Propagandistische Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg

Deutsches Reich und USA im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

24 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


1 Einleitung

Erst seit dem Zweiten Weltkrieg genießt die Truppenbetreuung als Teil der geistigen Kriegsführung einen hohen Stellenwert. Was heutzutage beispielsweise für die deutschen Soldaten in Afghanistan oder die amerikanischen GIs im Nahen Osten selbstverständlich ist, fristete vor 1939 vornehmlich ein Schattendasein. Nämlich das Schaffen eines Unterhaltungsangebotes, das die freien Stunden der Soldaten ausfüllt und so als Mittel gegen die Langeweile und für die Stärkung der Truppenmoral wirkt. Dass sich dieser Bereich auch für propagandistische Zwecke gebrauchen ließ, versucht diese Arbeit zu ergründen. Für den totalitären Staat des Dritten Reiches, in dem Freizeit ohnehin kaum noch Privatsache war, was insbesondere für die Soldaten im Krieg galt, scheint es zwangsläufig so gewesen zu sein. Aber auch die USA, ein Land das man auf dem ersten Blick, als Musterbeispiel für die Demokratie, nicht automatisch mit Propaganda verbinden würde, sollte sich dieser Beeinflussungsmöglichkeiten bedienen.

In dieser Arbeit werden nun zwei Schwerpunkte gesetzt. Nach einem kurzen Rückblick auf die Ansätze von Betreuungsstrukturen im Ersten Weltkrieg, folgt der erste große Block, der sich mit den Inhalten, explizit mit den Wirkungsabsichten, der Truppenbetreuungen vom Deutschen Reich auf der einen und von den USA auf der anderen Seite auseinandersetzt. Direkt daran anschließend wird der der zweite große Teilaspekt aufgegriffen. Hier geht es um die Formen der Truppenbetreuung. Zuerst werden die Medien der deutschen Seite untersucht, bevor dann ein Blick auf die Betreuungsangebote der westlichen Alliierten, Großbritannien und die USA, geworfen wird. Nach einer kurzen Darstellung der Einführung des Politoffiziers, die auf deutscher Seite auch den Bereich der Truppenbetreuung betraf, wird im letzten Kapitel schließlich ein Vergleich zwischen den Betreuungsstrukturen der Kriegsgegner gezogen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden in Bezug auf Formen und Inhalte ermittelt.

Aus Platzgründen habe ich auf eine Präsentation der Organisationen, die für die deutsche Truppenbetreuung zuständig waren, in einem separaten Kapitel verzichtet. Aufgeteilt wurde die Betreuung zwischen der KdF-Organisation, die sich auf das Kulturelle beschränkte, dem Reichministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das janusköpfig mit einer Mischung aus unpolitischer Unterhaltung und ausgesprochen nationalsozialistischer Publizistik agierte und den wehrmachtseigenen Beutreuungsmaßnahmen, die bezüglich der politischen Tendenzen, nach Vorgabe des OKW, den weltanschaulichen Grundsätzen der Partei auch merklich entgegen kamen.[1]

Literatur zum Thema ist in begrenztem Maße vorhanden. Die Titel sind im Literaturverzeichnis in Kapitel 10 aufgeführt. Hervorgehoben werden muss hierbei die umfangreiche Arbeit von Frank Vossler aus dem Jahr 2005, der in seiner Einleitung auch darauf eingeht, dass das Thema Truppenbetreuung in der deutschen Geschichtswissenschaft bis dato weitgehend vernachlässigt worden ist.[2] Ein Grund mehr, sich damit auseinanderzusetzen.

2 Ansätze einer Truppenbetreuung im 1. Weltkrieg

Der Betreuung der Soldaten wurde während des ersten Weltkriegs noch nicht die Bedeutung beigemessen, die sie spätestens ab dem darauf folgenden Weltkrieg bekommen sollte. Dennoch war das Angebot an Betreuungsmaßnahmen, zumindest auf dem Papier, recht vielfältig. Es umfasste Zeitungen, Soldatenheime, Theater, Kino, Puppenspiel, Kabarett, Sportfeste, Vorträge, Lesungen und Konzerte.[3] Kinobetrieb wurde bereits kurz nach Kriegsbeginn installiert, jedoch zumeist auf private Initiative der Industrie hin. Demgegenüber stand beispielsweise die institutionalisierte publizistische Arbeit in der Truppe mittels diverser Soldatenzeitungen, deren Auftraggeber militärische Dienststellen waren und die bis zur Papierknappheit 1918 durchgeführt wurde. Die Versorgung der Soldaten mit Büchern durch Truppenbüchereien war dagegen mangelhaft. Ganz im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die sofort nach Kriegseintritt ein umfangreiches Truppenbüchereiwesen aufzubieten hatten, das am Ende des Krieges über 7 Millionen Bände für 4 Millionen Soldaten verfügte, auf die die Soldaten auch noch nach Kriegsende bei ihrer Rückkehr in zivile Berufe zurückgreifen konnten.[4]

Dass ein staatlich verwalteter Theaterbetrieb ein vorhandenes Potential zur Stärkung und Festigung der Truppenmoral barg, wurde erst spät erkannt. Die 650 Aufführungen deutscher Theater zwischen 1915 und 1918 hatten kaum politischen Charakter und wenig Absicht, mit dem Inhalt manipulieren zu wollen. Reine Unterhaltung bestimmte den Programmplan.[5]

Ansatzweise in Richtung propagandistischer Beeinflussung ging die Einführung des ´Vaterländischen Unterrichts´ zur Förderung der patriotischen Gesinnung durch Aufklärung, Werbung und Unterhaltung, der von Aufklärungs- oder Unterrichtsoffizieren durchgeführt wurde. Inhalte auf der Motivationsebene waren hierbei die Betonung der eigenen Stärke, Durchhalteparolen und die Warnung vor den dramatischen Folgen einer Niederlage. Politische Beeinflussung geschah durch pro-monarchische Ausführungen und Diffamierung der Sozialdemokratie. Allerdings waren weder ausreichend pragmatisch orientiertes Propagandamaterial noch didaktische Grundkenntnisse der jeweiligen Offiziere vorhanden. Dazu gab es die Vorgabe, dass Diskussionen zu unterbleiben hatten, sodass der Großteil dieses Unterrichts auf Unterhaltung ausgelegt wurde.[6]

Trotz der Vielfalt war die Truppenbetreuung im ersten Weltkrieg nur in unsystematischer Form vorhanden, was hauptsächlich am geringen politischen Interesse und an mangelnder Infrastruktur lag. Zudem bestand eine deutliche Unterprivilegierung der Mannschaften gegenüber dem Offizierskorps in Bezug auf das Unterhaltungsangebot, was auch nicht gerade zur Minderung der Langeweile des einfachen Soldaten beitrug.[7]

Ansätze einer Truppenbetreuung waren auch auf britischer Seite vorhanden. Bis Ende 1917 verfügten hier die meisten Divisionen über Unterhaltungsgruppen, die zumeist in provisorisch eingerichteten Unterkünften ihr Programm für ein geringes Entgelt aufführten. Zudem wurden Kinos aus Divisionsfonds finanziert und auf Nachfrage belieferte die Camps Library Organisation die Truppenteile mit Lektüre.[8]

Wie fragmentarisch und behelfsmäßig die unterhaltende Infrastruktur blieb, zeigt sich aber schon allein dadurch, dass die Gründer der späteren Entertainment National Service Organization (ENSA), die im Zweiten Weltkrieg die Betreuung britischer Soldaten übernahm, größtenteils durch die nur sporadische Unterhaltungsformen im Ersten Weltkrieg motiviert war.[9]

3 Wirkungsabsichten der Truppenbetreuung

3.1 Deutsches Reich

Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, insbesondere den Ereignissen von 1918, wusste die militärische und zivile Führung, welche Bedeutung der Beobachtung und Lenkung der Soldatenmeinung zukommen musste.

Der einzelne Mannschaftssoldat befand sich abermals in der Extremsituation des Krieges mit der allgegenwärtigen Bedrohung des eigenen Lebens, dazu noch in einem fremden Land fern der Heimat und war dabei seinen Emotionen, Wünschen, Ängsten aber auch der Langeweile[10] schutzlos ausgeliefert. Weitere logische Beiprodukte des Krieges waren Empfindungen wie Einsamkeit, Heimweh, Beklemmung und Depressionen, die allesamt die Kampfmoral schwächten und demzufolge von der politischen und militärischen Führung aufgefangen werden mussten. Entsprechend war das Angebot der Ablenkung von Front- und Besatzungsalltag sowie den Kriegserlebnissen breit gefächert und jeglicher Zeitvertreib wurde, sofern er nicht mit den Zielen der politischen Führung kollidierte und der Aufrechterhaltung der Truppenmoral diente, unterstützt.[11]

Wie erwähnt wurde der Wunsch des Soldaten nach Rückkehr in die Heimat als Gefahr eingestuft. Um dem entgegenzuwirken sollte, neben einer funktionierenden Feldpost, speziell durch die Truppenbetreuung der Vermittlungsversuch der Illusion eines Heimatkontaktes vorgenommen werden. Möglichkeiten dazu boten das Präsentieren von Heimatfilmen und volkstümlicher Kunst, aber auch das Vorführen von Heimatsendungen in Dialekt und entsprechendem Musikangebot in der Rundfunkbetreuung.[12]

Vorrangiges Anliegen der Truppenbetreuung war natürlich die Stärkung der Soldatenmoral und damit einhergehend die Stärkung des Kampfgeistes. Die Brutalität des Krieges, wie sie sich vor allem auf den Kriegsschauplätzen an der Ostfront zeigte, sollte vergessen werden und auch die eigene Todesangst sowie die natürlich Scheu des Tötens wollte man mittels einer geschickten Betreuung außer Kraft setzen.[13] Mit der Vermittlung des Gefühls auf der richtigen Seite zu stehen und für die Volksgemeinschaft zu kämpfen sollte die Suggestion erreicht werden, Teil einer überlegenen germanischen Rasse zu sein, der insbesondere die so deklarierten ´Untermenschen´ im Osten nichts entgegen zu setzen hatten.

In diesem ideologisch geführten Krieg, der sich nicht nur gegen die feindliche Soldaten, sondern auch gegen große Teile der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangene richtete, sollte die geistige Betreuung dem deutschen Soldaten besonderes die Überlegenheit der deutschen Kultur und damit einher die Vormachtstellung Deutschlands in Europa sowie die Höherrangigkeit des deutschen Volkes auf der evolutionären Leiter vermittelt werden[14]. Demgemäß ließ das Amt Rosenberg verlauten:

„Nach dem Grundsatz, dass es für die Soldaten das Beste gerade gut genug ist, sollen diese Truppenbetreuungsaufführungen immer besser werden und den Soldaten wertvolles Kulturgut vermitteln. Gerade darin liegt die besondere Bedeutung dieser kulturellen Aufgabe im Kriege, dass die deutsche Wehrmacht mit dem Kulturgut aus Vergangenheit und Gegenwart vertraut gemacht wird, da die Verteidigung des deutschen Kultur eine der wesentlichsten Aufgaben dieses Krieges darstellt.“[15]

Nach der militärischen Katastrophe von Stalingrad und mit Aussicht der drohenden Niederlage wurde der Kulturbegriff dann noch mehr beladen, um den Soldaten die Notwendigkeit der Verteidigung der deutschen Kultur vor Augen zu führen.[16]

Durch die vielfältigen Betreuungsmaßnahmen, die der deutsche Soldat in Anspruch nehmen konnte, sollte auch zweifelsohne ein Gefühl der Aufwertung des soldatischen Status transportiert werden, da sich der einzelne Waffenträger selber als Ziel eines organisatorischen und propagandistischen Aufwandes erlebte und sich somit als relevant und bedeutend für die Volksgemeinschaft fühlen konnte. Voraussetzung eines solchen Effekts von Bedeutsamkeit und Wertschätzung war aber die Zufriedenheit des Soldaten mit der erlebten Truppenbetreuung.[17]

Die Gesamtziele deutscher Truppenbetreuung werden recht anschaulich im folgenden Zitat auf den Punkt gebracht:

„Die verschiedenen Betreuungsmaßnahmen verfolgen nun alle ein großes Gesamtziel: dem deutschen Soldaten, der fern von der Heimat und Familie, fern von Beruf und Freundeskreis, in fremder Landschaft und fremder menschlicher Umgebung unter stärkster dienstlicher Beanspruchung lebt, diejenigen Werte nahezubringen, die er hat zurücklassen müssen: also die deutsche Kunst, die deutsche Dichtung, den deutschen Film, die deutsche Wissenschaft, die Berufsförderung, kurz, das gesamte kulturelle Leben der Nation, an dem teilzuhaben sein Recht und an den teilzunehmen seine Pflicht ist.“[18]

Der deutsche Soldat erhält in dieser Ausführung eine zweifache Rechtfertigung des eigenen Kampfeinsatzes fernab von der Heimat. Zum einen geht es um die Verbreitung, bzw. Verteidigung der überlegenden deutschen Kultur (oder auch Rasse), zum anderen ist es seine Pflicht als Teil des großen Ganzen, als Teil der Volksgemeinschaft, seine soldatischen Aufgaben wahrzunehmen und auszuführen. Die Aufgabe der propagandistischen Truppenbetreuung ist es nun, dem Soldaten genau diese Legitimationsgründe nahe zu bringen, um so schlussendlich zur Erhöhung der militärischen Kampfkraft beizutragen.

[...]


[1] Vgl. Vossler 387.

[2] Vgl. ebd. 13.

[3] Vgl. Deist 809f.

[4] Vgl. Vossler 23f.

[5] Vgl. Kaufmann 70, 141.

[6] Vgl. Deist 861, 899.

[7] Vgl. Vossler 35.

[8] Vgl. Fuller 82, 96, 110f.

[9] Vgl. ebd. 177.

[10] Zur Problematik der „beschäftigungslosen“ Wartezeit an der Front: Aus dem Brief eines Offiziers an den Präsidenten der Reichstheaterkammer. In: Die Bühne, 20.4.1940, Heft 8, S. 104. „Als Soldat des Weltkrieges wissen Sie sicher, dass die Zeit des Wartens eine wesentlich stärkere Nervenbelastung darstellt als der Angriff und der Kampf. Und wenn einmal nach langer Zeit der Bereitschaft die Truppe noch im Besitz der Begeisterung und des Angriffsgeistes der ersten Kriegstage ist, dann ist das nicht zuletzt auch der Betreuung durch Theater zu danken, das immer wieder den Soldaten von dem Recht seines Kampfes (…) überzeugte.“

[11] Vgl. Vossler 55f.

[12] Vgl. ebd. 60f.

[13] Vgl. Kolland 36, 49.

[14] Vgl. Vossler 62.

[15] Künkler, Karl, Truppenbetreuung, in: Deutsche Dramaturgie 1, 1942, S. 93

[16] Vgl. Vossler 64.

[17] Vgl. ebd. 68.

[18] Werneke, Franz, Über Aufgaben und Methodik des Einsatzes der RWU-Filme bei der Truppenbetreuung, in: Film und Bild 8, 1942, S. 18

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Propagandistische Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg
Untertitel
Deutsches Reich und USA im Vergleich
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar, Neuere Geschichte)
Veranstaltung
Propaganda im 20. Jahrhundert
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V120987
ISBN (eBook)
9783640253135
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Propagandistische, Truppenbetreuung, Zweiten, Weltkrieg, Propaganda, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Stefan Schusterbauer (Autor:in), 2007, Propagandistische Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120987

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Propagandistische Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden