Zum Machtüberhang in der interkulturellen Kommunikation zwischen Sozialarbeiter*innen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2018

14 Pages, Note: 1,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kulturbegriff

3. Interkulturelle Kommuniaktion

4. unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF)

5. 4- Dimensionen Modell zu Interkulturellen Kommuniaktion nach Auernheimer
5.1 Einführung
5.2 Machtasymmetrie
5.3. Kollektiverfahrungen
5.4 Fremdbilder
5.5 Differente Kulturmuster

6. Erkenntnisse für das Konzept der interkulturellen Kompetenz und Aneignung dieser

7. Kritische Reflexion des Modells und Ausblick

8. Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Flüchtlingsströme in den vergangen Jahren nach Europa führten zu einem Anstieg der interkulturellen Begegnungen mit Geflüchteten in Deutschland. Einen Begegnungspunkt stellt die Kinder- und Jugendhilfe dar. Nach der Ankunft der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (umF) werden diese durch die Kinder- und Jugendhilfe in Obhut genommen. Statistische Erfassungen des Bundesministeriums für Migration und Bildung zeigen den Anstieg: 2014 wurden 11.642, 2015 42.309 und 2016 44. 935 (BAMF 2017) unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Obhut genommen. Diese Daten legen nahe, dass die alltägliche Arbeit der Fachkräfte in der Kinder-und Jugendhilfe durch interkulturelle Begegnungen geprägt ist.

Flüchtlinge differenzieren sich im ethnischen, kulturellen und religiösen Kontext von deutschen Sozialarbeiterinnen, was zu Schwierigkeiten und Missverständnissen in der interkulturellen Kommunikation führen kann. Seit den 1990er Jahren besteht der Diskurs um eine Aneignung einer interkulturellen Kompetenz. Die zunehmende kulturelle Pluralität in Deutschland bestrebte zu einer Aneignung einer Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen konfliktfrei kommunizieren zu können und sie auf der Basis ihrer Wertevorsteilungen zu verstehen. Diese Fähigkeit lässt sich laut dem Konzept der interkulturellen Kompetenz erwerben, indem man sich neues Wissen, Haltungen und Handlungsstrategien aneignet (vgl. Broszinsky-Schwabe 2017, S.37 /Auernheimer 2013, S.62). Das Spektrum der angebotenen Trainings workshops, Beratungen, Fort-und Weiterbildungsprogramme für Mitarbeiterinnen in sozialen Berufen ist in den letzten Jahren zunehmend angestiegen und damit auch der kritische Diskurs um die Wirksamkeit dieser Konzepte.

In einem Praktikum begleitete ich zwei Jugendwohngruppen. In einer wohnten in Deutschland geborene Jugendliche und in der anderen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Im Vergleich ergaben sich in der alltäglichen Arbeit mit umF häufiger Verständigungsprobleme zwischen den Sozialarbeiterinnen und den Jugendlichen als in der anderen Wohngemeinschaft. Ich fragte mich, worauf dieses Phänomen zurück zu führen ist und machte zunächst die geringeren Sprachkenntnisse der umF und die kulturellen Unterschiede verantwortlich. Im unüberschaubaren Diskurs über die Aneignung der interkulturellen Kompetenz, entschloss ich mich dazu, den Fokus erstmal auf die interkulturelle Kommunikation zwischen zwei Kommunikationspartnerinnen zu setzten um Faktoren zu beleuchten, die für die steigende Tendenz an Missverständnissen in interkulturellen Begegnungen verantwortlich sind.

Dazu werde ich im ersten Schritt eine Eingrenzung des Kulturbegriffs vornehmen, um ein grundlegendes Verständnis für die weitere Ausarbeitung zu legen. Im Anschluss werde ich die

Besonderheiten, die sich in einer interkulturellen personalen Kommunikation zweier Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Kontext ergeben, beleuchten.

In meiner Recherche traf ich schließlich auf das Modell der interkulturellen Kommunikation von Auernheimer. Dieses begründet mehrere Faktoren für Verständigungsprobleme in der interkulturellen Kommunikation. Auernheimer fokussiert in seinem Modell den Machtaspekt in interkulturellen Begegnungen, das eine andere Perspektive auf den Diskurs in der interkulturellen Kompetenz wirft und mich zur Auseinandersetzung des Einflusses des Machtzusammenhangs in der interkulturellen Kommunikation verleitete. Auernheimer behauptet, dass sich die unterschiedliche Erwartungshaltung der Kommunikationspartner*innen nicht nur auf differente Kulturmuster, Fremdbilder und unterschiedliche Kollektiverfahrungen zurückführen lässt. Ersteht somit kritisch der reinen Aneignung von Wissen über andere Kulturen zur Minimierung von Verständigungsproblemen gegenüber. Die deskriptive Beschreibung des Modells werde ich direkt in Verbindung mit Beispielen aus der Praxis zwischen Sozialarbeiterinnen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen setzen.

In der abschließenden Reflexion setze ich mich kritisch mit den Erkenntnissen des Auernheimer Models auseinander und erläutere, worauf bei dem Erwerb der interkulturellen Kompetenz zu achten ist,

2 Kulturbegriff

Der Kulturbegriff lässt sich nicht einheitlich definieren. Abhängig vom Betrachter, Kontext oder Wissenschaftsbereich variiert seine Bedeutung. In der folgenden Ausarbeitung lehne ich mich an die Grundzüge der Vorstellungen über den Kulturbegriff der modernen Kulturantrhopologie an. Kultur versteht sich hier als ein System von Überzeugungen, Konzepten, Einstellungen und Werteorientierungen, die sich im Verhalten und Handeln der Menschen sowie in der geistigen und materiellen Produktion niederschlagen (vgl. Maletzke 1996, S.16).

3 Interkulturelle Kommunikation

Für die interkulturelle Kommunikation lässt sich, wie für den Kulturbegriff, im wissenschaftlichen Diskurs keine Definition determinieren. In der Wissenschaft könnte der Begriff der interkulturellen Kommunikation in eine enge und weite Begriffsdeterminierung unterteilt werden.

In Betrachtung des engen Begriffs findet die interkulturelle Kommunikation direkt in der Interaktion zwischen zwei Personen statt. Im Verständnis des weiter gefassten Begriffs, wird die in den Medien thematisierte interkulturelle Kommunikation, also über den interaktiven Dialog hinausgehende Kommunikation, eingeschlossen (vgl. Broszinsky-Schwabe2017, S.47).

In meiner Ausarbeitung werde ich wie bei Broszinsky die interkulturelle Kommunikation als „personale Begegnung" (zit. n. Broszinsky-Schwabe 2017, S.47) oder face-to-face-communication, zweier Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Kontext bezeichnen, die sich also in ihren Überzeugen, Erwartungen, Werteorientierungen unterscheiden. Maletzke ergänzt, dass sich die beiden Kommunikationspartnerinnen ihrer wechselseitigen Fremdheit bewusst sein müssen. Sie greifen somit nicht nur auf ihre eigenen Einstellungen, Konventionen, Alltags Verhaltensweisen zurück, sondern erfahren andere Kodes und Verhaltensformen (vgl. Maletzke 1996, S.37). Spannungsfelder, wie „Eigenheit und Fremdheit, Identität und Andersartigkeit, Familiarität und Bedrohung, Normalität und Neues zentral Verhalten, Einstellung, Gefühle und Verstehen"(zit. n. Maletzke 1996, S.37) bestimmen somit die interkulturelle Kommunikation.

Damit konzentriere ich mich auf die situative, dialogische Interaktion kulturell unterschiedlicher Kommunikationspartner*innen und daraus resultierende Missverständnisse, die sich im Alltag zwischen einem/r Sozialarbeiterin und einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling ergeben können. Die Eingrenzung des Begriffs vernachlässigt die Betrachtung der interaktiven Kommunikationsmöglichkeiten, wie einen schriftlichen und technischen Austausch.

Bei einer personalen Begegnung lassen sich verschiedene Instrumente der Kommunikation beobachten. Unter verbaler Kommunikation werden alle Mitteilungen verstanden, die über das Medium der Sprache ausgedrückt werden. Dabei lassen sich auch die paraverbalen Signale, wie beispielsweise Stimmlage, Redetempo, und Lautäußerungen erkennen. Zur nonverbalen Kommunikation zählen Signale des Körpers, wie Gestik und Mimik (vgl. Broszinsky-Schwabe 2017, S.32f.).

Entscheidend für das gegenseitige Verständnis ist die richtige Entschlüsselung dieser verbalen und nonverbalen Zeichen. Diese Zeichen und Symbole werden in der Sozialisation einer Gemeinschaft erlernt und oft unbewusst ausgeführt (vgl. Broszinsky-Schwabe 2017,S.38). Da verschiedene Kulturen unterschiedliche Sprachen, Symbole und Zeichen verwenden, kann dies zu Missverständnissen und Unverständnis in interkulturellen Begegnungen führen. Die Ursache der Verständigungsprobleme kann auf unterschiedlichen Ebenen zurückzuführen sein. Verbale Ausdrücke, Signale der Körpersprache oder Verhaltensmuster können falsch interpretiert werden (ebd. Broszinsky-Schwabe 2017,S.38).

4 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF)

Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) lässt sich durch drei Kennzeichen beschreiben. Die Person ist minderjährig, also unter 18 Jahre alt, drittstaatenangehörig und unbegleitet. Dies bedeutet, dass er/sie ohne einen erwachsenen Verantwortlichen, der nach deutschem Recht sorge- oder erziehungsberechtigt ist, nach Deutschland geflüchtet ist(vgl. Hocks; Leuschner 2017, S.18).

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden mit ihrer Ankunft in Deutschland durch den § 42 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII der Kinder- und Jugendhilfe in Obhut genommen (vgl. Walhalla, S. 72). In meiner Ausarbeitung verwende ich die Abkürzung umF, da sie dem schnelleren Lesen dient.

5 4-Dimensionen Modell zu Interkulturellen Kommunikation nach Auernheimer

5.1 Einführung

Auernheimer, ein deutscher Erziehungswissenschaftler, entwickelte in Folge der unüberschaubaren Diskussion über das Konzept der interkulturellen Kompetenz ein 4- Dimensionen Modell zur interkulturellen Kommunikation. Er grenzt damit die Komplexität des interkulturellen Kompetenzdiskurses zunächst auf die Betrachtung der interkulturellen Kommunikation ein. Auernheimer kritisiert in dieser Debatte der interkulturellen Kompetenz, dass Missverständnisse auf die differenten Kulturmuster reduziert werden(vgl. Auernheimer 2003, S.184). Demzufolge integriert er in seinem Model Machtstrukturen und Stereotypisierungs Vorgänge und erhofft sich durch die Erkennung weiterer Störungsmuster die enge Sicht auf differente Kulturmuster zu überwinden und diese nicht eigenverantwortlich für Missverständnisse in interkulturellen Begegnungen zu betrachten (vgl. Auernheimer 2003, S.183/Auernheimer 2013, S. 37f.).

Als Ursache von Kommunikationsstörungen im Allgemeinen benennt Auernheimer die unterschiedliche Erwartungshaltung der Kommunikationspartner in einer personalen Begegnung. Die Unterschiede in der Erwartungshaltung ergeben sich aus den spezifischen Lebenskontexten und die damit verbunden Vorstellungen sowie den gesammelten Erfahrungen und Stereotypen. Abweichende Normen, Werte und Rollenerwartungen tragen somit zu Verständigungsproblemen bei (vgl. Auernheimer 2003, S.184).

Zieht man das 4 Ohren-Modell von Schulz von Thun hinzu ergeben sich die Kommunikationsstörungen durch die Erwartungsebenen in der Selbstoffenbarungs-, Appell- und in der Beziehungsebene (vgl. Schulz von Thun 2004, S.13T). Diese sind im Gegensatz zur Sachebene schwer thematisierbar, lassen sich schwer klären und sind meistens unbewusst (vgl. Auernheimer 2003, S. 184). Auernheimer macht die Beziehungsebene primär für Störungen der interkulturellen Kommunikation verantwortlich. Somit bleiben Missverständnisse bei interkulturellen Begegnungen oft erstmal unbemerkt, erregen aber bei dem/der Gesprächspartner*in mögliche Irritationen, Antipathie oder negative Gefühle. Folglich könnte es zu Kommunikationsabbrüchen oder aggressiven Reaktionen kommen oder aber zu Lerneffekten, nachdem die Missverständnisse erkannt wurden und im Nachhinein für zukünftige Kommunikationssituationen genutzt werden (ebd., S.184).

Ausgehend von den Bedingungen, die sich bei interkulturellen Begegnungen ergeben, beschreibt Auernheimer 4 Dimensionen, die die Erwartungshaltung der Kommunikationspartner*innen beeinflussen.

1. Die Machtasymmetrie
2. Kollektiverfahrungen
3. Gegenseitige Fremdbilder
4. die Kulturelle Dimension

5.2 Machtasymmetrie

Nach Auernheimer sind die meisten interkulturellen Begegnungen geprägt von Ungleichheiten. Er verweist zunächst darauf, dass Macht nicht mit Herrschaft gleichzusetzten sei. Macht ergibt sich aus den ungleichen Zugangs Voraussetzungen zu Ressourcen der Kommunikationspartner (vgl. Auernheimer 2003, S. 186).

Bourdieu differenziert den Zugang zu Ressourcen in soziales, kulturelles oder ökonomisches Kapital (vgl. Bourdieu 1992, S. 49.ff.) Bourdieu argumentiert, dass die Position in einer Gesellschaft nicht nur abhängig ist vom individuellen Habitus einer Person, sondern die Ausstattungen und Zugängen zu den drei Kapitalsorten entscheidend sind. So gleicht er sich mit Auernheimer, dass der Zugang zu Ressourcen ausschlaggebend für Ungleichheiten ist.

Nach Auernheimer spiegelt sich Macht im institutionellen Status, sozialen Beziehungen oder im Zugang zu Informationen wieder. Er selbst nennt als Beispiel für ein Machtverhältnis den/die Sozialarbeiterin gegenüber seines/r Klientin (vgl. Auernheimer 2013, s. 52). Begründen lässt sich dieses Machtverhältnis dadurch, dass derjenige, der Einfluss nehmen kann und Regeln setzen kann zum Überlegenen wird und der andere sich diesen fügen muss.

Norbert Elias bezeichnet Macht in seiner Machttheorie als „Struktureigentümlichkeit aller menschlichen Beziehungen" (zit. n. Wolf 2007, S. 105). Die menschlichen Beziehungen kennzeichnen sich durch zwei zentrale Merkmale. Zum einem durch Abhängigkeiten. Elias geht davon aus, dass es Menschen nicht egal sei, was andere tun, denken oder fühlen. Als zweites seien Menschen auf andere Menschen angewiesen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und Unbehagen zu vermeiden. Dies erzeugt gegenseitige Abhängigkeiten und beeinflusst Machtbalancen. Macht entsteht, wenn der eine von dem anderen stärker abhängig ist. Diese „Machtdifferentiale" (zit. ebd., S. 106) sind allerdings nicht statisch. Sie können mit verändernden Bedürfnissen abschwächen oder stärker werden. Norbert versteht Macht also nicht als Merkmal eines einzelnen Menschen, sondern als Bestandteil von sozialen Beziehungen (vgl. ebd. Wolf 2007, S. 106). Somit fokussiert er wie Auernheimer die Beziehungsebene.

Inwieweit ein Abhängigkeitsverhältnis verstärkt in der sozialen Arbeit mit umF als mit deutschen Kindern oder Jugendlichen vorgibt, verdeutlichen die folgenden Beispiele.

Verschiedene Zugänge in der Arbeit zwischen Sozialarbeiterinnen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen lassen sich rechtlich, politisch, gesellschaftlich erkennen. Für zugewanderte Menschen gelten ausländerrechtliche Regelungen und damit verbunden Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, Arbeitsmarktregelungen etc. Zwar ist die Lage der Geflüchteten heterogen, einige verfügen über einen ungesicherten Aufenthaltsstatus, andere über ein Asylverfahren und wieder andere über eine Duldung. Homogen ist ihr rechtlicher Status aber im Vergleich zu den Sozialarbeiterinnen oder einheimischen Kindern- und Jugendlichen für die Ausländergesetzte nicht gelten. Auch wenn umF in ihr Heimatland nur abgeschoben werden können, wenn ein Personenberechtigter, ein Familienmitglied oder eine geeignete Aufnahmeeinrichtung (AufenthG §58 Satz 1 Absatz la, BMJV) gefunden wird, müssen Sozialarbeiter*innen darauf eingestellt sein, dass bei einer Abschiebung der Kontakt zwischen einer Sozialarbeiterin und dem umF abrupt abbrechen kann.

Sozialarbeiterinnen sind durch ihre institutionell bedingte Autorität prinzipiell ihren Klienteninnen gegenüber mit mehr Macht ausgestattet (vgl. Schroeter 2004, S.22). Dies verstärkt sich, da die Sozialarbeiterinnen in den meisten Fällen an der deutschen dominanten Mehrheitskultur partizipieren, die umF allerdings einer anderen Kultur entstammen, die in Deutschland eine Minderheit darstellt (vgl. Auernheimer 2003, S. 186/Auernheimer 2013, S. 51).

In Gesprächssituationen ergibt sich ein Machtgefälle aufgrund der geringeren deutschen Sprachkenntnisse der umF gegenüber den Sozialarbeiterinnen (vgl. Auernheimer 2013, S. 50). In Beratungsgesprächen, der Ausländerbehörde und weiteren Institutionen ergibt sich demnach nicht selten, dass die Sozialarbeiterin für den umF spricht. Es besteht die Gefahr, dass die Sozialarbeiterin eine paternalistische Haltung einnimmt und den umF bevormundet. Dies kann in einer fürsorglichen oder herablassenden Art erscheinen. Mangelnde Sprachkenntnisse können dazu führen, dass das Gespräch von einem Gesprächspartner gelenkt wird (vgl. Schroeter 2004, S.23).Auernheimer problematisiert, dass der Unterlegene die meist nonverbal auferlegten Beziehungsdefinition des Mächtigeren akzeptieren bzw. sich fügen muss. In der täglichen sozialen Arbeit mit umF lassen sich also Machtverhältnisse und Abhängigkeiten erkennen, die die interkulturelle Kommunikation beeinflussen können.

Auernheimer zielt mit der Betrachtung von Asymmetrien in interkulturellen Begegnungen darauf ab, die Ursache von Missverständnissen und problematischen Konstellationen nicht vorrangig auf differente Kulturmuster zu schieben. Seiner Ansicht nach werden Kommunikationsprobleme durch Stereotype und kulturelle Codes noch verstärkt (vgl. Auernheimer 2013, S. 51).

5.3 Kollektiverfahrungen

Kollektive Erfahrungen sind in interkulturellen Begegnungen nach Auernheimer entscheidend, da sie die gegenseitige Wahrnehmung bestimmen (vgl. Auernheimer 2003, S. 187). Voraussetzung dabei ist, dass sich beide Gesprächspartner als Mitglied einer Outgroup wahrnehmen. Sie können zum einen unterschiedlich geschichtliche kollektive Erfahrungen oder aktuelle kollektive Erfahrungen gesammelt haben. Unter aktuellen Kollektiverfahrungen fasst Auernheimer die Rassismuserfahrungen von Minderheiten zusammen. Mit Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland nahm auch die Radikalisierung zu. Wer nicht als „deutsch", „weiß" oder mehrheitsangehörig angesehen wird, ist regelmäßig Diskriminierungssituationen ausgesetzt (vgl. Melter 2018, S. 224ff.).

Auernheimer betont die Notwendigkeit, dass sich Sozialarbeiterinnen möglichen Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen ihrer Klientinnen bewusst sind, die sich im Verhalten der umF wiederspiegeln können (vgl. Auernheimer 2003, S. 187). Auch historische Kollektiverfahrungen aus zurückliegenden Kriegen und Kriegsverbrechen könnte die Kommunikation mit umF beeinflussen. Als in Europa lebende/r Sozialarbeiter*n muss man damit rechnen, dass beispielsweise im Gespräch mit Flüchtlingen aus der dritten Welt frühere Kolonialgeschichten des Herkunftslandes die Kommunikation beeinflussen. Derzeitige Hauptherkunftsländer von umF in Deutschland sind Afghanistan, Eritrea, Somalia, Guinea und Syrien (vgl. BumF, S.3). Fluchtgründe sind Kriege, wie derzeitig im Nahen Osten, Verfolgungen oder wirtschaftliche Verhältnisse im Heimatland. Traumatische Erlebnisse stellen eine kollektive Erfahrung für Kriegsflüchtlinge dar.

Auernheimer verdeutlicht, dass oftmals historische Kollektiverfahrungen durch aktuelle bestätigt werden (vgl. Auernheimer 2003, S. 187). Folglich können Kollektiverfahrungen von umF zu problematischen Verhalten gegenüber den Sozialarbeiterinnen aufzeigen. Mit Überempfindlichkeit, Aggressivität, Rückzug und Misstrauen müssen Sozialarbeiterinnen in interkulturellen Begegnungen rechnen. Auernheimer kritisiert, dass Verhaltensmuster nicht reflektiert werden, sondern auf die „fremde Mentalität" zurückgeführt" (zit. Auernheimer 2003, S.188)werden.

[...]

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Zum Machtüberhang in der interkulturellen Kommunikation zwischen Sozialarbeiter*innen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Note
1,0
Année
2018
Pages
14
N° de catalogue
V987211
ISBN (ebook)
9783346344397
ISBN (Livre)
9783346344403
Langue
allemand
Mots clés
machtüberhang, interkulturellen, kommunikation, sozialarbeiter*innen, flüchtlingen
Citation du texte
Anonyme, 2018, Zum Machtüberhang in der interkulturellen Kommunikation zwischen Sozialarbeiter*innen und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/987211

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