Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß


Presentation / Essay (Pre-University), 2000

19 Pages, Grade: 13 NP im A


Excerpt


13.1 Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß

(1.) Demokratiebegriff

1.2 Grundmodelle der Demokratie

Nach heutigem Verständnis sind folgende Grundprinzipien einer Demokratie unabdingbar: Das Prinzip der Gleichheit und damit verbunden die Beteiligung des gesamten Volkes (bzw. d. wahlberechtigten Teiles), das als Träger der Volkssouveränität Inhaber der Staatsgewalt ist im Gegensatz zur Aristokratie (Herrschaft des Adels) oder Monarchie (des Königs). Die Regierung wird daher in freier, geheimer und allgemeiner Volkswahl gewählt und kann vom Volk oder seinen Repräsentanten auch wieder abgewählt werden. Die Handlungen der Regierung müssen der Verfassung und den Gesetzen entsprechen (Rechtsstaatsprinzip) und dem Mehrheitswillen folgen (Mehrheitsprinzip). Wichtig ist auch die Garantie von Meinungsfreiheit und -vielfalt (vom Staat unabhängige Organe der öffentl. Meinung à Pressefreiheit) sowie die Existenz einer Opposition (Pluralismus), ebenso wie Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Gerichte und die Existenz von Institutionen des Verfassungsstaates. Der Staat hat die Menschen- und Bürgerrechte als Grundrechte des Bürgers zu achten, zu gewährleisten und zu schützen.

Man unterscheidet zwischen der unmittelbaren (plebiszitären, direkten) Demokratie, bei der die Macht auch faktisch beim Volk verbleibt und politische Entscheidungen eines Plebiszits bedürfen, und der mittelbaren (repräsentativen, indirekten) Demokratie, bei der die Entscheidungsgewalt in den Händen gewählter Repräsentanten liegt; das Volk übt somit nur mittelbar (über Abgeordnete, die, nur ihrem Gewissen unterworfen, im Volkssinne handeln à freies Mandat) Herrschaft im Staat aus.

Desweiteren unterscheidet man zwischen der parlamentarischen Demokratie, in der die größte Macht beim Parlament liegt (ohne eine Mehrheit im Parlament kann keine weitreichende politische Entscheidung getroffen werden), und der präsidialen Demokratie verfügt der Regierungschef (meist zugleich Staatspräsident) über weitreichende

Machtbefugnisse; in bestimmten Bereichen muß er sich allerdings Entscheidungen des Parlamentes beugen oder ist auf deren Unterstützung angewiesen. Es herrscht in der präs. Demokr. eine scharfe Trennung zwischen Exekutive und Legislative vor.

Heutzutage liegen meist Mischungen verschiedener Demokratieformen vor, z.B. Schweiz: direkte + indirekte; Frankreich: präsidiale + parlamentarische. In der repräs. Demokr. spielen die Parteien eine wesentliche Rolle (,, Parteiendemokratie").

Direkte Demokratie für die BRD?

PRO CONTRA __

- Demokratisches Bewußtsein + Informationsgrad der

- schlechte Erfahrungen der Weimarer Republik

Bevölkerung viel höher als in d. Weimarer Republik

- in vielen Bundesländern sind Plebiszite möglich und

- Komplexität der Probleme auf Bundesebene ist werden auch erfolgreich praktiziert für Plebiszite nicht geeignet

- Mißbrauch kann ausgeschlossen werden, indem be- · komplizierte Sachverhalte werden zu Ja / Nein- stimmte Probleme (z.B. Haushalt, Außenpolitik) für Fragen reduziert; Entscheidungen in d. pluralist.

Plebiszite nicht zugelassen werden Demokratie sind aber auf Kompromiß angelegt.

- Verhinderung d. Durchsetzung v. Minderheitsinteres- · aktive, gut organisierte Minderheiten könnten ihre sen durch hohe Mindestbeteiligung Sonderinteressen durchsetzen

- das repräsentative System wird ergänzt (Zwang für d. · mögliche Tendenz, das Parlament nur noch wen- Parlament, sich mit die Gesellschaft bewegenden The- iger wichtige Fragen entscheiden zu lassen men auseinanderzusetzen)

1.2 Demokratiebegriff des Grundgesetzes

Weil eine direkte Demokratie auf einem so großen Staatsgebiet mit derart vielen Menschen nicht durchführbar wäre, schreibt das Grundgesetz für die BRD eine repräsentative Demokratie vor. Hierbei kommt den Parteien eine besondere Bedeutung zu (u.a. politische Willensbildung, GG Art.21). Sie können (vom BVerfG) nur verboten werden, wenn sie die obersten Grundwerte der Verfassung erschüttern wollen.

Die vom GG vorgesehene Grundordnung ist eine wertgebundene Ordnung, d.h. es gelten immer-währende Grundwerte wie z.B. Freiheit und Gleichheit; diese Grundrechte befinden sich in GG Art.1 - 17 sowie Art.33, 38, 101, 103 + 104. Diese Grundordnung ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt. Vielmehr gewährleistet sie diese durch die rechtsstaatliche Herrschaftsordnung unter Ausschluß der Gewalt- und Willkürherrschaft. Die freiheitliche Demokratie lehnt desweiteren die Auffassung ab, daß die geschichtliche Entwicklung durch ein wissenschaftlich erkanntes Endziel determiniert sei und daß folglich auch die einzelnen Gemeinschaftsentscheidungen als Schritte zur Erreichung eines solchen Endzieles inhaltlich von diesem her bestimmt werden konnten. Vielmehr gestalten die Menschen selbst ihre Entwicklung durch Entscheidungen, die nur in größter Freiheit zu treffen sind.

Das Prinzip aller staatlichen Maßnahmen ist der Fortschritt zu ,,sozialer Gerechtigkeit". Die Ausgestal-tung dieses Prinzips erfolgt durch ständige Auseinandersetzung aller Beteiligten und ergibt dadurch einen Prozeß der Klärung und Wandlung dieser Vorstellungen. Er kann jedoch nur bei der notwendigen Gewährleistung der Meinungsfreiheit und Opposition funktionieren. Erstrebt wird grundsätzlich die annähernd gleichmäßige Förderung des Wohles aller Bürger und annähernd gleichmäßige Verteilung der Lasten; es besteht das Ideal der ,, sozialen Demokratie in den Formen des Rechtstaates". Auf der Grundlage der Selbstbestimmung entstehen politische Entschlüsse auf Grundlage des Willens der jeweiligen Mehrheit.

Zusammenfassung: Demokratiebegriff des GG

- Akzeptanz politischer ,,Spielregeln"
- Meinungs- und Diskussionsfreiheit
- freie Wahlen / Verantwortung der Regierung
- Bestimmung des Gemeinwohls
- durch Freiheit der Mitbestimmung
- Mehrheitsentscheidungen, die auf einen Interessenausgleich ausgerichtet sind + die Interessen der Minderheiten berücksichtigen

1.3 Einflüsse auf das Grundgesetz

Thomas Hobbes Naturzustand = homo homini lupus; Krieg jeder gegen jeden

- Menschen erstreben Macht, beherrscht durch Leidenschaften à Krieg
- Gesellschaftsvetrag (,, Leviathan") unterdrückt Krieg (indem er die Freiheit d. einzelnen eingrenzt)

John Locke Naturzustand = Freiheit + Gleichheit der Menschen

- Ungleichheit à Krieg
- Gesellschaftsvertrag garantiert Gleichheit, Freiheit, Unverletzlichkeit von

Person + Eigentum (Staat der Eigentümer)

- Trennung von Legislative + Exekutive (aber Leg. steht über Exek.)

Charles Montesquieu · geistiger Vater der modernen Gewaltenteilung (Gewaltentrennung)

- fügte zu Legislative + Exekutive

(Locke) die Judikative hinzu

- Gewaltentr. als institutionelle Voraussetzung für die Freiheit aller Bürger

- Inkompatibilität d.Personen: Leg (Gesetzg.), Ex

(vollziehende), Jud (Gericht)

James Madison Voraussetzung = Interessen- und Meinungspluralismus (als Ausdruck der menschlichen Natur)

- Spaltung der Gesellschaft

Konkurrenztheorie: · zur Verhinderung der negativen Folgen dieser Spaltung:

Interessenausgleich à Volksvertretung (Repräsentation) = freie Abgeordnete (frei vom Volk) erkennen + durch Pluralismus formulieren das Gemeinwohl

= Ort zur Findung

des Gemeinwohls = Parlament

JeanJaques Rousseu Ziel = Vermeidung von Herrschaft des Menschen über den Menschen à Bildung eines Staates (Staatsvertrag);

Unterordnung aller unter den

Staat = volonté générale (Allmeinwille)

- der Allgemeinwille bündelt alle Interessen, deshalb darf er nicht veräußert oder geteilt werden
- der Allgemeinwille äußert sich in Gesetzen
- der Allgemeinwille ist in jedem Menschen als Wille zu allgem. Wohlfahrt + gemeinsamen Erhalt

Identitätstheorie: · jeder Bürger ist beteiligt an der ,,Formulierung" (Gesetze) d. Allgemeinwilles

Identität zwischen à damit ist der Bürger SOUVERÄN

Regierendem + · gleichzeitig unterwirft er sich den Gesetzen aber Regiertem ! à damit ist der Bürger UNTERTAN

1.4 Pluralistische Demokratie

Kennzeichen · Legitimation der Vielfalt von Interessen

- Organisation der Interessen in Verbänden

- Konflikt als Ringen der Interessen um einen Konsens · allg. Konsens über ,, Spielregeln" und Grundwerte

Ausgestaltung GG Art.5 (Meinungsfreiheit)

Art.8 (Versammlungsfreiheit)

Art.9 (Koalitionsfreiheit) Art.21 (Parteien)

Kritik · Macht der starken Interessen + Gruppen

- langfristige Interessen kommen zu kurz gegenüber kurzfristigen

- nicht alle Interessen sind organisierbar (z.B. Abhilfe bei Arbeitslosigkeit)

- öffentliche Interessen wiegen geringer als private Interessen · neue Interessen finden keinen Zugang in den politischen Prozeß

1.5 Entwicklung der Grund- und Menschenrehte

- Antike: Naturrecht (allen Menschen angeborene Rechte wie z.B. Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit unabhängig von Geschlecht, Alter, gesellschaftl. Stellung etc.)

- Aufklärung: Vernunftrechte à frnz. Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)

- Virginia Bill Of Rights

- 19. Jh.: Grundrechtskataloge in fast allen europäischen Verfassungen · durch WW II à Europäische Meschenrechtskonvention · Grundrechte d. BRD vor allem in GG Art.1 - 19

Naturrechte Gesamtheit der im Wesen jedes Menschen, in seiner Natur begründeten, ihm

angeborenen Rechte. Jeder Mensch besitzt in gleichem

Maße gleiche Natur-rechte. (z.B. Recht auf Leben, körperl. Unversehrtheit , persönliche Freiheit) à vor- und überstaatliche, ewige Rechte

Menschenrechte Politische Grundfreiheiten (Recht auf Gleichheit, Unversehrtheit, Eigentum,

Meinungs- und Glaubensfreiheit,

Widerstand gegen

Unterdrückung).

Neuzeitlich auch sozial (Recht auf Arbeit, Bildung, soziale

Sicherheit).

Stehen im Unterschied zu den sog. Bürgerrechten allen Menschen im Staats- gebiet zu.

Grundrechte bestimmen das Verhältnis des einzelnen Bürgers zu den staatlichen Gewalten u. richten sich - m. Ausnahme

d. Koalitionsfreiheit - nur gegen den Staat.

Unterscheidung in Abwehrrechte (z.B. Unverletzlichkeit d.

Wohnung) und

Bürgerrechte Verfassungsmäßig garantierte individuelle Teilhaberechte (z.B. Wahlrecht,

Meinungs- und Pressefreiheit,

Versammlungsfreiheit)

(2.) Die politische Willensbildung

2.1 Bürgerinitiativen

Def. von politischen Parteien und anderen Verbänden unabhängiger Zusammenschlüsse gleichgesinnter Bürger zur Verfolgung bestimmter Interessen ihrer Mitglieder, einzelner Bevölkerungsgruppen oder der Bevölkerung insgesamt. Meist relativ eng umgrenzte, zeitlich befristete Ziele, nach deren Erreichung oder Verfehlung sie sich wieder auflösen. Sie sind selten ,,initiativ", sondern üblicherweise reaktiv.

Die ersten Bürgerinitiativen entstanden 1968/69; inzwischen ist ihre Zahl auf mehrere Tausend angewachsen. Den Anstoß zur Bildung von Bürgerinitiativen geben (wirkliche oder vermeintliche) Mängel, Mißstände oder Fehlplanungen v.a. im Bereich der Bildung und Erziehung, des Verkehrs, der Stadtplanung und des Umweltschutzes, wobei in letzterem Bereich die Aktivität der Bürgerinitiativen am bedeutsamsten ist. So entstanden beispielsweise Die Grünen aus einem Zusammenschluß von Bürgerinitiativen.

Bürgerinitiativen funktionieren als ,,Frühwarnsignal" für die Politik. Tatsächlich verstoßen sie aller-dings gegen die Prinzipien der Formalisierung und des Mehrheitsprinzips; im Unterschied zu po-litischen Parteien versuchen sie nicht, über Wahlen an Macht zu gelangen. Andererseits gäbe es ohne Bürgerinitiativen keinöffentliches Problembewußtsein.

2.2 Verbände

Def. autonome, gesellschaftliche Vereinigungen, die partielle oder kombinierte Interessen sozi- aler Gruppen in organisierter Form in der Öffentlichkeit vertreten. Sie sind daher in ihren Zie- len deutlich beschränkter als Parteien. Sie unterliegen desweiteren (im Gegensatz zu Partei- en) keinerlei Vorschriften bezüglich ihrer inneren Ordnung oder einem Rechenschaftsbericht- Zwang und erstreben keine Regierungsverantwortung; vielmehr beschränken sie sich auf den Einflußdurch Druck auf die Entscheidungsgremien in Parteien, Parlament und Regierung.

Problematik der Verbandseinflüsse

POSITIV GEFAHREN

- Verband als Teil d. parlamentarischen · ,,heimliche Herrscher"

Demokratie + Gesetzgebungsarbeit · ,,5. Macht" (Gefahr der Ü berlagerung d. Parlaments

durch Lobbyisten)

- Artikulation öffentlicher Interessen · großes Verhinderungspotential =gesellschaftliche Immobi-
- Unterstützung bei ,,Findung d. Allgemeinwohls" lität (Veto-Gruppen) · Politiker zunächst der Partei verpflichtet · starker Korporatismus
- ,,Spielregeln für Lobbyisten" · Machtübertragung à Souveränitätsverlust d. Parlamentes
- viele Politiker

sind

Verbandsmitgliede r

- ungenügende Transparenz · selten

Gegenlobby vorhanden

- großer Einfluß

(öffentl. Meinung, Gesetzgebung)

Die wichtigsten Interessenverbände

- Vereinigungen innerhalb des Wirtschafts- und Arbeitssystems (z.B. Bundesverband der Deutschen

Industrie = BDI, Deutscher Gewerkschaftsbund = DGB)

- Vereinigungen im sozialen Bereich (z.B. Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer = VdK) · Vereinigungen im Freizeitbereich (z.B. Deutscher Fußball-Bund = DFB) · Vereinigungen im Bereich von Kultur, Politik + Religion (z.B. Deutsche Vereinigung für Parlaments-

fragen)

Es ist ein Merkmal westlicher Demokratien, daß neben dem staatlichen Verband auch eine Vielzahl autonomer Verbände mit eigenständigen Funktionen existiert, die im Rahmen der Gesetze einen Anspruch auf die Loyalität ihrer Mitglieder erheben (frei nach Ernst Fraenkel).

Neben der Aufgabe der Interessenvertretung kommt der verbandsmäßigen

Interessendarstellung auch die Funktion der Unterrichtung von Parlament, Verwaltung + Regierung zu; die Verbände verfügen über Informationen und Kenntnisse, deren die politischen Instanzen bedürfen (z.B. Entwurf eines Altölentsorgungsgesetzes: Industrie informiert über Machbares + Unmögliches; Problem = Industrie ist selbst Verursacher d. Problems, also nicht objektiv).

Funktionen von Verbänden

(1) Interessenorganisation und -durchsetzung
(2) Schaffung v. Einflußmöglichkeiten auf staatliche Entscheidungen (mittels Interessenaggregation)
(3) Partizipationsmöglichkeit für Bürger
(4) Versorgung der Politik mit Fachinformationen / Expertenwissen

2.3 Parteien

Def. Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit auf die politische Willensbildung

Einfluß nehmen + an der Vertretung des deutschen Volkes im Bundestag teilnehmen wollen. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen; sie müssen öffentlich Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel ablegen. Ihre Gründung ist frei. àGG Art.21

Nach GG Art.21 sind Parteien verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der Demokratie als verfassungsm äß ige Institutionen (,,Parteiendemokratie"); ihnen fällt eine zentrale

Bedeutung bei der politischen Willensbildung zu. Allerdings besitzen sie hierauf kein Monopol: Regierung & Behörden, Gewerkschaften, Presse, öffentliche Meinung usw. wirken ebenfalls am politischen Willensbildungsprozeß mit. Parteien können nur durch das BVG verboten werden (wie z.B. die KPD + SRP = Sozialistische Reichspartei).

Funktionen von Parteien

(1) Einfluß auf Gestaltung der öffentlichen Meinung

(2) Anregung + Vertiefung der politischen Bildung

(3) Personalrekrutierung

(4) Interessenartikulation

(5) Partizipationsfkt. (= Parteien als lebendige Verbindung zwischen Volk + Staatsorganen)

(6) Programmfkt. (= Niederlegung der politischen Ziele in Programmen)

(7) Einflußnahme auf die politische Entwicklung (Regierung + Parlament)

Auslegung der in GG Art.21 bzw. im Parteiengesetz geforderten innerparteilichen Demokratie

- Mehrheitsprinzip
- Meinungsfreiheit und Chancengleichheit für alle Mitglieder · Neuwahl der Vorstände in jedem zweiten Jahr · geheime Wahlen + Möglichkeit geheimer Abstimmungen
- öffentliche Rechenschaftsberichte der Vorstände über die Herkunft der finanziellen Mittel · Schiedsgerichte auf der jeweils höheren Stufe zur Regelung von Streitigkeiten zw. Mitgliedern oder

über die Satzung

- Freiheit von Ein- und Austritt

Parteien werden auf 4 Ebenen organisiert: · Bundesverband

- Landesverband
- Kreisverband · Ortsverband

Tatsächlich herrscht aber bei Massenparteien anstatt der demokratischen Mitbestimmung aller

Mitglieder eine faktische Parteienoligarchie vor: die Herrschaft einer kleinen

Führungsgruppe. Durch das Übergewicht der ,,inneren Geschlossenheit", um eine ablehnende Reaktion der Bevölkerung bei innerparteilichen Konflikten zu vermeiden, findet eine Konsolidierung der Macht der Parteiführung statt, die innerparteiliche Kritik mit Verweis auf die Öffentlichkeit zu unterbinden versucht.

Parteienfinanzierung

Das genaue Konzept der Parteienfinanzierung ist im Parteiengesetz festgelegt. Es existieren folgen-de Einnahmequellen:

- Mitgliedsbeiträge

- Beiträge der Fraktionsmitglieder
- Einnahmen aus den Parteivermögen / Veranstaltungen · Kredite (seit neuestem möglich)
- Steuerbegünstigungen und Ähnliches
- Wahlkampfkostenerstattung (mind. 10.000 Stimmen: DM 1,30 / Stimme) · Spenden (Publizitätsgrenze DM 20.000,-)

PROBLEMATIK

- es obliegt den Parteien selbst, die Finanzierung durch einen Mehrheitsbeschluß im Bundestag zu den eigenen Gunsten zu verändern (d.h. sie bestimmen selbst über die Geldmittel des Bundes).
- es besteht eine Chancenungleichheit: kleine Parteien bekommen weniger
- durch die Spenden besteht ein Risiko der Bestechung (Einflußnahme der Wirtschaft)

Parteienverdrossenheit

PHÄNOMENE · sinkende Mitgliederzahl

- sinkende Wahlbeteiligung
- Rückgang der Stammwähler
- Anstieg der Wechsel- und Nichtwähler (Kleinparteien werden begünstigt)

URSACHEN A - Parteienfinanzierungsskandale

- ,,Parteien sehen den öffentl. Haushalt als

Selbstbedienungsladen"

B - Entwicklung der Parteien zu Volksparteien · Profillosigkeit (,, catch-all-parties") · Abnahme der traditionellen Wählerbindung à Individualisierung

- Parteien unterscheiden sich minimal voneinander

C - Partei als ,,6. Verfassungsorgan"

- vermeintliches Monopol der politischen Willensbildung (Unglaubwürdigkeit)
- Ämterpatronage (Stellen im öffentl. Dienst werden von Parteien vergeben)
- ,,machtversessen + machtvergessen" (Richard von Weizsäcker)

D - Wahrnehmung gesellschaftlicher Probleme

- demoskopisch geleitete Politik
- Instrumentalisierung gesellschaftlicher Probleme zur Erreichung politischer Ziele
- das Lösen der komplexer werdenden Probleme wird ihnen nicht mehr zugetraut

REAKTIONEN · Urwahl der Kandidaten für Parteiämter bzw. öffentliche Ämter

- Nichtmitglieder haben Antragsrechte
- Erleichterungen für ,,Seiteneinsteiger"

Entwicklung zu Volksparteien

Volksparteien (Allerweltsparteien), sogenannte ,,catch-all-parties", sind das Ergebnis der Verwandlung der (aufgrund der ehemals schärferer Klassenunterschiede und erkennbarer Konfessionsstrukturen entstandenen) Massenintegrationsparteien. Diese Volksparteien versuchen, eine möglichst breite Wählerschicht anzusprechen. Sie zehren zunächst von der Loyalitätsreserve ihrer Mitglieder- und Kernanhängerumwelt, ohne jedoch mit dauerhafter integrativer Ansprache und klarer Interessenvertretung den expressiven Bedürfnissen und

Indentifikationswünschen der Stammklientel zu entsprechen; das Strukturproblem der

Volksparteien ist also ihre politische Treulosigkeit, die sich tendenziell als Millieu- und

Stammkientelvernachlässigung auswirkt zugunsten der ungebundenen Wechelwählergruppen aus den neuen Mittelschichten.

- notwendige Konsequenz einer sozial nicht polari- · Verschleierung der Machtverhältnisse: sierten Gesellschaft: das Verhältnis von Parteien die grundlegenden Konflikte (Privateigentum in einer Demokratie darf nicht von Feindschaft an Produktionsmitteln) bestehen noch immer geprägt sein
- um möglichst viele Wähler anzusprechen, muß · Vpartei =Widerspruch in sich : eine Partei eine Partei ihre Programmatik so weit fassen kann nicht das ganze Volk repräsentieren
- Volksparteien

verhindern

grundlegende Um- gestaltung der Gesellschaft (Anpassung an Status quo)

Die Zahl der Nichtwähler und Wechselwähler nimmt zu, die der Stammwähler sinkt.

Ebenfalls nimmt die Anzahl der Protestwähler, die zugunsten der extremen Parteien (links und rechts) stimmen, zu. Die GRÜNEN treten an die Stelle der FDP (Notwednig zur Mehrheitsbildung). Die Reaktion der Volksparteien ist eine stärkere Personalisierung des

Wahlkampfes, um den ,,Spagat" der Identifikationsmöglichkeit für möglichst viele Millieus

zu schaffen.

Unterschiede zw. Parteien + Verbänden

- Verbände sind in ihren Zielen beschränkter als Parteien

- Parteien sind an Weisungen des GG und des Parteiengesetzes gebunden · Interessenverbände streben nicht nach Regierungsverantwortung

(3.) Wahlsystem der BRD

3.1 Erst- und Zweitstimme, Überhangmandate

Die Erststimme

Mit der Erststimme stimmt der Wähler für den Direktkandidaten einer Partei nach dem

Prinzip der Mehrheitswahl. Derjenige Abgeordnete, der die meisten Stimmen bekommt und somit gewinnt, erhält das Direktmandat des jeweiligen Wahlkreises im Bundestag.

Die Zweitstimme

Mit der (insgesamt wichtigeren) Zweitstimme stimmt der Wähler für eine Partei von der

Landesliste. Die im gesamten Land errungenen Zweitstimmen einer Partei werden

zusammengezählt. Nach dem Prinzip der Verhältniswahl wird die Anzahl der Mandate im BT der Partei bestimmt. Von den errungenen Mandaten wird die Anzahl der Direktmandate der Partei abgezogen.

Ü berhangmandate

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate (Erststimme) als Mandate der Zweitstimme erringt; es gibt in der BT-Wahl keine Kompensation durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien. Die zusätzlichen Sitze kommen i.d.R. den großen Parteien zugute, da nur sie die Chance haben, überhaupt die Mehrheit für einen Direktkandidaten in einem Wahlkreis zu erreichen.

PROBLEMATIK Überhangmandate fallen vor allem den Parteien mit wenigen Zweitstimmen

zu. Da aber keine

Ausgleichsmandate gewährt

werden, findet eine Verzer-

rung des Wählerwillens statt, da

die Stimmen ein unterschiedliches

Gewicht

bekommen.

In der BRD wird nach dem personalisierten Verhältniswahlrecht oder vielmehr dem

Mischwahlprinzip (= Kombination aus Verhältniswahl à Zweitstimme und Mehrheitswahl à Erststimme) gewählt. Es gibt 328 Wahlkreise, somit ist jede Region mit mindestens einem Abgeordneten vertreten. Jeder, der das passive Wahlrecht besitzt und mit 200 Stimmen unterstützt wird, kann Kandidat werden. Die Landeslisten bestimmen, in welcher Reihenfolge die Kandidaten einer Partei in den BT gelangen.

Um eine Aufsplitterung des BT in viele kleine Parteien zu vermeiden, gilt dir Fünf-Prozent- Klausel: nur Parteien, die mindestens 5% der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinigt haben, erhalten Parlamentssitze. Einschränkung: Wenn eine Partei zwar unter der 5%-Grenze bleibt, allerdings in ein bestimmten Anzahl von Wahlkreises Direktmandate erringt, zieht sie dennoch in den BT ein. In der Praxis besteht die Gefahr, daß die 5-Prozent-Hürde das Wahlergebnis verfälscht, weil der Wähler die Gefahr einer verlorenen Stimme sieht, sofern er überlegt, eine kleine Partei zu wählen, und daher eine andere wählt.

Nach GG Art.38 werden die Abgeordneten des Dt. Bundestages in allgemeiner (alle dürfen), unmittelbarer (direkt, also kein Wahlmännerausschuß), freier (freiwillige Wahl; kein Druck auf Wähler) und geheimer (verdeckte Stimmabgabe auf Stimmzetteln) Wahl gewählt.

Wahlen erfüllen die folgende Funktionen:

- Legitimation der Regierungen (Legitimationsfkt.) · Kontrolle der Regierungen (Kontrollfkt.)
- Einbindung des Bürgers in die Politik (Partizipationsfkt.)
- Repräsentation und Integration der Wähler (Repräsentationsfkt.) · Konkurrenz zwischen den Parteien

3.2 Verhältniswahl / Mehrheitswahl

Bei der Verhältniswahl (Proportionalwahl), wie sie bei der Zweitstimme Anwendung findet, gibt es keinen Wahlkreis (Einheitswahlkreis); sie soll eine möglichst genaue Widerspiegelung des Wählerwillens garantieren, indem prozentual aufgeschlüsselt die Verteilung der Sitze im

Bundestag ermittelt wird. Bei der Mehrheitswahl (Erststimme) hingegen gibt es Wahlkreise, die jeder einen Direktkandidaten, nämlich denjenigen mit den meisten Stimmen (absolute Mehrheit), hervorbringen.

Vorteile der Verhältniswahl

- Gerechtigkeit: jede Stimme hat den selben Erfolgswert und selbe Gewichtung (auch bei Wahl von

kleinen Parteien), Minderheiten werden ebenfalls repräsentiert, kleine Parteien haben eine Chance,

kein Wähler wird durch einen Abgeordneten repräsentiert den er nicht gewählt hat.

- Spiegelbild der Wählerschaft: es entsteht ein getreues Bild der Wählerschaft und der politischen

Meinung im Wahlkreis und im Volk

- Keine Wahlkreisgeometrie: keine Manipulation von Wahlkreisen durch Verrechnungsmuster (jerry-

mandering)

- Wertvolle Experten: sie können über die Landeslisten besser abgesichert werden

- Bessere Möglichkeiten für neue Parteien: Verhinderung eines Kartells d. alteingesessenen Parteien

- Verhinderung extremer politischer Umschwünge und Umorientierung

Vorteile der Mehrheitswahl

- Verhütung der Parteizersplitterung: nur starke Parteien können ihre Kandidaten durchsetzen, kaum schwache Parteien: Verhinderung potentieller Ineffizienz politischer Arbeit · Stabile Regierung: meistens geht aus der Mehrheitswahl eine Regierung mit 2 oder 3 Parteien her-

vor, was eine stabile und effiziente Regierung garantiert

- Förderung der politischen M äß igung: Orientierung der Parteien an der Mitte - Extreme Parteien ha-

ben keine Chance sich durchzusetzen

- Förderung des Wechsels in der Regierungsausübung: bereits Kleine Fehler der Regierung können in einem 2-Pateien-Parlament stark ausschlaggebend für eine Neubildung durch eine Mehr-

heitswahl sein

- Personenwahl: enge Bindung zwischen Kandidat und regionaler Wählerschaft

- Direkte Wahl der Regierung: der Wähler entscheidet unmittelbar die Wahl und wird nicht mit Über-

hangmandaten usw. verfälscht

- Unabhängigkeit der Kandidaten von ihrer Partei: Entspannung der Fraktionsdisziplin

3.3 Demoskopie

Def. Wahlforschung = Versuch der Aufdeckung von Faktoren, die das Wahl- bzw. Nichtwahlver-

halten beeinflussen, sowie Prognosen für zukünftiges Wahlverhalten ermöglichen sollen.

Einflüsse auf das Wählerverhalten

- Strukturelle Determinanten: Wichtigkeit der Wahl (BT/regional) , Öffentlichkeitsstruktur , Medien-

einfluß, Bildungsstand

- Kulturelle Rahmenbedingungen: Demokratietradition, Einstellung zur Politik, Wertvorstellungen +

Wertorientierungen

- Politische situative Faktoren: Wahlkampf, Möglichkeit taktischen Wählens, Koalitionswahrschein-

lichkeit (Stimmensplitting)

- Konjunkturelle Einflüsse: politische Großwetterlage

Wählertypisierungen

- Stammwähler: stabile Parteibindung durch politische Sozialisation (Sozialmillieu wirkt politisch vereinheitlichend); beruflich-soziale Schichtung ist prägender Faktor (Parteimitglieder usw.)

- Wechselwähler: Wahlentscheidung für verschiedene Parteien in aufeinanderfolgenden gleichen

Wahlen

- Nichtwähler - bewußte Wahlverweigerung aufgrund politischer Unzufriedenheit (Parteienverdros-

senheit, Individualisierung, Perzeption politischer Ineffizienz) - oder Desinteresse /

Uninformiertheit

- Protestwähler: ähnliche Beweggründe wie Nichtwähler, aber Intension des Aufbegehrens gegen die

gegebene politische Landschaft; häufig Wähler extremer Parteien

Ergebnisse der Wahlforschung

Nach Auswertung der Faktoren Alter, Beruf und soziale Schicht stellte sich heraus, daß sich mit zu-nehmendem Alter und sozialem Status die Wahlbeteiligung erhöht.

WAHLKLIENTEL: CDU / CSU à Bürger ab 45 / katholische Kirchenbindung / vorwiegend länd-

liche Gegend mit niedr. Bevölkerungsdichte / südl. Bundesländer / oft Frauen

SPD à Erst- + Jungwähler / städtische Arbeitergegenden / Nicht-Katholiken

FDP à Nicht-katholische Selbständige GR Ü NE à Nicht-katholische Angestellte

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß
Course
LK Gemeinschaftskunde
Grade
13 NP im A
Author
Year
2000
Pages
19
Catalog Number
V97512
ISBN (eBook)
9783638959643
File size
475 KB
Language
German
Notes
Abitur-Vorbereitung
Keywords
Meinungs-, Willensbildungsprozeß, Gemeinschaftskunde
Quote paper
Philipp Koch (Author), 2000, Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97512

Comments

  • guest on 9/17/2002

    referat.

    ich brauchte dieses referat zwar nicht,um es weiterzuverarbeiten, aber es hat mir ziemlich geholfen, das ganze system zu verstehen. dankeschön

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Title: Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß



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