Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach HGB und IFRS


Bachelorarbeit, 2017

40 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung und Problemstellung

2 Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten nach HGB
2.1 Definition
2.2 Ansatz und Erstbewertung
2.3 Folgeb ewertung
2.4 Ausweis in der Bilanz

3 Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten nach IFRS
3.1 Definition
3.2 Klassifizierung
3.3 Ansatz und Erstbewertung
3.4 Folgeb ewertung
3.4.1 Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten
3.4.2 Bewertung zum Fair Value
3.4.3 Ermittlung des Fair Value nach IFRS 13
3.5 Ausweis

4 Analyse und Vergleich der Bewertungsvorschriften nach IFRS und HGB
4.1 Problematik und Konsequenzen der Fair Value Bewertung
4.2 Analyse des Anschaffungskostenprinzip

5 Okonomisches Fallbeispiel
5.1 Annahmen des Fallbeispiels
5.2 Bewertung nach HGB
5.3 Bewertung nach IFRS
5.4 Interpretation der Ergebnisse

6 Fazit

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bilanzansatze des Darlehens am Bilanzstichtag bei Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten nach HGB

Tabelle 2: Fair Value des Darlehens bei einem non-performance risk von 3 %

Tabelle 3: Bilanzansatze des Darlehens am Bilanzstichtag bei Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten unter Anwendung der Effektivzinsmethode nach IFRS

Tabelle 4: Gegenüberstellung der Bewertung nach HGB und IFRS- absolute Werte

Tabelle 5: Gegenüberstellung der Bewertung nach HGB und IFRS- relative Werte

1 Einleitung und Problemstellung

Die Bewertung von Finanzinstrumenten, insbesondere von Verbindlichkeiten nach internationalen Rechnungslegungsstandards, ist seit der Finanzkrise 2007 ein kontrovers diskutiertes Thema in der Rechnungslegung. Vor allem die Bewertung von Verbindlichkeiten zum Fair Value, der als ein zentrales Bewertungskonzept der IFRS für Vermogen, Eigenkapitalinstrumente sowie Schulden gilt und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Wirtschaft standen dabei im Mittelpunkt. Weiter angeregt wurde die Diskussion durch die Veroffentlichung des IFRS 13 im Jahr 2011, der einen Rahmen zur Bemessung des Fair Values gibt. Folglich ist das Thema der vorliegenden Arbeit auch aus einer praxisrelevanten Perspektive und Problematik entstanden. Die Motivation liegt darin, nicht nur die Unterschiede der Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach IFRS und HGB aufzuzeigen, sondern auch die okonomische Relevanz der Problematik der Bewertungsunterschiede hervorzuheben.

Ziel der Arbeit ist die Darstellung der Unterschiede der Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach HGB und IFRS sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Bilanzinformationen in Hinblick auf das qualitative Kriterium der Verlasslichkeit. Der grundlegende Unterschied in der Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten zwischen HGB und IFRS ist die Zugangsbewertung aller finanziellen Verbindlichkeiten zum Fair Value nach IFRS sowie die Folgebewertung bestimmter finanzieller Verbindlichkeiten zum Fair Value nach IFRS, wohingegen nach HGB alle finanziellen Verbindlichkeiten zu fortgeführten Anschaffungskosten folgebewertet werden.

Hierbei wird als internationalen Rechnungslegungsstandard auf IAS 32 und IFRS 7,9 und 13 zurückgriffen. IFRS 9, der am 24. Juli 2014 veroffentlicht wurde und zum 1. Januar 2018 den aktuell gültigen Standard IAS 39 ablosen wird, regelt den Ansatz und die Bewertung von Finanzinstrumenten sowie die Abbildung von Sicherungsbeziehungen (Hedge Accounting). Die meisten Vorschriften für finanzielle Verbindlichkeiten wurden in IFRS 9 übernommen. Neu in IFRS 9 für finanzielle Verbindlichkeiten ist, dass bei Verbindlichkeiten, die der Kategorie erfolgswirksam zum Fair Value bewertet Verbindlichkeiten angehoren, Wertanderungen des Fair Values aufgrund des eigenen Ausfallrisikos erfolgswirksam im sonstigen betrieblichen Ergebnis erfasst werden.

Aufgrund des Umfangs der Arbeit wird auf das im IFRS 9 behandelte Hedge Accounting nicht eigegangen. Zudem wird auf die Bewertung von Fremdwahrungsverbindlichkeiten verzichtet.

Die vorliegende Arbeit lasst sich in drei Teilbereiche gliedern: Im Theorieteil folgt zunachst die Darstellung der Anforderungen an die Erst- und Folgebewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach HGB und IFRS. Zudem werden die Definitionen des Begriffs „finanzieUe Verbindlichkeit” erlautert und es wird auf den Ausweis in der Bilanz eingegangen. Der Abschnitt zur Theorie bildet die Grundlage für den folgenden Analyseteil und das okonomische Fallbeispiel und nimmt folglich in Hinblick auf die Seitenzahl den groBten Teil der Arbeit ein, ist aber notwendig, um die Unterschiede und Probleme der unterschiedlichen Bewertungsmethoden aufzuzeigen und zu erlautern.

Es folgt im Analyseteil die Darstellung der Vor- und Nachteile der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten und zum Fair Value sowie der Konsequenzen der beiden Bewertungsmethoden in Hinblick auf das qualitative Kriterium der Verlasslichkeit des Jahresabschlusses. Da die Fair Value Bewertung von Schulden einige komplexe problematische Aspekte in der Rechnungslegung aufweist, wurde der Schwerpunkt der kritischen Betrachtung in Anblick der Lange der Arbeit auf die Problematik der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Fair Values gelegt. Die Ermittlung der Ermessungsgrundlage des Fair Values stellt nach Prüfung der Anforderungen des Erstansatzes einen notwendigen und regelmaBig stattfindenden Bewertungsschritt bei der Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten in der Praxis dar.

Im okonomischen Fallbeispiel wird ein von Unternehmen in der Praxis genutztes Finanzinstrument nach HGB und IFRS bewertet. Die unterschiedlichen Bilanzansatze werden in Hinblick auf die im Analyseteil dargestellten Problematiken der Bewertungsmethoden miteinander verglichen und interpretiert.

2 Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten nach HGB

2.1 Definition

Im deutschen Handelsrecht findet sich keine explizite Definition zum Begriff der finanziellen Verbindlichkeiti, wohingegen in IAS 32.11 eine umfassende Definition der finanziellen Instrumente gegeben wird, die zu den finanziellen Verbindlichkeiten zahlen. Um Einigkeit mit der Definition des Begriffes nach IFRS zu erlangen, folgt die Zuordnung der handelsrechtlichen Charakteristika für Verbindlichkeiten dem Begriff der finanziellen Verbindlichkeit.

Eine finanzielle Verbindlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um eine quantifizierbare, rechtlich und wirtschaftlich nicht vermeidbare Verpflichtung gegenüber Dritten handelt, die eine finanzielle Belastung für das bilanzierende Unternehmen darstellt2. Zudem sind sie dem Grunde und der Hohe nach gewiss.

2.2 Ansatz und Erstbewertung

Nach § 246 Abs.1 Satz 1 HGB wird die Bilanzierung samtlicher Schulden verlangt. Da die finanziellen Verbindlichkeiten bei den Passiva ausgewiesen werden, gelten die Ansatzkriterien für Passiva, die im Rahmen der nicht kodifizierten Grundsatze ordnungsgemaBer Buchführung kurz GoB festgelegt sind.

Eine finanzielle Verbindlichkeit muss nach dem Passivierungsgrundsatz aus den GoB in der Bilanz passiviert werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: Es muss eine Verpflichtung des Unternehmens gegenüber Dritten vorliegen, deren Betrag sowie Hohe exakt feststeht und eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen darstellt3. Der Ansatz einer finanziellen Verbindlichkeit erfolgt somit zu dem Zeitpunkt, bei dem alle Ansatzkriterien erfüllt sind. Gesetzliche Spezialregelungen oder Wahlrechte für den Ansatz finanzieller Verbindlichkeiten gibt es nicht.

Die Erstbewertung einer finanziellen Verbindlichkeit erfolgt grundsatzlich einzeln bei Entstehung dieser nach der Hohe des Erfüllungsbetrages4. Der Erfüllungsbetrag ist der Betrag, den das bilanzierende Unternehmen zurückzahlen muss, um die Verbindlichkeit vollstandig zu erfüllen 5.

Bei der Erstbewertung von Anleihen, Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten und sonstigen Darlehen gegenüber Nichtbanken wird der Rückzahlungsbetrag, unabhangig vom Auszahlungsbetrag der Verbindlichkeit6 angesetzt. Liegt bei einer finanziellen Verbindlichkeit ein Rückzahlungsdisagio, also ein groBerer Rückzahlungsbetrag als Auszahlungsbetrag vor, hat der Bilanzierende nach § 250 Abs. 3 Satz 1 HGB das Wahlrecht, diese Differenz als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen. Dieser wird dann, durch eine planmaBig auf die Laufzeit der Verbindlichkeit verteilte Abschreibung, abgeschriebem7. Bei Nichtausübung des Wahlrechts wird der Auszahlungsdisagio beim erstmaligen Ansatz der Verbindlichkeit in der Bilanz als Zinsaufwand verbucht. Wenn der Auszahlungsbetrag jedoch über dem Rückzahlungsbetrag liegt, wird diese Differenz als passiver Rechnungsabgrenzungsposten angesetzt8, der über die Laufzeit der Verbindlichkeit entsprechend zu den Zinsaufwendungen aufgelost wird9. Zudem ist auch eine Kombination aus Rückzahlungsagio und Auszahlungsdisagio moglich.

Fremdwahrungsverbindlichkeiten werden am Bilanzstichtag in den gültigen Devisenkassakurs umgerechnet und es wird der der Betrag in der heimischen Wahrung angesetzt, der zur Erfüllung der Verbindlichkeit in der fremden Wahrung benotigt wird10.

Die Erstbewertung von finanziellen Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung des Skontos sowie von Nullkuponanleihen wird aufgrund des thematischen Schwerpunktes dieser Arbeit im Anhang dargestellt.

2.3 Folgebewertung

Die Folgebewertung finanzieller Verbindlichkeiten erfolgt anhand der Erfüllungsbetrageii11. Es werden bei der Folgebewertung die unveranderten Erfüllungsbetrage abzüglich der gezahlten Tilgungen und moglichen Wertkorrekturen des Geschaftsjahres angesetzt.

Die zu zahlenden Zinsen von finanziellen Verbindlichkeiten zahlen nach § 255 Abs.3 Satz 1 HGB nicht zu den Herstellungskosten. Sie werden daher nicht in die Folgebewertung eingerechnet, sondern periodengerecht in der Guv als Zinsaufwendungen erfasst.

Zudem wird geprüft, ob auBerplanmaBige Umstande Wertkorrekturen erfordern. Da bei der Folgebewertung von Verbindlichkeiten das Hochstwertprinzip greift, ist am Bilanzstichtag, wenn der aktuelle Erfüllungsbetrag über dem zuvor angesetzten Erfüllungsbetrag liegt, immer der hohere Wert der beiden Werte anzusetzen. Eine Wertkorrektur des Erfüllungsbetrages ist nur bis zur Hohe des erstmalig angesetzten Erfüllungsbetrages moglich12. Wertkorrekturen konnen sich insbesondere aufgrund § 256a HGB für die Folgebewertung von Fremdwahrungsverbindlichkeiten ergeben.

Für die Folgebewertung von Fremdwahrungsverbindlichkeiten muss am Bilanzstichtag der Kassakurs ermittelt werden. Als Umrechnungskurs wird dabei der Geldkurs verwendet, wobei bei Fremdwahrungsverbindlichkeiten, deren Rückzahlung nicht erwartet wird, der Briefkurs zur Erstbewertung am Bilanzstichtag verwendet wird 13.

Eine kurze Darstellung der Folgebewertung von Verbindlichkeiten auf Grundlage von Rentenverpflichtungen, un- bzw. niedrigverzinslichen Darlehen und Zerobonds folgt im Anhang. Im folgenden Beispiel wird die handelsrechtliche Bilanzierung einer finanziellen Verbindlichkeit anhand der Buchungssatze verdeutlicht.

Beispiel zur handelsrechtlichen Bilanzierung von Verbindlichkeiten:

Die ABC GmbH nimmt am 01.01.2017 ein Darlehen in Hohe von 300.000 € mit einer Laufzeit von 3 Jahren und einer Tilgung von 100.000 € pro Jahr bei der Paderbank AG auf. Der vereinbarte Nominalzins betragt 5 %, zudem liegt ein Rückzahlungsdisagio in Hohe von 30.000 € vor. Wahrend der Laufzeit kommen keine zu Wertkorrekturen führenden auBergewóhnlichen Umstande vor.

Dieses Darlehen wird am 31.12.2017 aufgrund der Erfüllung der Charakteristika einer finanziellen Verbindlichkeit und der daraus resultierenden Passivierungspflicht in der Bilanz angesetzt. Zudem besteht das Wahlrecht, den Rückzahlungsagio als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren.

1. Buchungen bei Nichtaktivierung des Rückzahlungsdisagio:

Erstansatz des Darlehens am 31.12.2017

Bank 270.000 € an Verbindlichkeit gegenüber Kreditinstituten 300.000 €

Zinsaufwand 30.000 €

Tilgungszahlungen in den Jahren 2017-2019 zum 31.12.

Verbindlichkeiten geg. Kreditinstituten 100.000 € an Bank 100.000 €

Zinszahlungen in den Jahren 2017-2019 zum 31.12.:

Zinsaufwand 15.000 € an Bank 15.000 €

2. Buchungen bei Aktivierung des Rückzahlungsdisagio als aktiven RAP

Erstansatz des Darlehens am 31.12.2017

Bank 270.000 € an Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 300.000 €

aktiver RAP 30.000 €

Abschreibung des Rückzahlungsdisagio in den Jahren 2018-2020:

Zinsaufwand 10.000 € an aktiver RAP 10.000 €

Die Buchungen für die Zins- und Tilgungszahlungen sind analog denen wie bei Nichtaktivierung des Rückzahlungsdisagios.

2.4 Ausweis in der Bilanz

Die Gliederung der Verbindlichkeiten auf der Passivseite in der Bilanz nach unterschiedlichen Glaubigergruppen erfolgt nach § 266 Abs. 3C HGB. Die Untergliederung erfolgt nach den Posten

1. Anleihen, davon konvertibel;
2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten;
3. erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen;
4. Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen;
5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel;
6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen;
7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhaltnis besteht;
8. sonstige Verbindlichkeiten, davon aus Steuer, davon im Rahmen der sozialen Sicherheit.

Die Saldierung von Verbindlichkeiten ist nach § 246 Abs. 1 Satz § HGB nicht zulassig. Grundsatzlich dürfen nach § 246 Abs. 2 HGB Verbindlichkeiten nicht mit Forderungen auf der Aktivseite verrechnet werden. Es gibt aber eine konkrete Ausnahme des Saldierungsverbots. Verbindlichkeiten werden mit Vermogensgegenstanden verrechnet, wenn diese dem Zugriff aller übrigen Glaubiger entzogen sind und der Erfüllung von Schulden aus Altersvorsorgeverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig falligen Verpflichtungen dienen14. Somit gilt dieses Saldierungsgebot hauptsachlich für langfristig fallige Verbindlichkeiten gegenüber Mitarbeitern des bilanzierenden Unternehmens15. Eine weitere Ausnahme des Saldierungsverbots stellt die Bildung von Bewertungseinheiten von risikobehafteten Grundgeschaften mit den Sicherungsinstrumenten unter bestimmten Voraussetzungen nach § 254 HGB dar.

Im Anhang werden zudem bei Kapitalgesellschaften und haftungsbeschrankten Personenhandelsgesellschaften weitere Charakteristika der einzelnen Verbindlichkeiten wie z. B. die Restlaufzeit oder Sicherheiten detailliert angegeben und erlautert 16. Hierbei erfolgt auch die Differenzierung der Verbindlichkeiten nach den Restlaufzeiten. Zur übersichtlichen Darstellung der einzelnen Anhanginformationen konnen diese in tabellarischer Form in einem Verbindlichkeitenspiegel zusammengefasst werden 17.

3 Bilanzierung finanzieller Verbindlichkeiten nach IFRS

3.1 Definition

Die in Kapitel 2.1. genannten Charakteristika einer finanziellen Verbindlichkeit ergeben sich konkret aus IAS 32.11. Nach IAS 32.11 zahlen die finanziellen Verbindlichkeiten (financial liabilities) zu den finanziellen Instrumenten (financial instrumentes), die als ,,Vertrag, der gleichzeitig bei dem einem Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt”18 definiert sind. Somit unterteilen sich die Finanzinstrumente nach IAS 32.11 in finanzielle Vermogenswerte, finanzielle Verbindlichkeiten und Eigenkapitalinstrumente19.

Hieraus ergibt sich die Zuordnung von Finanzinstrumenten zur Aktiv- sowie Passivseite der Bilanz. Eine finanzielle Verbindlichkeit nach IFRS ist eine vertragliche Verpflichtung, ,,flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermogenswert an ein anderes Unternehmen abzugeben oder finanzielle Vermogenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potenziell nachteiligen Bedingungen auszutauschen’’20. Des Weiteren umfasst eine finanzielle Verbindlichkeit gemaB IAS zudem einen Vertrag, ,,der in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt wird oder kann und bei dem es sich um Folgendes handelt:

(1) Ein nicht derivates Finanzinstrument, das eine vertragliche Verpflichtung des Unternehmens beinhaltet oder beinhalten kann, eine variable Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens abzugeben oder

(2) ein derivates Finanzinstrument, das auf andere Weise als durch den Austausch eines festen Betrages an flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermogenswerten gegen eine feste Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt werden, wird oder kann. In diesem Sinne beinhalten die Eigenkapitalinstrumente eines Unternehmens keine Instrumente, die selbst Vertrage über den künftigen Empfang oder die künftige Abgabe von Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens darstellen”21.

Finanzielle Verbindlichkeiten nach IAS 32.11 sind somit vertragliche Verpflichtungen, die sich aus den zuvor definierten Finanzinstrumenten sowie derivaten Finanzinstrumenten wie Options-, Future- und Swapgeschaften ergeben22.

3.2 Klassifizierung

Die erforderliche Klassifizierung finanzieller Verbindlichkeiten erfolgt nach IFRS 9.4.2.1 sowie 9.4.2.2 und bildet die Grundlage für die Folgebewertung. Es erfolgt eine ex ante Klassifizierung der finanziellen Verbindlichkeit vor Bewertung, da diese wiederum an Erstere anknüpft.

Die Unterteilung finanzieller Verbindlichkeiten erfolgt in zwei Gruppen: Einerseits erfolgswirksam zum Fair Value bewertete finanzielle Verbindlichkeiten {financial liabilities through profit or loss) und andererseits zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertete finanzielle Verbindlichkeiten (other liabilities).

Zu den erfolgswirksam zum Fair Value bewerteten finanziellen Verbindlichkeiten zahlen die zum Handel gehaltenen Verbindlichkeiten (held for trading) sowie die bei der Erstbewertung dieser Kategorie zugewiesenen Verbindlichkeiten (designated as at fair value through profit or loss) 23. Zu Handelszwecken gehaltene Verbindlichkeiten werden diejenigen Verbindlichkeiten zugeordnet, die entweder einem Handelsportfolio in einem aktiven Handel zuzuordnen sind oder erworben wurden, um kurzfristige Kaufpreisunterschiede gewinnbringend zu nutzen. Hinzu gezahlt werden zudem auch die Derivate mit negativem Marktwert, die keine Sicherungsbeziehungen darstellen24. Die Zurodnung finanzieller Verbindlichkeiten zu der Kategorie designated as at fair value through profit or loss stellt ein unwiderrufliches Wahlrecht zur Klassifizierung dar25. Das bedeutet, dass der Bilanzierende das Wahlrecht besitzt, finanzielle Verbindlichkeiten beim Erstzugang bei Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen unwiderruflich der Oberkategorie erfolgswirksam zum Fair Value bewertete finanzielle Verbindlichkeiten zuzuordnen. Dieses Wahlrecht wird in der Literatur auch als Fair Value Option bezeichnet. Durch die Fair Value Option soil die Komplexitat der Bewertung reduziert und die Zuverlassigkeit der Bewertung erhoht werden. Es sollen in diesem Zusammenhang eine hohere Qualitat und Relevanz der Informationen geschaffen werden. Angewendet wird dieses Klassifizierungswahlrecht, wenn durch diese Inkongruenzen bei der Bewertung oder beim Ansatz, auch als accounting mismatch bezeichnet, reduziert oder beseitigt werden26. Zudem kann es bei Finanzinstrumenten angewendet werden, wenn diese nach einer dokumentierten Risikomanagement- oder Anlagestrategie gesteuert werden, und die Messung der Wertentwicklung dieser für Schlüsselpositionen des bilanzierenden Unternehmens nach dem beizulegenden Zeitwert erfolgt27.

Alle anderen finanziellen Verbindlichkeiten werden der Kategorie other liabilities zugeordnet. Nicht zu dieser Kategorie zugeordnet werden dürfen finanzielle Verbindlichkeiten, die bei Übertragung eines Vermogenswertes entstehen, wobei die Übertragung nicht zur Ausbuchung dieses Vermogenswertes führt28 sowie finanzielle Garantien29, die nicht erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden. Des Weiteren dürfen Zusagen zu einem Kredit, mit einem Zinssatz unter dem Marktzinssatz, nicht zur Kategorie other liabilities hinzugeordnet werden30. Dasselbe gilt für Gegenleistungen, die von einem Erwerber im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses gemaB IFRS 3 angesetzt wird 31.

Handelt sich bei der Verbindlichkeit um einen Bestandtteil von Sicherungsbeziehungen, so sind die Regeln des Hedge-accountings nach IFRS 9 anzuwenden.

Nach IFRS 9.4.4.2 ist eine Reklassifizierung, also eine Umkategorisierung der finanziellen Verbindlichkeiten, nicht gestattet. Eine Reklassifizierung aller finanziellen Vermogenswerte ist nur durchführbar, wenn das Unternehmen das Geschaftskonzept zur Steuerung der finanziellen Vermogenswerte andert.

3.3 Ansatz und Erstbewertung

Eine finanzielle Verbindlichkeit ist nach IFRS 9.3.1.1. erstmals in der Bilanz anzusetzen, wenn das bilanzierende Unternehmen eine Vertragspartei dieses Finanzinstruments wird.

[...]


1 Vgl. Baetge/Kirsch/Thile (2014) S. 422.

2 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014/2017) S. 403.

3 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014/2017) S. 405.

4 Vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.

5 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 407.

6 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 408.

7 Vgl. § 250 Abs. 3 Satz 2 HGB.

8 Vgl. § 250 Abs. 2 HGB.

9 Vgl. Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller (2014) S. 453.

10 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 414.

11 Vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.

12 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 407.

13 Siehe Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 414.

14 Vgl. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB.

15 Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze (2009) S. 401.

16 Vgl. §§ 265, 266, 268 und 285 HGB.

17 Vgl. § 285 Abs. 1 HGB.

18 Vgl. IAS 32.11.

19 Vgl. Beyer (2008) S. 24-25.

20 Vgl. Beyer (2008) S. 27.

21 Vgl. Beyer (2008) S. 27.

22 Vgl. Baetge/Kirsch/Thielen (2014) S. 422.

23 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2014) S. 424.

24 Vgl. IFRS 9.4.2.1 (a).

25 Vgl. Beyer (2008) S. 52.

26 Vgl. IFRS 9.4.2.2.(a).

27 Vgl. IFRS 9.4.2.2 (b).

28 Vgl. IFRS 9.4.2.1 (b).

29 Vgl. IFRS 9.4.2.1 (c).

30 Vgl. IFRS 9.4.2.1 (d).

31 Vgl. IFRS 9.4.2.1 (e).

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach HGB und IFRS
Hochschule
Universität Paderborn
Veranstaltung
Rechnungslegung
Note
1,7
Jahr
2017
Seiten
40
Katalognummer
V510073
ISBN (eBook)
9783346090072
ISBN (Buch)
9783346090089
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bewertung, verbindlichkeiten, ifrs
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Bewertung von finanziellen Verbindlichkeiten nach HGB und IFRS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510073

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