgemeinheit begründet sind. Allerdings kommen solche Untersuchungen meist zu sehr komplexen und ambivalenten Befunden, welche die Erwartungen der Öffentlichkeit nach einfachen und gut nachvollziehbaren Antworten nicht erfüllen können. Dagegen simplifizieren Populärwissenschaftler komplexe wissenschaftliche Aussagen, um die öffentliche Aufmerksamkeit, mit leicht verständlichen Halbwahrheiten zu gewinnen (vgl. Quandt, Kowert 2016, S. 177).

Zu einem Vertreter dieses Genres zählt Manfred Spitzer, welcher in seinem 2012 veröffentlichten Buch „Digitale Demenz“ seine kulturpessimistische Sichtweise hierzu erkennen lässt (vgl. Spitzer 2012, S. 189). Laut ihm sind Computerspiele verantwortlich für schlechtere Schulleistungen, vermehrte Aggressivität, soziale Isolation und ein geringeres Empathie-Vermögen bei Heranwachsenden (vgl. ebd., S. 203).

Spitzers Thesen verfestigen hierbei die gesamtgesellschaftliche Einschätzung, nach welcher Videospiele aggressives Verhalten hervorrufen (vgl. Quandt, Kowert 2016, S. 178).

Im Weiteren wird untersucht, ob und welche Evidenz wissenschaftliche Untersuchungen zur Bestätigung oder Widerlegung solch allgemein getätigter Aussagen erbringen können. Die folgende Betrachtung um die tatsächlichen Wirkungen von digitalen Spielen soll dazu dienen eine medienkompetentere Erziehungsberatung zu schaffen. Diese soll damit eine wissenschaftlich fundiertere Position gegenüber Video- und Computerspielen einnehmen können.

3.1 Risiken digitaler Spiele

In diesem Abschnitt wird auf mögliche negative Einflüsse digitaler Spiele eingegangen. Eingangs wird die erhöhte Aggressionsgefahr dargestellt. Anschließend wird beschrieben, inwiefern akademische Leistungen unter dem gehäuften Videospiel leiden können. Abschließend werden mögliche Kostenfallen in Online-Spielen und mögliche körperliche Folgen des Spielkonsums behandelt.

Eine Längsschnittstudie, die in den USA mit Schülern durchgeführt wurde, untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Spielen gewalthaltiger Videospiele und aggressivem Verhalten. Die Sozialisationsthese wurde im Zuge der Untersuchung bestätigt. Diese besagt, dass das Spielen elektronischer Gewaltspiele späteres aggressives Verhalten bedingt. Der häufige Konsum gewalthaltiger Videospiele stand in einem signifikanten Zusammenhang mit dem Anstieg des Aggressionsniveaus (vgl. Willoughby, Adachi, Good 2012, S. 1044).

Zudem konnte in weiteren Untersuchungen eine Abnahme des prosozialen Verhaltens konstatiert werden. Besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen wurde beim Spiel eine Zunahme aggressiver Gedanken und Gefühle festgestellt (vgl. Anderson, Bushman 2001, S. 353). Sich dem Einfluss gewalthaltiger Videospiele zu entziehen gestaltet sich allerdings schwer, da im Jahr 2015 90% der auf dem Markt erhältlichen Spiele gewalttätige Elemente und Aktivitäten enthielten (vgl. Gunawardhana, Palaniappan 2015, S. 1730). Griffiths regt deshalb an, publikumswirksame Videospiele zu entwickeln, die keine gewalthaltigen Inhalte beinhalten (vgl. Griffiths 2002, S. 48).

Im Rahmen eines dreitägigen Experiments wurde untersucht, wie sich die kumulative Dauer des Konsums gewalthaltiger Videospiele auf die Probanden auswirkt. In diesem ergab sich folgender Zusammenhang: je länger die Testpersonen spielten, desto feindlicher und aggressiver wurden sie von Tag zu Tag (vgl. Hasan, Bègue, Scharkow, Bushman 2013, S. 224).

Auch die Gemütsverfassung der Nutzer spielt eine Rolle. Teilnehmer einer Studie, die sich schon vor Beginn der Untersuchung ärgerlich und aufgebracht zeigten, waren von den Auswirkungen gewalthaltiger Videospiele stärker betroffen. Sie ließen aggressiveres Verhalten erkennen als jene Teilnehmer, die anfangs nicht wütend waren (vgl. Giumetti, Markey 2007, S. 1234). Die Studienergebnisse sind damit für Menschen mit einer zu Aggressionen neigenden Persönlichkeit von besonderer Bedeutung. Laut Giumetti und Markey, sollten diese Spielertypen eher von gewalthaltigen Videospielen absehen, da solche ihr aggressives Verhalten signifikant verstärken. Indessen zeigen die Befunde aber auch, dass keine erhöhte Aggressivität von Personen ausgeht, die vor dem Experiment friedlich und ausgeglichen waren. Folglich beeinflusst die allgemeine Gemütsverfassung des Einzelnen den aggressionsverstärkenden Effekt der Gewaltspiele. Bei der Vorhersage der Wirkung von Gewaltspielen ist es daher erforderlich, die allgemeine Verfassung und den Charakter des Spielers zu berücksichtigen (vgl. ebd., S. 1242).

In einer zwei Studien umfassenden Untersuchung von Anderson und Dill wurden weitere Variablen ergründet, welche im Zusammenhang mit dem Spielen gewalthaltiger digitaler Medien stehen. Die Nutzung gewalthaltiger Videospiele im Alltag korrelierte positiv mit aggressiven Verhalten und Kriminalität. Für Männer und Personen aggressiven Charakters war dieser Zusammenhang besonders ausgeprägt. Die Ergebnisse der Erhebung stimmen mit dem „General Aggression Modell“ überein. Dieses Modell beschreibt, wie der Konsum gewalthaltiger Videospiele zu einer kurzfristigen Zunahme aggressiven Verhaltens und einem langfristigen Anstieg des kriminellen Verhaltens führt (vgl. Anderson, Dill 2000, S. 772).

Im Einüben destruktiver Konfliktlösungen sehen Anderson und Dill eine weitere negative Auswirkung des gewalthaltigen Spielekonsums. Denn in der virtuellen Welt des digitalen Spiels verinnerlichen die Nutzer, dass bei Unstimmigkeiten Gewalt die Lösung ist (vgl. ebd., S. 788).

Anderson und Bushman kamen zu dem Schluss, dass Gewaltspiele eine Zunahme aggressiver Gedanken verursachen, welche wiederum die Entwicklung einer aggressiven Persönlichkeit bedingen (vgl. Anderson, Bushman 2001, S. 358).

Neben diesen Forschungsbefunden, die auf Aggressivität hinweisen, behandeln auch einige Studien die Auswirkung digitaler Spiele auf akademische Leistungen.

Schüler, die in ihrer Freizeit häufig Videospiele spielen, erbringen deutlich schlechtere Schulleistungen als diejenigen, die ihre Computer zu Bildungszwecken verwenden (vgl. Lieberman, Chaffee, Roberts 1988, S. 224). Je mehr Zeit mit digitalen Spielen verbracht wird, desto schlechter fallen die akademischen Leistungen aus (vgl. Anderson, Dill 2000, S. 772).

Eine Studie aus dem Jahr 2009 untersuchte, welche Auswirkungen der Besitz und die Nutzung einer Videospielkonsole auf 6- bis 9-jährige Jungen im Verlauf von vier Monaten hat. Je mehr Zeit die Jungen mit Videospielen verbrachten, desto weniger Zeit investierten sie in Hausaufgaben und außerschulische akademische Aktivitäten. In später durchgeführten Tests erbrachten die Jungen schlechtere Leistungen in den Bereichen des Lesens und Schreibens (vgl. Weis, Cerankosky 2010, S. 463f.)

Die Folge solch früher Lernschwierigkeiten ist, dass die Grundschüler zukünftigen akademischen Anforderungen nicht mehr vollkommen gerecht werden können. Denn das Erwerbsniveau späterer, fortgeschrittener Lese- und Schreibfähigkeiten hängt davon ab, wie gut deren Basis im Anfangsstadium ist (vgl. ebd., S. 467). Besonders große Schulprobleme haben Schüler, die videospielabhängig sind. Da süchtige Jugendliche sehr viel Zeit mit digitalen Spielen verbringen, können sie ihre schulischen Aufgaben nicht mehr erledigen (vgl. Gunawardhana, Palaniappan 2015, S. 1730).

Gefahr im Spiel versehentlich Geld auszugeben oder ein kostenpflichtiges Abonnement abzuschließen, laufen vor allem männliche Spieler, die noch besonders jung, also unter 15 Jahren alt sind, sowie diejenigen, welche über einen formal niedrigen Bildungshintergrund verfügen. Im Jahr 2018 tätigten insgesamt 8% der 12- bis 19-jährigen Spieler ungewollte Käufe, während sie Online-Spiele konsumierten (vgl. Feierabend u. a. 2018, S. 61).

Körperliche Beschwerden wie der „Nintendo-Daumen“, epileptische Anfälle sowie Muskel- und Gelenkschmerzen sind die Folge Maß überschreitenden Videospiels (vgl. Gunawardhana, Palaniappan 2015, S. 1730). Exzessive Spieler erleiden damit in den meisten Fällen negative Konsequenzen (vgl. Griffiths 2002, S. 50).

Bei der Beurteilung digitaler Spiele muss allerdings differenziert werden: zum einen zwischen den verschiedenen Spielarten und -genres, zum anderen zwischen den unterschiedlichen Spielergruppen. Zudem muss beachtet werden, dass jeder Mensch, je nach Rahmenbedingungen, anders auf ein Spiel reagiert. Bei Aussagen über die Effekte von Videospielen ist es daher wichtig, zu kontextualisieren und deutlich zu machen, auf welche Spielergruppe Bezug genommen wird, unter welchen Umständen gespielt wird und welches Spiel genutzt wird. Der Einfluss von Videospielen auf den Großteil der Spieler ist nur gering. Größere Effekte sind vor allem bei bestimmten Gruppen feststellbar. Zu diesen gehören die Spieler, die ein exzessives bzw. pathologisches Spiel verhalten zeigen sowie die Nutzer, die sich in schwierigen Lebensumständen befinden. Da diese Spielergruppen aufgrund ihrer momentanen Lebenssituation weder über Ziele noch über alternative Beschäftigungen verfügen, messen sie den Videospielen einen sehr hohen Stellenwert zu. Diese spezifischen Spielertypen sind damit den negativen Einflüssen bestimmter digitaler Spiele vermehrt ausgesetzt (vgl. Quandt, Kowert 2016, S. 178f).

3.2 Chancen digitaler Spiele

Im Rahmen dieses Kapitels wird auf die positiven Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten des digitalen Spielens eingegangen. Dabei werden Forschungsergebnisse präsentiert, welche die positiven Wirkungen gewalthaltiger und prosozialer Videospiele belegen. Des Weiteren wird beschrieben, inwiefern digitale Spiele als effektives Lernhilfsmittel eingesetzt werden können und wie durch sie das Knüpfen sozialer Kontakte und die Identitätsbildung unterstützt werden kann.

Im Gegensatz zu den im Unterpunkt 3.1 aufgeführten Studien, die darauf hinwiesen, dass gewalthaltige Videospiele negative Effekte, wie Aggressionen, auslösen, kommen andere Studien zu gegensätzlichen Befunden.

In einer über 16 Wochen andauernden Längsschnittstudie wurde kein Beleg dafür gefunden, dass das nicht-gewohnheitsmäßige Spielen gewalthaltiger Videospiele aggressiv macht oder zu einem nachweisbaren Verlust an Empathie führt (vgl. Kühn, Kugler, Schmalen, Weichenberger, Witt, Gallinat 2018, S. 22).

Die „Hitman-Study“ aus dem Jahr 2009 besagt ebenfalls, dass das einmalige Konsumieren gewalthaltiger Videospiele keinen Einfluss auf aggressives Verhalten hat. Zum anderen stellte die Studie fest, dass das regelmäßige Spielen gewalthaltiger digitaler Spiele zur Folge hat, dass die Nutzer weniger Feindseligkeit und Niedergeschlagenheit bei einer anschließenden frustrierenden Aufgabe verspüren. Mithilfe der Anwendung von Mood-Management, übersetzt Stimmungsmanagement, können erfahrene Konsumenten gewalthaltiger Videospiele negative Gefühle, wie Frustration, besser verarbeiten (vgl. Ferguson, Rueda 2010, S. 99). Die Mood- Management-Theorie besagt, dass der Nutzer eines Mediums dieses bewusst einsetzt, um Änderungen seiner Gemütslage zu erreichen (vgl. Huff 2019). Gewalthaltige Videospiele scheinen für bestimmte Menschen eine Möglichkeit des Mood­Managements zu bieten, welche ihnen dabei hilft, besser mit Stimmungsschwankungen, Stress und unangenehmen Emotionen umzugehen (vgl. Ferguson, Rueda 2010, S. 105f.).

Ungeachtet von gewalthaltigen Inhalten verbessern digitale Spiele einer Untersuchung von Ryan et al. zufolge das Selbstwertgefühl und die psychische Gesundheit der Nutzer. Das bewusste Einsetzen von Videospielen zur Verbesserung des Wohlbefindens, unterstützt die Mood-Management-Theorie (vgl. Ryan, Rigby, Przybylski 2006, S. 344). Da verschiedene Spielarten jeweils unterschiedliche Wirkungen ergeben, wählen Spieler je nach ihren psychischen und emotionalen Bedürfnissen das Spiel aus, welches diese am besten erfüllen kann (vgl. ebd., S. 358). Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass gewaltfreie Videospiele keinerlei Effekte auf aggressives und feindliches Verhalten haben (vgl. Hasan, Bègue, Scharkow, Bushman 2013, S. 224/Willoughby, Adachi, Good 2012, S. 1044).

Das Spielen von gewaltfreien digitalen Spielen, denen zudem eine prosoziale Komponente zugesprochen wird, hat laut einer Studie aus dem Jahr 2010 den Effekt, dass die Nutzer sich prosozialer verhielten (vgl. Greitemeyer, Osswald 2010, S. 219). Die Studenten, die in dem Experiment das prosoziale Computerspiel „Lemmings“ spielten, zeigten sich anschließend hilfsbereiter und uneigennütziger gegenüber ihren Mitmenschen (vgl. ebd., S. 214f.).

[...]

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Digitales Spielen in der institutionellen Erziehungsberatung. Risiken und Chancen
Université
University of Augsburg
Note
1,3
Auteur
Année
2019
Pages
28
N° de catalogue
V941465
ISBN (ebook)
9783346270313
ISBN (Livre)
9783346270320
Langue
allemand
Mots clés
Erziehungsberatung, Pädagogische Handlungsfelder, Medienkompetenz, Digitale Spiele, Computerspiele, Gefahren, Chancen
Citation du texte
Myrthe Prell (Auteur), 2019, Digitales Spielen in der institutionellen Erziehungsberatung. Risiken und Chancen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/941465

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