Die Schweiz - Föderalismus und direkte Demokratie


Term Paper, 2006

23 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schweiz
2.1 Die heutige Schweiz
2.2 Geschichtliche Entwicklung des Bundesstaates
2.3 Das Schweizer Volk

3. Das Schweizer Regierungs- und Verfassungssystem
3.1 Die Exekutive: Staatsoberhaupt und Regierung der Schweiz
3.2 Die Legislative: Das Parlament aus National- und Ständerat
1. Der Nationalrat
2. Der Ständerat
3. Arbeitsweisen und Aufgaben des Parlaments
4. Stellung von National- und Ständerat
3.3 Die Judikative: Das Bundesgericht

4. Föderalismus und Kompetenzverteilung in der Schweiz
4.1 Die Kantone
4.2 Die Gemeinden
4.3 Der Bund

5. Direkte Demokratie in der Schweiz
5.1 Das obligatorische Referendum
5.2 Das fakultative Referendum
5.3 Die Volksinitiative

6. Fazit

1. Einleitung

Die Schweiz zählt mit einer Einwohnerzahl von knapp 7,4 Millionen Menschen zu einem der kleinsten Staaten Europas. Dennoch besitzt dieses Land eine Vielzahl interessanter politischer Besonderheiten, die vor allen Dingen für Politikwissen­schaft­ler eine Fülle bemerkenswerter Forschungsgegenstände liefern. Nicht nur der Aspekt, dass die Schweiz in ihrer heutigen Zusammensetzung als föderalis­tischer Bundesstaat seit mehr als 150 Jahren besteht und funktioniert, macht sie dabei so interessant. Auch die politischen Strukturen und spezifischen Elemente des Födera­lismus und der direkten Demokratie rücken diesen ethnisch heterogenen Kleinstaat mit vier eigenen Landes­sprachen oft in den Focus politischer Unter­suchungen. Besonders die 26 Schweizer Kantone stellen aufgrund ihrer großen Selbst­ständigkeit und ihrer politischen Autonomie vom Bundesstaat eine sehr ausge­prägte Form des Föderalis­mus dar, der im Übrigen auch im Bewusstsein der Bevöl­kerung tief verankert ist.[1]

Ich möchte mit dieser Arbeit die Schweiz und ihr politisches System vorstellen und die Wege der direkten Demokratie und der Einflussnahme der Schweizer Bürger auf politische Entscheidungsprozesse aufzeichnen. Außerdem soll die Frage erörtert werden, inwieweit sich der Bund, die Kantone und die Gemeinden in politischen Prozessen voneinander abgrenzen und in welcher Form sie zusammen­wirken.

Nach einigen geographischen Grunddaten wird gleichsam als Einstieg zunächst die historische Entwicklung der Schweiz von den Anfän­gen als loser Zusammenschluss weniger Kantone bis zu ihrer heutigen Form als moderner Bundesstaat skizziert. Dabei sollen sowohl der Bund als auch die Kantone und Gemeinden in ihrer Funktion als politische Organe näher untersucht und deren Kompetenzen aufgezeigt werden.

Anschließend werden die beiden politischen Kammern der Schweiz, der National- und der Ständerat, genauer beleuchtet und ihr politischer Kompetenzbereich differen­zierter betrachtet. Darauf aufbauend möchte ich den Verlauf von Gesetz­gebungs­verfahren dokumentieren und in dem Zusammenhang die unterschiedlichen Wege der Gesetzgebung thematisieren. In den Blick genommen werden dabei vor allem die Möglichkeiten demo­kratischer Einflussnahme der Bürger, ihrer Gemeinden und der schweizerischen Kantone.

2. Die Schweiz

2.1 Die heutige Schweiz

Die Schweizerische Eidgenossenschaft (CH = Confoederatio Helvetica), so der offi­zielle Ländername des Schweizer Staates, weist ein Territorium von 41.285 km² Fläche auf und hat gegenwärtig 7,45 Millionen Einwohner, was einer Bevölkerungs­dichte von etwa 180 Einwohnern pro Quadratkilometer entspricht. Knapp 20,3 % der heutigen Bevöl­kerung sind Ausländer. Die Landeshauptstadt ist Bern (127.187 Einwohner) und die Landeswährung Schweizer Franken. Die Schweiz grenzt an die Nachbarländer Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Italien und Frankreich.[2]

Aufgeteilt ist das Land in 26 Kantone, wovon 20 Voll-Kantone und 6 Halb-Kan­tone[3] sind. Die Kantone sind ihrerseits unterteilt in knapp 3000 Gemeinden. Das für den Schweizer Staat charakteristische politische System der Kantone gibt es in der heutigen Ausprägung als demokratisch verfasster födera­lis­tischer Bundes­staat seit 1848.

Die Landessprachen[4] der Schweiz sind Deutsch (63,7 %), Französisch (20,4 %), Italienisch (6,4%) und Rätoromanisch (0,5 %).

Seit 2002 ist die Schweiz Mitglied der Vereinten Nationen (UNO). Der Betritt wurde durch eine Volksabstimmung der Schweizer Bürger beschlossen.

2.2 Geschichtliche Entwicklung des Bundesstaates

Die territorialen Ursprünge der Schweizer Eidgenossenschaft liegen am Ende des 13. Jahrhunderts – genauer: am 1. August 1291. Heute erinnert der 1. August als Natio­nal­feiertag an diesen für die Entstehung des Schweizer Staates so ereignis­reichen Tag des Jahres 1291. Denn an diesem Tag schlossen die Kantone Uri, Schwyz und Unter­walden den „ewigen Bund“, warum sie auch als die drei Länder der Urschweiz oder als Ur-Kantone bezeichnet werden.[5] Vorher gab es faktisch keine Zusammen­schlüsse oder territoriale Bindungen zwischen den heutigen Schweizer Kantonen. In der Zeit zwischen 1291 und 1536 gliederten sich weitere Kantone an den Bund an oder wurden durch Eroberungen hinzugewonnen. Vor allem Auseinandersetzungen mit dem Habsburger Haus standen im Mittelpunkt. Es entstand letztendlich die „alte Eidgenossenschaft“ von 13 Bauernrepubliken und Stadtstaaten mit ihren Zugewan­derten und Untertanengebieten.[6] Diese garantierten sich durch gemeinsame Verträge gegenseitige Hilfe in Form von militärischen Beistandsverpflichtungen sowie gemeinsame Unabhängigkeit von Außen.

An den Gesandtenkongressen, der soge­nannten Tagsetzung, war jeder Ort mit einer Zweierdelegation vertreten.[7] Zu erwähnen ist der 24. Oktober 1648, an dem die Schweizer Eidgenossenschaft im Westfälischen Frieden die völkerrechtliche Anerkennung ihrer Souveränität erhielt und sich somit vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation löste. Zerschlagen wurde die Eidgenossenschaft im Jahre 1798 durch den Einmarsch Napoleons. Durch die Besetzung Frankreichs wurde darauf eine Helvetische Republik mit Zentralstaat nach französischem Vorbild errichtet. Unter dem französischen Einfluss musste sich die Schweiz auch Gebiets­abtrennungen zugunsten Frankreichs gefallen lassen. 1803 verordnete Napoleon jedoch mit der „Mediationsakte“ eine Verfassung für die Schweiz, welche zum Prinzip des Föderalismus zurückkehrte[8], indem die Kantone eine Teilautonomie zurückerhielten und damit den föderalistischen Strukturen des viersprachigen Landes besser entsprach.[9]

Ihr heutiges politisches Gesicht bekam die Schweiz mit dem Sturz Napoleons und dem Wiener Kongress im Jahre 1815. Diese Neugestaltung erfolgte in der so­ge­nannten restaurativen Phase, auf die ab 1830 die regenerative folgte.[10] 25 Kantone kehrten nach dieser wieder zum System des Staatenbundes zurück. Als letzter Baustein wurde im Jahre 1848 eine republikanische und bundes­staatliche Verfassung durchgesetzt, die bis heute die Grundlage der Schweizer Demokratie bildet.[11] Die Gründung des Bundesstaates stand dabei nie unter der Vision eines Staatsvolks, einer Sprache, Ethnie oder Kultur, sondern von Anfang an unter der Idee einer multi­kulturellen Staatsgründung.[12]

Die Staatsaufgaben blieben dabei größtenteils bei den Kantonen und der Bund erhielt nur wenige Kompetenzen. Diese waren vor allem das Geld- und Zollwesen (später noch das Postwesen), die Sicherung der inneren Ordnung, die Behauptung der äußeren Unabhängigkeit durch die Armee und die politische Maxime der be­waff­neten Neutralität. Das Parlament wurde als ein Zweikammersystem ausgestaltet, was sowohl dem demokratischen Entscheidungsprinzip (eine Stimme pro Person) als auch der föderalistischen Entscheidungsregel (Gleichheit der Gliedstaaten) ent­sprach.[13] Diesem Verfassungsentwurf stimmte eine Zweidrittelmehrheit der Kantone in Volksabstimmungen zu.

Im Jahre 1874 erfolgte eine Gesamtrevision der Verfassung, durch welche dem Bund weitere Aufgaben sowie Kompetenzen zu Rechtsvereinheitlichung übertragen und die Elemente direkter Demokratie erweitert wurden.

Eine weitere Volksabstimmung am 18. April im Jahre 1999 gab der Schweizer Verfassung letztendlich ihr heutiges Gesicht.

2.3 Das Schweizer Volk

Wie bereits in Kapitel 2.2 erwähnt stand die Gründung des Bundesstaates der Schweiz 1848 unter der Idee einer multikulturellen Staatsgründung. Diese Idee setzte sich durch und spiegelt heute die Zusammensetzung und Identität des Schweizer Volkes wieder. Die Schweiz weist auf ihrem relativ kleinen Territorium einen sehr vielfältigen Sprach- und Religionspluralismus auf.[14]

Der Bund verfügt über die vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Diese hält auch Artikel 4 der Bundesverfassung seit 1999 fest. Zudem sind in Artikel 70 Deutsch, Französisch und Italienisch als Amtsprachen fest­gelegt. Das Rätoromanische ist beim Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache Amtssprache. Wie bereits erwähnt, ist Deutsch mit knapp 64 % die meistverbreiteste Sprache, jedoch meist vermischt mit einem schweizerdeutschen Dialekt. Die am zweit­häufigst gesprochene Sprache ist die Französische mit etwa 20 %, während der Anteil der italienisch sprechenden Schweizer sich auf nur ca. 6,4 % beläuft. Rätoromanisch spricht mit 0,5 % nur ein kleiner Teil der Schweizer Bevölkerung und ist damit die kleinste der vier Sprachgruppen. Durch Zuwanderung bedingt sprechen fast 9 % der Schweizer Bevölkerung eine andere als eine der vier Landessprachen.

In 18 der 26 Kantone werden vorwiegend schweizerdeutsche Dialekte gesprochen. Vier Kantone sind rein französischsprachig (Genf, Waadt, Neuenburg, Jura), während in Bern, Freiburg und im Wallis sowohl deutsch als auch französisch gesprochen wird. Italienisch spricht man im Kanton Tessin, sowie in vier Tälern Grau­bündens. In Graubünden sprechen die Einwohner zudem noch deutsch und rätoromanisch. Graubünden stellt somit den einzigen dreisprachigen Schweizer Kanton dar.

Allein daran ist zu erkennen, dass die Schweizer Bevölkerung sehr heterogen ist. Die Sprachengrenzen verlaufen fließend, was auch bedeutet, dass die Sprachgruppen nicht strikt isoliert voneinander sind. Auch die Sprach- und Religionsgrenzen fallen in nur wenigen Fällen zusammen. Außer den vier Landessprachen gibt es in der Schweiz vier anerkannte öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften.[15] Indem der Bund auch kleineren Glaubensgemeinschaften Religionsfreiheiten zugesteht wird gewährleistet, dass diese als Minderheiten staatlich anerkannt werden.

All dies macht die Schweiz zu einem pluralistischen und heterogenen Staat. Insofern gibt es auch keine durch Blut- oder Abstammungsideologien oder durch biologisch-natur­rechtliche Theorien begründete schweizerische Nation.[16] Dies hat wiederum zur Folge, dass nationale Minderheiten ideologisch und staatsrechtlich weder ab- noch aus­grenzbar sind, zumal eine Stammnation formell nicht definierbar und insofern auch als faktisch nicht vorhanden zu deuten ist. Trotz der vielfältigen Heterogenität ist in der Schweizer Bevölkerung eine hohe Identifikation mit dem Staat erkennbar, unabhängig vor der „ursprünglichen“ Nationalität.

Jeder Schweizer und jeder Schweizerin besitzt ein dreistufiges Bürgerrecht, wie es Misic nennt. Sie sind zugleich Bürger ihrer Gemeinde, ihres Kantons und des Bundes.[17]

[...]


[1] Vgl: Freiburghaus, Seite 292

[2] Vgl. dazu und zu den folgenden Daten die länderkundlichen Informationen des offiziellen Internet­portals der Schweiz: www.swissworld.org und des Bundesaußenministeriums: www.auswaertiges-amt.de

[3] Die neue Bundesverfassung von 1999 kennt den Begriff „Halbkanton“ nicht mehr, allerdings unterscheiden sich die Kantone weiterhin durch die Anzahl der Sitze im Ständerrat. Voll-Kantone haben 2 Sitze, Halbkantone nur 1 Sitz (siehe dazu auch das Kapitel 3.2). Voll-Kantone sind: Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Grau­bünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf, Jura. Halb-Kantone sind: Basel-Stadt und Basel‑Land; Appen­zell Innerrhoden und Appenzell Ausserr­hoden; Obwal­den und Nidwalden (hervorgegangen aus dem Ur-Kanton Unterwalden)

[4] Nähere Ausführungen dazu vgl. Kapitel 2.3

[5] Vgl. Wiesli, Urs: Die Schweiz, 1986. Seite 8

[6] Ebenda

[7] Freiburghaus Seite 293

[8] Vgl. Wiesli Seite 8

[9] Vgl. Linder, Wolf Seite 456

[10] Vgl. Freiburghaus Seite 293

[11] Ebenda

[12] Vgl. Linder Seite 456

[13] Ebenda

[14] Vgl. Misic: Der Föderalismus in der Schweiz. Seite 247

[15] Ebenda

[16] Ebenda

[17] Ebenda Seite 250

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Die Schweiz - Föderalismus und direkte Demokratie
College
Technical University of Darmstadt  (Institut für Politikwisschenschaft)
Course
Föderale Systeme im Vergleich
Grade
2,0
Author
Year
2006
Pages
23
Catalog Number
V69868
ISBN (eBook)
9783638622707
ISBN (Book)
9783638673792
File size
543 KB
Language
German
Keywords
Schweiz, Föderalismus, Demokratie, Föderale, Systeme, Vergleich
Quote paper
Christoph Sicars (Author), 2006, Die Schweiz - Föderalismus und direkte Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69868

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