Ein Vergleich der Weltgerichtsportale von St. Lazare in Autun und Notre Dame in Paris

Mit Schwerpunkt auf den Seelenwegen


Travail d'étude, 2014

15 Pages, Note: 2,3

Bluri Cash (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. St. Lazare, Autun
2.1. Beschreibung & Analyse des Weltgerichtportals in St.Lazare
2.1.1. Mittlerer Bereich - Jesus
2.1.2. Türsturz - die Auferstehenden
2.1.3. Linker Bereich - Himmel
2.1.4. Rechter Bereich - Hölle
2.2. Seelenwege im Tympanon von St.Lazare
2.3. Ansätze eines Fegefeuers

3. Notre Dame de Paris, Paris
3.1. Beschreibung & Analyse des Weltgerichtportals in Notre Dame
3.1.1. Oberer Bereich – Jesus
3.1.2. Mittlerer Bereich – Seelenwägung
3.1.3. Unterer Bereich – Auferstehung der Toten
3.2. Seelenwege im Tympanon von Notre Dame

4. Zusammenfassender Vergleich

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Hausarbeit befasst sich mit dem Vergleich der Weltgerichtsportale von St. Lazare in Autun und Notre Dame in Paris. Das Jüngste Gericht gilt nicht nur als Hauptthema in der romanischen Plastik, sondern wurde auch lange Zeit später, in der Gotik, noch häufig als Motiv für Tympana gewählt. Obwohl beide Tympana, in Autun und Paris, die Szene des Jüngsten Gerichts darstellen, gibt es doch zahlreiche Unterschiede. Das um 1130 errichtete Weltgerichtsportal von St. Lazare gehört der romanischen Epoche an, während das von 1220 – 1230 errichtete Hauptportal von Notre Dame de Paris den frühen gotischen Baukünsten anzurechnen ist. Das spiegelt sich natürlich auch in den dargestellten Skulpturen wieder. Beide Tympana sind an den Hauptportalen der Westfassaden der Kirchen zu finden. Doch ein Hauptmerkmal dieser Arbeit soll nicht der generelle, allgemeine Vergleich der beiden Portale sein. In dieser Arbeit möchte ich einen Schwerpunkt auf die Darstellung der Seelenwege in den beiden Tympana legen. Wer die beiden Tympana betrachtet wird auf den ersten Blick keinen großen Unterschied erkennen, was die Wege der Seelen angeht. Auf beiden Darstellungen klettern die Toten aus ihren Gräbern, werden von Jesus, unter ständiger Beobachtung seiner Fürbitter und anderer Heiligen, gerichtet und anschließend ihrem Schicksal gestellt. Doch nimmt man einen näheren Blick auf die Szenen, so entdeckt man doch explizite Unterschiede. Dass die Szene des Jüngsten Gerichts in St. Lazare dem Johannes Evangelium und die Szene in Notre Dame de Paris dem Matthäus Evangelium nachempfunden sind, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wie genau das Jüngste Gericht in den beiden Evangelien beschrieben wird und wie diese Beschreibung dann wiederum in den Tympana aufgenommen wurde gilt in dieser Arbeit zu verdeutlichen. Außerdem möchte ich auf einen weiterführenden Gedanken vom Heiligen Augustinus eingehen, der die Modelle von Matthäus und Johannes erweitert und die Vorstellung eines Fegefeuers erstmalig anspricht. Dieser Gedanke spielt besonders in Gislebertus‘ Tympanon eine nennenswerte Rolle. Abschließend werde ich, im letzten Teil dieser Arbeit, das Erarbeitete vergleichend zusammenfassen.

2. St. Lazare, Autun

St. Lazare ist eine romanische Basilika, die ihm Jahre 1178 vollendet wurde. Sie war eine Pilgerkirche und wird auch heute noch jährlich von zahlreichen Pilgern und kulturbegeisterten Touristen bereist[1]. Früher befand sich die Kathedrale isoliert auf einem weiten Feld, so dass sie für die Pilger schon von weitem gut erkennbar war. Die Kirche befindet sie sich nach wie vor am geographisch höchsten Punkt der Oberstadt von Autun und liegt somit in nächster Nähe zu Gott.[2] Die Kirche besteht aus einem dreischiffigen Langhaus und einem im Vergleich recht kurzen Querhaus, das zu beiden Seiten um die Tiefe eines Jochs über die Langhausfront hinausragt. Die Choranlage ist zwei Joche tief und endet, Richtung Norden, in drei Apsiden. Die Seitenschiffe des Langhauses sind mit Kreuzgratgewölben versehrt und durch eine Spitztonne wird eine Wölbung im Mittelschiff erreicht. Die Kathedrale ist mit zahlreich verzierten Kapitellen ausgestattet und auch die Fassade ist reich geschmückt. Für den Großteil der Skulpturen innerhalb und außerhalb der Kirche, Kapitelle und Portale ist der Steinmetz Gislebertus verantwortlich. Obwohl es keine genauen Daten zu seiner Person gibt, weiß man, dass er als einer der begabtesten Steinmetze seiner Epoche galt. Das Hauptportal hat nicht immer auch als Haupteingang gedient. Im Mittelalter hat sich der Haupteingang in der Frontwand des nördlichen Querschiffs befunden.

2.1. Beschreibung und Analyse des Weltgerichtportals in St. Lazare

Das Weltgerichtsportal befindet sich an der Westfassade von St. Lazare. Es entstand um die Jahre 1130 - 1140 und wurde vom Steinmetz Gislebertus entworfen. Es gilt als ein Hauptwerk der burgundischen Kunst. Die Funktion eines solchen Weltgerichtsportals ist rein didaktisch, es soll die Betrachter belehren Gutes zu tun, um dann nach dem Tod, wie die abgebildeten Erlösten, ins himmlische Jerusalem eintreten zu können und nicht, wie die dargestellten Verdammten im Höllenkessel des Teufels zu landen. Das Westportal soll auf einen Ort hinausgegangen sein, an dem Bestattungen stattfanden, eventuell eine Art Friedhof[3]. Der Kontext von Tod und Begräbnis wurde den Kirchengängern so wohl noch um einiges bewusster. Der Standort des Weltgerichtsportals zwischen Friedhof und Kirche bzw. Tod und der Nähe zu Gott und zum Himmel, war demnach nicht nur geplant, sondern auch gut durchdacht. Die didaktische Funktion des Tympanons muss an diesem Ort um einiges intensiver und einprägender gewirkt haben, als an möglichen anderen Orten. In dieser Abbildung des Jüngsten Gerichts sieht man Jesus, thronend als Weltenrichter, in der Mitte, um ihn herum eine Mandorla, die von vier Engeln getragen wird. Zu seiner Linken wird die Hölle dargestellt. Zu seiner Rechten zeigt sich das himmlische Jerusalem. Unterhalb Jesu, auf dem Türsturz, sammeln sich die auferstehenden Toten, die das Jüngste Gericht noch vor sich haben.

2.1.1. Mittlerer Bereich – Jesus

Der thronende Jesus, mit Kreuznimbus, wird zentral in der Mitte des Tympanons streng frontal dargestellt. Er nimmt die gesamte Höhe des Tympanons ein und ist damit die größte und wichtigste Figur. Die Methode, Figuren mit besonderer Wichtigkeit größer darzustellen, führt Gislebertus im gesamten Werk weiter. Jesu Arme sind zum Gebet geöffnet, könnten aber auch als Weisung nach rechts und links gedeutet werden. Er ist umgeben von einer Mandorla, die von vier Engeln getragen wird. Die Mandorla wird von zwei Inschriften verziert. Zu seiner rechten liest man: „OMNIA DISPONO SOLUS MERITOSQUE CORONO“. Zu seiner Linken steht folgende Inschrift: „QUOS SCELUS EXERCET ME IUDICE POENA COERCET. Übersetzt bedeuten diese Verse: „Ich allein ordne alles und ich allein kröne Verdienste, ich allein richte und strafe“[4]. Der erste Teil, zu Jesus Rechten nimmt Bezug auf das Schicksal der Erlösten, deren Verdienste er krönt. Sie dürfen ins himmlische Jerusalem einkehren, ebenfalls zu Jesus Rechten dargestellt. Auch beim zweiten Teil der Übersetzung ist der Bezug zur Hölle ganz deutlich, die Strafe weißt auf das Szenario zu seiner Linken - der Hölle.

2.1.2. Türsturz – die Auferstehenden

Auf dem Türsturz erstreckt sich der Bereich, in dem die Toten wieder auferstehen. In diesem Bereich werden die Toten von Jesus gerichtet. Der Aufnahme in den Himmel auf der einen Seite, der Verstoßung in die Hölle auf der anderen. Die Figuren im linken Bereich zeigen hoffnungsvolle Mimik und Gestik. Sie gehen dem Engel mit dem Schwert entgegen. Dieser Engel fungiert als Trennung zwischen den Erlösten und den Verdammten. Im rechten Teil des Türsturzes finden wir die Verdammten wieder. In diesem Bereich herrscht Chaos. Die Verzweiflung und Angst der Verdammten ist durch die entstellten Gesichter und die von Furcht erfüllten Gesten klar sichtbar. In der Mitte ist eine Figur, die von einer Art Händezange direkt in die Hölle gehoben wird. Diese Person wurde wohl gerade von Jesus gerichtet. Auf dem Mauerstreifen, der die irdische von der himmlischen Zone trennt stehen vier leonische Verse geschrieben. Die zwei auf der linken Seite stehen in eindeutigem Bezug zu den Erlösten: „QUISQUE RESURGET ITA QUEM NON TRAHIT IMPIA VITA ET LUCEBIT EI SINE FINE LUCERNA DIEI“. Zu Deutsch: „Jeder wird wieder auferstehen, der kein ruchloses Leben führt, und das ewige Licht des Tages wird für ihn leuchten“[5]. Die zwei Verse auf der rechten Seite beziehen sich ganz klar auf die verdammten Seelen: „TERREAT HIC TERROR QUOS TERREUS ALLIGAT ERROR NAM FORE SIC VERUM NOTAT HIC HORROR SPECIERUM“. Übersetzt: „Dass hier der Schrecken jene schrecke, die der irdische Irrtum fesselt, denn der Schrecken dieser Bilder zeigt, wie es in Wahrheit ist“[6]. In der Mitte des Türsturzes, direkt zu Jesu Füßen, hat sich Gislebertus ganz selbstbewusst verewigt, mit den einfachen Worten: „GISLEBERTUS HOC FECIT“ – „Gislebertus hat dies gemacht“.

2.1.3. Linker Bereich – Himmel

Der linke Bereich wird nochmal in zwei Register unterteilt. Im oberen Teil erkennt man ebenfalls einen Posaunenengel und die Heilige Maria als Fürbitterin. Sie erkennt man durch den Heiligen Schein und die thronende Position und die Krone auf ihrem Kopf. Der untere Teil zeigt zum einen die zu Jesus gewandten Apostel. Ganz rechts, etwas größer als die anderen, steht Paulus. Unter ihnen befindet sich auch Petrus, ebenfalls größer dargestellt und mit dem Schlüssel zum Himmelstor in der Hand. Das himmlische Jerusalem wird durch, an die Antike erinnernde, Säulenarkaden dargestellt. Einige Engel schauen auf Seelen herab, die auf ihrem Weg in den Himmel sind. Andere Engel helfen den erlösten Seelen bei der Aufnahme ins Paradies.

2.1.4. Rechter Bereich - Hölle

Auch dieser Bereich wird in zwei Teile geteilt. Der obere zeigt zwei Heilige Fürbitter, erkennbar durch die Heiligenscheine. Der untere Bereich zeigt das Schicksal der Verdammten – die Hölle. Man erkennt den Höllenschlund umringt von zahlreichen Dämonen und um Hilfe flehende Verdammte. Der größte Teil und gleichzeitig die beliebteste Szene dieses Tympanons ist die Seelenwägung. Erzengel Michael auf der einen Seite, der Teufel auf der anderen. Beide versuchen sie das Ergebnis der Wägung zu beeinflussen, ein Kampf zwischen himmlischen und höllischen Mächten. Jedoch scheint Michael stärker zu sein, eine Seele schwebt bereits aus der Waage in Richtung Himmel. Hinter Michael steht ein Apostel mit dem Buch des Lebens in der Hand, ein Verzeichnis der Sünden aller Menschen.

2.2. Die Seelenwege im Tympanon von St. Lazare

Das Tympanon in St. Lazare stellt die Vorstellung eines Jüngsten Gerichts nach der Beschreibung des Johannes Evangeliums dar. Hierzu ein Zitat aus der Bibel:

Verwundert euch des nicht. Denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören, und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichts[7]

Die Seelen werden darin in Gut und Böse unterteilt. Die Sünder werden von Jesus gerichtet und dann in Himmel oder Hölle gewiesen. Die Guten dürfen dem Gericht entgehen und direkt ins himmlische Jerusalem einkehren. Auf dem Tympanon ist diese Art von Seelenweg deutlich wahrzunehmen. Man erkennt wie Engel den erlösten Seelen beim direkten Aufstieg in den Himmel helfen. Auch bei den Verdammten wird eine Seele, durch überdimensionale Hände die eine Art Zange bilden, in direktem Weg in die Hölle gehoben. Allerdings deute ich es so, dass hier dem himmlischen Urteil nicht entgangen wird, sondern Jesus diese Seele gerade gerichtet hat und diese nun in die Hölle muss. Mit der kompositorischen Stellung der Seelenwägung im Höllenbereich sorgt Gislebertus allerdings für Verwirrung. Wäre Jesus etwas zu seiner linken Seite gebeugt so könnte man es so deuten, dass er mit dem Aufstieg in den Himmel nichts zu tun hat, sondern nur die Verdammten, so wie es im Johannis Evangelium geschrieben ist, richtet. Durch die streng frontale Darstellung von Jesus wird dem Betrachter, dem der Bezug zum Johannes Evangelium nicht klar ist, nicht schlüssig, welche Seelen gerichtet werden und welche nicht.

[...]


[1] Laut dem Tourismusbüro von Autun finden das ganze Jahr über Führungen statt

[2] Charles, Victoria; Carl, Klaus H.: Romanische Kunst, S. 107

[3] Willibald Sauerländer in: Romanesque Art. Problems and Monuments, S.63

[4] Übersetzung übernommen aus Jürgen Mikschs: Vom christlichen Abendland zum abrahamischen Europa, S.43

[5] Von mir ins Deutsche übersetzt nach der Übersetzung ins Englische von Linda Seidel in: Legends in Limestone. Lazarus, Gislebertus and the Cathedral of Autun, S.163

[6] Übersetzung übernommen aus Jürgen Mikschs: Vom christlichen Abendland zum abrahamischen Europa, S.43

[7] Neues Testament, Jo: 25, 28

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Ein Vergleich der Weltgerichtsportale von St. Lazare in Autun und Notre Dame in Paris
Sous-titre
Mit Schwerpunkt auf den Seelenwegen
Université
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Note
2,3
Auteur
Année
2014
Pages
15
N° de catalogue
V302369
ISBN (ebook)
9783668009226
ISBN (Livre)
9783668009233
Taille d'un fichier
511 KB
Langue
allemand
Mots clés
Tympanon, Notre Dame, Autun, Weltgerichtsportal, Jüngstes Gericht, Portale, Kathedrale, Kunstgeschichte, St.Lazare, Vergleich
Citation du texte
Bluri Cash (Auteur), 2014, Ein Vergleich der Weltgerichtsportale von St. Lazare in Autun und Notre Dame in Paris, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302369

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