Das Ziel der Arbeit ist es, die Forschungsfrage zu beantworten, welche Chancen und Herausforderungen des Lernens es im Strafvollzug gibt. Dafür wird sowohl ein allgemeiner Überblick über E-Learning und Digitalisierung aufgezeigt, als auch detailliert die Lernplattform "elis" untersucht.
In der Erziehungswissenschaft erweisen sich die Freiheitsstrafe sowie Strafgefangene als Klienten der Erwachsenenbildung als Randgebiet. Für ein einheitliches Verständnis über die besonderen Begebenheiten des Strafvollzugs wird zunächst grundlegendes Wissen über die Freiheitsstrafe sowie den Resozialisierungsprozess und das Übergangsmanagement vermittelt. Mit diesem Grundverständnis wird anschließend das Thema Weiterbildung erörtert. Bildung ist für den Resozialisierungsprozess von große Bedeutung. Daher ist es wichtig, die Besonderheiten von Weiterbildung in der Erwachsenenbildung zu erläutern und diese anschließend auf den Strafvollzug zu übertragen. Deshalb werden die spezifischen Herausforderungen der Weiterbildung im Strafvollzug dargestellt.
Ein möglicher Lösungsansatz für die Herausforderungen zeigt sich im E-Learning (s. Kapitel 2.3), was neue Chancen für den Bildungsprozess und auch für die Resozialisierung aufweist. Zur Ausarbeitung der Chancen des digitalen Lernens wird zunächst auf die Bedeutung des Internets in der Gesellschaft sowie auf die Bedeutung von E-Learning außerhalb des Strafvollzugs eingegangen. Die drei bekannten Lehr- und Lerntheorien werden anschließend auf E-Learning bezogen und durch den Konnektivismus als neue Lerntheorie des E-Learnings ergänzt. Mit diesem Vorwissen über E-Learning lässt sich anschließend ein besseres Verständnis über die Begebenheiten von E-Learning im Strafvollzug erlangen. Da E-Learning im deutschen Strafvollzug ausschließlich über die E-Learning-Plattform elis möglich ist, steht diese im Fokus der vorliegenden Arbeit. Um die theoretischen Überlegungen empirisch zu unterstützen, wird auf ein qualitatives Interview zurückgegriffen. Die Auswertung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse bringt neue Erkenntnisse, die zu der Weiterentwicklung der E-Learning-Plattform elis beitragen könnten.
Inhalt
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Freiheitsstrafe im deutschen Strafvollzug
2.1.1 Vollzugsziel
2.1.2 Resozialisierung als Vollzugsziel
2.1.2.1 Sozialisation
2.1.2.2 Resozialisierung
2.1.3 Erhebung zum deutschen Strafvollzug
2.1.4 Freiheitsstrafe aus Sicht der Strafgefangenen
2.1.5 Übergangsmanagement
2.1.5.1 Übergangsmanagement im Strafvollzug
2.1.5.2 Erfolgreicher Übergang nach Oehme und Matt im Vergleich
2.2 Weiterbildung
2.2.1 Bildung und Lernen im Vergleich
2.2.2 Relevanz von Bildung und Lernen im Strafvollzug
2.2.2.1 Herausforderungen und Chancen beim Lernen im Strafvollzug
2.2.2.2 Lösungsansätze zur verbesserten Bildungssituation im Strafvollzug
2.3 E-Learning
2.3.1 Gesellschaftliche Bedeutung des Internets
2.3.2 Bedeutung des E-Learnings
2.3.3 Die Lernplattform als Möglichkeit des E-Learnings
2.3.4 Lehr- und Lerntheorien in Bezug auf E-Learning
3 E-Learning im Strafvollzug am Beispiel der Lernplattform elis
3.1 Die E-Learning Plattform elis
3.2 Einsatzgebiete der E-Learning Plattform elis
3.3 Chancen der E-Learning Plattform elis in Bezug auf Lernen im Strafvollzug
3.4 Herausforderungen der E-Learning Plattform elis in Bezug auf den Strafvollzug
4 Empirische Untersuchung
4.1 Planungs- und Entwicklungsphase
4.1.1 Auswahl des Interviewpartners
4.1.2 Entwicklung des Leitfadens
4.2 Auswertungsphase
4.2.1 Interviewauswertung mit der Qualitativen Inhaltsanalyse
4.2.2 Kategorienbildung und Codierung
4.3 Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse
4.3.1 Kategorie1: Schule und Bildung im Strafvollzug
4.3.1.1 Lehrkräfte und ihre T ätigkeiten
4.3.1.2 Bildung
4.3.1.3 Schulkurse/ Abschlussmöglichkeiten
4.3.1.4 Möglichkeiten von Bildungsmaßnahmen im Strafvollzug
4.3.1.5 Herausforderung von Bildungsmaßnahmen im Strafvollzug
4.3.2 Kategorie 2: Strafgefangene
4.3.3 Kategorie 3: Digitalisierung
4.3.3.1 Digitalisierungsverständnis im Hinblick auf Lernen
4.3.3.2 Medienkompetenz
4.3.3.3 Digitales Lernen
4.3.4 Kategorie 4: Elis als E-Learning Plattform im Strafvollzug
4.3.4.1 Infrastruktur der Lernplattform elis
4.3.4.2 Aufbau der Lernplattform elis
4.3.4.3 Möglichkeiten der Lernplattform elis
4.3.4.4 Sicherheitssorgen und Sicherheitsvorkehrungen
4.3.4.5 Elis Nutzung anderer Fachdienste
4.3.4.6 Herausforderungen der Lernplattform elis
4.3.4.7 Chancen der Lernplattform elis
4.4 Zusammenführung der Interviewergebnisse
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Anhang 1: Interviewtranskript
Anhang 2: Auswertungstabelle Interview
1 Einleitung
„Das Internet ist für uns alle Neuland“ - das Zitat der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, welches die Gesellschaft 2013 zum Schmunzeln brachte, wird auch heute noch gerne als Witz verwendet. Allerdings gibt es einen Teil der Gesellschaft, auf den das Zitat auch sieben Jahre später noch zutrifft: Strafgefangene1 in Justizvollzugsanstalten2.
Der digitale Wandel führt dazu, dass täglich und selbstverständlich digitale Medien in allen Lebensbereichen genutzt werden. Es wird zunehmend online eingekauft, Nachrichten aus aller Welt in Webzeitungen gelesen, Freunde und Familie über soziale Netzwerke und Nachrichtendienste informiert und verstärkt Bildungsangebote online durchgeführt. Diese Beispiele zeigen, dass die Bedeutung der digitalen Medien sowie der Zugang zum Internet für große Teile der Gesellschaft stetig steigen (vgl. Koch et al. 2019, S. 374ff.; Anhang, Abb. 1). Strafgefangene, die in der Regel keinen Zugang zur digitalen Welt haben, sind von dieser Entwicklung jedoch ausgeschlossen. Die Sorge, dass durch Zugang zu digitalen Medien Missbrauch entsteht und somit die Sicherheit des Strafvollzugs nicht aufrechtzuerhalten sei, steht der digitalen Vielfalt entgegen (vgl. Bärnthaler 2017, o.S.). Daraus ergibt sich die zentrale Herausforderung, Strafgefangene auf die Digitalisierung in der Gesellschaft vorzubereiten und somit den Resozialisierungsprozess zu unterstützen (vgl. Bardarsky und Reschke 2017, S. 10) und gleichzeitig die Sicherheit der Gesellschaft zu gewährleisten.
Aufgrund der starken Veränderungen, die eine Entlassung mit sich bringt, sind viele ehemalige Strafgefangene überfordert (vgl. Wagner 2019, S. 77). Einer solchen Überforderung kann, durch die Anpassung des Haftalltags an die Lebensverhältnisse außerhalb des Justizvollzugs, entgegengewirkt werden (vgl. Bode 2019, S. 65). Dies ist auch im Strafgesetzbuch festgehalten, indem es heißt: „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden“ (§3 Absatz 1 StVollzG). Durch die Anpassung, vor allem in Bezug auf die Digitalisierung, ergibt sich der Vorteil, dass sich zum einen die Strafgefangenen leichter in die Gesellschaft integrieren (vgl. Bärnthaler 2017, o.S.). Zum anderen sind auch die ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteile einer erfolgreichen Resozialisierung und Eingliederung von ehemaligen Strafgefangenen zu betonen. Die Gesellschaft profitiert davon, ehemaligen Strafgefangenen ein gesellschaftlich angesehenes und vor allem straffreies Leben zu ermöglichen (vgl. Jehle et al. 2016, S.17). Das zeigt sich auch in den Statistiken, die eine Rückfallquote von bis zu 40% angeben (vgl. ebd., S. 15). Wird die Rückfallquote minimiert, bedeutet das eine erhöhte Sicherheit für die Gesellschaft, nicht selbst zum Opfer von Kriminalität zu werden (vgl. Lakatos, 2019, o.S.). Zudem können durch eine niedrigere Rückfallquote jeden Tag hohe Kosten, von aktuell etwa 145€ pro Strafgefangenem, eingespart werden, die sich durch Steuergelder finanzieren (vgl. Thurm 2018; Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen 2018). Aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht bringt es daher Vorteile, die Strafgefangenen gezielter auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten.
Aufgrund des hohen Stellenwerts der Digitalisierung in der Gesellschaft (vgl. Bode 2019, 38f.), muss der Umgang mit digitalen Medien während der Freiheitsstrafe erlernt werden (vgl. Hoven 2019, o.S.). Die gelernte Medienkompetenz hilft den Strafgefangenen sich nach ihrer Entlassung leichter in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Außerdem kann durch die Mediennutzung vermehrt auf die individuelle Bildungsbedürfnisse der Strafgefangenen während des Strafvollzugs eingegangen werden (vgl. Bärnthaler 2017, o.S.).
Aus den genannten ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteilen in Verbindung mit dem digitalen Wandel in der Gesellschaft sowie den Vorteilen, die sich durch digitales Lernen zeigen, ergibt sich die Relevanz das Thema ,E-Learning im Strafvollzug' wissenschaftlich zu betrachten. Bisher gibt es zu der Wirksamkeit von Digitalisierung in Bezug auf den Resozialisierungsprozess und auf die Entwicklung der Strafgefangenen wenig wissenschaftliche Literatur sowie wissenschaftliche Erhebungen. Es ist daher wichtig diese Forschungslücke empirisch zu schließen.
Wie erste Pilotprojekte in einzelnen Justizvollzugsanstalten zeigen, haben auch Anstalten die Notwendigkeit erkannt, digitale Medien für einen gelungenen Resozialisierungsprozess schon während des Strafvollzugs einzubinden (vgl. Wieneke 2019, S. 14).
Eines dieser Pilotprojekte wurde als erfolgsversprechend bewertet und 2009 vom Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI3 ) als Projekt übernommen - die E-Learning Plattform ,E-Learning im Strafvollzug', kurz ,elis4 '. Elis ist die einzige E-Learning Plattform, die im deutschen Strafvollzug genutzt wird. Die Idee ist es, Strafgefangene zu befähigen Medienkompetenz aufzubauen und durch digitale Medien zielgerichtete und individuelle Lernprozesse zu ermöglichen (vgl. Mehden und Hartmann, o.J., o.S.).
Aufgrund des Alleinstellungsmerkmals der E-Learning Plattform elis, ist es wichtig, die Möglichkeiten sowie auch die Herausforderungen genau zu betrachten. Dadurch kann die Lernplattform elis weiterentwickelt und langfristig der Lernfortschritt positiv beeinflusst werden, wodurch der Übergang aus der JVA in die Gesellschaft erleichtert und die Rückfallquote minimiert wird. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit die Frage diskutiert: „Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch E-Learning anhand der Lernplattform ,E-Learning im Strafvollzug'?“
Das Ziel der Arbeit ist es, die Forschungsfrage zu beantworten, indem sowohl ein allgemeiner Überblick über E-Learning und Digitalisierung aufgezeigt, als auch detailliert die Lernplattform elis untersucht wird.
In der Erziehungswissenschaft erweist sich die Freiheitsstrafe sowie Strafgefangene als Klienten der Erwachsenenbildung als Randgebiet. Für ein einheitliches Verständnis über die besonderen Begebenheiten des Strafvollzugs wird zunächst grundlegendes Wissen über die Freiheitsstrafe sowie den Resozialisierungsprozess und das Übergangsmanagement vermittelt (s. Kapitel 2.1).
Mit diesem Grundverständnis wird anschließend das Thema Weiterbildung erörtert (s. Kapitel 2.2). Bildung ist für den Resozialisierungsprozess von große Bedeutung (vgl. Matt 2015, S. 14). Daher ist es wichtig, die Besonderheiten von Weiterbildung in der Erwachsenenbildung zu erläutern und diese anschließend auf den Strafvollzug zu übertragen. Deshalb werden die spezifische Herausforderungen der Weiterbildung im Strafvollzug dargestellt (vgl. Müller-Dietz 2011, S. 874f.).
Ein möglicher Lösungsansatz für die Herausforderungen zeigt sich im E-Learning (s. Kapitel 2.3), was neue Chancen für den Bildungsprozess und auch für die Resozialisierung aufweist. Zur Ausarbeitung der Chancen des digitalen Lernens, wird zunächst auf die Bedeutung des Internets in der Gesellschaft sowie auf die Bedeutung von E-Learning außerhalb des Strafvollzugs eingegangen. Die drei bekannten Lehr- und Lerntheorien werden anschließend auf E-Learning bezogen und durch den Konnektivismus als neue Lerntheorie des E-Learnings ergänzt. Mit diesem Vorwissen über E-Learning lässt sich anschließend ein besseres Verständnis über die Begebenheiten von E-Learning im Strafvollzug erlangen. Da E-Learning im deutschen Strafvollzug ausschließlich über die E-Learning Plattform elis möglich ist, steht diese im Fokus der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 3).
Um die theoretischen Überlegungen empirisch zu unterstützen, wird auf ein qualitatives Interview zurückgegriffen. Die Auswertung anhand der Qualitativen Inhaltsanalyse bringt neue Erkenntnisse, die zu der Weiterentwicklung der E-Learning Plattform elis beitragen könnten.
2 Grundlagen
In diesem Kapitel werden die Grundlagen dargelegt, die zur Beantwortung der zugrunde liegenden Fragestellung wichtig sind. Dafür wird zunächst erörtert, was wesentliche Aspekte der Freiheitsstrafe im Strafvollzug sind, damit die Besonderheiten des Arbeitsfelds nachvollzogen werden können. Außerdem wird die Relevanz des Themas ,E-Learning im Strafvollzug' deutlich. Des Weiteren wird auf Weiterbildung eingegangen, da diese relevant für einen gelungenen Resozialisierungsprozess ist. E-Learning zeigt sich als moderne Alternative den analogen Weiterbildungsprozess zu erweitern. Grundlagen des E-Learnings sowie die Bedeutung des Internets werden daher aufgezeigt.
2.1 Freiheitsstrafe i m deutschen Strafvollzug
Die Freiheitsstrafe ist der Entzug der Freiheit aufgrund eines Deliktes, den die verurteile Person begangen hat. Dieses Urteil muss vor Gericht nach deutschem Recht entschieden werden. Trotz Freiheitsentzug soll der Haftalltag weitestgehend an die Lebensverhältnisse in Freiheit angepasst werden (vgl. Aschemann 2016, o.S.).
Im Strafgesetzbuch sind die gesetzlichen Grundlagen der Freiheitsstrafe in den Paragraphen 38 bis 66 festgehalten. Der Paragraph 38 legt fest, dass eine Freiheitsstrafe in Deutschland maximal 15 Jahre und mindestens einen Monat dauert (vgl. §38 Absatz 2 StGb). Außerdem müssen neben zur Freiheitsstrafe verurteilten Personen, auch diejenigen in eine JVA, die ihrer eigentliche Strafe nicht nachkommen. Das bedeutet, dass Personen, die eine Geldstrafe (vgl. §41 StGb) oder ein Fahrverbot (vgl. §44 Absatz 1 StGb) erteilt bekommen haben und dieser Strafe nicht Folge leisten, für gewisse Zeit die Freiheit entzogen bekommen und in eine JVA müssen. In dieser Arbeit wird kein Unterschied zwischen den Strafgefangenen mit gerichtlich angeordneter Freiheitsstrafe oder der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe5 (vgl. §43 StGb) gemacht. Bei allen freiheitsentziehenden Maßnahmen steht die Schutzpflicht im Vordergrund, die der Staat laut Grundgesetz gegenüber seinen Bürgern gewährleisten muss (vgl. Artikel 2, Absatz 1 und 2). Eine Freiheitsstrafe wird demnach für die Sicherheit der Opfer sowie zum Schutz der Allgemeinheit verhängt (vgl. Trost und Rogge 2016, S. 16).
In diesem Kapitel sollen die Grundlagen dieser Arbeit dargelegt werden. Dafür wird zunächst auf das Vollzugsziel eingegangen. Im Anschluss wird anhand von statistischen Erhebungen gezeigt, weshalb es wichtig ist, die Begebenheiten im Strafvollzug zu überdenken und zu verändern. Zur Verdeutlichung wird dazu die Freiheitsstrafe aus Sicht von Strafgefangenen aufgezeigt. Die Strafgefangenen fühlen sich bei der Entlassung mit der gesellschaftlichen Entwicklung sowie dem digitalen Wandel überfordert. Die Statistiken zur Rückfallquote und die Tatsache der subjektiv empfundenen Überforderung führen zu der Relevanz eines gut betreuten Übergangs, der im darauffolgenden Kapitel beschrieben wird.
2.1.1 Vollzugsziel
Das Ziel der Freiheitsstrafe ist die Personen darin zu unterstützen, nach der Haft ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Dazu gehört auch die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen (vgl. §2 StVollzG). Während des Vollzugs soll schädlichen Folgen entgegen gewirkt werden (vgl. §3 Absatz 2 StVollzG). Unter schädliche Folgen versteht sich beispielsweise die sogenannte Prisonierung, bei der eine Anpassung an das Wertesystem des Strafvollzugs entsteht. Außerdem verlieren die Strafgefangenen durch die vorgegebenen Strukturen ihre Eigen- und Selbstständigkeit (vgl. Rudolph 2013, 728f.). Zudem müssen Gewalthandlungen zwischen Strafgefangenen verhindert werden und allgemein auf die physische sowie psychische Gesundheit geachtet werden (vgl. Matt 2015, S. 29). Dies soll zum einem dadurch ermöglicht werden, dass kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen einzelnen Strafgefangenen entsteht. Zum anderen ist es wichtig, die Lebensbedingungen im Vollzug soweit es möglich ist, dem Leben außerhalb des Vollzugs anzupassen (vgl. §3 Absatz 1 StVollzG). Aufgrund des digitalen Wandels ist es daher wichtig, Digitalisierung, soweit es möglich ist, auch in den Vollzugsalltag einzubringen. Außerdem ist es wichtig, die Strafgefangenen aktiv am Haftalltag zu beteiligen und sie bei dem Erreichen des Vollzugsziel mit einzubeziehen (vgl. §4 Absatz 1 StVollzG).
Das Vollzugsziel lässt sich auch an den Resozialisierungsprozess angliedern. Dabei wird zwischen Vollzugsziel und Vollzugsaufgabe unterschieden. Vollzugsziel ist demnach die Resozialisierung und die Vollzugsaufgabe die Sicherung der Allgemeinheit (vgl. Bode 2019, 68f.). Das Integrationsgesetz knüpft am Vollzugsziel an und ergänzt dieses, indem es zum einen sagt, dass Maßnahmen zur Resozialisierung nicht erst zu Haftende geschehen dürfen, sondern während der gesamten Freiheitsstrafe von Beginn an stattzufinden haben. Außerdem ist die Ermöglichung von Außenkontakten wichtig, wodurch der Bezug zur Außenwelt aufrecht erhalten werden kann (vgl. ebd., S. 74). Inwieweit dies mithilfe von Internetnutzung oder E-Learning unterstützt werden kann, wird im Kapitel 2.3 ,E-Learning' bearbeitet.
2.1.2 Resozialisierung als Vollzugsziel
In der Literatur lässt sich keine eindeutige Definition zu dem Begriff ,Resozialisierung‘ finden (vgl. Maelicke und Wein 2016, S. 34). Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, zunächst den Begriff der Sozialisation zu betrachten, der als Grundlage von Resozialisierung gesehen werden kann. Das Wissen über die Sozialisationstheorie wird im Anschluss mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über Resozialisierung zusammengeführt. Mit diesem Verständnis wird der Begriff ,Resozialisierung‘ definiert.
2.1.2.1 Sozialisation
Der deutsche Sozialphilosoph Georg Simmel und der französische Soziologe Emile Durkheim gelten als wissenschaftliche Begründer des Konzepts der Sozialisation. Die Kernaussage von Georg Simmel ist, dass Menschen sich ständig wechselseitig beeinflussen und so aufeinander einwirken, wodurch ein Geflecht von Regeln und Abhängigkeiten entsteht und so die Gesellschaft entstehen lässt. Emile Durkheim sagt dagegen, dass die Gesellschaft die Persönlichkeit der Menschen nach ihren Bedürfnissen gestaltet, indem diese die Gefühle und Einstellung des Individuums beeinflusst (vgl. Hurrelmann 2012, S. 14). Bei Simmel und Durkheim sowie weiteren Sozialisationstheoretikern (vgl. ebd., S. 15f., S. 30, S. 41) lässt sich erkennen, dass die Theorien entweder die soziologische oder die psychologischen Sicht betrachten.
In der psychologischen Sicht auf Sozialisation wird aus der Perspektive des Individuums gedacht. Im Vordergrund steht die Frage nach der sich ständig verändernden Persönlichkeit des Individuums durch soziale und ökologische Umweltbedingungen (vgl. ebd., S. 41). Die soziologische Sicht stellt die Gesellschaft in den Fokus. Die Gesellschaft gestaltet die Persönlichkeit der Menschen nach den Bedürfnissen der Gesellschaft, indem diese die Gefühle und Einstellung des Individuums beeinflusst (vgl. ebd., S. 14).
Beide Sichten sind wichtige Bestandteile von Sozialisation. Für ein umfassendes Verständnis und zur Vervollständigung der Sozialisationstheorie müssen jedoch die psychologischen und soziologischen Aspekte zusammengeführt werden.
Klaus Hurrelmann hat dies in seinem Modell der produktiven Verarbeitung der Realität getan. Zur Verknüpfung des soziologischen und psychologischen Ansatzes von Sozialisation, entwickelte Klaus Hurrelmann das Modell der produktiven Verarbeitung der Realität. Er beschreibt Sozialisation als einen Prozess, bei dem die Entwicklung der Persönlichkeit in produktiver Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen steht. Insbesondere bezieht er sich hierbei auf die körperlichen und psychischen Grundmerk- male, die er als .innere Realität' bezeichnet und auf die soziale und physikalische Umwelt, die .äußere Realität' (vgl. Hurrelmann 2006, S.8). Die eigene Persönlichkeit wird durch die lebenslange Auseinandersetzung von inneren und äußeren Anforderungen geformt. Dadurch findet eine ständige Weiterentwicklung der Persönlichkeit statt. Hierbei ist zu beachten, dass das Individuum durch die Umwelt zwar stark beeinflusst wird, sie jedoch auch aktiv mitgestaltet und selbst beeinflusst (vgl. ebd., S. 8f.). Jedes Individuum nimmt die Beeinflussungen und Anforderungen der Umwelt anders wahr. Auch die gesellschaftlichen Werte und Normen, die auf jedes Individuum einwirken, werden unterschiedlich aufgenommen, verarbeitet und bewertet. Dadurch entsteht zwischen der Gesellschaft und jedem Individuum eine individuelle Beziehung (vgl. ebd., S. 21). Dabei sollen, anders als es Durkheim beschrieben hat, die Normen, Werte und gesellschaftlichen Strukturen nicht vollständig übernommen werden. Das Ziel der Sozialisation ist eine erfolgreiche Selbstfindung der eigenen Identität und Subjektivität in Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Strukturen. Dadurch wird der Mensch gesellschaftlich handlungsfähig (vgl. ebd., S. 22).
2.1.2.2 Resozialisierung
Resozialisierung wird oft in direktem Bezug mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft verstanden. In der Literatur lassen sich jedoch differenziertere Auslegungen des Begriffs finden.
Nach Scheffler (2011) muss Resozialisierung stattfinden, wenn eine gesellschaftliche Norm verletzt wurde. Grund für den Verstoß gegen diese Norm ist eine unzureichende Integration in die Gesellschaft. Resozialisierung wird in diesem Fall als Aufgabe gesehen, Personen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Geglückt sei die Resozialisierung nach Scheffler, wenn straffällig gewordene Personen nach Ableistung der Sanktion ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung leben (vgl. ebd., S. 720f.).
Für Cornel (2008) ist Resozialisierung ein kriminalpolitisches oder -präventives Programm oder Konzept, das unterschiedlich aufgearbeitet wird, jedoch immer wieder das Ziel verfolgt, Strafgefangene in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen zu einem straffreien Leben zu verhelfen. Dabei ist Resozialisierung als Prozess zu sehen, der sich sowohl im Strafvollzug abspielt als auch nach der Entlassung. Verantwortlich für eine gelungene Resozialisierung ist sowohl der Strafgefangene selbst als auch die Gesellschaft. Durch die Unterstützung der Gesellschaft soll die soziale Ausgrenzung beendet werden und ein normgerechtes Verhalten ermöglicht werden. Bei diesem Prozess ist darauf zu achten, dass die straffällig gewordenen Personen nicht zum Objekt werden, sondern menschenwürdig akzeptiert, respektiert und als Mensch integriert werden (vgl. ebd., S. 841f.).
Eine weitere Auslegung bezieht sich auf die Vorsilbe „Re-“ am Wort Sozialisation. Diese deutet darauf hin, dass es sich um eine erneute Sozialisation handelt. Das heißt, dass davon ausgegangen wird, dass ein Teil der Sozialisation im Strafvollzug, also außerhalb der Gesellschaft stattfand. Demnach werden auch gesellschaftlich anerkannte Normen in diesem Sozialisationsprozess nicht vermittelt, da im Strafvollzug andere Wertevorstellungen im Fokus stehen. Für ein gesellschaftlich anerkanntes und straffreies Leben, wird davon ausgegangen, dass sich die ehemaligen Strafgefangenen wieder in die Gesellschaft sozialisieren müssen (vgl. Maelicke und Wein 2016, S. 35).
Es wird deutlich, dass es keine einheitliche Definition des Begriffs .Resozialisierung' gibt. Trotz der unterschiedlich aufgeführten Erklärungen, haben sie gemein, dass eine Person gesellschaftliche Werte oder Normen gebrochen hat. Als Ziel der Resozialisierung wird immer wieder ein straffreies Leben genannt. Eine gelungene Resozialisierung kann nur langjährig Bestand haben, wenn nicht nur der Aspekt .straffrei' als resozialisiert betrachtet wird. Vielmehr spielen für ein stetig zufriedenstellendes Leben, soziale und psychische Komponenten eine große Rolle (vgl. Matt 2015, S. 22f.). Es hängt sowohl vom Strafgefangenen selbst als auch von der Gesellschaft ab, ob die Resozialisierung erfolgreich ist. Konkrete Unterstützung kann die Gesellschaft leisten, indem sie den ehemaligen Strafgefangenen mit Akzeptanz und Offenheit begegnet. Gleichzeitig ist es aber von Bedeutung, den Strafgefangenen gesellschaftliche Möglichkeiten näher zu bringen. Dazu gehört vor allem individuelle Bildungsprozesse zu ermöglichen, indem Zugang zu digitalen Medien gewährt und Medienkompetenz vermittelt wird (vgl. Bärnthaler 2017, o.S.).
Die Sozialisationstheorie zeigt, dass der Sozialisationsprozess sowie auch der Resozialisierungsprozess von verschiedenen Faktoren abhängen. Dazu zählen körperliche und psychischen Grundmerkmalen sowie die soziale und physikalische Umwelt. Die Persönlichkeit formt sich demnach durch innere und äußere Bedingungen (vgl. Matt 2015, S. 90). Aufgrund des Zusammenspiels von inneren und äußeren Faktoren kann davon ausgegangen werden, dass es schwierig bis unmöglich ist, sich langfristig zu ändern, wenn sich nur die inneren oder nur die äußeren Bedingungen ändern. Gleichzeitig kann trotz gleicher äußerer Umwelt diese anders wahrgenommen werden. Daraus lässt sich schließen, dass die Unterstützung zur Veränderung sehr individuell gestaltet werden muss (vgl. Oehme 2013, S. 793). Für die individuelle Unterstützung bietet die E-Learning Plattform elis vielseitige Möglichkeiten (vgl. Mehden und Hartmann, o.J., o.S.). Zum einen gibt es eine große Anzahl an Programmen, die in verschiedenen Bereiche eingesetzt werden können. Dabei werden sowohl formale als auch informelle Bildungsinhalte vermittelt. Zum anderen kann auch selbstständig in unterschiedlichem Tempo gearbeitet werden. Die Idee ist, bereits während der Freiheitsstrafe die Anschlussfähigkeit und somit die Chance auf berufliche und soziale Integration zu ermöglichen (vgl. Marten 2017, S. 103).
2.1.3 Erhebung zum deutschen Strafvollzug
Bei der aktuellsten veröffentlichten Erhebung des Statistischen Bundesamts wurden in Deutschland 179 Justizvollzugsanstalten gezählt. Darunter fallen sowohl Anstalten des offenen als auch des geschlossenen Vollzugs für Jugendliche, Erwachsene, Männer und Frauen. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern sind die Spitzenreiter mit jeweils 36 Justizvollzugsanstalten, gefolgt von Baden-Württemberg (19 JVAen), Hessen (16 JVAen) und Niedersachsen (13 JVAen). Alle anderen Bundesländer haben maximal zehn JVAen (vgl. Statistisches Bundesamt 2019a). Aktuell verbüßen 43.637 Männer eine Freiheitsstrafe in einer dieser Justizvollzugsanstalten. Hinzu kommen Strafgefangene in Untersuchungshaft (12833 Personen), im Jugendstrafvollzug (3515 Jugendliche), sonstige Freiheitsentziehungsmaßnahmen (1349 Personen) und Sicherungsverwahrung (580 Personen). Die Zahl der inhaftierten Frauen ist mit einer Gesamtzahl von 3.837 Strafgefangenen deutlich niedriger als die Zahl der inhaftierten Männer (vgl. Statistisches Bundesamt 2019b).
Anhand der Studie ,Legalbewährung nach strafrechtlicher Sanktion' lassen sich empirisch begründete Antworten zu der tatsächlich registrierten Rückfallquote erheben. Dies wird erstellt, indem die Daten des Zentralregisters in regelmäßigen Abständen von drei Jahren erfasst werden. Dadurch wird das Rückfallverhalten im dreijährigen Turnus von 2004, 2007, 2010 und 2013 beobachtet und untersucht. Erstmals werden durch eine Studie rückfallstatistische Informationen für das gesamte Bundesgebiet erfasst. Beinhaltet sind alle Sanktionen, die im Straf- und Erziehungsregister eingetragen sind „[...] und für ein einheitliches Bezugsjahr Daten zur Rückfälligkeit in Abhängigkeit vom Delikt, der Sanktion, dem Alter, möglichen Voreintragungen, dem Geschlecht und der Nationalität vorlegen [...]" (Jehle et al. 2016, S. 12 f.). Die Rückfallquote hängt unter anderem von den Faktoren des Alters, des Geschlechts und von der Vorstrafenbelastung ab. Jugendliche weisen mit 40% die höchste Rückfallquote, Personen über 60 Jahre mit 15% die geringste Rückfallquote auf. Auch die Rückfallquote von Frauen ist erheblich niedriger als die der Männer. Zudem lässt sich festhalten, je größer die Vorstrafenbelastung und Sanktionsschwere früherer Verurteilungen, umso höher ist auch die Rückfallquote (vgl. ebd., S. 15). Einen weiteren Faktor, der untersucht wurde, ist die Rückfälligkeit von verschiedenen Deliktgruppen. Durch die Ergebnisse der Studie lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Die Straßenverkehrsdelikte, ohne Einschluss von Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Tötungsdelikte haben eine Rückfallquote von 20% und damit die Geringste. Ähnlich verhält sich die Rückfallrate bei .sexuellem Missbrauch' mit 24%, .sexueller Nötigung' mit 28% und .Betrug' mit 29%. Höhere Rückfallquoten lassen sich bei .Körperverletzung' (39 %), .einfachem Diebstahl' (40 %), Verstöße gegen das .Betäubungsmittelgesetz6 ' (41 %) und .gefährliche und schwere Körperverletzung' (42 %) nachweisen. Die höchsten Rückfallzahlen finden sich bei Tätern von Raubdelikten und schwerem Diebstahl. In diesem Bereich werden etwa 50% erneut straffällig (vgl. ebd., S. 16). In allen Deliktgruppen ist die Rückfallquote nach neun Jahren höher als die Rückfallquote nach drei Jahren nach der Entlassung. Etwa die Hälfte (48%) der ehemaligen Strafgefangenen werden nach einem Zeitraum von neun Jahren erneut strafrechtlich belangt (vgl. ebd., S. 17). Vor diesem Hintergrund scheint es legitim, den Einfluss von digitalen Bildungsprogrammen auf die Verringerung der Rückfallquote zu untersuchen und die eingangsformulierte Hypothese zu untermauern.
2.1.4 Freiheitsstrafe aus Sicht der Strafgefangenen
Die Freiheitsstrafe bedeutet für viele der inhaftierten Personen völlig unbekannte Anforderungen anzunehmen. Eine dieser Anforderungen ist die Isolation und Separation zum sozialen Umfeld. Hinzu kommt der Wandel in der Gesellschaft, den vor allem Strafgefangene von einer langen Haftstrafe nicht mitbekommen. Entlassene Strafgefangene sprechen häufig von einer Überforderung bei der Entlassung, vor allem in Bezug auf den digitalen Wandel (vgl. Wagner 2019, S. 77). Durch die Abgrenzung zur Gesellschaft in Freiheit erleben die Strafgefangenen eine Isolation, die von Goffman (1973) als „Schranke“ (ebd., S. 24) beschrieben wird. Die Isolation zu bisherigen Strukturen, zu sozialen Kontakten sowie die gesellschaftliche und technische Entwicklung führen zu einer Beschränkung der eigenen Persönlichkeit. Die Beschränkung der Persönlichkeit wird durch die verpflichtende Abgabe persönlicher Wertgegenstände (vgl. §83 Absatz 2 StVollzG) und Kleider (vgl. §20 Absatz 1 StVollzG) bei der Inhaftierung bestärkt (vgl. ebd., S. 24). Hinzu kommen Einschränkungen in der Freizeitgestaltung, die ebenfalls die Persönlichkeit beeinflussen.
Aufgrund der starken Begrenzung von Möglichkeiten und der Anpassung an die vorgegebenen Strukturen der JVA wie Zeitvorgaben oder Erfüllen von bestimmten T ätigkeiten, gibt es viele Tätigkeiten, die während der Haftstrafe nicht genutzt oder gemacht werden können. In Bezug auf Digitalisierung ist der Besitzt von Smartphones, Computer und Ähnlichem verboten. Grund dafür ist, dass ein unkontrollierter Zugang zu digitalen Medien Risiken wie medialen Missbrauch mit sich bringen kann (vgl. § 4 Absatz 2 StVollzG). In der Regel gibt es keinerlei Zugang zum Internet7. Dies führt wiederum ebenfalls zu einer starken Eingrenzung der persönlichen Möglichkeiten und damit auch der persönlichen Entfaltung. Es wird vermutet, dass die Isolierung sowie die Einschränkung der Möglichkeiten bei einigen Strafgefangenen einen Verlust der eigenen Rolle hervorruft (vgl. Goffman 1973, S.25). Das kann den positiven Effekt haben, dass die Person den eigenen Charakter neu definiert und die Rolle des Strafgefangenen dabei verloren geht. Denkbar negative Eigenschaften oder Handlungen würden im neuen Rollenbild nicht berücksichtigt werden und stattdessen positive Eigenschaften in den Vordergrund gerückt werden. Der zweite Aspekt des Rollenverlustes geht vom Gegenteil aus und befürchtet, dass positive Charaktereigenschaften verloren gehen oder diese selbst nicht mehr wahrgenommen werden. Durch den Rollenverlust reduzieren sich die Strafgefangenen selbst auf ihre Straftat und somit auf ihre Täterrolle. Positive Handlungen und Eigenschaften werden nicht mehr wahrgenommen. Verliert der Häftling den Glauben an das Gute in sich selbst, ist es schwierig, positive Charaktereigenschaften und Handlungen zu stärken. Der Verlust der eigenen Rolle führt dadurch auch zum Verlust positiver Charaktereigenschaften und positiven Werten, die die Strafgefangenen trotz ihrer Straftaten häufig besitzen (vgl. ebd., S. 24ff.). Die Abgrenzung zur Gesellschaft sowie zur eigenen Persönlichkeit kann außerdem zu einer sogenannten ,Diskulturation‘ führen, die als .Verlern- Prozess' bezeichnet wird. Durch die Anpassung an die neuen Umstände verlernt die Person gesellschaftlichen Strukturen nachzugehen (vgl. ebd., S. 25). Das heißt sowohl Wissen als auch persönliche Eigenschaften können, aufgrund der großen Veränderung, die sich bei einer Inhaftierung ergeben, verloren gehen. Sowohl die Inhaftierung als auch die Freilassung kann belastende und traumatisierende Auswirkungen haben. Grund dafür ist, dass die Strafgefangenen kaum Bewältigungsstrategien für den Übergang zwischen Freiheit in den Strafvollzug oder bei der Entlassung aus dem Strafvollzug in die Freiheit, entwickeln. Aufgrund der extremen Übergangssituation ist es wichtig, die Personen mithilfe eines lebensweltähnlichen Haftalltags zu unterstützen, da- mit sie nach Entlassung den vielen Anforderungen, Anpassungen und Herausforderungen Stand halten können (vgl. Wagner 2019, S. 77). Daher ist es unabdingbar, dass Justizvollzugsanstalten beziehungsweise die Justizministerien umdenken und neue Strukturen entwickeln, um die Strafgefangenen nach Entlassung gezielt auf das Leben in der Gesellschaft außerhalb einer JVA mit allen technischen Fortschritten vorzubereiten. Dazu zählt vor allem einen digitalen Zugang während des Strafvollzugs zu ermöglichen.
2.1.5 Übergangsmanagement
Übergänge lassen sich als Verbindungen von Phasen innerhalb eines Lebenslaufs verstehen. Ein leicht nachvollziehbarer Übergang ist zum Beispiel die Phase zwischen dem Schulabschluss und dem Ausbildungs-, Studium- oder Berufsstart. Aber auch die Phase zwischen dem Beginn der Freiheitsstrafe und der Entlassung stellt einen Übergang dar, auf dem in dieser Arbeit der Fokus liegt.
Aufgrund der unterschiedlichen Merkmale und Entwicklungsaufgaben in Lebensabschnitten gibt es immer wieder neue Herausforderungen, die in Übergangsphasen zu bewältigen sind. Dabei werden Übergänge sowohl institutionell reguliert als auch von den Individuen subjektiv bewältigt und gestaltet. Die Bedeutung des Begriffs ,Übergang‘ lässt sich im Hinblick auf Lebensläufe somit als Konfrontation mit neuen Anforderungen' bezeichnen. Die biografische Anschlussfähigkeit und Passung zwischen zwei Phasen muss aktiv hergestellt werden, da diese nicht im Vorfeld vorhanden ist (vgl. Walther und Stauber 2013, S. 31). Übergänge müssen aus der „Bilanzierung des vergangenen und vor dem Entwurf des zukünftigen Lebens subjektiv Sinn machen" (ebd., S. 31).
Im weiteren Verlauf wird konkret auf die Entlassung aus der JVA als Übergang zwischen Freiheitsstrafe und dem Leben in Freiheit eingegangen, wodurch verdeutlicht wird, welchen Stellenwert Digitalisierung in dieser Phase hat.
2.1.5.1 Übergangsmanagement im Strafvollzug
In Diskussionen in Deutschland ist der Begriff ,Übergangsmanagement‘ für die Entwicklung einer systematischen Wiedereingliederungsstrategie eingeführt worden (vgl. Matt 2010, S. 35). Gleichzeitig wird er als Synonym für die Entlassungsvorbereitung verwendet (vgl. Oehme 2013, 792f.).
Es gibt verschiedene Sichtweise darauf, welche Faktoren als erfolgreich abgeschlossenes Übergangsmanagement gesehen werden. Aus kriminalpolitischer Sicht wird unter einem erfolgreichen Übergangsmanagement, die Reduzierung von Straffälligkeit und die Reduktion von Rückfälligkeit gezählt. Sozialpolitisch gesehen liegt der Fokus auf der beruflichen und sozialen Integration (vgl. Matt 2010, S. 35). Erst wenn beide Perspektiven in Betracht gezogen werden, kann davon ausgegangen werden, dass das Übergangsmanagement erfolgreich ist (vgl. ebd., S. 35).
Übergänge, wie die Entlassung nach dem Aufenthalt in der JVA, sind durch „Reversibilität, Fragmentierung, Gleichzeitigkeit, Diversifizierung und Individualisierung“ (Walther und Stauber 2013, S. 273) gekennzeichnet, was auf Umstrukturierung, Neuanfang, aber auch Unsicherheit hinweisen kann. Übergänge können somit eine Chance sein, das Leben zu ändern, jedoch kann es auch zu einer Überforderung und Hilflosigkeit führen. Für einen erfolgreichen Übergang ohne Anpassungsschwierigkeiten, benötigen die Strafgefangenen daher in der Regel vielfältige Unterstützung (vgl. Oehme 2013, S. 793).
Das zeigt sich an dem Beispiel, dass viele Strafgefangene während ihrer Freiheitsstrafe in der JVA konstruktiv und gewissenhaft mitarbeiten, Berufserfahrungen sammeln, Verantwortung übernehmen und einen strukturierten Tagesablauf haben. Nach der Entlassung können sie dies jedoch nur selten in ihre neu gewonnene Freiheit übertragen. So werden die erlernten Kompetenzen in den neuen Situationen nicht mehr genutzt oder können nicht mehr abgerufen werden (vgl. Matt 2015, S.8). Das hängt damit zusammen, dass die Lebenswelt in der JVA nur wenig mit der Lebenswelt in Freiheit gemein hat (vgl. Wagner 2019, S. 77). Besonders durch die Isolierung von der Gesellschaft während einer Haftstrafe bekommen Strafgefangene nur wenig von den allgemeinen Entwicklungen im gesellschaftspolitischen und vor allem im technischen Bereich mit. Die digitale Vielfalt führt häufig zur Überforderung auf Seiten der ehemaligen Strafgefangenen (vgl. ebd., S. 31). Folgende zentrale Komponenten zeigen sich als relevant für ein erfolgreiches Übergangsmanagement:
- Eine Anpassung der Lebenswelten innerhalb der JVA zu der Lebenswelt der Gesellschaft außerhalb einer JVA (vgl. Matt 2010, S.38)
- die arbeitsmarktorientierte Qualifizierung im Vollzug, die eine sinnvolle Beschäftigung während der Freiheitsstrafe ermöglichen soll, die auch nach der Entlassung noch Vorteile bringen soll (vgl. ebd., S. 35)
- Training der Sozial- und Alltagskompetenzen
- die Vernetzung im sozialen und regionalem Kontext, die dazu beitragen soll nach der Entlassung soziale, berufliche oder beratende Kontakte zu haben (vgl. Walther und Stauber 2013, S.31)
- die eigene Motivation, die dazu führt, dass die durchgeführten Konzepte nachhaltig wirken können (vgl. Matt 2015, S.30).
Übergangsmanagement wird demnach als ganzheitlicher Prozess gesehen, der bei jeder Person unterschiedlich gestaltet werden sollte und unterschiedliche Ausgangslagen hat. Demnach kann eine Maßnahme oder Interventionsmöglichkeit bei einem Strafgefangenen erfolgreich sein und positive Kompetenzen oder Strategien hervorbringen und bei einem anderen keine positiven Auswirkungen zeigen (vgl. ebd., S. 35).
Für eine Verbesserung des Übergangsmanagement kann digitales Lernen beitragen, indem dadurch die Lebenswelten aneinander angepasst werden und durch vielfältige Möglichkeiten, die E-Learning aufweist, können neben Medienkompetenz auch Sozialund Alltagskompetenzen vermittelt werden. Auch die regionale Vernetzung lässt sich zumindest teilweise ermöglichen, indem vor der Entlassung Recherchen durchgeführt werden können.
2.1.5.2 Erfolgreicher Übergang nach Oehme und Matt im Vergleich
Andreas Oehme (2013) vertritt die Ansicht, dass Übergangsmanagement sowohl in einzelnen Bausteinen als auch in der Wechselwirkung dieser betrachtet werden muss. Für ein besseres Verständnis teilt er das Übergangsmanagement in zwei Teilbereiche ein. Zum einen das .strukturelle Übergangsmanagement‘ und zum anderen das .individuelle Übergangsmanagement‘ (vgl. ebd., S. 792f.).
Das .strukturelle Übergangsmanagement‘ zielt auf die Vernetzung von Bildungs- und Übergangsinfrastruktur einer Region ab. Die verschiedenen Unterstützungsangebote sollen aufeinander abgestimmt werden und sich bestenfalls verknüpfen, wodurch ein Netzwerk von Unterstützungsmöglichkeiten entsteht (vgl. ebd., S. 792). Konkret bedeutet das, bereits während des Strafvollzugs soziale Kontakte aufzubauen sowie Möglichkeiten der Beratung, Nachbetreuung oder des Berufseinstiegs ausfündig zu machen.
Das .individuelle Übergangsmanagement‘ soll dazu beitragen, die Personen in ihren individuellen Bedürfnissen zu unterstützen und diese auf ihrem Weg zu begleiten. Es wird davon ausgegangen, dass die Komplexität von Übergängen mit vielfältigen Unterstützungsangeboten zur Überforderung des Strafgefangenen führt. Die Strafgefangenen sind meist nicht in der Lage, selbstständig die passenden Angebote für sich herauszufinden. Daher ist es oft notwendig, mit fachlicher Unterstützung individuell zu entscheiden, welches Angebot sinnvoll ist. Dabei wird wieder die Verknüpfung zum strukturellen Übergangsmanagement hergestellt, da das individuelle Übergangsmanagement sich den Strukturen und Möglichkeiten angliedert (vgl. ebd., S. 793).
Eduard Matt (2010) geht noch weiter und teilt das Übergangsmanagement für ein besseres Verständnis in vier Dimensionen ein. Die Grundidee seiner vier Dimensionen baut auf Merkmalen eines englischen Projektes im Bereich der Wiedereingliederung auf. Für ein erfolgreiches Übergangsmanagement sind nach der Ansicht von Matt die folgenden Faktoren wichtig:
I. Eine Einzelfallorientierung,
II. die Vernetzung mit Institutionen,
III. die Motivation der beteiligten Personen
IV. die Rolle einer nutzbaren IT8 im vorhandenen Prozess (vgl. ebd., S. 36).
,Die Einzelfallorientierung' als erste Dimension baut auf einer individuellen Einschätzung auf, die auf Risiko- und Bedarfslagen der Person eingeht. Gemeinsam wird ein Integrationsplan mit konkreten Aufgaben erstellt, der über die Haft hinausgehen soll. Nur wenn auch Strategien und Perspektiven für die Zeit nach der Entlassung in den Integrationsplan mit einbezogen werden, kann die Einzelfallorientierung zu einem gelungenen Übergangsmanagement führen. Mithilfe eines Integrationsplanes können die individuellen Ziele besser im Auge behalten werden. Sowohl der Klient als auch die unterstützende Person kann die persönliche Entwicklung fördern, korrigieren und wenn nötig, in den Prozess eingreifen und den Integrationsplan anpassen. Ein wichtiger Bestandteil der Einzelfallorientierung zeigt sich beispielsweise in der individuellen Berufsplanung. Die Unterstützung zeichnet sich stark durch Individualität aus, da jeder Strafgefangene unterschiedliche Bedürfnisse, Problemlagen und Fähigkeiten besitzt. Die Mitarbeitenden nehmen also eine wichtige Rolle in diesem Prozess ein (vgl. ebd., S. 36). Jedoch kann eine solche individuelle Betreuung aufgrund von Personalmangel nicht immer umgesetzt werden (vgl. Hombach 2019, o.S.; Götz 2020, o.S.).
Als zweite Dimension für ein gelungenes Übergangsmanagement wird die ,Vernetzung der Institutionen' genannt. Nur durch Kooperationen mit externen Trägern, Bildungs- und Beschäftigungsträgern, Hilfsorganisationen sowie Arbeitsmarktakteuren wie Kammern, Verbände und Arbeitsagenturen lässt sich eine soziale sowie berufliche Wiedereingliederung ermöglichen. Es ist wichtig, ein gemeinsames Bündnis bereits vor der Entlassung herzustellen und die zu entlassende Person im Vorfeld zu motivieren, den Kontakt zu pflegen. Es wird davon ausgegangen, dass es hilfreich ist auf regionaler Ebene Verbindungen zwischen den Strafgefangenen und Institutionen herzustellen. Es bleibt bei dieser Beschreibung von Matt allerdings offen, wie sich Institutionen und Träger einbringen oder ob es eine einseitige Vernetzung ist (vgl. Eduard Matt 2010, S. 36).
Die dritte Dimension, die zu einem erfolgreichen Übergangsmanagement nach Eduard Matt führt, ist die .Motivation der beteiligten Personen'. Diese lässt sich erneut in zwei Unterpunkte teilen: Die Motivation des Personals, ist die Voraussetzung für eine kompetente und engagierte Arbeit. Nur motivierten Mitarbeitenden, seien es Lehrkräfte oder Personal aus anderen Fachdiensten, wird es gelingen, einen positiven Kontakt zu den Strafgefangenen herzustellen. Die Motivation der Mitarbeitenden wird mithilfe didaktischen Arbeitens auch die Strafgefangenen zu produktivem Arbeiten motivieren. Die Motivation der Strafgefangenen ist wiederum Voraussetzung für die Veränderung dessen Verhaltens. Nur wenn die Person sich selbst entscheidet umzudenken und anders als gewohnt zu handeln, kann ein positiver Prozess entstehen und zur erfolgreichen Resozialisierung führen (vgl. ebd., S. 36). Dies wird auch durch die .Desistance'9 Forschung bestätigt, in der es heißt, dass sozialstrukturelle Dimensionen wie Beziehungen, Wohnsituation und die Integration im Berufsleben erst nachhaltig sind, wenn die neue Situation oder die neuen Beziehungen für die Person selbst von Bedeutung sind. Ist dies der Fall, können diese Beziehungen und sozialen Dimensionen Auslöser für einen erfolgreichen Resozialisierungsprozess sein (vgl. Walsh 2016, S. 24). Insbesondere für die Motivation des Strafgefangenen sollte der Fokus auf Stärken statt auf Defizite gelegt werden. Mitarbeitende können diesen Prozess lediglich begleiten und unterstützen. Die Veränderung kann jedoch nur durch den jeweiligen Strafgefangenen selbst stattfinden (vgl. Matt 2015, S. 30).
Als vierte wichtige Dimension wird die .Rolle einer nutzbaren IT im Prozess' benannt. Mithilfe eines übergreifenden Erfassungssystems soll doppelte Arbeit vermieden und ein reibungsloser Datenfluss ermöglicht werden. Dies beginnt bei der Einzelfallorientierung, bei der durch ein Assessment, Daten der Strafgefangenen erhoben werden, die sowohl für den individuellen Integrationsplan als auch für die Verknüpfung und den Kooperationsaufbau mit externen Trägern und Institutionen relevant sind. Neben Risikoeinschätzung und Bedarfsermittlung sollen Verläufe kontrolliert und Veränderungen erfasst werden können. Neben den bereits genannten Chancen soll die Rolle der IT Analysen ermöglichen und damit auch die Erfolge der verschiedenen Vorgehen besser herausarbeiten und eine höhere Transparenz schaffen (vgl. Matt 2010, S. 36f.). Auch wenn Matt bei seiner letzten Kategorie nicht konkret auf E-Learning eingeht, lassen sich seine Argumente dieser Dimension auch auf digitales Lernen beziehen. Durch E-Learning soll die Optimierung des Lernprozesses sowie die individuelle Gestaltung des Lernvorgangs, bezogen auf die Lerngeschwindigkeit, das Lernlevel und die Überprüfung des Lernfortschritts, ermöglicht werden. Dieses Verständnis lässt sich an die vierte Dimension anknüpfen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Oehme als auch Matt ähnliche Aspekte aufzeigen, die für eine erfolgreiche Resozialisierung notwendig sind. Relevant ist vor allem das Zusammenspiel zwischen der Motivation des Strafgefangenen und den individuellen Bedürfnissen in Verbindung mit den regionalen Strukturen sowie neuen Kontakten. Keine Berücksichtigung erhalten dagegen der Mehrwert von Vernetzung und die damit verbundene Motivation für Institutionen und externe Träger, sich mit ehemaligen Strafgefangenen zu vernetzen. Weder im strukturellen Übergangsmanagement noch in der Dimension der Vernetzung mit Institutionen wird darauf eingegangen. Die Vernetzung und die Motivation von Seiten der Institutionen sind allerdings Voraussetzung dafür, dass Kooperationen überhaupt entstehen. Des Weiteren wird die Gesellschaft nicht umfassend berücksichtigt, obwohl diese einen wichtigen Teil zum Resozialisierungsprozess beitragen kann. Die vierte Dimension der Rolle einer nutzbaren IT im Prozess lässt sich in Oehmes Konzept eines Übergangs nicht wiederfinden.
2.2 Weiterbildung
Sowohl die Rückfallstatistiken als auch Erkenntnisse über den Resozialisierungsprozess zeigen die Relevanz der Weiterbildung von Straffälligen auf. Wird über Weiterbildung gesprochen, werden die Begriffe ,Bildung‘ und ,Lernen‘ häufig verwendet. Für eine Differenzierung der Unterscheidungen zwischen den Begriffen ,Bildung‘ und ,Lernen‘ werden beide Begriffe vorgestellt. Anschließend wird der Fokus auf Lernen im Strafvollzug gelegt.
2.2.1 Bildung und Lernen im Vergleich
Es gibt verschiedene Sichtweisen auf den Begriff ,Bildung‘. Der Humanismus wird im Folgenden als grundlegendes Verständnis herangeführt, da dieser zum einen den Bildungsbegriff in der Erziehungswissenschaft prägt, zum anderen findet sich der humanistische Bildungsbegriff in der Literatur in Bezug zu Medienprozessen Erwachsener (vgl. Bettinger 2012, S. 16).
Bildung führt, aus humanistischer Sicht, zur vernünftigen Selbstbestimmung des Individuums. Gebildete Menschen sind politisch und geistig fähig, selbstbestimmt Entschei- dungen zu treffen, die gesellschaftlichen Bedingungen positiv zu verstärken oder zu verändern (vgl. Bettinger 2012, S. 16f.). Geprägt wurde der humanistische Bildungsbegriff vor allem durch Humboldt, der überzeugt war, dass Bildung nicht von vorgefertigten Plänen ausgeht, sondern vom Menschen selbst. Dies bedeutet, dass Bildung vor allem durch Individualität und Selbstbestimmung geprägt ist (vgl. ebd., S. 17). Auch Klafki beschreibt Bildung als "Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung, die die Emanzipation von Fremdbestimmung voraussetzt oder einschließt als Befähigung zur Autonomie, zur Freiheit eigenen Denkens und eigener moralischer Entscheidungen“ (Klafki 1996, S. 19).
Demnach umfasst Bildung sowohl die Individualität des Menschen, in die die Selbstbestimmungsfähigkeit und die Entfaltung menschlicher Stärken und Möglichkeiten einbezogen ist, als auch objektiv-allgemein geltende Inhalte, die aus der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft entstehen (vgl. ebd., S. 26, S. 30).
Aufgrund von Kritik an dem Bildungsbegriff, dass dieser veraltet und idealisierend sei sowie nur eine Minderheit an Personen anspreche, wurden Einzelkomponenten des allgemeinen Bildungsbegriffs eingeführt. Bildung setzt sich demnach aus Qualifikation, Identität und Lernen zusammen (vgl. Bettinger 2012, S. 16f.).
Das heißt, dass Lernen als eine Einzelkomponente von Bildung gesehen werden kann. Durch Lernen erlangt die lernende Person Bildung. Siebert (2010) beschreibt Lernen grundlegend als dauerhafte erfahrungsbezogene Verhaltensänderung. Er definiert „[...] Lernen als Erweiterung des Wissens, der Fähigkeit und Fertigkeit zur Bewältigung von Lebenssituationen [...]" (ebd., S. 191). Da Lebenssituationen von Menschen sich stets verändern und sich auch die Umwelt entwickelt, ist Lernen immer notwendig und nie abgeschlossen. Der Mensch selbst kann dabei seine Umwelt mitgestalten.
Lernen lässt sich nach Siebert in Alltagslernen, Umlernen, Deutungslernen und Reflexives Lernen unterteilen (vgl. ebd., S. 191). Verstanden wird darunter folgendes:
Alltagslernen betrifft alles Lernen, welches das eigene Wissen ergänzt und differenziert, darunter fällt auch die Steigerung kognitiver Komplexität und Skills wie eine neue Sprache zu erlernen. Das Umlernen fokussiert sich auf den Umgang mit neuen Herausforderungen oder neuen Situationen, bei dem der persönliche Wissensstand nicht ausreicht, damit umzugehen. Dieses Umlernen kann zur Folge haben, dass Wissen, das für die neue Begebenheit nicht benötigt wird, verlernt wird (vgl. ebd., S. 191).
Das Deutungslernen bezieht sich auf die Überprüfung und Korrektur von Orientierungsmustern. Dabei wird das Verhalten anderer Personen reflektiert und die Gründe des Verhaltens nachvollzogen, wodurch das eigene Lernen und Verhalten angepasst beziehungsweise optimiert wird (vgl. ebd., S.191).
Reflexives Lernen wird auch als .Lernen des Lernens' beschrieben und bedeutet die eigenen Lernstärken und Lernschwächen zu erkennen. Mithilfe von Lernmethoden sollen die Lernschwächen ausgeglichen und gestärkt werden (vgl. ebd., S. 191).
Für das Lernen Erwachsener hat vor allem die eigene Erfahrung eine große Bedeutung (vgl. Nolda 2015, S. 89). Durch die eigenen Erfahrungen werden Deutungsmuster und Netzwerke aufgebaut, die den Lernprozess beeinflussen. Neu Erlerntes wird mit Erfahrungen oder bereits vorhandenem Wissen verknüpft. Dies bringt im Bereich des Anschlusslernens Chancen mit sich, da durch eine Verknüpfung Erlerntes schneller gefestigt wird. Findet sich keine Verbindung zwischen neu erlernten Inhalten und bereits erworbenen Wissen, wird der Lernvorgang im erwachsenen Alter erschwert. Das individuelle Lernen nimmt allgemein im Erwachsenenalter zu, da durch die Erfahrungen relevante und bedeutsame Wissensinhalte schneller als solche wahrgenommen werden und sich somit mehr darauf fokussiert wird (vgl. Siebert 2010, S. 192).
In der Erwachsenenbildung wird zwischen vier Wissensformen unterschieden: Orientierungswissen, Identitätswissen, Interaktionswissen und Handlungswissen (vgl. Nolda 2015, S. 97).
Unter Orientierungswissen wird die Fähigkeit verstanden sich in der Welt oder dem eigenen Umfeld zu orientieren und zurecht zu finden. Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Lebens, Werten und Normen werden im Orientierungswissen hinterfragt und reflektiert. Aus diesem Grund findet sich diese Wissensform im Kontext der politischen oder religiösen Bildung, bei der solche Fragen im Fokus stehen (vgl. ebd., S.97).
Das Identitätswissen beschäftigt sich in erster Linie mit der eigenen Persönlichkeit in Bezug auf Sicherung von Identität und eine verbesserte Selbstkontrolle. Identitätswissen eignet sich der Lernende zum Beispiel durch kulturelle Bildung, Gesundheitsbildung oder dem eigenen Zeitmanagement an (vgl. ebd., S.97).
Das Interaktionswissen bezieht sich auf die individuelle Handlungsfähigkeit gegenüber dem sozialen Umfeld. Darunter fällt zum Beispiel das Wissen, wie richtig kommuniziert wird oder welche Führungsmöglichkeiten erfolgreich sind (vgl. ebd., S.97).
Durch das Handlungswissen wird dem Lernenden ermöglicht, gegenüber der Welt der Sachen und Symbole handlungsfähig zu werden oder zu bleiben. Darunter fallen beispielsweise das Wissen über Fremdsprachen, EDV10 oder fachbezogene Qualifikationen (vgl. ebd., S. 97).
2.2.2 Relevanz von Bildung und Lernen im Strafvollzug
Sowohl in der Gesellschaft als auch während des Strafvollzugs hat Bildung einen hohen Stellenwert. In diesem Kapitel wird die Relevanz von Bildung und Lernen in Justizvollzugsanstalten aufgezeigt und welche Herausforderungen und Chancen sich dabei ergeben. Daran angeschlossen werden mögliche Lösungsansätze erörtert, die zur Überwindung der Herausforderungen beitragen können.
Häufig wird davon ausgegangen, dass ehemalige Straffällige mit einem festen Job keine Straftaten mehr begehen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht belegt. Hinzu kommt, dass auch beruflich erfolgreiche Personen straffällig werden (vgl. Matt 2015, S. 15). (Berufs-)Bildung während des Strafvollzugs hat sich als notwendige und hilfreiche, aber nicht als hinreichende Maßnahme für erfolgreiche Resozialisierung erwiesen (vgl. Aschemann 2016, o.S.). Bildungsangebote wirken sich demnach positiv aus, führen isoliert aber nicht zu einer gelungenen Resozialisierung. Ergänzend müssen vorrangig Fragen zu der Wohnsituation, der Arbeitsstelle, dem Einkommen und den sozialen Kontakten geklärt werden (vgl. Langenfelder 2007, S. 5). Insbesondere eine feste Arbeitsstelle bringt beispielsweise viele Faktoren mit sich, die für den Ausstieg aus der Straffälligkeit sinnvoll sind. Durch das Ausüben eines Berufs erhält die Person sowohl eine Tagesstruktur als auch das Gefühl nützlich zu sein und etwas zu können, wodurch wiederum das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein ansteigen. Zudem kann mit einem regelmäßigen Einkommen eine Wohnung finanziert sowie gesellschaftliches Ansehen erlangt werden. Ein weiterer Faktor ist der Aufbau eines sozialen Netzwerks, das häufig in Kombination mit einer Arbeitsstelle entsteht. Diese Faktoren können relevant für einen gelungenen Resozialisierungsprozess sein (vgl. Matt 2015, S. 16). Bildungsangebote, sei es zu Basiswissen oder Berufskursen, können somit die Strafgefangenen darin unterstützen, sich in die Gesellschaft zu resozialisieren. Allerdings werden sie nicht unmittelbar dazu beitragen, die Herausforderungen zu beseitigen (vgl. Langenfelder 2007, S. 5).
Neben dem Erlernen von Fachwissen fördert Erwachsenbildung während des Strafvollzugs die Entwicklung von eigenen Potenzialen. Dadurch wird die eigene Persönlichkeit gestärkt und die Identität stabilisiert. Dies geschieht beispielsweise durch Erfolge, positive Rückmeldungen sowie durch Trainieren von Empathie und sozialen Fähigkeiten (vgl. Aschemann 2016, o.S.).
Bettina Langfelder (2007) geht davon aus, dass eine Erhöhung des Bildungsstandards zum einen den Resozialisierungsprozess des jeweiligen Strafgefangenen unterstützt, zum anderen aber auch Vorteile für den Haftalltag mit sich bringt. Durch eine bessere Bildung eröffnen sich dem Strafgefangenen in der Haft neue Einsatzmöglichkeiten in Betrieben. Durch einen Ausbau der Basisbildung können auch Strafgefangene in Betrieben beschäftigt werden, die vorher keine Chance dazu hatten. Hinzu kommt, dass weniger Abhängigkeit unter den Strafgefangenen besteht, da jede Person für sich Anträge, Aushänge oder ähnliches lesen und verstehen kann und nicht auf einen Mithäftling angewiesen ist. Daraus leitet sie ab, dass Bildung zu einer erhöhten Sicherheit in Justizvollzugsanstalten führt (vgl. ebd., S. 7).
2.2.2.1 Herausforderungen und Chancen beim Lernen im Strafvollzug
Bildungsangeboten während des Strafvollzugs stehen besonderen Herausforderungen entgegen. Gefangene Personen sind wie auch die Gesellschaft außerhalb einer JVA, eine heterogene Gruppe. Unterscheidungen finden sich im Alter, in der Herkunft oder dem ethnischen Hintergrund, dem unterschiedlichem Wissens- und Bildungsstand sowie der Motivation und dem Interesse einzelner Personen. In Justizvollzugsanstalten gibt es, anders als außerhalb, weniger Kapazität, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erfahrungen einzugehen (vgl. Müller-Dietz 2011, S. 874). Durch die Heterogenität ist es daher schwierig Bildungsangebote zu schaffen, die viele der Strafgefangenen ansprechen und gleichzeitig dem Vorwissen entsprechen.
Hinzu kommt, dass es überproportional viele Strafgefangene gibt, die die Schule frühzeitig abgebrochen haben und diskontinuierliche Biografien aufweisen. Oftmals fehlen Vorkenntnisse im Bereich der Grundbildung wie Rechenoperationen oder sich Texte selbstständig zugänglich zu machen (vgl. Tröster 2004, S. 6). Selbstverständlichkeiten wie Lesen und Schreiben, führen zu Herausforderungen bei vielen Strafgefangenen. Viele von ihnen haben Schwierigkeiten damit oder sind Analphabeten (vgl. Langenfelder 2007, S. 2f.). Aus diesem Grund wird das Erlernen von neuem Fachwissen für manche unmöglich. Diese Herausforderungen sowie die Anschlussfähigkeit nach draußen müssen bei der Planung der Lern- und Lehrsituation berücksichtig werden (vgl. Tröster 2004, S. 6).
Eine weitere Herausforderung des Lernens in einer JVA ist die fehlende Anonymität, besonders für Analphabeten, denen die Tatsache, nicht lesen und schreiben zu können, unangenehm ist. Sie halten Jahre lang geheim, dass sie nicht lesen und schreiben können. In einer Volkshochschule kann beispielsweise Bildung stattfinden, ohne dass Freunde, Bekannte oder die Familie davon erfahren. Aufgrund der fehlenden Anonymität in der JVA erfahren die anderen Strafgefangenen mit großer Wahrscheinlichkeit von dessen Defizit. Es entsteht ein Schamgefühl, das unterdrückt wird, indem erst gar kein Bildungsangebot wahrgenommen wird oder das Unwissen überspielt wird (vgl. Langfelder 2007, S. 6).
Eine weitere Herausforderung stellt die eigenen Motivation sowie die Freiwilligkeit der Strafgefangenen dar, die häufig gering ist und aus der Intension entsteht, einer Beschäftigung nachgehen zu können, statt zu realisieren, dass Bildung die Möglichkeit einer dauerhaften positiven Veränderung bietet (vgl. Müller-Dietz 2011, S. 876). Die Lernsituation ist für viele unfreiwillig, beengt und bietet kaum Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung. Die Lernenden werden rundum versorgt, aber auch kontrolliert, was die Selbstständigkeit einschränkt. Die JVA bietet zwar eine Lernumgebung mit hoher Stabilität, jedoch auch strengen Regelungen. Obwohl keine Pflicht besteht an den Weiterbildungsangeboten teilzunehmen, kann nicht von einer Freiwilligkeit gesprochen werden, wie sie außerhalb von einer JVA vorhanden ist. Für Strafgefangene liegt die Motivation an der Teilnahme nicht unbedingt an dem Wissenserwerb selbst, sondern an der Tatsache durch Weiterbildungsangebote und guter .Führung', auf eine frühzeitige Haftentlassung hinzuarbeiten (vgl. Aschemann 2016, o.S.). Jedoch wird die freiwillige Teilnahme an einem Bildungsangebot als wichtige Voraussetzung für die Motivation des Einzelnen gesehen. Gleichzeitig wirkt sich die Freiwilligkeit auch auf eine unterstützende Gruppendynamik positiv aus (vgl. Langenfelder 2007, S. 8). Die Gruppendynamik kann während des Strafvollzugs auch ausschlaggebend für den Erfolg eines Bildungsangebotes sein (vgl. ebd., S. 6).
Eine höhere Priorität als die Bildung und Resozialisierung erhält in der JVA die Sicherheit und Ordnung. Aus diesem Grund dürfen Personen mit einem Aggressionspotenzial oder abweichendem Verhalten häufig erst gar keine Bildungsangebote in Anspruch nehmen. Gleichzeitig gibt es einen strukturierten Tagessablauf, in dem Zeiten für Arbeit, Freizeit und Ruhezeit klar vorgegeben sind. Dies wiederum schränkt die Bildungsarbeit der Fachdienste in Hinsicht auf Räumlichkeit, Zeitplanung, Organisation und Personal ein (vgl. Müller-Dietz 2011,874f.). Die Sicherheit wurde zudem Jahre lang dadurch erreicht, den Zugang zu digitalen Medien im Strafvollzug vollständig zu unterbinden. Dadurch konnten Möglichkeiten, die es außerhalb des Strafvollzugs gibt, nicht genutzt werden (vgl. Bärnthaler 2017, o.S.).
Neben den Herausforderungen lassen sich auch vereinzelt Chancen für das Lernen während des Strafvollzugs im Vergleich zum Lernen außerhalb der JVA finden. Zum Beispiel haben Strafgefangene aufgrund der wenigen Freizeit- und Beschäftigungsmöglichkeiten viel Zeit zu Lernen und können daher schnell Fortschritte machen. Viel Zeit ohne sinnvolle Beschäftigung wird als eine der schlimmsten Begleiterscheinungen im Strafvollzug genannt. Statt die Zeit abzusitzen, ohne sich sinnvoll zu betätigen, werden Bildungsangebote oft als willkommene Abwechslung gesehen. Eine weitere Motivation, an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, entsteht bei vielen Strafgefangenen aufgrund der Gleichstellung von Arbeit und Bildung in Bezug auf die Bezahlung. Statt eine Arbeit wie beispielsweise das Verteilen des Essens zu übernehmen, ist es möglich für das gleiche Gehalt einen Bildungsabschluss nachzuholen (vgl. Langenfelder 2007, S. 6).
2.2.2.2 Lösungsansätze zur verbesserten Bildungssituation im Strafvollzug
Für eine gelungene Erwachsenenbildung während des Strafvollzugs ist es notwendig, allgemeine Konzepte der Erwachsenenbildung zu überdenken, zu verbessern und zu erneuern (vgl. Müller-Dietz 2011, S. 873). Wie im Kapitel 2.2.1 .Bildung und Lernen im Vergleich' herausgearbeitet, beschäftigt sich die Erwachsenenbildung mit der Qualifizierung, mit Lernen im Allgemeinen und der Identitätsbildung. Für die Bildungssituation in den Justizvollzugsanstalten bedeutet es, die Konzepte von schulischer, beruflicher Bildung und der Allgemeinbildung zu verbessern sowie durch Beratungsangebote die eigene Identität und Kompetenzen zu stärken. Die Identitätsbildung und die Stärkung von Kompetenzen führen bestenfalls zu einem Umdenken des eigenen Verhaltens. Ein solches Umdenken kann wiederum motivierend auf die schulische oder berufliche Weiterbildung wirken (vgl. ebd., S. 873).
Die Verknüpfung zwischen Bildungsansätzen und Sozialpädagogischen Methoden zur Motivation und Selbstreflexion kann neue Perspektiven eröffnen. Hinzu kommt die Wahrnehmung und Einschätzung über Normen und Werte der Gesellschaft sowie der Umgang mit diesen. Strafgefangene müssen sich aktiv mit gesellschaftlichen Normen und Werten, aber auch mit den Rechten und den Pflichten auseinandersetzen, um diese zu verinnerlichen und sich auf diese nach der Entlassung einzustellen. Zur Erstellung eines effektiven Gesamtkonzept zur Verbesserung der Bildungssituation, sind somit Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung, der Bildung und das Erlernen gesellschaftlicher Normen, Rechts- und Sozialordnungen zu berücksichtigen (vgl. ebd., S. 873f.).
Internationale Empfehlungen raten zu einem möglichst offenen Vollzug in Bezug auf Ausbildungszwecke. Mithilfe von Arbeitstraining und Jobcoaching soll der Einstieg in einen geregelten Arbeitsalltag nach der Entlassung erleichtert werden. Dazu passt auch die 1989 verabschiedete Empfehlung des Europarats, dass Lernangebote in Justizvollzugsanstalten denen außerhalb soweit wie möglich gleichen sollen und dass der Freigang zu Bildungszwecken, wo immer es möglich ist, genutzt werden soll (vgl. Aschemann 2016, o.S.).
Ein weiterer möglicher Lösungsansatz, der mit den Herausforderungen so noch nicht in Verbindung gebracht wurde, ist digitales Lernen in den Justizvollzugsanstalten einzubinden. Dafür wird in den nächsten Kapiteln auf E-Learning eingegangen.
2.3 E-Learning
Eine moderne Möglichkeit, mit den Herausforderungen besser umzugehen und die Anpassungsfähigkeit an die Gesellschaft zu erreichen, ist der Aufbau von E-Learning in Justizvollzugsanstalten. Dies knüpft zum einen an die Internationalen Empfehlungen an, einen möglichst offenen Vollzug in Bezug auf Ausbildungszwecke zu führen sowie zum anderen, an die verabschiedete Empfehlung des Europarats (vgl. Aschemann 2016, o.S.).
Zunächst wird in diesem Kapitel die Bedeutung des Internets für die Gesellschaft dargelegt. Aus diesem Verständnis lässt sich nachvollziehen, weshalb Digitalisierung auch in Lernprozessen eine wichtige Rolle einnimmt. Darauf aufbauend wird auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von E-Learning eingegangen, wozu auch das Verständnis von Mediendidaktik gehört.
2.3.1 Gesellschaftliche Bedeutung des Internets
Die im Jahr 2019 durchgeführte ARD/ ZDF- Onlinestudie hat ergeben, dass mittlerweile 90% der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet nutzt (vgl. Koch et al. 2019, S. 374). Der letzte große Anstieg, von vier Millionen zusätzlichen Internetnutzenden, wurde von dem Jahr 2016 zum Jahr 2017 gemessen (vgl. ebd., S. 376).
Der Anstieg ist besonders in der medialen Internetnutzung, Kommunikation über Chats, Messenger oder Email sowie dem Lesen von digitalen Artikeln und Berichten zu erkennen. Reine Informationssammlungen und ,Googeln‘ erhalten ebenso eine hohe Bedeutung bei der Nutzung digitaler Medien. Hinzukommen Freizeitbeschäftigungen wie der Konsum von Videos und Filmen, Onlinespielen und Audioinhalten, die über digitale Medien angeboten werden (vgl. ebd., S. 378).
Das Internet ist mittlerweile in nahezu allen Lebensbereichen zu finden und hat somit einen hohen Stellenwert in der gesellschaftlichen Teilhabe (vgl. Bode 2019, S.38). Internetnutzung ist in Lebensbereichen der Bildung und Forschung, der Verwaltung von Finanzen, der Kultur und des internationalen Kontext, der Öffentlichkeitsarbeit, der Demokratie und des Staats zu finden (vgl. Bode 2019, S. 43; Haberer et al. 2019, S. 220). Es geht soweit, dass Internet teilweise als menschliches Grundrecht bezeichnet wird. Das zeigt sich beispielsweise in gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit dem Recht von Internetzugang und Mediennutzung beschäftigen (vgl. Bode 2019, S. 50ff.). Die Politik und die öffentlichen Medien sind sich einig, dass auf die Entwicklungen und Bedürfnisse der Gesellschaft eingegangen werden muss (vgl. ebd., S. 38f.). Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Internets verändern sich auch andere Informationsmedien. Die Reichweite von Printmedien und dem Rundfunk kann nicht mit der des Internets mithalten (vgl. Böhm und Esser 2018, S. 17f.). Ein Vorteil des Internets ist, die vielfältigen Darstellungsweisen, wodurch eine Lebendigkeit der Inhalte erzielt wird. Hinzu kommt die Aktualität, die mithilfe kurzer Übertragungsdauer geschaffen werden kann und Nutzern nahezu Echtzeitübertragungen bietet. Außerdem bietet das Internet Interaktivität und Partizipation durch Onlineumfragen, Chats, Kommentarfunktionen und Internetforen. All diese Aspekte führen zur Attraktivität von digitalen Medien, weshalb wiederum analoge Medien immer häufiger digitalisiert werden. Dadurch gibt es beispielsweise immer häufiger Bücher, Zeitungen oder Spiele, die explizit für digitale Medien aufgearbeitet sind (vgl. Bode 2019, S. 40f.). Der Zugriff auf vielfältige Bildungs- und Unterhaltungsangebote setzt einen Zugang zum Internet und zu digitalen Medien voraus. Ein Blick auf nordeuropäische Länder zeigt deutlich, dass die Entwicklung auch in Deutschland weiter fortschreiten wird (vgl. Kampffmeyer 2019, o.S.). Das würde bedeuten, dass zentrale Inhalte immer häufiger online zu finden sind und sich analoge Inhalte verringern werden. Zur Gewährleistung der Grundrechte, wie beispielsweise das freie Informationsrecht, wird auch Digitalisierung während des Strafvollzugs immer bedeutender. Gefangene müssen zwar ihre Freiheitsstrafe verbüßen, dass darf jedoch nicht ihr Recht auf Informationsgewinnung einschränken (vgl. Artikel 19, Allgemeine Erklärung der Menschenrechtsverordnung).
2.3.2 Bedeutung des E-Learnings
„[...] Wir können in der Regel keinen systematischen Unterschied mehr zwischen Lebens- und Medienwelten machen [...]" (Grell et al. 2010, S. 7). Grund dafür ist, dass die digitale Kommunikation sowie digitale Informationsgewinnung unseren Alltag in verschiedenen Lebensbereichen beeinflussen. Damit verschmilzt die analoge, stofflich-physikalische Welt mit der digitalen, virtuellen Welt in gewissem Maße (vgl. Kergel und Heid- kamp-Kergel 2020, S. 58ff.). In Unternehmen und größeren Firmen ist Digitalisierung und E-Learning nicht mehr weg zu denken. Aber auch im Schulunterricht wird digitales Lernen wichtiger, indem vermehrt Medien wie Tablets, Smartphones und PC in die Lehre eingebunden werden (vgl. Witt und Czerwionka 2007, S. 7). Durch die Nutzung neuer Medien verändern sich die Unterrichtsgestaltung sowie die Struktur des Unterrichtens. Neben dem klassischen Unterricht findet sich die beschriebene Veränderung auch in Aus- und Weiterbildungsbereichen wieder. Es lässt sich somit festhalten, dass E-Learning einen immer höher werdenden Stellenwert erhält (vgl. Bode 2019, S. 43).
Dabei lässt sich E-Learning als Lernen mit digitalen Medien und damit das Resultat auf die gesellschaftliche digitale Veränderung in Bezug auf Lernprozesse verstehen (vgl. Kergel und Heidkamp-Kergel 2020, S. 35). Obwohl der Begriff E-Learning im Bildungsbereich kontrovers diskutiert wird, zeigt sich immer wieder eine Gemeinsamkeit, die von Kergel und Heidkampf-Kergel (2020) als „die Verschmelzung von Bildungsprozessen mit digitalen Technologien" (ebd., S. 2) zusammengefasst wird.
Der Beginn von E-Learning zeigt sich bereits in der Zeit der Einführung von Computern um 1980. In dieser Zeit erfuhr auch das computergestützte Lernen an Beliebtheit. Damals funktionierte dies vor allem über Lernplattformen, die auf CD Rom oder Disketten gespeichert waren. Ab Mitte 1990 entwickelte sich das erste E-Learning 1.0 durch die Nutzung des Internets in Bezug auf Lernprozesse. An modernen Hochschulen gab es erste sogenannte Learning-Management-Systeme11, wie Moodle oder Blackboards. Diese wurden als web-based-training etabliert. Der Begriff web-based-training umfasst alle Lehrprogramme, die über das Internet zugänglich sind. Ab etwa 2004 entwickelte sich E-Learning weiter, indem eine Verschiebung des Lehrens zum Lernen entstand. Die Nutzer werden dabei selbst zum Entwickler ihrer eigenen Lerninhalte. Das Internet fungiert als Informationsquelle sowie als Informations- und Kommunikationsplattform im gegenseitigen Austausch. E-Learning ermöglicht somit selbstorganisiertes Lernen in der digitalen Lebenswelt (vgl. ebd., S. 58ff.).
Dabei ist E-Learning nicht als eigene Methode zu verstehen. Vielmehr existiert eine Vielzahl an Varianten des E-Learnings. Es lässt sich üblicherweise in Blended-Learning12 und Online-Learning13 differenzieren, die wiederum weitere Unterkategorien haben (vgl. ebd., S. 2). Außerdem gibt es die Möglichkeit, Anwendungen oder Inhalte auf Online Plattformen zusammenzuschließen. Die Idee dahinter ist es, eine Vernetzung der Inhalte zu ermöglichen und dadurch zielgruppenspezifisch Angebote zu schaffen (vgl. ebd., S. 58ff.). E-Learning bietet neue Lernmöglichkeiten und Lernprozesse. Jedoch ist es notwendig, diese didaktisch sinnvoll aufzuarbeiten und dem Lernenden eine professionelle Anleitung als Unterstützung zu bieten. Zur Umsetzung neuer Lernmöglichkeiten und Lernprozesse mit digitalen Medien, wird Mediendidaktik vorausgesetzt. Nur dadurch kann eine erfolgreiche Anpassung der Lernmethoden an die neuen Medien umgesetzt werden.
Mediendidaktik thematisiert, wie Medien zur Wissensvermittlung und zum Wissensaufbau zielgerichtet im Unterricht eingesetzt werden können. Neben der Vermittlung von Lerninhalten wird auch Medienkompetenz14 geschult und gleichzeitig in gewissem Maße vorausgesetzt. Die Vermittlung von Medienkompetenz geschieht dabei oft nebenbei, indem durch die Nutzung des Mediums neues Medienwissen erlangt wird (vgl. Kerres 2018, S. 55).
Mediendidaktik ist neben der Medienerziehung, eine Disziplin der Medienpädagogik. Medien werden im Kontext der Medienerziehung aus pädagogischer Sicht betrachtet, untersucht und bewertet. Dabei werden die lernförderlichen Wirkungen sowie der gesellschaftliche Einfluss von Medien untersucht und eingestuft (vgl. Witt und Czerwionka 2007, S. 22). Der Begriff der .Gestaltungsorientierten Mediendidaktik‘ stellt sich die Fragen, ob ein mediengestütztes Lernangebot zum Lösen eines Bildungsproblems beiträgt (vgl. Kerres 2018, S. 74). Es wird davon ausgegangen, dass mediengestützte Lernangebote sowie die Nutzung digitaler Medien im Lernkontext Potenzial haben, das Lernen zu fördern (vgl. ebd., S.76). Diese Annahme vertritt auch das IBI, weshalb digitale Medien im Strafvollzug eingesetzt werden.
[...]
1 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die genderneutrale oder vereinzelt die männliche Form genutzt, die jedoch jederzeit alle Geschlechter miteinbezieht.
2 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Abkürzung JVA verwendet.
3 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Abkürzung IBI verwendet.
4 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Abkürzung elis verwendet.
5 Pro Jahr werden schätzungsweise 50.000 Personen inhaftiert, obwohl ein anderes gerichtliches Urteil vorliegt (vgl. Maelicke und Suhling 2018, S. 49).
6 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Abkürzung BtMG verwendet.
7 Informationen stammen aus Gesprächen während des Ehrenamtlichen Projekts „Knast Gruppe“ des Fachbereichs Jura, der Johannes Gutenberg Universität, Mainz.
8 IT steht für Informationstechnik.
9 Unter Desistance versteht sich der nachhaltige Ausstieg aus der Kriminalität. Mehr zur Begriffserklärung findet sich in der Literaturstudie „Desistance from Crime“ (Hofinger 2013, S. 1).
10 Der Begriff ,EDV‘ steht als Abkürzung für elektronische Datenverarbeitung.
11 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Abkürzung LMS verwendet.
12 Blended-Learning kombiniert die Vorteile aus einer Präsenzveranstaltung mit E-Learning.
13 Online-Learning bezieht sich ausschließlich auf digitale oder elektronische Inhalte.
14 Unter Medienkompetenz versteht sich der sichere Umgang mit digitalen Medien. Medienkompetenz wird vermehrt als Grundkompetenz gesehen, dass sie in immer mehr Bereichen nötig ist (vgl. Röthler und Schön 2017, S. 4).
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