Analyse und Interpretation von Marc Chagalls "Akt in Bewegung"


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

4 Seiten


Leseprobe


Marc Chagall : " Akt in Bewegung " ( 1913 )

Das Bild mit dem Titel " Akt in Bewegung " stammt von Marc Chagall und ist 1913 entstanden. Die Maße des Originals betragen 34, 7 cm x 23, 9 cm. ( Leider sind bei der Kopie der Reproduktion, die in meinen Unterlagen enthalten ist, die Größenverhältnisse beim Kopieren nicht eingehalten wurden. ) Das Bild ist mit Gouachefarben auf braunem Packpapier gemalt und in der Literatur ist als Aufenthaltsort das Musèe National d` Art Moderne, Centre Georges Pomidou in Paris angegeben.

Dieser Akt stellt einen Frauenkörper dar, der keine koordinierte, sondern eine abstrakte Pose einnimmt. Die Gelenke der Frau sind stark überdehnt und die Körperform vereinfacht dargestellt. In der Körpermitte sieht man eine Spaltung, die durch die " Kreuzdarstellung " ( Hüftenstriche und Linie in Körpermitte ) hervorgehoben wird. Das linke Bein des Mädchens ist angewinkelt, das rechte hingegen deutlich überstreckt. Trotz aller Verrenkungen hält es ihr Geschlechtsteils mit einer Hand vor Scham zu. Eine der Brüste liegt frei und auch der Kopf der jungen Frau ist stark nach hinten gestreckt und zeigt ein schönes aber einfaches Gesicht. Auffällig ist, daß die Figur im direkten Blickkontakt mit dem Maler steht. Der Akt ist gliederbar in Vorder - und Hintergrund und wirkt so sehr übersichtlich und überschaubar. Für mich stellte sich nach der ersten Betrachtung des Bildes die Frage, warum Chagall ausgerechnet eine solche Darstellung wählte.

Der Akt ist mit Gouachefarbe gemalt. Chagall arbeitet hier bewußt mit der braunen Farbe des Packpapiers. Er setzt die aufgetragene Farbe teilweise lasierend im braunen Bereich ein, in dem die Pinselspur sehr deutlich erkennbar bleibt und verwendet einen deckenden Farbauftrag im Bereich des Körpers. Chagall beschränkt sich auf pastelle Farbtöne in ausgewogener Quantität. Man nimmt verschiedene Braunabstufungen mit differentem Rotanteil hin bis zum zarten Rosa, das typische Sandbraun des Packpapiers, gehelltes und gedunkeltes grau, sowie ein klares helles elfenbeinweiß war. Die Farbe wurde nicht qualitativ gewählt. Zwischen den Weißtönen des Körpers und den Braunabstufungen des Hintergrund findet sich ein Hell - Dunkel - Kontrast, der eine sich aufbauende Spannung bewirkt und den Körper deutlich vom Hintergrund abhebt. Im Hintergrund allein betrachtet, ist in sich ein Intensitätskontrast feststellbar, der sich im lasierenden Farbauftrag begründet. Die dunkleren braunen Bereiche wirken bei der näheren Betrachtung als untergeordnete Blickpunkte. Meines Erachtens verwendet hier Chagall die Ausdrucksfarbe, wobei auch der Begriff der Symbolfarbe nicht falsch wäre. Er will die Reinheit des Körpers durch das Weiß darstellen und die Abstufungen sorgen für eine leichte Plastizität des Körpers der Frau.

Der Akt ist zentralperspektivisch in einer Abwandlung der Normalsicht angelegt. Im Hintergrund entsteht durch die flächige Gestaltung keine Räumlichkeit. Der braune Grund wirkt vielmehr als eine Art Prospekt oder Bühnenkulisse. Das Verhältnis der Figur zum Grund ist ausgewogen, obwohl die Plastizität des Körpers zum Hintergrund im Kontrast steht. Der Pinselduktus ist im Vordergrund nur teilweise zu erkennen, im Hintergrund hingegen kann man ihn ohne Schwierigkeiten nachvollziehen. Er wirkt sehr wirr, ungeordnet, flächig angelegt. Auffällig ist die Umrißlinie, die Chagall um die Figur der Frau gezogen hat. Die Blickführung geht vom halbringartigen Bauchnabel aus und wandert einerseits zu den annähernd waagerechten Linien an den Hüften und andererseits zur Trennlinie zwischen Kopf und Scham, die senkrecht verläuft. Die Blickführung ist des weiteren in der Kompositionsskizze ersichtlich.

Dieses Bild ist in den so genannten " Pariser Jahren " ( 1910 bis 1914 ) Chagalls entstanden. Die junge russische Kunstszene fand in Paris eine neue, andersartige Akzeptanz als in ihrer Heimat. Diese Resonanz des Pariser Publikums resultiert aus deren Sehnsucht nach dem fernen Osten, nach Exaltiertheit, Exotik und Weite. Rußland war so zu sagen in dieser Zeit in Mode. Paris als Ort des Ursprungs der Moderne bot dem später im Künstlerviertel " La Ruche " eingezogenen Chagall die besten Entfaltungsmöglichkeiten. Etliche Russen lebten in dem ehemaligen Holzpavillon der Weltausstellung von 1900 und Chagall schuf hier eine Vielzahl seiner Werke. Seine nachfolgenden Arbeiten sind durch ihre Vielgestaltigkeit geprägt. Marc Chagall fertigte Wandbilder, Mosaike und Theaterdekorationen für das jüdische Theater. Er fühlte sich überhaupt auch sehr zu seiner Religion hingezogen und gestaltete somit auch in etlichen Kirchen Glasfenster. Er kann allgemein als Begründer der Glaskunst betrachtet werden. 1937 erklärte man Chagalls Werke zur so genannten " entarteten Kunst " und beschlagnahmte sie. Ab 1944 arbeitete Chagall verstärkt auch mit Musikern, wie Strawinsky, ... zusammen und läßt sich somit von der Synästhesie verschiedener Künste beeindrucken. Der 1887 in Witbesk ( Weißrußland ) geborene Chagall verstarb 1985 und gehört zu den bedeutendsten Vertretern der modernen und zeitgenössischen Kunst.

Während der Entstehungszeit, man nimmt 1913 an, ist die Kunst durch einen starken Stilpluralismus geprägt. Expressionismus, Fauvismus, Kubismus, Futurismus und Abstrakte Kunst, um nur die größten und allgemein bekanntesten Kunstströmungen dieser Zeit aufzuzählen. Chagall läßt sich keiner dieser Epochen eindeutig zuordnen, denn er bestritt vielmehr eine eigenen, individuellen Weg. Seine Werke sind stark von der persönlichen Gefühlsstimmung und der Phantasiewelt bestimmt. Ich bin der Meinung, daß man dieses Bild dem Kubismus zuordnen kann, daran zu erkennen, daß die Körperformen stark vereinfacht, geometrisch und spitz zulaufend gestaltet sind ( siehe auch Kompositionsskizze ) . Chagall meint selbst zum Kubismus : " Sollen sie nur an ihren dreieckigen Tischen ihre quadratischen Birnen essen, bis sie satt sind. " und formuliert damit seine persönliche Distanz zur Kunstrichtung, weshalb man die Darstellung des Aktes eventuell eher als zarte Annäherung an den Kubismus verstehen sollte, gleich wenn die formalen Gegebenheiten vorhanden sind. Chagalls Werk basiert auf persönlichen Erfahrungen und erhebt trotz dem den Anspruch auf Universalität. Oft sind Mädchen Mittelpunkt seiner Darstellungen, denn gerade die russischen Mädchen haben sich tief in seinem Gedächtnis eingeprägt. Dieser Akt ist durch eine sehr subtile Symbolik geprägt. Augenscheinlich soll trotz des Bewegungszustandes die Schönheit der Frau mit ihrem zarten Gesicht dargestellt werden. Typisch für dieses Bild ist auch, daß die Figur nicht fest auf der Erde steht, sondern frei im Raum schwebt. Chagall schafft auf diesem Wege eine Art Symbiose zwischen den kubistischen Körperformen und seinen visionären Inhalten.

Gerade solche Akte wurden in der breiten Bevölkerung abwerten als Pornographie bezeichnet. Heute hingegen würden sich kaum Menschen an diesem Bild stoßen. Die Häßlichkeit der Frau erzeugt bei mir persönlich ein ganz konträres Bild. Sie ruft einerseits Interesse am Verständnis, andererseits auch den Willen zur genauen Bildbetrachtung, zur Erforschung einzelner Elemente hervor und regt die Phantasie an. Der schöne Kopf, der den Körper kontrastiert, läßt diese Frau menschlich erscheinen und die schamlose Darstellung des Körpers mit der vorgehaltenen Hand intensiviert diesen Effekt. Der Körper erscheint einerseits rein ( Weiß ) und auf der anderen Seite befleckt durch die leichten Grautönungen. Das Weiß bewirkt eine Kälte des Körpers, die durch die Rosa Wangen im Gesicht geschmälert wird. Durch die starken Bewegungen des Körpers erfährt der Betrachter den Körper in seiner ganzen Feingliedrigkeit.

Insgesamt wirkt der Akt sehr mystisch und kann meines Erachtens nur stark subjektiv interpretiert werden. Eine auch nur ansatzweise allgemeine Formulierung ist hier nicht möglich.

Quellenangabe

- " Marc Chagall - Fast ein Jahrhundert " DACO - Verlag, Günter Bläse, 1995
- " Marc Chagall - 1887 - 1985 - Malerei als Poesie " BENEDIKT Taschen Verlag, Ingo F. Walther, Rainer Metzger, 1993

Selbständigkeitserklärung

Hiermit erkl ä re ich, die vorliegende Belegarbeit ohne fremde Hilfe und nur unter Verwendung der angegebenen Quellen angefertigt zu haben.

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Details

Titel
Analyse und Interpretation von Marc Chagalls "Akt in Bewegung"
Autor
Jahr
2000
Seiten
4
Katalognummer
V99171
ISBN (eBook)
9783638976206
Dateigröße
386 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Interpretation, Marc, Chagalls, Bewegung
Arbeit zitieren
Keil Maria (Autor:in), 2000, Analyse und Interpretation von Marc Chagalls "Akt in Bewegung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99171

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