Effektive interne Whistleblowing-Systeme


Tesis de Maestría, 2011

63 Páginas, Calificación: 2,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Whistleblowing
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Inhaltliche Dimension von Whistleblowing
2.2.1 Arten des Whistleblowings
2.2.2 Charakteristika und Motive des Whistleblowers
2.2.3 Whistleblowing als Interaktionsprozess
2.3 Rechtliche Dimension des Whistleblowings
2.3.1 State of the Art des Whistleblowerschutzes in Deutschland
2.3.2 Sanktionsrisiken des Whistleblowings nach geltendem Recht

3 Unternehmensinterne Umgang mit Whistleblowing
3.1 Corporate Compliance und Whistleblowing
3.2 Whistleblowing und Unternehmenskultur

4 Effektive interne Whistleblowing Systeme
4.1 Implementierung von Whistleblowing-Systemen
4.1.1 Whistleblowing-Systeme und Prinzipal-Agenten-Beziehung
4.1.2 Anreiz- und Informationsprobleme bei Implementierung
4.2 Ausgestaltung eines effektiven Whistleblowing-Systems
4.2.1 Einflussfaktoren auf die Effektivität des Whistleblowings
4.2.2 Anforderungen an ein effektives Whistleblowing-System
4.2.3 Ausgestaltung der Schutz-und Anreizmechanismen
4.2.4 Whistleblowing-Systeme als Signal zum Vertrauen
4.2.5 Whistleblowing-Systeme als Monitoring-Maßnahme

5 Ökonomische Beurteilung und Zusammenfassung

III. Anlagenverzeichnis

IV. Literaturverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Kommunikationswege des Compliance-Programms

Abb. 2 Elemente der Unternehmenskultur

Abb. 3 Deliktfokus von Whistleblowing-Systemen

Abb. 4 Spieltheoretische Darstellung der Interaktion zwischen Management und Mitarbeiter

Abb. 5 Indirekte Schäden durch Wirtschaftskriminalität

Abb. 6 Prozessualer Ablauf des Whistleblowings

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Vorteile der internen WhistleblowingSysteme aufzuzeigen und Wege zur effektiven Implementierung und Ausgestaltung dieser Systeme darzustellen.

Im einleitenden ersten Kapitel wird die Problemstellung und Aufbau der Arbeit kurz dargestellt. Das zweite Kapitel betrachtet das Phänomen Whistleblowing in den begrifflichen, inhaltlichen und rechtlichen Dimensionen. Im dritten Kapitel wird ein tiefer Überblick auf den unternehmensinternen Umgang mit Whistleblowing geliefert. Das vierte Kapitel beinhaltet die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, nämlich wie die internen Whistleblowing-Systeme wirksam implementiert und ausgestaltet sein sollten. Eine besondere Betrachtung findet hier die Prinzipal-Agenten Theorie. Darauf aufbauend werden die Nutzenaspekte des Whistleblowings für die Agency-Problematik abgeleitet. Nach der Analyse der Problematik, Anforderungen und Einflussfaktoren der effektiven Whistleblowing- Systeme, werden anschließend zwei Handlungsempfehlungen zur effektiven Implementierung und Ausgestaltung der Whistleblowing-Systeme herausgearbeitet. Die Arbeit wird im letzten Kapitel mit einer ökonomischen Beurteilung und Zusammenfassung abgeschlossen.

1 Einleitung

Wirtschaftskriminelle Handlungen, wie Korruption, Wettbewerbsdelikte, Geldwäsche usw. bringen den deutschen Unternehmen Jahr zu Jahr noch mehr Schäden. Wirtschaftskriminalität kostet deutsche Unternehmen jährlich ca. sechs Milliarden Euro (Salvenmoser 2009). Laut einer Studie, haben fast 61 Prozent deutscher Großunternehmen in vergangenen Jahren durch die wirtschaftskriminellen Delikten Schäden erlitten (Nestler et al. 2009). Fast jedes zweite Unternehmen ist von Korruption oder Wirtschaftsspionage betroffen. Besonders in China und Indien ist das Risiko sehr hoch, ebenso in der Türkei und Brasilien. Das wird aber bei den Investitionen von Deutschen gar nicht in Betracht genommen (Salvenmoser 2009). Somit gewinnt das Thema von Whistleblowing in den Zeiten wachsender Wirtschaftskriminalität und deren verursachten Schäden an Bedeutung. Neben den materiellen Schäden sind auch erhebliche immaterielle Schäden wie Reputationsverlust, Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen und Rückgang der Arbeitsmoral mitzurechnen (Nestler et al. 2009). Infolgedessen ist es heutzutage sehr aktuell, präventive Maßnahmen zur Reduktion und Vermeidung der Wirtschaftskriminalität im Unternehmen zu treffen. Für diese Zwecke eignen sich die Compliance-Programme gut, die in den meisten Fällen auch die Einrichtung eines Whistleblowing-Systems beinhalten. Allerdings haben von 500 befragten deutschen Unternehmen nur 34 Prozent ein Whistleblowing- System eingerichtet, 44 Prozent verfügen schon über ein Compliance - Programm1. Die meisten Befürchtungen wegen zu viel Aufwand, Kosten und Risiko sind laut der PwC Studie überschätzt. Die Studie hat allerdings eindeutig ergeben, dass ein Compliance-Programm oder auch ein Whistleblowing-System eine viel höhere Akzeptanz erzielt, wenn im Unternehmen eine positive Unternehmenskultur herrscht (Bussmann et al. 2010).

In Anbetracht der spektakulären Whistleblowing-Fälle in der jüngsten Vergangenheit und auch der intensivierten Bemühungen Deutschlands, Korruptionsfälle zu reduzieren bzw. zu vermeiden, soll das Thema der vorliegenden Arbeit einen hohen Aktualitätsbezug besitzen.

Das Ziel der Arbeit besteht darin, die Vorteile der internen WhistleblowingSysteme aufzuzeigen und Wege zur effektiven Implementierung und Ausgestaltung dieser Systeme darzustellen.

Die Magisterarbeit folgt dem nachstehenden Aufbau:

In Kapitel 2 wird der für diese Arbeit gültige Begriff definiert und inhaltlich erläutert. Der zweite Teil des Kapitels betrachtet zunächst die rechtliche Lage des Whistleblowerschutzes und die Sanktionsrisiken de lege lata in Deutschland.

Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel der unternehmensinterne Umgang mit Whistleblowing thematisiert. Wie bereits erwähnt, tragen der Corporate Compliance und die Unternehmenskultur zur Einrichtung und besonders zur Akzeptanz des Whistleblowings viel bei (Bussmann et al. 2010). Angesichts dessen, werden sie in diesem Kapitel näher in Betracht bezogen. Darüber hinaus erfolgt hier eine Darstellung des Whistleblowing-Systems als ein wichtiger Bestandteil des Compliance-Programms. Entscheidend ist auch die Rolle der kritischen Loyalität, was im zweiten Teil des Kapitels analysiert wird. Die möglichen Auswirkungen des Verhaltens der Unternehmensführung und Mitarbeiter auf kritische Loyalität und somit auch auf Whistleblowing werden hier ebenfalls diskutiert.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie die internen Whistleblowing-Systeme wirksam implementiert und ausgestaltet sein sollten. Eine besondere Betrachtung findet hier die Prinzipal-Agenten Theorie und seine Problematik. Es werden Nutzenaspekte von Whistleblowing für die genannte Problematik abgeleitet, ebenso wird die Theorie als Basis für die Analyse der Manager - Mitarbeiter respektive Anleger - Manager Beziehungen untersucht. Darauf aufbauend werden Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten bei der Implementierung diskutiert. Einen möglichen Lösungsweg bietet der spieltheoretische Ansatz von A. Suchanek (2003).

Im zweiten Teil werden die Effektivitätsfaktoren skizziert, darauf folgend die Anforderungen an ein wirksames Whistleblowing-System dargelegt. Als wichtige Anforderung werden die Schutz-und Anreizmechanismen besonders in Betracht gezogen. Anschließend werden zwei Handlungsempfehlungen zur effektiven Ausgestaltung des genannten Systems erarbeitet und dargestellt. Zum ersten wird Whistleblowing als Signaling- Maßnahme, und zum zweiten als Monitoring- Maßnahme betrachtet.

Zum Schluss folgen eine Zusammenfassung und eine ökonomische Beurteilung betreff der Vorteile und Nachteile der Whistleblowing-Systeme.

2 Whistleblowing

2.1 Begriffsdefinition

Der Begriff Whistleblowing entstand in den Vereinigten Staaten und wurde erstmals Anfang 70-er Jahre wissenschaftlich und öffentlich aktiv diskutiert (Briegel 2009, S.14). In der deutschsprachigen Literatur wird Whistleblowing synonym zum Hinweisgeber bzw. Rauchmelder verwendet. Bei der wörtlichen Übersetzung wird das Whistleblowing (blowing the whistle) als „jemanden verpfeifen“, „hinweisen“, „anzeigen oder enthüllen“ verstanden (Donato 2009, S. 10). Weiterhin wird in dieser Arbeit der Begriff in der ursprünglichen Variante verwendet, da sie die wissenschaftliche Prägnanz des Begriffes am meisten aufweist.

Eine verbreitete Definition des Whistleblowings geben Near und Miceli (1985): „the disclosure by organization members (former or current) of illegal, immoral, or illegitimate practices under the control of their employers, to persons or organizations that may be able to effect action.” (Near/Miceli 1985, S. 4). Diese Definition deutet darauf hin, dass die Whistleblower nicht in der Lage sind, selbst die aufgedeckten unmoralischen, illegitimen und illegalen Handlungen zu verhindern und sich aus diesem Grund an interne bzw. externe Stellen wenden, die diese Handlungen bzw. Verhaltensweisen beeinflussen können (Pittroff, 2011, S.10 ff.). Das Vorliegen eines Fehlverhaltens soll eine wichtige Voraussetzung für Whistleblowing sein, wobei das Fehlverhalten illegitim, illegal oder unmoralisch sein muss.

Jubb (1999) gibt eine andere Definition: Whistleblowing is a deliberate nonobligatory act of disclosure, which gets onto public record and is made by a person who has or had privileged access to data or information of an organization, about non-trivial illegality or other wrongdoing whether actual, suspected or anticipated which implicates and is under the control of that organization, to an external entity having potential to rectify the wrongdoing (Jubb 1999, S. 78).

Diese Definition ist sehr instruktiv in dem Sinne, dass es die sechs Elemente des Whistleblowings enthält: Aktion, Ergebnis, Akteur, Ziel, Thema und Empfänger. Allerdings enthält Jubb„s Definition die Motivation des Whistleblower nicht als ein Bestandteil (Vandekerckhove 2006, S.22).

Verbraucher und Bürger stehen meist dem Whistleblowing positiv gegenüber, wenn es auf eine gefährliche oder beleidigende Situation hinweist. Manchmal kann das, was als gefährlich oder peinlich vom Whistleblower empfunden wird, ein gutes Managementpraxis für den Anderen sein. Ein gutes Beispiel dafür ist der folgende Fall aus Kanada. Vor einigen Jahren überlegte die kanadische Regierung, Kabeljau-Fischen an seiner Atlantik Küste zu verbieten. Der Lebensunterhalt der Menschen an Kanadas Ostküste hängt sehr von der Fischerei ab. Außerdem ist die kanadische Ostküste eine der ärmsten Regionen des Landes. Da es zu den wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen könnte, entschloss sich die Regierung, kein Verbot zu erlassen. Die Wissenschaftler, die in dieser Branche geforscht hatten, waren damit sehr unzufrieden und wandten sich an die Medien mit ihren Beschwerden. Das ist eine Art von Whistleblowing, dessen Wirkung die betroffenen Unternehmen nicht unterschätzen sollten. Es liegt an unterschiedlichen Ansichten der Parteien, das Richtige getan zu haben (Horibe, 2001, S. 237 ff.)

Manche Verhaltensweisen wie Intrigen, Mobbing, Verbreitung von Gerüchten etc. sind jedoch vom Whistleblowing abzugrenzen. Whistleblowing wird also als schutzwürdiges Verhalten verstanden. Dennoch wird es meist auch negativ bewertet und mit dem Denunzieren verwechselt (Pittroff 2011, S. 10ff.) Während in den USA Whistleblower als Helden bezeichnet werden, werden sie in Deutschland meist skeptisch betrachtet (Donato 2009, S. 4ff.).

2.2 Inhaltliche Dimension von Whistleblowing

2.2.1 Arten des Whistleblowings

Eine wichtige Unterscheidung des Whistleblowings sowohl für diese Arbeit, als auch für die Unternehmen ist die zwischen internen und externen Whistleblowing.

Wenn der Whisteblower den Vorgesetzten umgeht und einen direkten Bericht an Stellen und Institutionen, wie z.B. interne Revision, Controlling, Aufsichtsrat usw. erstattet, spricht man von einem internen Whistleblowing. Wenn die Institutionen und Stellen außerhalb des Unternehmens sind, dann geht es um ein externes Whistleblowing (Briegel 2009, S.17ff.).

Die Auswirkungen des Whistleblowingprozesses sind aber meist ambivalent (Göbel 2010, S. 204.). Externes Whistleblowing wird in den meisten Fällen seitens Unternehmen als negativer, gefährlicherer Prozess angesehen und deshalb kategorisch abgelehnt. Die Risiken, die es mit sich bringt, sind für den Whistleblower selbst, als auch für das Unternehmen und dessen Mitarbeiter von großer Bedeutung (Donato 2009, S. 14ff.). Erstens: es wird dem Unternehmen keine Chance gegeben, selbst die Missstände zu beseitigen. Zweitens: es ist auch mit einem Reputationsschaden zu rechnen, was für Unternehmen und alle Mitarbeiter eine große Gefahr darstellt. Deshalb ist zu erwarten, dass die Unternehmen externes Whistleblowing vermeiden wollen. Die hohen persönlichen Risiken des Whistleblowers in diesem Fall sind damit verbunden, dass es in vielen Ländern keinen gesetzlichen Schutz dafür gibt. Es endet in den meisten Fällen mit einer Kündigung2 oder mit weiteren persönlichen Risiken3 (Pittroff 2011, S. 28ff.).

Im Gegensatz zum externen Whistleblowing, wird internes Whistleblowing als sicherer Prozess betrachtet. Es kann auch für die Unternehmen vorteilhafter sein, indem es denen die Chance gibt, das wahrgenommene Fehlverhalten frühzeitig zu unterbinden oder zu korrigieren. Wenn die Führungskräfte internes Whistleblowing fördern und interne Kanäle für das Informieren über wahrgenommenes Fehlverhalten anbieten, helfen sie dabei dieses Fehlverhalten zu identifizieren und zu eliminieren, bevor es Schaden für das Unternehmen bringt (Schmidt 2005, S. 11 ff.). Jedoch mangelt es an Aussichten auf Erfolg und Wirksamkeit, weswegen öfters der Weg zum externen Whistleblowing vorgezogen wird (Donato 2009, S. 14ff.). Es gibt leider viele Fälle, wenn interne Whistleblower sich nach einigen erfolglosen internen Whistleblowingsversuchen an eine externe Stelle wenden (Pittroff 2011, S. 28.). Deshalb wird auch in dieser Arbeit versucht, die Effektivität des internen Whistleblowings zu zeigen. Die Nutzenaspekte für Unternehmenseigner, -und Führung mittels internen Whistleblowing werden in weiteren Kapiteln dieser Arbeit analysiert.

Ob der Hinweis anonym oder mit der Offenlegung seiner Identität gegeben wird, entscheidet der Whistleblower parallel mit der Entscheidung zwischen externem und internem Whistleblowing. Die anonyme Form wird erst seitens des Whistleblowers vorgezogen, da er in diesem Fall für sich selbst erhebliche Sicherheit gewährleistet. Besonders wenn die Gefahr besteht, dass von den Kollegen respektive Unternehmen eine Vergeltung ausgeübt wird (Elliston 1982, S. 169). Anonymes Whistleblowing scheint demzufolge weniger gefährlich zu sein, aber gleichzeitig auch weniger wirksam. Es wird nicht so ernsthaft behandelt wie offener, die Möglichkeit zum Kontakt und Rückfrage besteht nicht immer, außerdem wird es oft auch als eine verleumderische Tat angesehen (Leisinger 2003, S. 90ff). Das vertrauliche Whistleblowing, bei dem der Whistleblowing- Adressat über die Identität des Whistleblowers informiert ist, ist auch sehr wirksam.

Somit kann festgestellt werden, dass offenes Whistleblowing gegenüber dem anonymen Whistleblowing vorteilhafter und effizienter sein kann, da in diesem Fall am besten eine tatsächliche Veränderung eingeleitet werden kann (Donato 2009, S. 198ff). Für die Förderung dieser Art von Whistleblowing muss dem Whistleblower ein ausreichender Schutz vor Vergeltung angeboten werden.

Es gibt auch eine Differenzierung zwischen persönlichem und unpersönlichem Whistleblowing. Wenn der berichtende Sachverhalt direkt den Hinweisgeber betrifft, dann ist es ein persönliches Whistleblowing (z.B. sexuelle Belästigung). Beim unpersönlichen ist es nicht der Fall (Donato 2009, S. 15).

2.2.2 Charakteristika und Motive des Whistleblowers

Die Frage wie die Whistleblower sich tatsächlich verhalten, welche Motive sie haben und welches Persönlichkeitsbild sie letztendlich besitzen, war das Gegenstand vieler empirischen Studien. Es gibt aber kein allgemeingültiges Bild von Whistleblowern (Miceli/Near 1992, S. 94ff.). Trotzdem bestätigen viele empirische Studien, dass Whistleblower einige gemeinsame Eigenschaften haben. So sind laut verschiedenen Untersuchungen Whistleblower i.d.R. ältere Arbeitnehmer, die ein hohes Bildungsniveau haben und meistens männlichen Geschlechts sind (Donato 2009, S. 19ff.). Sie besitzen durchaus eine höherrangige Stellung in der Organisation. Die beruflichen Leistungen sind überdurchschnittlich und sie werden dementsprechend gut bezahlt. Die meisten Whistleblower sind zuverlässige Mitarbeiter, die gegenüber Ungewissheit bzw. Mehrdeutigkeit intolerant sind (Donato 2009, S. 20ff.).

Es werden einige Whistleblower-Typen je nach ihren Motiven unterschieden. Der bekannteste Typ von „Helden - Whistleblower“ kümmert sich darum, auf Missstände im Unternehmen hinzuweisen, damit diese unbedingt beseitigt werden. Ein weiterer Typ ist „Idealist“, der hohe moralische Ansprüche an sich selbst und an seine Umgebung (in diesem Fall Organisation oder Organisationsmitglieder) stellt. Es ist wahrscheinlich, dass persönliche moralische Vorstellungen bzw. deren Maßstäbe des Idealisten mit dem Verhalten der Organisationsmitglieder zusammenstoßen, sodass er dieses als Fehlverhalten bewertet und darauf hinweist (Gobert/Punch 2000, S. 30ff.). Der „Opportunist“ kümmert sich nicht um die Durchsetzung seiner Ideale; er sichert nur seinen beruflichen Weg. Mit dem Whistleblowing macht er es seinem Arbeitgeber unmöglich, gerechtfertigte disziplinarische Maßnahmen bzw. eine aus dem Fehlverhalten resultierende Kündigung oder andere Nachteile gegen ihn durchzusetzen (Donato 2009, S. 21 ff.). Die „Rächer“ sind in meisten Fällen schon aus der Organisation ausgeschiedene ehemalige Mitarbeiter, die ihr Wissen über Missstände als Strafe bzw. Rache für eine ggf. unfair empfundene Kündigung nutzen (Gobert/Punch 2000, S. 31ff.).

2.2.3 Whistleblowing als Interaktionsprozess

Whistleblowing kann als Interaktionsprozess zwischen Organisation und Mitarbeiter aufgefasst werden, da diese Akteure oftmals gegenseitig abhängig sind4. So z. B. könnten mittels der Förderung von internem Whistleblowing wesentliche wirtschaftliche Schäden für das Unternehmen vermieden werden5. Die Mitarbeiter profitieren davon auch, weil das wahrgenommene Fehlverhalten sie auch schädigen könnte. Somit könnte eine allgemeine Besserstellung der beiden Akteure im Vergleich zum Status quo erzielt werden (Briegel 2009, S. 37ff.).

Immerhin ist die Ausführung der gemeinsamen Interessen bei den gesellschaftlichen Interaktionen mit Informations- und Anreizprobleme verbunden. In vielen Fällen unterbinden diese Probleme die Realisierung einer für die beteiligten Akteure vorteilhaften Interaktion (Suchanek 2001/2007, S.52). Solche Situationen sind als Dillemmastrukturen zu bezeichnen; die bekannteste von ihnen ist das Gefangenendilemma6 (Jöhr 1976, S. 133). Die Dillemmastrukturen erlauben den Abbruch von Interaktionen systematisch zu analysieren, darüber hinaus ermöglichen sie die nicht intendierten Folgen des intentionalen Handelns der beteiligten Akteure zu erforschen. Das ist sehr wichtig für die Einrichtung der Whistleblowing-Systeme, da solche Probleme im Außen- und Innenverhältnis des Unternehmens vorkommen können (Briegel 2009, S. 39 ff.).

Near/Miceli (1987) betrachten Whistleblowing als ein Ergebnis einer Reihenfolge von Handlungen, in denen die Mitarbeiter und die Manager involviert sind. Somit kann festgestellt werden, dass Whistleblowing einen Prozesscharakter aufweist (Near/ Miceli 1987, S. 323ff.). Auf den Whistleblowing-Prozess wird im Kapitel 4 näher eingegangen.

Im Weiteren wird die rechtliche Lage des Whistleblowingschutzes und die Sanktionsrisiken de lege lata in Deutschland diskutiert.

2.3 Rechtliche Dimension des Whistleblowings

2.3.1 State of the Art des Whistleblowerschutzes in Deutschland

Der rechtliche Whistleblowerschutz in Deutschland ist noch nicht so weit entwickelt wie z.B. in den USA7 oder Großbritannien8. Besonders externer Whistleblowerschutz steckt noch in den Kinderschuhen (Deiseroth 2004, S. 300). Die Rechtfragen werden hier oftmals mit Hilfe der allgemeinen Prinzipien oder rechtswissenschaftlicher Diskussion beantwortet (Donato 2009, S.67). In diesem Teil der Arbeit wird versucht, den State of the Art der deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung zu erläutern. Besonders wird auf die Sanktionsrisiken des internen oder externen Whistleblowers geachtet, um feststellen zu können, welches besser geschützt ist.

Die Frage, inwieweit die Äußerungsfreiheit des Arbeitnehmers durch den Arbeitsvertrag eingeschränkt werden kann, ist ein Ansatzpunkt um festzustellen, ob internes Whistleblowing durch den Arbeitnehmer rechtlich zugelassen ist (Donato 2009, S. 68). Aus diesem Grund, muss geprüft werden, ob Whistleblowing arbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzt. Diese Nebenpflichten können vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart werden, müssen aber trotzdem eingehalten werden. Besonders zu beachten sind Loyalitätspflichten. Diese werden in Erfüllungsbegleitspflichten und Schutzpflichten unterschieden, wobei sie arbeitnehmerseitig als Treuepflichten verstanden werden (Bronx/Walker 2007, S. 11ff.)

Die Verschwiegenheitspflicht ist für die Whistleblowing-Problematik von großer Bedeutung. Sie wird insbesondere mit gesetzlichen (§17 UWG) und arbeitsvertraglichen Geheimhaltungspflichten verbunden (Graser 2000, S. 140ff.) Mit den letzteren wird in der Regel der Schutz von Betriebs-, und Geschäftsgeheimnissen gemeint und hiermit umfasst die vom Arbeitgeber schon vertraulich deklarierten Informationen, als auch alle schützenswerte und persönliche Angelegenheiten des Arbeitgebers und Geschäfts. Ob die Missstände und illegales Verhalten auch als schützenwert zu betrachten sind, konnte bis dato nicht einheitlich beantwortet werden (Graser 2000, S. 142). Diese Lücke in der Rechtsprechung liefert hier eine gewisse Rechtsunsicherheit für die Whistleblower.

Gemäß §17 UWG ist ein Verrat von Geschäfts, -und Betriebsgeheimnissen keine strafbare Tat, solange sie in dem Betrieb stattgefunden hat. Solche Mitteilungen sind für die „Firmenhygiene“ willkommen und werden sogar gefördert, damit für das Unternehmen schädliches externes Whistleblowing möglichst vermieden wird (Koch 2008, S. 502).

Darüber hinaus kann es im Falle des Whistleblowings zur Verletzung der Treuerespektive Schutzpflichten kommen, was für den Arbeitgeber ein wichtiger Grund sein kann, um den Whistleblower laut §626 Abs.1 BGB fristlos zu kündigen (Donato 2009, S. 69).

Es ist auch zu konstatieren, dass es auf die Unternehmensseite de lege lata keine Pflicht für die Schaffung von Whistleblowing-Schutzprogrammen besteht. Aus § 91 Abs.2 AktG lässt sich die Pflicht zur Umsetzung bestimmter Modelle des Risikomanagements weniger ableiten, ebenso die Pflicht zur Installation der Whistleblowing-Schutzprogramme.

Nun ist es wichtig zu klären, welche Sanktionsrisiken für Whistleblower bestehen.

2.3.2 Sanktionsrisiken des Whistleblowings nach geltendem Recht

Die vertraglichen Anzeigepflichten stützen sich auf (Neben-)Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und berechtigen somit zur Anzeige gegen den Arbeitgeber. Hierbei ist zu beachten, dass nur solche Anzeigen, die sich auf dem Arbeitgeber drohende

Schäden beziehen, berechtigt sind. Diese Anzeigepflicht wird sogar so eingeschränkt, dass nur im Pflichtbereich des Whistleblowers auftretende potenzielle Schäden zu melden sind. Für die Schäden fremder Pflichtbereiche ist eine Anzeigepflicht nur dann berechtigt, wenn der Arbeitnehmer auch für die Überwachung anderer Pflichtbereiche zugelassen wurde oder die dem Arbeitgeber drohenden Schäden erheblich sind (Graser 2000, S. 156 ff.). Zusammenfassend ist festzustellen, dass das deutsche Arbeitsrecht nur wenige Anzeigepflichten für Arbeitnehmer beinhaltet, die das Whistleblowing oftmals nur für sehr spezielle Bereiche zulassen (Ebd., S. 159). Somit darf die Wahrnehmung der Anzeigepflichten keine arbeitsrechtlichen Sanktionen nach sich ziehen (Donato 2009, S. 72).

Dagegen, bestehen für die externe Whistleblower arbeitsrechtliche Sanktionsrisiken. So können sogar wahrheitsgemäße Arbeitnehmeranzeigen dem Arbeitgeber dazu berechtigen, den Whistleblower verhaltensbedingt zu kündigen. Obwohl vom Bundesverfassungsgericht erläutert worden ist, dass „nicht wissentlich oder leichtfertig falsche Arbeitnehmeranzeigen im Regelfall nicht zu einer Kündigung führen dürfen“. Es ist jedoch unklar, was unter dem Begriff „im Regelfall“ zu verstehen ist. So bleibt z.B. gemäß dem Bundesarbeitsgerichts selbst bei wahrheitsgemäßen Anzeigen die Kündigung möglich (Koch 2008, S. 502 ff.). Folglich droht dem externen Whistleblower bei einer verwerflichen Motivation oder bei einem nicht gelungenen internen Abhilfeversuch die Kündigung (Koch 2008, S.504). Zu kritisieren ist jedoch die Strafbarkeit aus § 17 UWG, wonach die Hinweise auf betriebsinterne Missstände als Straftatbestand interpretiert werden können, in dem sie als Verrat der Geschäfts-und Betriebsgeheimnisse verstanden werden. Entscheidend ist hierbei, ob sog. „illegale Geheimnisse“ in den Schutzbereich der Norm fallen. Eine Strafbarkeit entfällt, wenn Whistleblower Kartellabsprachen oder systematische Steuerhinterziehung offenlegen. Es wird so begründet, dass für die Geheimhaltung der rechtswidrigen Machenschaften kein schutzwürdiges Interesse besteht. Die Folgen sind hiermit weitreichend. So könnte jemand aus persönlicher Rache oder Motivation die Betriebsinterna an Wettbewerber ohne strafrechtliche Konsequenzen verkaufen. Wann also der Verrat der Wirtschaftsgeheimnisse - außerhalb gesetzlicher Anzeige-, und Zeugnispflichten - gerechtfertigt ist, bedarf noch einer abschließenden Klärung (Koch 2008, S. 503 ff.).

3 Unternehmensinterne Umgang mit Whistleblowing

3.1 Corporate Compliance und Whistleblowing

Neuere Studien zur Wirtschaftskriminalität bei Finanzdienstleistern bestätigen, dass Whistleblowing für die Durchsetzung betriebsinterner Regeleinhaltung, so für Compliance unverzichtbar ist. Laut diesen Studien bilden interne Hinweise den wichtigsten Faktor für die Aufdeckung wirtschaftskrimineller Handlungen (Portmann/Wohlmann 2007, S. 179). Die Einrichtung der WhistleblowingSysteme angesichts Compliance-Programme, mit dem Ziel Mitarbeitern risikoloses Melden von Missständen zu erleichtern, ist ein Trend bei deutschen Großunternehmen geworden (Koch 2008, S.501).

Um klarzustellen, welche Bedeutung der Corporate Compliance bei der Einführung eines Whistleblowing-Systems zukommt, wird sich zunächst mit dem Begriff und seiner Bedeutung auseinandergesetzt.

Nach Dobler/ Lambert (2010) ist Compliance „..die Beachtung eines umfassenden Regelwerks in allen Abläufen der unternehmerischen Tätigkeit. Der Umfang ist dabei stets branchenbezogen, teilweise länderspezifisch.“ (Dobler/ Lambert 2010, S. 202). Auf Grund der hohen Risiken die durch Non-Compliance entstehen können, ist Compliance ein Teil des Risikomanagements und somit eine primäre Aufgabe des Vorstands (Pastner 2005, S. 89).

Corporate Compliance bezieht sich explizit auf das Unternehmen und seinen organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung der Regeln. Für die Sicherstellung und Kontrolle dieser Regeln werden oft sog. Compliance-Programme oder - Systeme organisiert (Pittroff 2011, S. 31ff.).

Im Bezug auf die Befolgung der rechtlichen und ethischen Normen eines Compliance-Programms sind einige Maßnahmen in der Organisation zu treffen. Diese sind Unterrichtung bzw. Schulung der Mitarbeiter über diese Normen, Kontrolle über Einhaltung der Vorschriften und Bestrafung der Verstöße. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen sind Whistleblowing-Systeme von großer Bedeutung (Briegel 2009, S. 160 ff.). Hierbei ist es anzumerken, dass in Deutschland bislang keine rechtliche Verpflichtung für die Einrichtung eines Compliance-Systems oder zur Implementierung eines Whistleblowing-Systems existiert. Obwohl in der Fassung vom 18. Juli 2009 beauftragt der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) den Vorstand für ein Compliance zu sorgen. Eine Einrichtung eines Whistleblowing-Systems wird dabei leider nicht thematisiert (Pittroff 2011, S. 32).

[...]


1 Die in US Börsen gelistete Unternehmen sind dazu streng verpflichtet.

2 Das Beispiel von Tierärztin Dr. med.vet. Margrit Herbst: Sie hat auf 20 Verdachtsfälle von BSE gemeldet. Ihr Arbeitgeber, Kreisverwaltung Segelberg, hat das aber nicht ernst genommen. Infolgedessen, wandte sie sich an die Öffentlichkeit. Sie wurde daraufhin fristlos gekündigt (Pittroff 2011,S. 29)

3 Das Beispiel von Karen Silkwood, die über die Verletzung der Sicherheitsvorschriften ihres Arbeitgebers vor einer Behörde aussagte. Auf dem Weg zu einem Interview, in dem sie Beweise vorlegen wollte, kam sie bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht ums Leben. Vermutungen über einen Auftragsmord konnten dabei jedoch nie bewiesen werden (Faust 2009, S. 11.)

4 Interaktionen basieren auf gemeinsames Interesse an Kooperationsgewinnen (Briegel 2009, S. 37).

5 z.B. Reputationsschaden, Vertrauensverlust etc.

6 Im Gefangenendilemma führt das individuell rationale Verhalten zum kollektiv schlechtesten Ergebnis. Das Ergebnis der individuellen Nutzenmaximierung ist das „kollektive Selbstschädigung“. Jeder der beteiligten Akteure glaubt, dass seine Wahl der gemeinsamen „Kooperation“ von anderem Teil abgelehnt wird und somit wählt auch keine Kooperation. Selbst wenn die beiden Parteien an gemeinsamer Kooperation interessiert sind, kommt es nicht dazu. Es liegt also ein Informationsproblem vor (Jöhr 1976, S. 133).

7 Das wohl wichtigste Artikelgesetz in den USA ist Sarbanes Oxley Act of 2002(SOX). Es gilt für die an US Börsen gelisteten Unternehmen. SOX enthält neben den Regulierungen von Wirtschaftsprüfern und Corporate Governance Regeln, auch Regelungen zur Implementierung von Whistleblowing-Systemen. Die ausländischen Unternehmen, die in USA börsennotiert sind, sind

auch dazu verpflichtet (Schmidt 2009, S. 58).

8 In GB ist der bekannteste Gesetzt Public Interest Disclosure Act (PIDA) von 1998. PIDA bemüht sich hauptsächlich um die Whistleblower vor den Vergeltungsmaßnahmen des Arbeitgebers zu schützen (Gobert/Punch 2003, S.26).

9 Alternative Bezeichnungen sind Ethikkodex, code of conduct, corporate credo, mission statement, value statement (Briegel 2009, S. 164).

10 Ausführliche Informationen über „ Business Keeper“ AG und seine Leistungen unter http://www.business-keeper.com, Stand: 20.08.2011.

11 Im Rahmen der „open door policy“ können sich die Mitarbeiter mit ihren Anliegen an die Unternehmensführung jederzeit wenden.

12 Außer in den USA notierten Unternehmen

13 Ausführlicher über diese Maßnahmen siehe Anhang 3.

Final del extracto de 63 páginas

Detalles

Título
Effektive interne Whistleblowing-Systeme
Universidad
University of Trier
Calificación
2,7
Autor
Año
2011
Páginas
63
No. de catálogo
V189075
ISBN (Ebook)
9783656128960
Tamaño de fichero
979 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
corporate compliance, unternehmenskultur, whistleblowing, whistleblower, prinzipal-agenten theorie, nutzensaspekte, hinweisgeber
Citar trabajo
Agnes Iskandaryan (Autor), 2011, Effektive interne Whistleblowing-Systeme, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189075

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Effektive interne Whistleblowing-Systeme



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona