Erstspracherwerbstheorien nach Noam Chomsky


Dossier / Travail de Séminaire, 2008

19 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Spracherwerbsforschung

3 Phasen des Erstspracherwerbs
3.1 Entwicklung der Lauterzeugung
3.2 Grammatische Entwicklung

4 Erklärungsansätze zum Erstspracherwerbs nach Chomsky
4.1 Das Language-Acquisition-Device-Modell
4.2 Das Prinzipien- und Parametermodell

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

7 Onlinequellen

1 Einleitung

Jeder Säugling wird in eine Gesellschaft hineingeboren, in der hauptsächlich mit Hilfe des Mediums Sprache kommuniziert wird. Kaum geboren, schon wird es von allen Seiten angesprochen.

Sprache wird hier verstanden als „Kommunikationsmittel des Menschen, gekennzeichnet durch die Verwendung arbiträrer (willkürlicher) gesprochener oder geschriebener Symbole mit festgelegter Bedeutung.“1

Durch Sprache erschließen wir uns die Welt. Wie aber ist es möglich, dass ein Kind scheinbar spielend leicht seine Muttersprache erwirbt, wo doch auch mancher Erwachsene immer wieder Neues und Unbekanntes in seiner Sprache entdeckt.

Wie also erwirbt das Kind seine Erstsprache? Passiv durch Imitation oder aktiv durch Beobachten seiner Umwelt?

Über die Art und Weise, in der sich Spracherwerb vollzieht, gibt es viele Theorien.

In dieser Arbeit möchte ich mich näher mit dem Behaviorismus und dem Nativismus beschäftigen und auf die Grundlagen dieser Theorien eingehen.

2 Die Spracherwerbsforschung

Seit jeher haben Menschen großes Interesse daran, wie Sprachfähigkeit entsteht und welche Sprache die “Ursprache” ist.

Um diese Ursprache zu entdecken, hat bereits im siebten Jahrhundert vor Christus der ägyptische König Psammetich I. ein Isolationsexperiment durchgeführt. Ziel war es, herauszufinden „ welche die älteste Sprache der Welt sei“2. Hierfür überließ der König, laut Herodot, einem Schafhirten zwei Neugeborene, die dieser unter seiner Herde großzog. Der Hirte sollte mit den Kindern nicht kommunizieren, sondern ihnen lediglich zu bestimmten Zeiten Milch seiner Ziegen geben.3. „ So handelte und befahl Psammetich, weil er, sobald die Kinder über das bedeutungslose Wimmern hinaus waren, zu hören wünschte, in welcher Sprache sie zuerst sprechen würden“4. Die erste Äußerung, die die Kinder machten und die der Schafhirte als Wort identifizierte, war das Wort becos. „Und als Psammetich dies ebenfalls gehört hatte, erkundigte er sich, welches Volk irgendetwas becos nannte; und so fand er heraus, dass die Phryger Brot bei diesem Namen nennen5. Daraus schloss Psammetich, dass das Volk der Phryger älter sei, als das der Ägypter, doch „Psammetichs Schlussfolgerung war falsch, da wir heute wissen, dass Phrygisch nur eine von mehreren Sprachen war, die sich in jener Epoche entwickelt hatten6.

Ein anderes Experiment dieser Art führte Friedrich II von Hohenstaufen, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1194- 1250), durch. „Überliefert ist der Versuch, Kinder von jeder Sprachvermittlung durch die Außenwelt abzuschneiden, um herauszufinden, ob sie beginnen würden, die nach der Bibel menschliche Ursprache, das Hebräische, oder eine andere Sprache zu sprechen“7. Da aber niemand mit den Kindern sprach und die Kinder offensichtlich „nicht leben [konnten] ohne Händeklatschen und Gebärden und fröhliche Mienen und Schmeicheleien“8erfuhr der Kaiser nicht, welche die Ursprache ist, denn die Kinder starben, bevor sie sprechen konnten9.

Der indische Großmogul Akbar der Große (1542- 1605) war nicht auf der Suche nach der Ursprache, sondern vertrat die These, „[…]dass Sprache sich durch Kontakt mit anderen Menschen entwickele. Diese Annahme suchte er ebenfalls durch ein Isolationsexperiment zu belegen10. Er ließ Neugeborene in einem abgeschiedenen Serail, wo sie von stummen Ammen betreut wurden. Als Akbar der Große das Haus einmal besuchte, war kein Laut von den mittlerweile vierjährigen Kindern zu hören11. Schon im vierzehnten Jahrhundert verfolgte dieser Herrscher eine für die damalige Zeit sehr moderne Auffassung. Denn er war nicht auf der Suche nach einer Ursprache, sondern eher nach der Ursache des Sprachelernens bei Kindern.

Nach diesen eher grausamen Experimenten begannen in der Mitte des 19.Jahrhunderts die Periode der so genannten diary studies12. „Zu den Wissenschaftlern, die sich […] dieser Methode bedienten, gehörten August Schleicher und Charles Darwin.“13Doch lag zu dieser Zeit der Forschungsschwerpunkt auf der Sprachursprungsfrage und weniger der Betrachtung des Spracherwerbs als eigener Forschungsschwerpunkt14. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition der Tagebuchaufzeichnungen durch die, sich vor allem in Amerika durchsetzenden, large sample studies. In diesen Studien mit großen Gruppen von Kindern wird nur beobachtbares Verhalten erfasst, während „ innere Kräfte oder Prozesse als nicht messbare Größen [ausgeklammert werden]15. In dieser Phase der Spracherwerbsforschung lag nun das Augenmerk darauf, den durchschnittlichen, normalen Verlauf des Erstspracherwerbs zu erfassen16. Dies wurde vor allem auch durch die technischen Möglichkeiten der Tonaufzeichnung ermöglicht.17

In der bis heute andauernden Phase des Spracherwerbs, in der vor allem in Längsschnittstudien mit den selben Kindern über einen längeren Zeitraum geforscht wird, liegt das Hauptinteresse der Forscher darin, „die frühe kindliche Grammatik zu erfassen und zu erklären.“18

3 Phasen des Erstspracherwerbs

„Die Aneignung einer Sprache ist Teil der menschlichen Ontogenese. Die entscheidenden Spracherwerbsprozesse (beim monolingualen Erstspracherwerb) vollziehen sich im Vorschulalter, also in den ersten fünf bis sechs Lebensjahren.“19Für die meisten Eltern ist der Moment, indem ihr Kind mit etwa 12 Monaten sein erstes Wort spricht, der Zeitpunkt, wo es anfängt Sprechen zu lernen. Doch beginnt dieses Sprechenlernen schon viel eher.

3.1 Entwicklung der Lauterzeugung

Laute kann das Ungeborene bereits drei Monate vor seiner Geburt wahrnehmen und unterscheiden, doch selbst erzeugt es Laute erst nach seiner Geburt.20In den ersten Lebenswochen (etwa bis zur achten Lebenswoche) beziehen sich die lautlichen Äußerungen des Kindes vor allem auf sein körperliches Befinden21. Diese meist körperlichen Bedürfnisse, wie Hunger, Schmerz oder Unbehagen, führen zu reflexiven Geräuschen.

Wohingegen die Atmung, Nahrungsaufnahme und andere physische Vorgänge vegetative Geräusche verursachen22. Reflexive Geräusche machen sich durch einen Schrei bemerkbar. „Ein normaler Schrei besteht aus einer Reihe von einsekündigen Lautausstößen, die von kurzen Pausen unterbrochen werden.23Diese Schreie weisen ab der zweiten Lebenswoche ein differenziertes Klangmuster auf, das unterschiedliche affektive Zustände des Kindes anzeigt24. Die ersten Lautäußerungen haben zwar noch keine sprachspezifischen Merkmale, dennoch bilden sie „grundlegende Eigenschaften der späteren Sprache.“25Denn der „Luftstrommechanismus [dient] der Lauterzeugung, es kommt zu rhythmischen Lautäußerungen, und die Stimmbänder werden so eingesetzt, dass unterschiedliche Tonhöhen entstehen.“26Dennoch bleibt festzuhalten, dass “[…] bisher keine Indizien dafür zu finden sind, die eindeutig dafür sprechen, dass die Zielsprache das Verhalten der Lautproduktion beeinflusst[…]“27Neben diesen affektiven Grundlauten produziert das Kind nach den ersten sechs Wochen auch ruhige Grundlaute, wie Vokale und weiche Gaumenlaute, die durch Wiederholungen wie Gurrlaute anmuten.28Im Alter von drei bis vier Monaten folgt die Phase der stimmlichen Expansion, indem das Potenzial der Stimme ausprobiert wird und das Kind Kontrolle über seine Stimmregister, über Intensität und Klangfarbe seiner Stimme erlangt.29In dieser Zeit produziert das Kind auch die ersten kehligen Gluckslaute und Lacher.30Während in diesem Zeitraum hauptsächlich Vokale zu hören sind, beginnt das Kind ab dem sechsten Lebensmonat mit der Produktion von Konsonanten, welche nach und nach auch mit Vokalen kombiniert werden (Phase des Babbelns).31„Zu diesem Zeitpunkt beginnt der Vokaltrakt des Säuglings sich der Gestalt des Vokaltrakts Erwachsener zu nähern.“32„Zwischen 7. und 10.Monat schließt sich Phase des repetitiven Silbenplapperns an, in der auch eine deutliche Erhöhung des Konsonantenanteils […] festgestellt wurde.33Hier werden „[weniger] Laute […] häufiger und regelmäßiger verwendet, um Lautfolgen wie bababa zu erzeugen.“34Formen wie bababa oder gaga werden reduplizierte Plapperlaute genannt, da immer der gleiche Konsonant gebildet wird.35„Im Alter von11 bis 12 Monaten werden dann Kobinationen von unterschiedlichen Vokalen und Konsonanten beobachtet, z.B. bada [oder] dadu [..].“36Das Abwechseln von Konsonanten Vokalen von einer Silbe zur nächsten wird als differenziertes Plappern bezeichnet.37 Ebenfalls in dieser Phase, etwa vom 9. bis zum 18. Monat, „[…] spüren [die Eltern] eine Absicht hinter den Äußerungen, die bereits eine viel klarer umrissene Form haben, und hören oft Bedeutungen wie Frage, Ruf, Gruß oder Wunsch heraus.“38 Nun entstehen auch so genannte Protowörter, die akustisch immer gleich erscheinen, jedoch inhaltlich jedes Mal etwas anderes bedeuten.39 „Mit ungefähr 12 Monaten gebrauchen Kinder in der Regel erste Wörter […]“40, die jedoch „meist aus einfachen Konsonant- Vokal (CV) oder Konsonant- Vokal- Konsonant (CVC)- Silben bestehen.“41

[...]


1 http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761570647/Sprache.html, letzter Zugriff 27.08.2008

2 Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 7

3 Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

4 Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

5 ebd.

6 ebd.

7 http://www.geocities.com/tillbergner/FII.html, letzter Zugriff 11.07.2008

8 Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

9 Vgl. http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/5c3c9c98- bc25-4970-bc00-84ddb8c2a2a7.aspx, letzter Zugriff 10.07.2008

10Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 9

11Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

12Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 10

13Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

14Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 11

15Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 13

16Vgl. ebd.

17Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.228

18Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 14

19Schwarz, Monika. Einführung in die Kognitive Linguistik, A. Francke Verlag Tübingen und Basel, 2.Auflage, 1996, S. 106

20Butzkamm, Wolfgang; Butzkamm, Jürgen. Wie Kinder sprechen lernen. Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen, A. Francke Verlag Tübingen und Basel, 2. Auflage, 2004, S. 5 21Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.236

22ebd.

23Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.236

24Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 22

25Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.236

26ebd.

27Sucharowski, Wolfgang. Sprache und Kognition, Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen, 1996, S. 117

28Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 23

29Vgl. ebd.

30Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.236

31Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 23

32Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 23

33Vgl. Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 24

34Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.237

35Vgl. ebd.

36Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 24

37Vgl. Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.237

38 Crystal, David. Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache, Campus Verlag Frankfurt/Main; New York, 1995, S.

39 ebd.

40 Klann- Delius, Gisela. Spracherwerb, Verlag J.B. Metzler Stuttgart; Weimar, 1999, S. 24

41 ebd.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Erstspracherwerbstheorien nach Noam Chomsky
Université
University of Leipzig  (Anglistik)
Cours
Hauptseminar Geschichte der modernen Sprachwissenschaft
Note
1,7
Auteur
Année
2008
Pages
19
N° de catalogue
V115805
ISBN (ebook)
9783640173532
ISBN (Livre)
9783640173792
Taille d'un fichier
444 KB
Langue
allemand
Mots clés
Erstspracherwerbstheorien, Noam, Chomsky, Hauptseminar, Geschichte, Sprachwissenschaft
Citation du texte
Josephin Reichert (Auteur), 2008, Erstspracherwerbstheorien nach Noam Chomsky, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115805

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