Die Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politisch-gesellschaftliche Teilhabe

Eine historisch-systematische Betrachtung der Sozialisationserfahrungen in der Generationenfolge von Zuwanderern


Master's Thesis, 2016

99 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhalt

Abstract

Abstract

1. Einleitung

2. Die Historie der Wanderungen in die Bundesrepublik Deutschland nach
2.1 Aussiedler und Spätaussiedler
2.2 Asylsuchende und Flüchtlinge
2.3 Arbeitsmigranten
2.3.1 Die Historie der Arbeitsmigration nach dem zweiten Weltkrieg
2.3.2 Die politische Grenze des Aufenthalts in Deutschland
2.3.3 Familieneingliederung
2.3.4 Auswirkungen und Entgegnungen der Zuwanderung
2.4 Aktuelle Situation der Zuwanderer in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der türkischen Zuwanderer
2.5 Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung der Wanderungen nach Deutschland unter Berücksichtigung der Wichtigkeit der Beherrschung der Landessprache

3. Integration, Assimilation und Partizipation
3.1 Die Definition des Begriffs Integration
3.2 Assimilation Hartmut Essers
3.3 Die Definition des Begriffs Partizipation

4. Die Funktionen der Sprache und Mehrsprachigkeit
4.1 Funktionen der Sprache
4.2 Die Definition von Mehrsprachigkeit
4.3 Spracherwerbstypen
4.3.1 Erstsprache
4.3.2 Zweitsprache
4.4 Mehrsprachigkeit durch Erst- und Zweitspracherwerb
4.4.1 Der Prozess des Spracherwerbs
4.4.2 Code-Switching
4.5 Die Relevanz der Erstsprache für die Entwicklung von Kompetenzen in der Zweitsprache

5. Politische Teilhabe durch Sprachvermögen: Politische Bildung als kommunikatives Geschehen
5.1 Begriffsbestimmung und Geschichte der „politischen Bildung"
5.2 Aufgaben und Ziele der politischen Bildung
5.3 Die Bedeutung der Beherrschung der Landes- und der Muttersprache für Zuwanderer aus politischer Sicht
5.4 Sprachkompetenz und die Subsprache Politik, ein Problem hinsichtlich der politischen Teilhabe?

6. Politische Integration und Integrationspolitik hinsichtlich der Relevanz der sprachlichen Kommunikation
6.1 Politische Teilhabeformen von Zuwanderern
6.2 Ein Beispiel für eine gelungene politisch-gesellschaftliche Teilhabe der Zuwanderer: Politiker mit Migrationshintergrund

7. Fazit und Ausblick: Zur Zukunft von Sprache für eine Verbesserung der politisch- gesellschaftlichen Teilhabe

Literaturverzeichnis

Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politisch-gesellschaftliche Teilhabe. Hierbei wird versucht unter der Berücksichtigung der Sozialisationserfahrungen in der Generationenfolge von Zuwanderern eine historisch- systematische Betrachtung durchzuführen. Zunächst muss auf die Geschichte der Wanderungen nach Deutschland nach 1955 eingegangen werden, da es sich in der Arbeit um eine historisch-systematische Betrachtung handelt, aber auch auf die heutige Situation der Zuwanderer muss dementsprechend eingegangen werden. Am Beispiel der türkischen Gastarbeiter wird die Entwicklung der Generationen verdeutlicht. Zudem ist es auch wichtig Begriffe wie z.B. Partizipation zu bestimmen, um im folgenden Verlauf der Arbeit zu demonstrieren, welche politischen Teilhabemöglichkeiten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben. Denn eine politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund gelingt wahrscheinlich nur mit einer erfolgreichen Integration. Auch wird das Thema der politischen Integration anhand politischer Bildung aufgegriffen. Mit der politischen Bildung kommt die Wichtigkeit des Beherrschens der Landessprache und der Subsprache Politik für eine politisch-gesellschaftliche Teilhabe zum Vorschein. Hierbei werden einige Methoden und Instrumente der politischen Sprache hinsichtlich ihrer Wirkung und Manipulationskraft vorgestellt. Zudem wird aus vielen Forschungsergebnissen dargelegt, dass das Können der Erstsprache sich positiv auf das Erlernen einer zweiten Sprache und auf die kognitive Entwicklung von Schülern mit Migrationshintergrund auswirken kann.

Die Fragestellungen werden auf Grundlage und Auswertung aktueller sowie historischer Fachliteratur diskutiert.

Im Ergebnis wird deutlich, dass Mehrsprachigkeit sich für die Entwicklung einer staatsbürgerlichen Persönlichkeit als sehr wichtig erweist. Die pädagogische Konsequenz aus diesen Resultaten wäre eine größere Anerkennung der Muttersprache von Schülern mit Zuwanderungsgeschichte und nicht nur die der Weltsprachen wie z.B. Englisch. Zudem sollte die Erstsprache dieser Schüler mehr gefördert werden, damit sie die Zweitsprache, die dann meistens Deutsch ist, besser erwerben können und sie sich somit integrierten und zu deutschen Staatsbürgern entwickeln können, die sich an der Gesellschaft und Politik des Landes beteiligen und eventuell auch selbst als Politiker tätig werden.

Abstract

The present paper deals with the importance of multilingualism for political and social participation. An attempt is made to carry out a historical and systematic observation, taking into account the socialisation experiences in the generational succession of immigrants. First of all, the history of migrations to Germany after 1955 need to be described, because the paper is a historical-systematic work. However, the current situation of immigrants also needs to be described accordingly. Using the example of the Turkish guest workers the development of the generations will be illustrated. In addition, it is also important to determine terms such as participation for example, in order to demonstrate in the following course of this paper what political participation opportunities people with migration history have. Because political participation of people with a migration background probably only succeeds through a successful integration. The issue of political integration will also be taken up on the basis of political education. With political education and for a socio-political participation appears the importance of commanding the national language and the sub-language of policy . In this context some methods and instruments of political language are presented with respect to their impact and manipulation force. In addition, many research results show that the skill of the first language can have a positive effect on learning a second language as well as on the cognitive development of students with a migrant background.

The issues are discussed on the basis and analysis of current and historical literature.

As a result, it is clear that multilingualism is very important in the development of a civic personality. The pedagogical consequence of these results is a greater recognition of the mother tongue of pupils with migrant history and not only of world languages such as English. In addition, the first language of these students should be promoted more so that they can learn the second language better, which is often German, and thus can develop into integrated, German citizens that participate in the society and politics of the country and even possibly act as politicians.

1. Einleitung

In Deutschland haben Einwanderungen, ob es gewollte oder ungewollte waren, ob in Folge von Anwerbungen von (Gast-)Arbeitern, Familienzusammenführungen oder Flucht, faktisch die Gesellschaft in eine multiethnische, multikulturelle und somit vor allem auch mehrsprachige Gesellschaft verwandelt. Seit ihrer Gründung im Jahre 1949 hat die Bundesrepublik Deutschland in jedem Jahr geringstenfalls rund 250.000 Zuwanderer1 mit unterschiedlichsten Migrationshintergründen untergebracht.2 Viel Diskussionsbedarf werfen Themen wie Migration von Flüchtlingen, (Spät-)Aussiedlung, Arbeitsmigration, Asylsuchende und die transnationale Migration sowie die Ursachen, Absichten und Folgen der internationalen Migration auf.3 Wenn es um das Thema Daueraufenthalt von Migranten geht, kann gesagt werden, dass Aussiedler und Spätaussiedler direkt vom Staat politisch anerkannt werden und auch in der Vergangenheit respektiert wurden. Im Gegensatz dazu ist der Daueraufenthalt von Asylanten und Flüchtlingen aus staatlich-politischer Sicht nicht erlaubt. An letzter Stelle seien die Arbeitsmigranten genannt. Für deren Aufenthalt werden Genehmigungen erst seit wenigen Jahren erteilt.4 Und trotz des Bestehens eines Daueraufenthaltsgesetzes für bestimmte Zuwanderungsgruppen kommt es noch immer zu Diskriminierungen im Alltag dieser Menschen sowie im Schul- und Bildungssystem und im Berufsleben. Im Hinblick auf das Schulsystem herrscht eine soziale Ungleichheit in Bezug auf die verschiedenen Sprachen, welche die Schüler mit Migrationshintergrund mit sich bringen. Neben der Überalterung sind auch Migrationsbewegungen in Deutschland Faktoren für den konstanten demografischen Wandel. Genau diese Struktur der Gesellschaft demonstriert die komplexe Vielschichtigkeit ihrer Bevölkerungsgruppe. Folglich entstehen soziokulturelle Unterschiede, beispielsweise sprachliche oder religiöse, und damit hängt ein Anpassungs- und Veränderungsdruck auf alle sozialen Institutionen zusammen, vor allem im differenzierten Erziehungssystem.

Zwei- oder Mehrsprachigkeit ist in der heutigen Gesellschaft eigentlich ein erstrebenswertes Ziel der schulischen Bildung. Beispielsweise werden viele Kinder von ihren Eltern bereits gleich nach der Geburt an bilinguale Kindergärten mit den Sprachen Deutsch und Englisch angemeldet, um überhaupt einen Platz zu bekommen. In vielen Orten sind bilinguale Schulen, wie beispielsweise deutsch-amerikanische Schulen oder französische Gymnasien, die mit anderen Staaten zusammenarbeiten und in beiden Ländern anerkannte Abschlüsse anbieten, ausgebucht.5

„In Anbetracht der wachsenden internationalen Verflechtungen in wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereichen und der damit einhergehenden Internationalisierung der (Aus-)Bildungs- und Arbeitsmärkte erscheint vielen Eltern und Heranwachsenden der Erwerb zusätzlicher Sprachen als sinnvolle Investition.“6

Völlig anders wird aber die Mehrsprachigkeit von einer Überzahl der Kinder und Jugendli- chen mit Migrationshintergrund bewertet. In offiziellen Verkündigungen wird allerdings auch in diesem Fall von Mehrsprachigkeit als „Ressource“ gesprochen.7 Wenn dieses Phänomen jedoch näher betrachtet wird, geht es dabei signifikant um die Frage, inwiefern Familienspra- chen für den Erwerb von Deutschkenntnissen gewinnbringend sind. Insbesondere Kinder aus Familien mit türkischem Migrationshintergrund erfahren des Öfteren ihre Familiensprache würde sie im Unterricht und auf dem Schulhof eher beeinträchtigen, als dass sie als eine Zu- satzkompetenz anerkannt wird. Es existieren selbst Bildungseinrichtungen, in denen die Ver- wendung dieser „anderen“ Sprache durch die Schulordnung verboten ist. Laut Fürstenau und Gomolla stellt dies in Anbetracht der allgemeinen positiven Wertschätzung von Mehrspra- chigkeit eine beschämende und verunsichernde Erfahrung für die betroffenen Schüler und ihre Familien dar.8 Obwohl also die Mehrsprachigkeit aus pädagogischer Sicht nützlich und wertvoll ist, erhält die türkische Sprache neben vielen anderen Sprachen in den meisten Schu- len keine Anerkennung und Unterstützung. Das von Wissenschaftlern hoch geschätzte Poten- tial von mehrsprachigen Schülern bleibt auf diesem Wege unbeachtet.

Über die Bedeutung von Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit im Zusammenhang mit staatlicher Bildung wird sich in der politischen Szene und im wissenschaftlichen Diskurs in Deutschland sowie in vielen anderen Ländern in konstanten Abständen und nicht erst seit der zweiten Hälf- te des letzten Jahrhunderts hart auseinandergesetzt.9 Die aktuellen Auseinandersetzungen über das Thema Mehrsprachigkeit sind jedoch aufgrund von wichtigen und großflächigen Schul- leistungsstudien10 neu entfacht. Seit Anfang des letzten Jahrzehnts rücken diese die Unter- schiede insbesondere im Hinblick auf höher qualifizierende Bildungsabschlüsse in Verbin- dung mit sozialer Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit und Geschlecht in den Vordergrund.

Für den Erfolg in der Schule und in der Bildung spielen die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler eine große und bedeutende Rolle. Laut Schroeder wächst ein Drittel aller Grundschü- ler in Deutschland mehrsprachig auf. Die größte Gruppe macht dabei die der Türkischspra- chigen mit 30 % in Hamburg und 27 % in Essen aus. Dieser Sprache folgen danach in chrono- logischer Folge Arabisch und Polnisch.11 Wie bereits eben erwähnt werden gute Sprachkennt- nisse in der deutschen Sprache vorausgesetzt, um in der Schule erfolgreich zu sein und gut mithalten zu können. Dadurch, dass, wie im Beispiel genannt wurde, fast 30% aller Grund- schüler in Hamburg eine zweite Sprache, hier türkisch, in die Schule mitbringen, sind diese aufgrund ihrer anderen Erstsprache als die deutsche beeinträchtigt. Dadurch werden für die betroffenen Schüler ungleiche Chancen hinsichtlich der Schulbildung und auch im Kontext der späteren Position im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkt hervorgerufen.12

Aus diesem Grund sind seit den schlechten Ergebnissen von Schulleistungsstudien viele Initiativen in den Ländern und Kommunen und vom Bund entwickelt worden, um das sprachliche Lernen systematischer und gezielter zu unterstützen. Diese Weiterentwicklung im Denken zeigt das Bemühen um die seit längerer Zeit überfällig gewordenen Anpassungsschritte, die nicht nur migrationsbedingt, sondern auch durch die soziokulturellen Differenzierungsschübe der vergangenen Jahre entstanden ist.

Gleichzeitig ist aber eine polarisierende Auseinandersetzung über die Bedeutung der Mehr- sprachigkeit von Zuwanderern im öffentlichen Raum entstanden. Im Hauptsächlichen geht es um die Frage, wie mit der Migration und ihren komplizierten sozialen Folgen umgegangen werden soll. „Nachdem die Idealvorstellung einer einseitigen Assimilation der Migrantinnen und Migranten seit den 1980er Jahren zunehmend in Frage gestellt und stattdessen die Aner- kennung von Differenz und Vielfalt als Ziel betont wurde, erlebt das Assimilationsmodell gegenwärtig eine Art Comeback.“13 Das Hauptaugenmerk liegt dabei vor allem auf den Mig- ranten muslimischen Glaubens und darauf, wie ihre strukturelle und kulturelle Integration gelingen kann. Zusammengefasst bedeutet dies, dass Themen wie Migration und Mehrspra- chigkeit den eben genannten Fakten zufolge keine Besonderheit mehr in der multikulturellen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sind.

In dieser Arbeit soll die Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politisch-gesellschaftliche Teilhabe herausgearbeitet werden. Dies wird durch eine historisch-systematische Betrachtung unter Berücksichtigung der Sozialisationserfahrungen in der Generationenfolge von Zuwanderern realisiert.

Diesbezüglich wird im zweiten Kapitel die Historie der Wanderungen nach Deutschland ab 1950 beschrieben. Damals waren die Großeltern oder Eltern der derzeitigen Schüler mit Migrationshintergrund nach Deutschland migriert, da sie sich erhofften finanziell aufzusteigen, auf dem schnellsten Weg zu sparen und ihr Heimatland zurückkehren zu können. Jedoch beeinflussten viele Faktoren das Verfestigen des vorerst zeitlich begrenzten Aufenthalts. In dieser Arbeit muss daher zunächst auf die Geschichte der Wanderungen eingegangen werden, da sich die damaligen Lebensumstände der Gastarbeiter auf die heutige Lebenssituation ihrer Kinder auswirken, die zusammen mit deutschen Kindern die Schule besuchen und im Gegensatz zu diesen mehrsprachig aufwachsen.

Nach der Historie der Wanderungen wird im Kapitel 2.4 auf die aktuelle Situation der Migranten in Deutschland eingegangen, um die Entwicklung in der Geschichte zu verdeutlichen. Darauf folgend wird am Beispiel der größten Migrantengruppe in Deutschland, den türkischen Migranten gezeigt, wie diese in den 60er Jahren nach Deutschland kamen und sich danach dort niederließen. Hierzu werden die Generationen in drei Gruppen gegliedert: die erste Generation, die nach Deutschland kam, um hier zu arbeiten, Geld zu sparen und eigentlich wieder in die Heimat zurückkehren wollte; die zweite Generation, die Kinder der ersten Generation sind und entweder als Kleinkinder oder Jugendliche mit den Eltern nach Deutschland gekommen sind oder hier geboren wurden, und schließlich die dritte Generation, die Kinder der zweiten Generation, die in Deutschland geboren, aufgewachsen, zur Schule und auch zur Universität gegangen sind bzw. heute noch gehen. Hierbei werden die Schwierigkeiten und Probleme dieser Menschen ersichtlich, sich in einem fremden Land zu integrieren, dort zu leben, mit den Menschen zu kommunizieren, deren Sprache sie nicht kannten. Doch heute sind die Enkel der ersten Generation in Deutschland aufgewachsen und nicht wie ihre Eltern oder Großeltern nach Deutschland emigriert. Aus diesem Grund bringen diese Kinder direkt zwei Sprachen mit in die Schule: ihre Muttersprache Türkisch und die Landessprache Deutsch, da sie mit beiden Sprachen aufwachsen. Diese Arbeit beantwortet die Frage, welche Bedeutung das Beherrschen von mindestens zwei Sprachen für die gesellschaftliche und politische Teilhabe haben kann, wenn sie nicht negativ konnotiert ist, was in der Gesellschaft heute immer noch verankert ist.

Aus diesem Grund werden im Anschluss daran, also im dritten Kapitel, die drei wichtigen Begriffe Integration, Assimilation und Partizipation definiert, um dem Verlauf der Arbeit folgen zu können. Auch wird hier deutlich, dass Sprache die Basis für eine erfolgreiche Integration, Assimilation und Partizipation ist. Diesbezüglich wird in dem Kapitel hinsichtlich der Integrationspolitik und anhand des Sozialintegrationsmodells von Hartmut Esser unter Beachtung der Bedeutung der sprachlichen Kommunikation eine gründliche und auf empirischen Ergebnissen beruhende Betrachtung dargelegt.

Im vierten Kapitel geht es um die Themen Mehrsprachigkeit und die Funktionen der Sprache. Um den Zusammenhang zwischen Mehrsprachigkeit und ihrer Bedeutung für die politisch- gesellschaftliche Teilhabe bei Zuwanderern zu demonstrieren, muss erst einmal die Frage der Arten von Spracherwerbsprozessen geklärt werden. Danach werden die klassischen Formen des Erwerbsprozesses speziell von Kindern mit Migrationshintergrund charakterisiert, um einen Einblick in die Spracherwerbsprozesse der zweiten oder dritten Generation der Zuwanderer in der Bundesrepublik zu erhalten. Normalerweise wachsen diese Kinder mehrsprachig auf. Zusätzlich wird gewöhnlich die Sprache des Herkunftslandes innerhalb der Familie gesprochen. Mit einer zweiten Sprache kommen die Kinder durch ihre Umwelt in Berührung. Dies passiert beispielsweise beim Spielen auf dem Spielplatz mit Kindern aus anderen Ländern oder spätestens in vorschulischen Institutionen. Jedoch ist bei jedem Kind die Verarbeitung der Zweitsprache Deutsch verschieden. Dieses Kapitel soll die Frage bearbeiten, inwiefern Kinder eine Sprache erwerben, welche üblichen Verläufe der Spracherwerb aufweist und ob überhaupt eine einheitliche Erwerbstheorie vorhanden ist. Danach wird in dem Kapitel auf die Bedeutung der Erstsprache für die Entwicklung zweitsprachlicher Kompetenzen eingegangen.

Im fünften Kapitel geht es um die politische Teilhabe durch Sprachvermögen und die politische Bildung als ein kommunikatives Geschehen. Hierzu muss zunächst der Begriff der politischen Bildung definiert und auf die Geschichte eingegangen werden, um dann die Aufgaben und Ziele der politischen Bildung zu erklären. Danach werden die Bedeutsamkeit der Erstsprache und das Erlernen und Erwerben der Zweitsprache von der Erstsprache aus im Hinblick auf die politische Teilhabe erklärt und die Wichtigkeit der Sprachkompetenz und der Mehrsprachigkeit für die politische Integration charakterisiert. Es soll veranschaulicht werden, ob Menschen, die ihre Erstsprache gut können, auch eine zweite Sprache genauso gut erlernen können, sodass dann Kompetenzen entstehen, welche diese zu staatsbürgerlichen Charaktere machen. Im Grunde heißt dies, es wird dargestellt, welche Bedeutung es für die Qualifikation von Migranten hinsichtlich einer staatsbürgerlichen Identität hat, von der Erstsprache ausgehend die Zweitsprache gut beherrschen zu lernen. Aktuelle Resultate aus der Forschung und Wissenschaft demonstrieren, dass die Zweitsprache viel besser erworben wird, wenn bereits die Erstsprache gut beherrscht wird. Unter 5.4 wird auf das Problem zwischen der Sprachkompetenz und der Subsprache Politik hinsichtlich der politischen Partizipation eingegangen. In diesem Kapitel wird es sich um die Subsprachen handeln, denen beispielsweise auch die politische Fachsprache zugeordnet wird.

Im sechsten Kapitel wird es um die politische Integration und Integrationspolitik hinsichtlich der Relevanz der sprachlichen Verständigung gehen. Zu einer negativen Folge der Nichtförderung der Erstsprache von Schülern mit Migrationshintergrund in den Schulen zählt die mindere politische Teilhabe dieser im Aufnahmeland. Dies hängt wiederum damit zusammen, dass Bildungsbenachteiligungen aufgrund von institutionellen Diskriminierungen dieser Schüler in den Schulen entstehen. Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland verändert sich stetig, da viele Menschen nach Deutschland flüchten oder migrieren und dann dort leben und heutzutage bereits die Enkel der damaligen Gastarbeiter in Deutschland auf die Welt kommen und aufwachsen. Es ist daher selbstverständlich, dass es viele verschiedene Meinungen und Ansichten von Menschen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, gibt und diese müssen alle miteinander kooperieren und eine demokratische Übereinstimmung finden. Aus diesem Grund sollten alle Menschen in einer Gesellschaft politisch teilhaben, damit die Demokratie in dem Land, in dem sie leben, weiter existieren kann. Damit dies gelingen kann, müssen diese Menschen die dafür erforderlichen Kompetenzen besitzen, um zum Beispiel an öffentlichen politischen Diskussionen teilnehmen zu können. Dazu zählt vor allem die Beherrschung der Landessprache, denn ansonsten können sich Menschen nicht einmal untereinander verständigen. Wie sollten sie dann beispielsweise an Diskursen teilnehmen können? Auch müssen die Menschen in einem Land sich Wissen über dessen Politik aneignen, denn eine politische Sozialisation gelingt in vielen Fällen durch die Kommunikation von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in der Landessprache. Eine Voraussetzung dafür, dass die politische Teilhabe von Migranten gelingen kann, ist eine Landespolitik, die diese Menschen politisch anerkennt und dazu müssen sie auch ein politisches Recht zur Mitbestimmung erhalten. Jedoch besitzen viele Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland dieses nicht, obwohl sie bereits seit vielen Jahren hier leben. Dies betrifft die Menschen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Diese dürfen nicht an den Wahlen in Deutschland teilnehmen und dementsprechend die Landespolitik nicht mitgestalten. Das heißt, aufgrund der Ausgrenzung seitens des Staates können Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nicht an der Gesellschaft und Politik des Landes teilhaben, auch wenn sie es wollten.

Zu diesen Menschen gehöre ich persönlich nicht, da ich trotz türkischem Migrationshintergrund die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Ich wurde in Deutschland geboren, bin hier sozialisiert worden, hier zur Schule gegangen und habe hier studiert und im weiteren Verlauf meines Lebens werde ich als angehende Lehrerin deutsche sowie nichtdeutsche Schüler erziehen und ausbilden. Da ich die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, kann ich Beamtin werden und habe das Recht zu wählen. Ganz anders dagegen sieht es mit meinen Eltern aus. Diese haben immer noch die türkische Staatsangehörigkeit und dürfen die deutsche Landespolitik nicht mitgestalten und mitbestimmen, da sie als türkische Migranten mit einer türkischen Staatsangehörigkeit kein Recht darauf haben. Dabei leben sie schon länger in Deutschland als ich.

Des Weiteren wird es im Unterpunkt 6.1 des Kapitels um politische Teilhabeformen von Zuwanderern gehen. Hier werden vier Partizipationsformen vorgestellt und es wird aufgezeigt, wie sich Migranten integrieren und wie sie partizipieren können und dies auch bereits tun.

In Kapitel 6.2 wird ein Beispiel einer gelungenen politisch-gesellschaftlichen Teilhabe der Zuwanderer dargestellt, nämlich Politiker mit Migrationshintergrund.

Im letzten Kapitel wird die Arbeit kurz zusammengefasst, Zukunftsperspektiven werden dargestellt und die Arbeit wird mit einem Fazit beendet. Hier wird nun ausführlich versucht die Frage der Arbeit, also die Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politischgesellschaftliche Teilhabe, zu beantworten, indem aus fast jedem Kapitel die dafür relevanten Informationen zusammengefasst werden.

Ich habe geplant, mich in meiner Arbeit hauptsächlich mit diesem Thema zu beschäftigen und wissenschaftliche Debatten, Gespräche und fundierte Ergebnisse zu berücksichtigen und zu integrieren. Oft wird es in einzelnen Kapiteln darum gehen, wie Zuwanderer, die nach Deutschland geflüchtet oder migriert sind, mehr an politischen Lernprozessen teilhaben können, um einen Einblick in die politischen Strukturen von Deutschland zu erhalten und sich aneignen zu können, wo, wie und in welcher Art und Weise sie ihre eigenen politischen und sozialen Interessen in dem Land, in dem sie leben, also hier Deutschland, vertreten können. Auch wird des Öfteren auf die Geschichte dieser Menschen eingegangen, um ihre Entwicklungen zu verdeutlichen und zu beweisen, dass sie sich heutzutage integrieren können und dies auch bereits vor vielen Jahren getan haben und die Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland prägen und mitgestalten.

Ich habe mich auf dieses Thema festgelegt, da ich angehende Lehrerin bin und Mehrsprachigkeit in Deutschland seit vielen Jahren ein Thema ist und auch zukünftig immer sein wird. Vor allem in dem letzten Jahr, also 2015, sind aufgrund des Syrienkrieges fast über 800.000 Menschen nach Deutschland geflüchtet. Da auch viele Kleinkinder darunter sind, werden diese in der Schule Deutsch lernen, sich zuhause aber mit den Eltern in ihrer Muttersprache verständigen. Ich denke, dass das Befassen mit dieser Thematik für mich von großem Nutzen sein wird, da ich mich in diese Menschen hineinversetzen kann, denn auch ich bin mit zwei Sprachen aufgewachsen und weiß, dass es nicht immer leicht ist, wenn beispielweise in der Grundschule aufgrund fehlender Sprachkompetenzen unter den vorherrschenden institutionell diskriminierenden Strukturen gelitten wird. Aus diesen Gründen denke ich wird es für meine Ausübung meiner Profession von Vorteil sein.

In dieser Arbeit wird es um eine Literaturstudie gehen. Es wird anhand von wissenschaftlichen Forschungen und ihren Ergebnissen versucht die Fragen dieser Arbeit zu beantworten und klarzustellen.

2. Die Historie der Wanderungen in die Bundesrepublik Deutschland nach 1950

Im Rahmen der Arbeitsmigration nach dem Jahre 1950 sind die Eltern oder Großeltern der heutigen „Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ nach Deutschland eingewandert. Mit der Bezeichnung „mit Migrationshintergrund“ ist der Personenkreis der Kinder und Jugendlichen gemeint, die bereits in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben. Der Terminus Migration ist abgeleitet von dem lateinischen Wort "migratio", was soviel bedeutet wie (Aus)-Wanderung. So werden Menschen, welche durch Wanderung über Ländergrenzen hinweg ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt variieren, als Migranten bezeichnet.

Jedoch charakterisieren diese Wanderungen kein neues Ereignis. Es gab lange vor dem zweiten Weltkrieg Wanderungen dieser Art. Bereits vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland erfolgte eine Arbeitsmigration nach Deutschland in erheblichem Umfang, da ab dem Jahre 1900 der Bedarf an Arbeitskräften überdurchschnittlich anstieg. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Schwerindustrie im Rhein-Ruhr-Gebiet in erster Linie für Arbeitsmigranten aus Osteuropa attraktiv. Hinzu kam, dass die Armut im Osten Europas verstärkt zunahm. Daher kamen über 1.2 Millionen „ausländische Wanderarbeiter“ kurz vor dem 1. Weltkrieg nach Deutschland und waren hier beschäftigt. Nichtsdestoweniger ist Deutschland schon viele Jahre vorher zum Einwanderungsland geworden und nicht erst durch die im Folgenden ausführlich dargestellte Form der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte.

Einige Gründe für Migration sind beispielsweise Vertreibung, Flucht vor Kriegen und Verfolgung, Bedrohung durch Umweltkatastrophen oder wirtschaftliche Verhältnisse. Aus diesen eben genannten Faktoren hat sich Deutschland seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts zum Hauptziel von Migrationsbewegungen in Europa entwickelt. Wie später noch im Laufe der Arbeit dargestellt wird, war die gesellschaftliche und politische Begegnung mit der Migrationswirklichkeit lange Zeit von Ignoranz markiert.

Seit dem Jahre 1989 wanderten in jedem Jahr über 1 Millionen Menschen in Deutschland ein. Frühestens nach 1995 sank die Zahl der jährlichen Zuwanderer wieder unter 1 Million.14 Migration und ihre Phänomene können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Für die Wanderungen ist eine einheitliche Definition kompliziert, da diese aus unterschiedlichsten Interessen und Ursachen initiiert werden.

Die Fachliteratur unterscheidet zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Wanderung, Schubkraft und Anziehungsfaktoren oder Flucht und Vertreibung.

Die drei großen Zuwanderungsgruppen in die Bundesrepublik Deutschland werden im nächsten Kapitel vorgestellt. Mecheril schreibt, dass Deutschland seit seiner Gründung im Jahre 1949 stark mit Wanderungsbewegungen gekoppelt sei.15

2.1 Aussiedler und Spätaussiedler

Zu der größten Zuwanderergruppe der Bundesrepublik Deutschland gehören die Angehörigen der Aussiedler aus deutschen Siedlungen in der Sowjetunion. Hier ist mit dem Terminus Aussiedler die Gruppe von Wanderern gemeint, welche als aus politischen Gründen zurückgekehrte Deutsche gelten. Aus diesem Grund gelten Migranten dieser Wanderungsgruppe als „deutsche Volkszugehörige.“16 So werden die Nachkommen von deutschen Siedlern bezeichnet, die in der ehemaligen Sowjetunion bzw. in ihren Nachfolgestaaten in abgegrenzten Orten, in Polen und in Rumänien lebten. Mecheril schreibt, dass bis zur Umstellung des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts im Jahr 2000 als Deutscher galt, „wer von Deutschen abstammte.“17 Zwischen den Jahren 1950 und 1998 gab es eine Zuwanderungswelle nach Deutschland, an der ca. 3,8 Millionen Menschen beteiligt waren. Ab 1990 regulierten unterschiedlichste Maßnahmen diese Zuwanderung, bis schließlich die Schließung der Zuwanderungsgruppe Aussiedler und Einführung der Statusgruppe Spätaussiedler erfolgte.18

Auf der Prämisse ihrer rechtlichen Anerkennung als Deutsche hatten Aussiedler beispielsweise ein Anrecht auf staatliche Leistungen wie z.B. umfangreiche Integrationsmaßnahmen. Die Eingliederung der als Deutsche geltenden Einwanderer wurde als „mustergültig“19 charakterisiert. Das bedeutete, dass sie als anerkannte Deutsche unmittelbar nach ihrer Einwanderung am sozialen und öffentlichen Leben partizipieren durften.

Maas und Mehlem (2003) legen hinsichtlich der sprachlichen Kompetenzen der Spätaussiedler eine paradoxe Situation dar. Seit dem Jahre 1997 wird den Deutschkenntnissen ein außergewöhnlicher Stellenwert und prinzipielle Bedingung für die Anerkennung der Spätaussiedlerschaft beigemessen,20 sodass der Bedarf an Sprachfördermaßnahmen in der Zuwandererbevölkerung stark anstieg. Zeitgleich haben jedoch die staatlichen Sprachfördermaßnahmen prägnant nachgelassen, so dass die schon in der Bundesrepublik lebende jüngere Generation nur mäßige Deutschkenntnisse besitzt.21 Dementsprechend stehen die Nachkommen von Aussiedlern/Spätaussiedlern sprachlich vor vergleichbaren Problemen wie die Kinder der anderen Migrantengruppen.

2.2 Asylsuchende und Flüchtlinge

Ein weiterer gravierender Grund, warum Menschen migrieren, ist die Flucht. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“22 Die Asylpolitik der Bundesrepublik ließ sich auf diese verpflichtende Grundgesetzpassage von der Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre hinein vereinfacht reduzieren. Dieser Artikel charakterisierte damit einen im internationalen Vergleich verhältnismäßig ausgedehnten Rechtsanspruch mit Verfassungsrang auf Asyl dar. Zwischen den Jahren 1933 und 1945 wurde dies als Antwort auf die größtenteils liberale Aufnahme deutscher Flüchtlinge im Ausland und vor dem Hintergrund der NS-Verbrechen als Symbol des Neuanfangs von den Gründervätern der BDR absichtlich offenherzig formuliert. Trotz dessen blieb die Zahl der Asylanträge zu Beginn sehr gering. In den 25 Jahren zwischen 1953 und 1978 sind lediglich 178.000 Ausländer als Asylsuchende nach Deutschland eingereist.23

Laut Genfer Konvention von 1951 wird als Flüchtling derjenige tituliert, der sich aus Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder auch politischen Überzeugung außerhalb der Grenzen seines Landes befindet. Jedoch hat diese Definition von Flucht auch ihre Grenzen, da die Gründe für Flucht multikausal sind. Die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik Deutschland hat eine gravierende Anziehungskraft für Flüchtlinge, da für das Leben von Flüchtlingen die gesetzliche und politische Lage des Landes, in welches sie fliehen, sehr wichtig ist. Auch die demographische Lage Deutschlands ist als ein Grund für eine Flucht dorthin zu sehen, da die Bundesrepublik Deutschland als eine Schnittstelle zwischen Ost und West betrachtet wird.

Laut Beger (2000) hat das Asylrecht in der Bundesrepublik Deutschland einen speziellen Stellenwert,24 da es lange Zeit als Bestandteil der politischen Identität Deutschlands galt. Nichtsdestoweniger existierten Visumsbeschränkungen und Arbeitsverbote, welche die Zuwanderung von Flüchtlingen streng organisierten. Das bislang geltende Recht wurde mit der Neuregelung des Zuwanderungsrechts, welches am 01.01.2005 in Kraft trat, abgelöst. Die Anzahl der Aufenthaltstitel hat sich auf „die unbefristete Niederlassungserlaubnis und die befristete Aufenthaltserlaubnis“25 verringert. Es gibt jedoch je nach Absicht des Aufenthalts vielzählige Unterschiede in der rechtlichen Stellung der Betroffenen.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention erlangen anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge drei Jahre nachdem sie nach Deutschland zugewandert sind einen befristeten Aufenthaltstitel in Form einer Aufenthaltserlaubnis, welche diesen das Recht zur Erwerbstätigkeit einräumt. Verwandte und Kinder dieser Zuwanderungsgruppen erlangen einen anerkannten Flüchtlingsstatus. Im Allgemeinen sollen mit der neuen Regelung26 und der vermehrten Erteilung eines rechtmäßigen Aufenthaltes die Rechtssicherheit und die Integrationschancen der Betreffenden sublimiert werden. Laut des neuen Zuwanderungsrechts wird nur demjenigen eine Niederlassungserlaubnis gegeben, der seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und über angemessene Deutschkenntnisse verfügt.

Dies ist der Fall, sofern ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde oder die notwendigen Kenntnisse anderweitig belegt werden können.27 Das neue Recht sieht erstmalig einen Rechtsanspruch der Zuwanderer auf einen Integrationskurs vor. Diese Kurse sollen unter anderem die deutschen Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der deutschen Rechtsordnung sowie die Geschichte und Kultur des Landes vermitteln. Ein neu Zugewanderter kann zu einer Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden, falls dieser nicht über einfache mündliche Sprachkenntnisse verfügt, trotzdem aber einen Aufenthaltstitel erhalten möchte.

2.3 Arbeitsmigranten

Im Zentrum dieser Arbeit wird die Gruppe der Zuwanderer betrachtet, welche als Arbeitsmigranten oder Gastarbeiter bezeichnet werden. Überwiegend werden unter diesem Terminus männliche Migranten verstanden, die zum Erlangen eines gesteckten finanziellen Sparziels ihre Berufstätigkeit in ein anderes Land umdisponieren. In diesem Kapitel wird beschrieben, welchen politischen, geschichtlichen und infolgedessen rechtlichen Hintergrund diese Familien haben.

2.3.1 Die Historie der Arbeitsmigration nach dem zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg, überwiegend in den Jahren zwischen 1950 und 1970, verzeichnete die Bundesrepublik ein andauerndes Wirtschaftswachstum, das nur durch die Rezession von 1966/67 beeinträchtigt wurde.28 Das Bruttosozialprodukt (BSP) hatte sich zwischen 1950 und 1960 als grundlegende Kennziffer einer Volkswirtschaft mehr als verdoppelt. Damit dieses Wachstum auch ab dem Jahre 1960 aufrechterhalten und als Folge auch der Wohlstand der deutschen Bevölkerung bewahrt werden konnte, benötigte Deutschland eine beachtliche Anzahl an Arbeitskräften im Niedriglohnbereich. Diese sollten aber nicht mehr aus den Gruppen der Vertriebenen, der Kriegsheimkehrer und der DDR-Flüchtlinge angeworben werden, wie es noch überwiegend in den 1950er Jahren umgesetzt wurde.29

Die Arbeitslosenquote in den 1960er Jahren, welche oft unter einem Prozent lag, und der höheren Bedarf an Arbeitskräften aufgrund der nicht zu besetzenden Stellen, deren Anzahl höher als die der Erwerbslosen war, führten zu einem starken Konkurrenzkampf um Auszubildende und Arbeitskräfte zwischen den Unternehmen. Das Wirtschaftswachstum und zusätzlich der wachsende Wohlstand dauerten stetig an.30

Der damalige Bundesminister, Ludwig Erhard, hatte in den 1950er Jahren die bundesdeutsche Bevölkerung zum Konsumieren angehalten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ein Jahrzehnt später rief er, nachdem er Bundeskanzler geworden war, zum „Maßhalten“ auf, um die Konjunktur nicht durch zu hohe Lohnforderungen einzudämmen. Meinhardt (2006) beschreibt, dass Mitte der 1950er Jahre als Folge der unausgewogenen Altersstruktur der Bevölkerung, der Kriegsverletzten und -toten und der steigenden Sozialleistungen wie die Vorverlegung des Rentenalters, Arbeitszeitverkürzungen und die Verlängerung der Schulpflicht, das Arbeitskräftepotential nahezu erschöpft gewesen sei.31

Auch wenn diese Forderungen vorerst noch durch den beständigen Anstieg des Bruttosozialprodukts und die niedrigen Arbeitslosenquoten gerechtfertigt zu sein schienen, gingen diese Ansprüche und die wirkliche Arbeitsleistung im Laufe der 1960er Jahre immer weiter in gegensätzliche Richtungen. Infolgedessen führte dies in die Rezession von 1966/67.32

Ferner bestand die größte Arbeiternachfrage während der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre in vergleichsweise wenig attraktiven Berufszweigen, wie z.B. im Bergbau oder in der Land- und Forstwirtschaft. Die deutschen Arbeitnehmer sahen keinen Grund, um in diesen Bereichen zu arbeiten, da sie in den Städten angemessen anderweitige gut bezahlte Arbeit unter besseren und vorteilhafteren Arbeitsbedingungen vorfanden. Auf Grund dessen entwi- ckelte sich schon zu Beginn der 1950er Jahre die Idee, ausländische, primär italienische Ar- beiter zunächst für die Beschäftigung in der Landwirtschaft in enormerem Umfang anzuwer- ben. Dadurch, dass Arbeitsmigranten für die Arbeitgeber flexibel einsetzbare Arbeitskräfte bedeuteten, besiegelte die Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1955 den primären Anwerbever- trag mit Italien. Mecheril (2004) schreibt, dass nach dem ersten Anwerbevertrag mit Italien mit folgenden Länder ebenfalls Anwerbeverträge abgeschlossen wurden: im Jahre 1960 mit Spanien und Griechenland, ein Jahr später mit der Türkei, 1965 mit Tunesien und Marokko und schließlich im Jahre 1968 mit Jugoslawien.33

Der Grundgedanke der nach Deutschland eingewanderten Arbeitskräfte war, dass sie durch ihre Arbeit in einem fremden Land innerhalb kurzer Zeit eine festgesetzte Geldsumme verdienen wollten. Aus diesem Grund war der Aufenthalt im Gastland für die größtenteils männlichen Migranten vorerst eine vorübergehende Lösung, um ein höheres Einkommen zu erzielen als es im Herkunftsland möglich war. Da seitens der Bundesregierung eine beständige Einwanderung nicht erwünscht war, wurden die Migranten erheblich kontrolliert. Geregelt wurde die Anwerbekampagne von 260 Mitarbeitern der Anwerbebüros. Diese warben laut Angaben der Bundesanstalt für Arbeit täglich bis zu 1600 Ausländer an. Pro Kopf gab es eine Anwerbepauschale in Höhe von 165 DM. Die Werbung wurde durch Plakate, Filme und Broschüren in den Anwerbeländern realisiert.

Absicht dieser geförderten Zuwanderung war lediglich die Überbrückung temporärer und konjunktureller Engpässe auf dem Arbeitsmarkt. Angesichts dessen waren alle Beteiligten der Meinung, dass es sich bei der beginnenden Arbeitsmigration nur um ein vorübergehendes Problem handele.34 Diese Annahme schien sich einstweilig zu bestätigen, denn die oben genannte erste wirtschaftliche Rezession von 1966/67 führte dazu, dass die Anzahl der Ausländer in der BRD um ungefähr 400.000 abnahm.

Bereits ein Jahr darauf war die Rezession vorüber und die Anzahl ausländischer Arbeitnehmer stieg 1973 auf 2,6 Millionen. Es waren gering qualifizierte Arbeitsplätze, die in erheblichem Maße disponibel waren, für die Arbeitsmigranten vorgesehen, und zwar in allen Industriezweigen. Meistens wurden sie in der Fertigung mit nicht begehrenswerten Arbeitszeiten und schweren einseitigen Tätigkeiten eingestellt, wie beispielsweise am Fließband.35 Jedoch bedeutet dies nicht, dass sie nicht über Qualifikationen verfügten. Die Arbeitsmigranten hatten in ihrer Heimat meist andere Berufe gelernt, jedoch wurden sie nicht für diese Berufe nach Deutschland geholt. Zugleich kamen aber auch Arbeitsmigranten mit hohen Qualifikationen nach Deutschland, um hier ihren Beruf zu praktizieren.

Im Jahre 1973 wurde mit der weltweiten Wirtschaftskrise und dem Öl-Embargo das Ende der Expansion der Ausländerbeschäftigung erreicht. Folglich verkündete die Bundesregierung am 27. November 1973 den so genannten Anwerbestopp. Zunächst verringerte sich dadurch der Anteil der nichtdeutschen Beschäftigten, aber angesichts des Familienzuzugs stieg die Anzahl der ausländischen Bevölkerung immer weiter an.

2.3.2 Die politische Grenze des Aufenthalts in Deutschland

Die Engpässe auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt sollten bekämpft werden, indem die Arbeitskräfte normalerweise eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung bekamen. Aus politischer Hinsicht wurden mithilfe der Befristung zwei Ziele verfolgt. Die Bundesrepublik Deutschland versuchte die andauernde Niederlassung der Arbeitsmigranten zu unterbinden und durch die Befristung wurde die Möglichkeit gegeben verbrauchte Arbeitskräfte mit unverbrauchten auszutauschen. Indes stieß dieses Modell in der Praxis auf Schwierigkeiten. Zum einen konnten die Gastarbeiter ihre eigenen Sparziele nicht binnen eines Jahres erreichen und zum anderen führte der Wechsel innerhalb der Belegschaft zu Nachteilen im Produktionsablauf.

Im Jahre 1971 erließ die Bundesregierung angesichts dessen eine Erleichterung in der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, was zur Stärkung und Verfestigung der Niederlassung führte. Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung waren miteinander verknüpft und voneinander abhängig. Nur “gesunde“ Arbeitsgäste erhielten eine Arbeitserlaubnis, denn die Einwanderung war vor allem an der Deckung des wirtschaftlichen Arbeitskräftebedarfs interessiert.

Seitens der Politik Deutschlands wurden für die Gastarbeiter Bildungs- oder integrative Angebote wie z.B. Deutschkurse weder angeboten noch waren sie vorgesehen. Deshalb mussten sich die Arbeitsmigranten die deutsche Sprache selbst aneignen und die Kosten für die Kurse selbst tragen. Reflektiert wird dieses Phänomen von Mecheril (2004). Er schreibt, dass für Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen keine Bildungs- aber auch keine psychosozialen Angebote vorgesehen waren. Hauptsache sie konnten arbeiten.36

Insgesamt sind seit 1955 ca. 14 Millionen Ausländer nach Deutschland gekommen, davon gingen ungefähr 11 Millionen wieder in ihre Heimatländer zurück. So gegensätzlich es auch scheinen mag, so stellte der Anwerbestopp doch den Beginn der tatsächlichen Einwanderung nach Deutschland dar. Ein Grund dafür war der Familiennachzug aus den Herkunftsländern ab 1976/77, so dass die Anzahl der Menschen aus anderen Ländern permanent anstieg. In der Regel wanderten vorerst einzelne Personen mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme nach Deutschland ein. Nach der Verfestigung ihres Aufenthalts wurden dann im Laufe der Zeit Familienangehörige nachgeholt. Laut Beger (2004) sei diese Form der Migration in vielen Zielländern quantitativ am wichtigsten gewesen und würde in Zukunft weiter zunehmen.37

2.3.3 Familieneingliederung

Unter grundgesetzlichem Schutz stehen Ehe und Familie und somit der Nachzug ausländischer Familienmitglieder, und zwar gemäß Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, der die rechtliche Grundlage für Personen, die in Deutschland leben, darstellt und den Schutz von Familie und Ehe vorsieht; weiterhin gemäß Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der den Schutz des Familien- und Privatlebens beinhaltet und als letztes durch das Ausländergesetz in §§ 17-23.38 Jedoch mussten die Gastarbeiter damals viele Bedingungen für den Nachzug erfüllen, denn die Regelungen für den Familiennachzug im Ausländergesetz gingen von einem sehr engen Familienbegriff aus. International wird Migration als Zweck der Familienzusammenführung als sehr wichtig betrachtet. Demzufolge bewirkte sie, dass die Anzahl ausländischer Staatsangehöriger im Alter von 16 bis 25 Jahren in Deutschland im Vergleich zu der Gesamtbevölkerung ersichtlich hoch ist.39

Lebten im Jahre 1980 ungefähr 4,5 Millionen Menschen ohne einen deutschen Pass in Deutschland, so wuchs ihre Anzahl nach 15 Jahren auf 7,2 Millionen an. Dies bedeutet laut Bade/Münz (2002), dass in der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ca. 12% aller in Deutschland lebenden Menschen Migranten der einen oder anderen Art wären.40 Am 01.01.2000 trat das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft. Dieses besagt, dass Kinder, die in Deutschland geboren sind und ausländische Eltern haben, mit ihrer Geburt automatisch als Deutsche gelten, wenn sich ein Elternteil bei der Geburt des Kindes mindestens acht Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat und zusätzlich seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Jedoch gibt es auch die Option, dass die Kinder die Staatangehörigkeit ihrer Eltern erhalten.41

2.3.4 Auswirkungen und Entgegnungen der Zuwanderung

Der Hauptanteil der in Deutschland lebenden Zuwanderer bildet weiterhin der Personenkreis der Menschen, die von Deutschland seit Mitte der 1950er Jahre angeworben wurden.42 Trotz der Vorteile, die die Gastarbeiter Deutschland brachten, wandelte sich die Stimmung den ausländischen Arbeitnehmern gegenüber. Zahlreiche deutsche Arbeiter stiegen in gehobene berufliche Positionen auf. Statistiken zeigen, dass zwischen den Jahren 1960 und 1970 ca. 2,3 Millionen deutsche Arbeiter in Angestelltenpositionen aufsteigen konnten.43 Aber auch viele Migranten schafften es in den folgenden Jahren vom ungelernten Arbeiter zum Fach- oder Vorarbeiter sozial aufzusteigen, kamen beruflich aber nie so weit wie die Deutschen. Um 1980 wandelte sich aber trotz dessen die Meinung unter der deutschen Bevölkerung über die in Deutschland lebenden Arbeitsmigranten und man begann sich nun verstärkt für die Rückkehr der Gastarbeiter in ihre Heimatländer zu engagieren.44

Deutschlands Politik war jetzt zum einen vom Ziel der künftigen Begrenzung des Zuzugs, von der Aufrechterhaltung der kulturellen und sozialen Kontakte der Ausländer zu den Herkunftsgesellschaften, von der Ignorierung des Wanderungsprozesses und zu allerletzt von der Förderung der Rückkehrbereitschaft bestimmt. Zum anderen versuchte man mit vielen verschiedenen Maßnahmen und Gelegenheiten die in Deutschland lebenden Migranten zu integrieren. Dies bedeutete, dass die Bundesregierung aufgrund der Stimmungslage eine Doppelstrategie verfolgte.45

Ein großer und wichtiger Schritt zur Integration in eine Gesellschaft bietet die Möglichkeit an dem Bildungssystem der aufnehmenden Gesellschaft Anteil zu haben. Jedoch war die Schulbildung der Kinder mit Migrationshintergrund erst sichergestellt, nachdem die allgemeine Schulpflicht im Jahre 1960 eingeführt wurde. Allerdings waren die Teilhabemöglichkeiten der Kinder mit Migrationshintergrund im Hinblick auf Erwerbstätigkeit und Bildung durch die gesellschaftliche und politische Vernachlässigung akut noch von schlechten Ausgangsbedingungen geprägt.

Aktuell leben bereits Zuwanderer der zweiten und dritten Generation in Deutschland und die ersten Gastarbeiter, die bereits in den 1980er Jahren das Rentenalter erreicht hatten, leben hier aufgrund des Familiennachzugs heute mit ihren Familien vereint.

Am 01.01.2005 trat das Zuwanderungsgesetz in Kraft. In den Paragraphen 43 bis 45 befasst es sich mit der Förderung der Integration. Davor waren Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland selbst dafür verantwortlich sich in Deutschland zu integrieren und sich die erforderlichen Kompetenzen anzueignen. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte zeigte dieses Gesetz einen Perspektivwechsel auf, denn die Eingewanderten trugen nicht mehr allein die Verantwortung für die Integration. Nun hatten sie durch den Staat ein einklagbares Recht auf Teilnahme an Integrationskursen, welche ihnen die deutsche Geschichte, Kultur und, was am wichtigsten ist, die Sprache vermitteln. Ab dem Moment wurde das Erlernen der deutschen Sprache das zentrale Ziel der Integrationsmaßnahmen, denn sie ist das hauptsächliche Mittel, das der Teilhabe am öffentlichen Leben der Einwanderungsgesellschaft Deutschland dient.

2.4 Aktuelle Situation der Zuwanderer in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der türkischen Zuwanderer

Im Jahre 2013 haben die in Deutschland lebenden Ausländer eine neue Rekordzahl erreicht. Das Ausländerzentralregister verzeichnete gegen Ende des Jahres 2013 7,6 Millionen Menschen mit alleiniger ausländischer Staatsangehörigkeit. Die Zahl stieg um 419.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr und laut Statistiker sei dies seit dem Jahre 1992 der im Jahresvergleich höchste Anstieg gewesen. Dieses Phänomen sei seit 2011 zu verfolgen. Laut Verzeichnungen der Statistiken stammen die im vergangenen Jahr neu ins Ausländer- zentralregister aufgenommenen Menschen zu 75% aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Deutlich wird hier, dass die meisten Menschen aus den Staaten kommen, welche 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, und zwar überwiegend aus Polen und Ungarn. Die zweitgrößte Gruppe stammt aus Ländern, welche 2007 bzw. 2012 der Europäischen Union beitraten; hier tritt Rumänien hervor. Die dritte Gruppe sind die Spanier und Griechen, da besonders diese Länder von der Europa-Krise drastisch betroffen waren.

Im Jahr 2015 gab es erneut eine sehr hohe Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern nach Deutschland wie sie es noch nie zuvor in der deutschen Geschichte gegeben hat. Laut Statistischem Bundesamt ermittelte eine Schnellschätzung der Wanderungsstatistik, dass bis zum Ende des Jahres 2015 ca. 2 Millionen ausländische Personen registriert worden sind. Dem gegenüber zogen knapp 860.000 Ausländerinnen und Ausländer wieder aus Deutschland fort, d.h., dass im Jahr 2015 ca. 1,14 Millionen ausländische Personen in Deutschland neu registriert waren. Dies ist bisher der höchste gemessene Wanderungsüberschuss von Auslän- dern in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Zuzüge um rund 49%. Zusätzlich entstand hierdurch ein struktureller Wechsel in der Zuwanderung. Bisher waren es, wie beschrieben, meistens Personen aus den Europäischen Ländern, welche zum größten Teil vorübergehende Aufenthaltspläne hatten. Dies änderte sich aber durch die Zuwanderung von Schutzsuchenden, vor allem aufgrund des Syrienkriegs. Trotz alledem überwiegt in Deutschland die Gruppe der türkischen Staatsangehörigen mit 21%.46

Zur Aufenthaltsdauer sei noch hinzuzufügen, dass nur wenige der Gastarbeiter in ihre Heimatländer zurückkehrten. So lebten beispielsweise 2004 mehr als 73 Prozent der Türken länger als zehn Jahre in Deutschland und hiervon 20,5 Prozent länger als 30 Jahre.47 Nun wird auf die Generationenfolge der größten Gruppe der Zuwanderer, der türkischen Migranten, eingegangen, um die Entwicklung der einzelnen Generationen zu verdeutlichen. Obwohl aktuell viele Menschen aus verschiedenen Ländern nach Deutschland einwandern liegt der Fokus dieser Arbeit bei den türkischen Zuwanderern.

„Wir haben Arbeiter gerufen, es kamen Menschen.“ Mit diesem Satz schenkte Max Frisch den gekommenen Menschen und ihren sozialen Schwierigkeiten große Beachtung.48 Der größte Teil der vor vielen Jahren nach Deutschland ausgewanderten Anatoliern waren einfa- che Menschen. Diese kamen aus verarmten Dörfern, ohne einen Beruf zu besitzen oder jemals die Chance gehabt zu haben einen Beruf zu erlernen. Viele von diesen Menschen hatten noch nicht einmal zuvor eine urbanisierte Stadt gesehen und besaßen eine schlechte oder auch gar keine Schulbildung.

[...]


1 In dieser Arbeit wird auf eine „weibliche Grammatik“ aus Gründen des besseren Leseflusses verzichtet. Die „männliche Bezeichnung“ schließt weibliche Personen mit ein.

2 Vgl. Diehm, Isabell/ Radtke, Frank-Olaf: Erziehung und Migration. Eine Einführung, Stuttgart 1999, S. 9.

3 Vgl. Schulte, Axel / Treichler, Andreas: Integration und Antidiskriminierung. Eine interdisziplinäre Einführung;Weinheim 2010, S. 17 ff.

4 Vgl. ebd., S. 42.

1

5 Vgl. Fürstenau, Sara/Gomolla, Mechtild (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit, Wiesbaden 2011, S. 13.

6 Zitat nach ebd.

7 Vgl. beispielsweise DIE BUNDESREGIERUNG 2007.

8 Vgl. Fürstenau, Sara/Gomolla, Mechtild Wiesbaden 2011, S. 13.

9 Vgl. ebd. S. 13-14.

10 V.a. PISA und IGLU.

(Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit,

11 Vgl. Schroeder, Christoph: Integration und Sprache, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 22-23/2007, S. 6-12, hier S. 6; URL: http://www.bpb.de/apuz/30449/integration-und-sprache?p=1 [zuletzt am 12.03.2016, 12:44 Uhr].

12 Vgl. ebd., S. 14.

13 Zitat nach: Fürstenau, Sara/Gomolla, Mechtild (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit, Wiesbaden 2011, S. 14.

14 Vgl. Beger 2000, S. 41.

15 Zitat nach: Mecheril 2004, S. 28.

16 Vgl. ebd., S. 29.

17 Vgl. Mecheril 2003, S. 29.

18 Vgl. Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004, S. 100. 9

19 Vgl. Sechster Familienbericht Familien ausländischer Herkunft in Deutschland. Leistungen - Belastungen - Herausforderungen und Stellungnahme der Bundesregierung, Drucksache 14/4357, 2000, S. 59.

20 Vgl. Maas, Utz/Mehlem, Ulrich: Qualitätsanforderungen für die Sprachförderung im Rahmen der Integration von Zuwanderern, Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück, Bad Iburg 2003, S. 44.

21 Vgl. Sachverständigenrat für Zuwanderung und Migration 2004, S. 102.

22 Artikel 16a, Grundgesetz.

23 Vgl. Farsi, Armand: Migranten auf dem Weg zur Elite?, S. 36. 10

24 Vgl. Beger 2000, S. 31.

25 Vgl. Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration: Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2005, S. 1.

26 Vgl. ebd., S. 5.

27 Vgl. ebd. 2005, S. 6.

28 Im Jahre 1966 schrumpfte die Wirtschaftsleistung der BRD um 0,2%, stieg jedoch schon im nächsten Jahr erneut um 7,3% und entwickelte sich bis einschließlich 1973 durchgehend positiv. Siehe Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, Berlin 1986, S. 211.

29 Vgl. Schildt, Axel, Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, München 2007, S. 30.

30 Siehe Großkopff, Rudolf, Unsere 60er Jahre. Wie wir wurden, was wir sind, Frankfurt am Main 2007, S. 71. 12

31 Vgl. Meinhardt 2006, S. 35.

32 Siehe Großkopff, Unsere 60er Jahre, Frankfurt am Main 2007, S. 76-77.

33 Vgl. Mecheril 2004, S. 32.

34 Vgl. Meinhardt 2006, S. 35.

35 Vgl. Bouras 2006, S. 36.

36 Zitat nach Mecheril 2004, S. 35.

37 Vgl. Beger 2004, S. 9.

38 Vgl. ebd.

39 Vgl. Beger 2000, S. 30.

40 Vgl. Bade/Münz 2002, S. 11.

41 Vgl. Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005.

42 Vgl. Herwartz-Emden 2003, S. 666.

43 Vgl. Meinhardt 2006, S. 35.

44 Vgl. Herbert 2001, S. 241.

45 Vgl. Meinhardt 2006, S. 37.

46 Vgl. Statistisches Bundesamt; URL: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/03/PD16_105_12421.html [zuletzt abgerufen am 25.04.2016, 13:25 Uhr].

47 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung; URL: http://www.bpb.de/izpb/9698/tuerkische-minderheit-in- deutschland?p=all [zuletzt abgerufen am 25.05.2016, 11:11Uhr].

48 Vgl. Kiroglu, Tufan: Die ersten Türken von Neumünster: 12 Lebensgeschichten/12 Yasam Öyküsü. Tufan Kıroğlu interviewt türkische Migranten der ersten Generation, Berlin 2011, S. 13.

Excerpt out of 99 pages

Details

Title
Die Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politisch-gesellschaftliche Teilhabe
Subtitle
Eine historisch-systematische Betrachtung der Sozialisationserfahrungen in der Generationenfolge von Zuwanderern
College
University of Hamburg
Grade
1,7
Author
Year
2016
Pages
99
Catalog Number
V345404
ISBN (eBook)
9783668355989
ISBN (Book)
9783668355996
File size
695 KB
Language
German
Keywords
bedeutung, mehrsprachigkeit, teilhabe, eine, betrachtung, sozialisationserfahrungen, generationenfolge, zuwanderern
Quote paper
Ayca Halvali (Author), 2016, Die Bedeutung von Mehrsprachigkeit für die politisch-gesellschaftliche Teilhabe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345404

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