Roberto Benigni - Das Leben ist schön


Hausarbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1,5

Anonym


Leseprobe


Inhaltsangabe

I. Einleitung

II. Zum Problem der Darstellung der Shoah im Film

III. Roberto Benignis: „La vita è bella“
III.1. Inhaltsangabe
III.2. Eine Komödie Im Konzentrationslager?

IV. Analyse von „La vita è bella“
IV.1. Komische und burleske Elemente
IV.2. Elemente des Märchens
IV.3. Zur Darstellung des Faschismus

V. Schlußwort

Bibliographie

I. Einleitung

„For the last three months, I have had a recurring nightmare. Somehow, I am sitting in the audience at the Academy Awards ceremony. Two glamorous figures (...) stand at the podium. They are about to announce the award for „Best Foreign Language Film“. The hall falls silent. „And the winner is...“ They pause; the suspense slowly builds. „Life is Beautiful, Roberto Benigni, director“. The crowd goes wild. I wake up screaming . . .“[1] (Stuart Liebman)

1999 wurde dieser Alptraum eines amerikanischen Filmrezensenten wahr. „La vita è bella“, in Italien der nach „Titanic“ erfolgreichste Film des Jahres 1997, wurde in den beiden darauffolgenden Jahren von zahlreichen internationalen Filmjurys mit Preisen überhäuft: er erhielt 1998 in Cannes den Großen Preis der Jury, in Jerusalem den „Jewish Experience Award und ein Jahr danach schließlich drei Oscars des Academy Award[2].

In zahlreichen Ländern waren vor der Premiere Sondervorführungen anberaumt worden, um die Meinungen der jüdischen Gemeinden einzuholen; die Reaktionen fielen durchweg positiv aus. Selbst der Vorsitzende der amerikanischen Anti Defamation League[3], Abraham Foxman, ein Überlebender der Shoah, lobte Benignis Film. Er hatte die Idee einer Komödie im Konzentrationslager für so abstoßend gehalten, daß er sich zunächst weigerte, ihn anzuschauen, änderte aber nach der Vorführung seine Meinung:

„ The film is so poignant, it is so sensitive, it is so informed by creative genius (...) I give it a whole-hearted endorsement.“[4]

Trotz - oder gerade wegen - dieses weitgehend positiven Echos löste „La vita è bella“ auch zahlreiche Kontroversen aus. Die Zitate Foxmans und Liebmans (als einem entschiedenen Gegner von Holocaust-Filmen) stehen für zwei unterschiedliche Positionen im breiten Spektrum der Meinungen zu „La vita è bella“, die sich – wie im folgenden Abschnitt erläutert werden soll – in ähnlicher Form schon in den Diskussionen über frühere Holocaust- Verfilmungen ausmachen ließen und die die Probleme einer filmischen Umsetzung der Shoah verdeutlichen. Anschließend soll anhand der Darstellung der charakteristischen Elemente von Benignis Film untersucht werden, welche Antworten er auf diese Probleme gibt.

II. Zum Problem der Darstellung der Shoah im Film

Bald nach dem Ende des Holocaust setzte die Diskussion über die Art seiner Darstellung in der Literatur ein. Die Autoren, die zu den Überlebenden der Vernichtungslager gehörten, standen vor dem Dilemma, Zeugnis abzulegen für Erlebnisse, deren Ausmaß an Schrecken den Gebrauch jeder tradierten literarischen Form von vornherein ausschlossen. Neben authentischen Zeugenberichten entstand so eine neue Art von Literatur, deren Ziel es war, eine Form zu finden, die den Erlebnissen in den Vernichtungslagern möglichst gerecht werden sollte.

Die Autoren, die sich mit dem Thema des Holocaust beschäftigten, ohne direkt von ihm betroffen gewesen zu sein, sahen sich mit der Frage konfrontiert, ob fiktionale Darstellungen der Shoah überhaupt zulässig seien, oder ob sie die Realität nur verfälschen und somit auch dem Andenken an die Opfer schaden könnten. In Kunst, Literatur und Film entstand ein Kanon von Formen, die dem Thema angemessen schienen, und die den Maßstab für spätere künstlerische Produktionen darstellten. In den fünfziger Jahren war dieser Kanon - vor allem in Deutschland – sehr eng. Jegliche Art der Darstellung, die auch nur im entferntesten als provokativ aufgefaßt werden konnte, sollte tunlichst vermieden werden. So gerieten z.B. Loriots Karikaturen für den „Stern“ ins Kreuzfeuer der Kritik, weil man seine „knollnasigen Figuren, die hilflos von ihren Hunden durch die Straßen gezogen wurden“ als „menschenverachtend und geschichtsblind“ empfand[5].

Als eine besonders schwierige Aufgabe erwies sich die fiktionale Darstellung der Shoah im Film, von der nicht umsonst lange Zeit Abstand genommen wurde. Im folgenden soll kurz auf zwei Produktionen eingegangen werden, die in der Vergangenheit besonders heftige Diskussionen auslösten: Gerald Greens US-Fernsehserie „Holocaust“ aus dem Jahre 1978, die die Judenvernichtung am Beispiel der Geschichte einer fiktiven Berliner Familie darstellte, und der 1994 erschienene Film „Schindlers Liste“ über die Deportation der Bewohner des Warschauer Ghettos nach Auschwitz, in dem Stephen Spielberg historische Fakten mit fiktiven Elementen verquickte.

Trotz ihrer unterschiedlichen künstlerischen Qualität wurden beide Produktionen mit ähnlichen Argumenten kritisiert: sowohl „Schindlers Liste“ als auch „Holocaust“ trügen zur Kommerzialisierung und zur Trivialisierung der Shoah bei.

Die Serie „Holocaust“, die laut Elie Wiesel „ein ontologisches Ereignis in eine Seifenoper“ verwandle[6], wurde getadelt, weil sie darauf abziele, beim Publikum große Emotionen zu schüren. Dadurch, daß sie die Leiden der europäischen Juden am Schicksal einer einzigen Familie exemplifiziere, ermögliche sie es dem Zuschauer überdies, sich mit den dargestellten Personen zu identifizieren und erziele am Ende eine Katharsis, nämlich „die erleichternde Befreiung von allen miterlittenen Schrecken der Vergangenheit“[7]. Dazu trüge zusätzlich das symbolische Überleben eines Familienmitgliedes bei, das „die befreiende Zukunftsperspektive Israel“[8] verheiße. Außerdem würde die Massenvernichtung der Juden dadurch verharmlost, daß sie in einer Serie dargestellt und dadurch an „vertraute Muster der Fernsehunterhaltung angepaßt“[9] würde.

Aufgrund seines höheren Anspruchs und seiner unterschiedlichen Machart treffen manche der oben genannten Argumente auf „Schindlers Liste“ nicht bzw. nicht im gleichen Maße zu. Dennoch wurde Spielbergs Produktion von vielen Kritikern zu den Filmen gezählt, die unter dem Vorwand der Erinnerung an die Shoah deren „hollywoodisation (...), soit la mise en scène de la destruction des juifs d’Europe selon les principes du divertissement et du happy end[10] betrieben. Auch sie setze auf die Emotionalisierung des Publikums; auch sie zeige Überlebende, wo es fast nur Tote gegeben habe und betreibe somit eine Trivialisierung des Holocaust. Claude Lanzmann, einer der schärfsten Kritiker von Greens Serie, die er mit seiner neuneinhalbstündigen strengen Filmdokumentation „Shoah“ gewissermaßen „auslöschen“ wollte[11], wies in diesem Kontext auf die Unzulässigkeit jeglicher fiktionaler Darstellungen der Judenvernichtung hin und zog eine Parallele zwischen „Holocaust“ und „Schindlers Liste“:

„Der Holocaust ist vor allem darin einzigartig, daß er sich mit einem Flammenkreis umgibt, einer Grenze, die nicht überschritten werden darf, weil ein bestimmtes, absolutes Maß an Greueln nicht übertragbar ist: Wer es tut, macht sich der schlimmsten Übertretung schuldig. Die Fiktion ist eine Übertretung, und es ist meine tiefste Überzeugung, daß jede Darstellung verboten ist. Als ich „Schindlers Liste“ sah, fand ich das wieder, was ich bei der „Holocaust“-Fernsehserie empfunden hatte. Übertreten oder trivialisieren läuft hier auf das gleiche hinaus.“[12]

Aus diesem Zitat Lanzmanns wird ersichtlich, wo weitere Schwierigkeiten einer Darstellung der Shoah im Film liegen.

Selbst wenn man eine Fiktionalisierung des Holocaust nicht automatisch mit dessen Trivialisierung gleichsetzt – schließlich wird dieser Vorwurf im Zusammenhang mit literarischen Fiktionalisierungen viel seltener erhoben – bewegt sich doch jeder Holocaust- Film eher an der Grenze zur Trivialen. Dies ist schon durch das Medium selbst bedingt. Es soll hier nicht näher auf die Tatsache eingegangen werden, daß Filme im allgemeinen darauf angelegt sind, dem Geschmack eines breiten Publikums Rechnung zu tragen, und daß sie, anders als die Literatur, dessen Emotionen auf eine direkte, unvermittelte Art ansprechen.

Lanzmanns Kritik geht weiter: sie deutet auf einen theologischen Aspekt der Holocaust-Diskussion hin, der das Medium Film in dessen Kern, der bildlichen Darstellung, trifft.

Seine Metapher vom „Flammenkreis“, der den Holocaust umgebe, erinnert an den brennenden Dornbusch aus dem Alten Testament. Das „absolute Maß an Greueln“ kann und darf genauso wenig dargestellt werden wie die die Grenzen der menschlichen Fassungskraft überschreitende Instanz Gottes. Tatsächlich steht Lanzmann in der Tradition eines Diskurses, dessen Verfechter „in der Anwendung des alttestamentlichen Bilderverbots auf den Holocaust (...) ihm spiegelbildlich zu Gott die Position des negativ Absoluten“ zuweisen.[13] Abgesehen von seinen religiösen Implikationen geht dieses Tabu in die gleiche Richtung wie das o.g. Gebot, beim Publikum jegliche Identifikation mit den Opfern zu vermeiden: die Erfahrung der Shoah darf nicht greifbar gemacht werden; sie soll nicht auf vereinfachende Darstellungen reduziert und so vom kollektiven Gewissen allmählich verarbeitet werden können. Lanzmann umging diesen Effekt u.a. dadurch, daß er die Schilderung vollständiger Lebensläufe von Holocaustopfern unterließ.[14]

Die Befürworter populärer Filmproduktionen lassen solcherlei Bedenken zugunsten pragmatischer Gesichtspunkte außer acht. Ihr Ziel ist es, ein möglichst großes Publikum anzusprechen und auf diese Weise die Diskussion über die Shoah in der breiten Öffentlichkeit anzuregen. Lea Rosh, die vor einiger Zeit in der Diskussion über das Berliner Holocaust-Mahnmal Aufsehen erregte, vertritt eine Einstellung, die derjenigen Lanzmanns diametral entgegengesetzt ist. Zur Verteidigung von Greens Serie äußerte sie, ihrer Ansicht nach könnten „Millionen Fernsehzuschauer ruhig Krokodilstränen vergießen, wenn ihnen diese Erfahrung nur bewußt mache, was damals geschehen sei.“[15]. Ihre Position wird dadurch gestützt, daß – zumindest seit den siebziger Jahren - keine der anspruchsvollen Literatur – und Filmproduktionen die öffentliche Auseinandersetzung mit der Shoah und die intellektuelle Diskussion über ihre Darstellbarkeit in gleichem Maße angeregt hat wie „Holocaust“ und „Schindlers Liste“.[16]

Weder die zahlreichen ethischen, religiösen und philosophischen Aspekte der Darstellung des Holocaust noch die Frage nach der positiven oder negativen Wirkung populärer Filmproduktionen auf dessen Andenken können hier diskutiert werden. Das Ziel dieser kurzen Schilderung zweier gegensätzlicher Haltungen zu filmischen Darstellungen des Holocaust sollte es sein, die Probleme, mit denen sich jeder neue Film zu diesem Thema konfrontiert sieht, grob zu skizzieren. Im folgenden soll untersucht werden, inwiefern „La vita è bella“ auf diese Herausforderung eine Antwort darstellt.

[...]


[1] Liebman, Stuart: „If Only Life Were So Beautiful“ in: „Cinéaste“, New York, Nr.24 (2-3), 1999, S.20

[2] siehe: http//us.imdb.com

[3] eine jüdische Gesellschaft, die u.a. gegen die Verunglimpfung des Holocaust vorgeht

[4] Ezor, Donna: „Filmmaker Benigni says his goal was to make a beautiful movie“, in: „New Jersey Jewish News“, 29.10.1998

[5] Lau, Mariam: „Komödie im KZ“, in „Die Welt“, 14.11.1998

[6] Lange, Sigrid: „Authentisches Medium“, S. 134

[7] ebd., S. 134

[8] ebd., S. 134

[9] ebd., S. 134

[10] Mandelbaum, Jacques: „Films et Shoah, l’écriture du désastre“, in: „Le Monde“, 20.10.1999

[11] Lau, Mariam: „Komödie im KZ“ in „Die Welt“, 14.11.1998

[12] Lange, Sigrid: „Authentisches Medium“, S. 135

[13] ebd. S. 136

[14] ebd. S. 138

[15] Lau, Mariam: „Komödie im KZ“ in: „Die Welt“, 14.11.1998

[16] Lange, Sigrid: „Authentisches Medium“, S. 133

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Roberto Benigni - Das Leben ist schön
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Romanistik)
Note
1,5
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V3696
ISBN (eBook)
9783638122818
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Roberto, Benigni, Leben
Arbeit zitieren
Anonym, 2000, Roberto Benigni - Das Leben ist schön, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3696

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