Der Nordirlandkonflikt in Literatur und Film: Bernard Mac Lavertys „Cal”


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kurzer Abriss des Nordirlandkonfliktes mit Bezug zum Roman

3. Darstellung der Charaktere und ihrer Rolle in der Gesellschaft
Cal
Marcella
Robert Morton
Mr Morton senior
Mrs Morton
Shamie
Skeffington
Crilly
Cyril Dunlop

4. Vergleich zwischen Buch und Film „Cal“
4.1 Aufbau und Erzählstruktur
4.2 Inhaltlicher Vergleich

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Leben der Menschen in Nordirland und der Republik von Irland wurde durch den Nord-irlandkonflikt bis heute entscheidend geprägt. Auch wenn die Thematik in den letzten Jahren in den Hintergrund der Medien gerückt ist, ist eine Aufarbeitung dieses Konfliktes in Literatur und Film stets aktuell. Erklärungsansätze versuchen zunächst, die Problematik darzustellen, denn die Ursache des Konfliktes ist nicht monokausal erklärbar, da viele unterschiedliche Faktoren die Spannung zwischen religiösen, politischen und sozialen Gruppen entstehen ließen. Immer wiederkehrende Bezeichnungen vom „politischen Machtkonflikt“, von „Katholiken“ und „Protestanten“, von „Bürgerkrieg“, „Religionskrieg“, „Terrorismus“ und „kriminellem Bandenkrieg“ prägen das Bild von Nordirland[1].

Dieses Bild wird sowohl in dem Roman „Cal“ von Bernard Mac Laverty als auch im gleichnamigen Film von Pat O´Connor dem Leser bzw. dem Zuschauer vermittelt.

Die hier vorliegende Arbeit beleuchtet zunächst die Thematik des Nordirlandkonfliktes in Bezug auf den Roman und den gleichnamigen Film „Cal“. Die authentische Darstellung der Charaktere ist für die beim Zuschauer oder dem Leser hervorgerufenen Emotionen verantwortlich. Daher folgt eine ausführliche Charakterisierung von Protagonisten und Antagonisten. Anschließend werden Gemeinsamkeiten und Unterscheide zwischen Buch und Film erörtert, bevor die Hausarbeit mit einem Fazit endet.

2. Kurzer Abriss des Nordirlandkonfliktes mit Bezug zum Roman

Der Roman „Cal“ von Bernard Mac Laverty spielt im Nordirland der 1970er Jahre und behandelt mehrere zentrale Themen, wie beispielsweise die Vater-Sohn-Beziehung, die erste Liebe, den Alltag der Menschen in Nordirland, aber auch die Gewalt(eskalation) in der Unruheprovinz. Obwohl die Handlung von „Cal“ in den Siebzigern bzw. der Film in den frühen 1980er Jahren angelegt ist, ist es essentiell, die vorangegangenen Ereignisse zu beleuchten. Um die Problematik zu verstehen, die hinter den einzelnen Schicksalen steht und sich wie ein roter Faden durch den Roman hindurch zieht, muss auf die historischen Wurzeln des Konflikts zunächst näher eingegangen werden.

Um die verschiedenen politischen Ausrichtungen der Konfliktparteien unterscheiden zu können, werden im Folgenden die Begriffe loyalistisch bzw. unionistisch und nationalistisch bzw. republikanisch benutzt.

Ein Grund des bis heute andauernden Konflikts liegt in der Expansionspolitik der Engländer tief im Mittelalter. „1169 – ein folgenschweres Jahr und nach Auffassung irischer Nationalisten der erste Akt in der Geschichte eines 800 Jahre währenden Konflikts mit England.“[2] In diesem Jahr begann die anglo-normannische Invasion. In den darauffolgenden Jahren versuchte England, seinen Einflussbereich auf der irischen Insel auszubreiten. Blutige Kriege und Aufstände waren die Folge. Elizabeth I. begann später eine verhängnisvolle Umsiedelungspolitik, die auch heute noch den Kern der Unruhen darstellt. Im Zuge der Ulster Plantations wurden schottische und englische königstreue Protestanten aus dem inzwischen protestantischen England auf das irische Eiland umgesiedelt.[3] Dadurch wurden Iren enteignet und gleichzeitig auch entmachtet. Dies schürte den Hass der Iren auf die Engländer. Dadurch entstand ein Konfliktpotential, das sich in schweren Auseinandersetzungen und Kriegen entlud. Doch darauf wird im Folgenden nicht näher eingegangen, um ein gewisses Maß an Überschaubarkeit zu behalten.

1689 eskalierte der Konflikt zu einem „richtigen“ Religionskrieg. In der Schlacht am Fluss Boyne schlug der protestantische William of Orange den katholischen König James II.. Irland stand nun unter der englischen Krone. Allerdings war diese Schlacht ein Teil des Feldzuges gegen Ludwig XIV. von Frankreich und hatte nur indirekt mit dem anglo-irischen Konflikt zu tun. Außerdem war William of Orange mit dem Heiligen Römischen Kaiser und mit dem Papst verbündet, was die Protestanten, die diesen Sieg auch heute noch jedes Jahr am 12. Juli mit großen Paraden feiern, gerne ignorieren[4]:

„Bei all diesen gewaltsamen Auseinandersetzungen ging es den Katholiken um die Wiedergewinnung verlorener Positionen, während die Protestanten ihre einmal gewonnene Vorherrschaft verteidigten und sich dabei auf die notwendige Bekämpfung von Absolutismus, päpstlichen Aberglaubens und gälischer Barbarei beriefen.[5]

Die Paraden, wie sie auch in „Cal“ vorkommen, sind häufig ein Auslöser für Konflikte. Die Protestanten, unter ihnen auch Cyril Dunlop, der Vorarbeiter auf der Morton Farm, machen sogar vor dem Haus der Mc Cluskeys Halt und trommeln so laut, dass man sie wirklich nicht ignorieren kann. So ziehen die Protestanten sogar durch katholische Viertel oder machen vor katholischen Häusern Halt, dadurch werden die Katholiken oftmals unruhig und ihre Aggressivität im Bezug zu den Protestanten wächst, was häufig zu Unruhen führt.

Durch die Niederlage am Boyne wurden die Penal Laws erlassen. Diese repressiven Strafgesetze, die die Rechte der Katholiken stark einschränkten, stellten massive Verstöße, auch gegen die heutigen Menschenrechte, dar. So durften Katholiken nicht wählen. Sie mussten ihr Land unter ihren Söhnen aufteilen und konvertierte nur einer zum Protestantismus, so erbte er auch die Anteile seiner Brüder. Auch von der höheren Bildung waren Katholiken ausgeschlossen. Durch diese repressiven Gesetze zementierten die Protestanten ihre Vorherrschaft.

Für die irische Geschichte haben auch die Jahre 1845-1848 eine große Bedeutung. In diesen Jahren fiel die Kartoffelernte, die die Existenzgrundlage vieler irischer Kleinbauern darstellte, durch die Kartoffelpest aus. Millionen Iren starben oder wanderten aus. Das folgende Zitat unterstreicht deutlich, wie gleichgültig die britischen Großgrundbesitzer den Iren gegenüberstanden:

„[…] The corn crops were sufficient to feed the island. But the landlords would have their rents in spite of the famine […]. They took the whole harvest and left hunger to those who raised it. Had the people of Ireland been the landlords of Ireland, not a single human creature would have died of hunger.”[6]

Da Irland jahrhundertelang Schauplatz trauriger Aufstände war, beschloss die englische Regierung 1886, 1893 und 1912 eine irische Teilautonomie, die so genannte Home Rule, einzuführen. Doch es scheiterte am Widerstand der Protestanten, die befürchteten:

„Home Rule is simple Rome Rule.“[7]

1916 befanden einige Iren, die den Optimismus auf eine friedliche Lösung aufgegeben hatten, die Lage für günstig, einen Aufstand gegen das vom Krieg geschwächte Großbritannien zu führen. Sie profitierten von Waffenlieferungen aus Deutschland und schlugen am Ostermontag, den 24.04.1916, zu. In Dublin riefen sie die Republik aus. Doch da sie zahlenmäßig und bewaffnungstechnisch dem britischen Militär hoffnungslos unterlegen waren, wurde der Aufstand niedergeschlagen. Die britische Regierung reagierte schonungslos:

Sie verhängte den Ausnahmezustand, die 15 Führer des Aufstandes, darunter Padric Pearse, James Connolly etc. wurden hingerichtet. Diese Handlung führte zu einer Heroisierung bzw. zur Verehrung als Märtyrer.[8]

Doch das rigorose Vorgehen der Briten ließ die Stimmung unter den Iren kippen. Zunächst standen diese dem Kampf der Rebellen noch kritisch gegenüber, aber die Stimmung änderte sich zugunsten der Rebellen. Dies wiederum brachte den republikanischen Parteien, vor allem Sinn Fein, viele Mitglieder.[9] Nach einem grandiosen Wahlerfolg für die Partei verabschiedete Sinn Fein (gegründet 1905) eine Unabhängigkeitserklärung und rief am 21.01.1919 die Republik Irland aus. Es schloss sich ein Bürgerkrieg der IRA (War of Independence) unter der Leitung von Michael Collins gegen die Briten an. Dieser Krieg stellt einen neuen traurigen Höhepunkt der Gewalt dar. Traurigstes Beispiel ist der Bloody Sunday am 21.11.1920, an dem 14 Menschen starben. Die IRA spielt auch in „Cal“ eine große Rolle. Cal beteiligt sich unter Androhung von Konsequenzen (er wird sogar als Deserteur abgestempelt) widerwillig in der IRA. Der Lehrer Skeffington stellt den „Schreibtischtäter“ und „Denker“ dar, während Crilly die „schmutzigen“ Geschäfte erledigt.

Etwa ein Jahr nach dem Bloody Sunday beschloss man die Anglo-Irish Treaty, die den Krieg beendete. Irland wurde in zwei Teile eingeteilt, das protestantische Ulster im Norden, das für einen Verbleib im United Kingdom war und der Irish Free State, der von nun an unabhängig war.

Doch der Friede währte nicht ewig. In den 60er Jahren versank Ulster in einer Welle der Gewalt. Die katholische Minderheit in der Nordprovinz musste in katastrophalen Verhältnissen leben. Die Mc Cluskeys leben zwar nicht in katastrophalen Verhältnissen, allerdings in einer ärmlich eingerichteten Wohnung. Demgegenüber steht das Mortonsche Farmhaus, das luxuriöser eingerichtet ist und teilweise auch antike Erbstücke enthält, was auf eine bessere Wirtschaftlichkeit seit mehreren Jahrzehnten hindeutet. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch einmal näher eingegangen.

Die Katholiken in Nordirland wurden politisch, sozial und wirtschaftlich benachteiligt, unter anderem bei Wahlen, bei der Vergabe von Arbeit etc.. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Nordiren kaum mehr Hoffnung auf eine politische Lösung hatten, wie das im Roman Skeffington ausführt: „Think of an Ireland free of the Brits. Would we ever achieve it through the politicians?“[10] Im Roman selbst wird auch die Benachteiligung der katholischen Bevölkerung am Arbeitsmarkt am Beispiel von Cal und Shamie thematisiert.

1971 erklärte der radikale Teil der IRA der britischen Armee den Krieg. Bombenanschläge waren im Grunde an der Tagesordnung. Auch in „Cal“ wird die ständige Bedrohung deutlich. Überall muss man mit Straßensperren und Kontrollen rechnen. Des Weiteren kommt es beim Beerenernten mit Marcella und Lucy zu einem Zwischenfall. Eine Kuh tritt auf eine Mine und wird zerfetzt. Theoretisch hätte auch ein Mensch Opfer sein können.

Bei einer Demonstration gegen die Internierung von Katholiken am 30.01.1972 in Derry wurden 13 Menschen erschossen. Dieser Tag ging als Bloody Sunday in die Geschichte ein. Auch im Roman taucht dieser Begriff auf. Skeffington war wohl persönlich vor Ort und musste die grausame Tat miterleben. Die britische Regierung griff ein und Direct Rule wurde eingeführt, das heißt, Nordirland wurde von London aus regiert. In den 80er Jahren beruhigte sich die Situation. Da der sich anschließende Friedensprozess für den Roman keine Bedeutung hat, wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen.

[...]


[1] Vgl. Kandel, 2005, S. 9.

[2] Kandel, 2005, S. 17.

[3] Vgl. Güßefeldt, Jörg, 2002, S. 7.

[4] Vgl. Kübler, 1991, S. 10.

[5] Kübler, 1991, S. 11.

[6] Rea, Wright, 1998, S. 15.

[7] Vgl. Kübler, 1991, S. 13 und Kandel, 2005, S. 53.

[8] Vgl. Noetzel, 2003, S. 94, vgl. Kübler, 1991, S. 14.

[9] Vgl. Kandel, 2005, S. 66.

[10] Mac Laverty, 1988, S. 19.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Nordirlandkonflikt in Literatur und Film: Bernard Mac Lavertys „Cal”
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für England- und Amerikastudien)
Veranstaltung
The `Troubles´ in Northern Ireland
Note
2
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V133666
ISBN (eBook)
9783640406203
ISBN (Buch)
9783640406371
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
The Troubles, Northern Ireland, Nordirlandkonflikt, Nordirland, Cal, Bernerd Mac Laverty, Bernard MacLaverty
Arbeit zitieren
Katharina Keil (Autor:in), 2009, Der Nordirlandkonflikt in Literatur und Film: Bernard Mac Lavertys „Cal”, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133666

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Nordirlandkonflikt in Literatur und Film: Bernard Mac Lavertys „Cal”



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden