Bessie Coleman. Die erste Afro-Amerikanerin mit Pilotenschein


Fachbuch, 2010

57 Seiten


Leseprobe


Bessie Coleman. Die erste Afro-Amerikanerin mit Pilotenschein 5

Bessie Coleman (1892-1926)

Foto: National Aeronautics and Space Administration (NASA) / National and Space Museum

Als erste Afro-Amerikanerin mit Pilotenschein und erste Frau mit dem internationalen Pilotenschein sorgte die Schwarze Bessie Coleman (1892-1926) für Aufsehen in den USA. Die verdienstvolle Pilotin wird auch „Brave Bessie“ oder „Queen Bessie“ genannt. Sie starb jung bei einer Flugschau. 2003 ehrte man sie als eine der 100 wichtigsten Frauen in der Luftfahrt.

Bessie Coleman wurde am 26. Januar 1892 in Atlanta (Texas) geboren. Sie war das zehnte von insgesamt dreizehn Kindern ihrer als Farmpächter arbeitenden Eltern. Ihr Vater George Coleman hatte auch indianische Vorfahren im volkreichen Stamm der Choctaw. Die Choctaw waren Mitglied der „Fünf Zivilisierten Nationen“.

Bessie verbrachte eine unbeschwerte Kindheit auf der kleinen Farm ihrer Eltern. Am Sonntag besuchte die fleißige und gläubige Familie die Kirche. Während ihre älteren Geschwister bei der Feldarbeit halfen, unterstützte Bessie ihre Mutter Susan Coleman im Haus, bei der Gartenarbeit und bei der Betreuung der jüngeren Geschwister.

Ab dem Alter von sechs Jahren besuchte Bessie eine Schule für schwarze Kinder, die nur einen einzigen Raum hatte. Um dorthin zu gelangen, musste sie täglich mehr als sechs Kilometer gehen. Bessie war eine sehr gute Schülerin, wenngleich ihre Eltern ihr oft keine Schulmaterialien wie Kreide oder Bleistifte kaufen konnten. Besonders gerne mochte sie das Lesen und Rechnen. Es heißt, sie habe ein außergewöhnliches Talent für Mathematik gehabt. Zur Zeit der Baumwollernte beteiligten sich alle Familienmitglieder an dieser Feldarbeit. Bessie absolvierte alle acht Klassen.

1901 verließ der Vater von Bessie Colemann seine Familie. Er wollte dem Rassismus in den Südstaaten entgehen und kehrte in seine Heimat Oklahoma zurück, die damals noch als „Indian Territory“ galt und dessen Besiedlung durch Weiße erst begonnen hatte. Dort erhoffte er sich ein besseres Leben, seine Familie folgte ihm aber nicht nach.

Im Alter von zwölf Jahren wurde Bessie in die Schule der „Missionary Baptist Church“ aufgenommen, setzte ihre Ausbildung fort und schrieb sich nach ihrem 18. Geburtstag - unter Einsatz all ihrer Ersparnisse - an der „Colored Agricultural and Normal University“ (heute Langston-Universität) in Oklahoma ein. Bereits nach einem Semester waren ihre finanziellen Mittel aufgebraucht und sie musste das Studium abbrechen und nach Hause zurückkehren.

1915 folgte die 23-jährige Bessie zwei ihrer Brüder nach Chicago und wohnte mit ihnen zusammen. Gemeinsam mit ihren Brüdern arbeitete sie zunächst in einem Supermarkt und war Maniküre in einem Friseursalon. In dem Salon hörte sie Geschichten über Piloten, die aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt waren, und träumte bald davon, selbst Pilotin zu werden. Einer ihrer Brüder neckte sie damit, dass fran- zösische Frauen besser seien als afro-amerikanische, denn Französinnen waren bereits Pilotinnen geworden.

Weil sie eine Frau und eine Farbige war, wurde Bessie in den USA von keiner Flugschule angenommen. Aber einige einflussreiche Mitglieder der schwarzen Gemeinde, die sie bei ihrer Arbeit im Friseursalon kennen gelernt hatte, halfen ihr bei ihrem Vorhaben, Fliegerin zu werden. Robert S. Abbott (1868-1940), Gründer und Herausgeber des „Chicago Defender“, der bedeutendsten Wochenzeitung der Afrikaner in Chicago, und der Immobilienhändler Jesse Bings, unterstützten sie finanziell und sie setzte sich zum Dank mit ihrer einnehmenden und lebhaften Persönlichkeit und Schönzeit als Werbeträger für den „Chicago Defender“ ein. Bessies Berufswunsch und die Ablehnung, auf die sie dabei stieß, wurden von Abbott immer wieder in seiner Zeitung thematisch aufgegriffen.

Bessie Coleman begann damit, in der Berlitz-Sprachschule die französische Sprache zu lernen. Am 20. November 1920 reiste sie mit dem Ozeandampfer „SS Imperator“ nach Frankreich, um dort ihre Pilotenausbildung zu machen. Ihre ersten Lektionen an der Flugschule der Brüder Caudron in Le Crotoy bei Rouen erhielt sie in einem Doppeldecker des Typs „Nieuport“ mit einer Flügelspannweite von 27 Metern. Als einzige nichtweiße Schülerin lernte sie innerhalb eines Jahres das Fliegen. Ihre vom „Aéro-Club de France“ ausgestellte Fluglizenz trägt das Ausstellungsdatum 15. Juni 1921.

Nach ihrer Rückkehr in die USA im September 1921 wurde Bessie Coleman zu einer begehrten Interviewpartnerin für Zeitungen und Zeitschriften. Außerdem lud man sie zu vielen Veranstaltungen ein und sie erntete Anerkennung und Bewunderung von Schwarzen und Weißen.

Ende Februar 1922 startete Bessie Coleman zu einer drei- monatigen Reise nach Europa. Während dieser Zeit besuchte sie Frankreich und Deutschland, flog Flugzeuge und wurde gefilmt.

Am 27. August 1922 gab Bessie Coleman bei einer Flugschau auf dem Flugplatz „Glenn Curtiss Field“ in Garden City auf Long Island (New York), erstmals in den USA öffentlich eine kleine Kostprobe ihres Könnens. In der Folgezeit war sie als Pilotin an Vorführungen in den ganzen Vereinigten Staaten beteiligt. Am 3. September 1922 beispielsweise trat sie zu- sammen mit dem schwarzen Stuntman Hubert Fauntleroy Julian auf, der aus ihrer Maschine mit dem Fallschirm absprang.

Am 15. Oktober 1922 sah man sie bei einem Flug in Chicago, wo erwachsene Zuschauer einen Dollar und Kinder 25 Cent zahlen mussten.

Als Unglückstag wurde für Bessie Coleman der Sonntag, 4. Januar 1923. Bei einem Flug nach Santa Monica (Kalifornien) versagte ihr Flugzeug, sie stürzte ab, brach sich ein Bein und drei Rippen. Wegen dieser Verletzungen musste sie bis zum 10. Mai 1923 ins Krankenhaus. Einige Monate später trat sie am 9. September 1923 bei einer Flugschau in Columbus (Ohio) vor rund 10.000 Zuschauern auf.

1924 hatte Bessie Coleman keine öffentlichen Auftritte. An einem denkwürdigen Tag - Sonntag, 19. Juni 1925 - trat die erste schwarze Pilotin der USA in einer Luftschau in Galvestown (Texas) auf. Dort hatten 60 Jahre zuvor die Unionstruppen das Ende des „Amerikanischen Bürgerkrieges“ (1861-1865) verkündet, nach dem man die Sklaverei in den Südstaaten aufhob. Bei einem Auftritt im September 1925 sprang Bessie aus dem Flugzeug eines anderen Piloten mit dem Fallschirm ab.

Die wachsende Bekanntheit von Bessie Coleman führte dazu, dass die Norman-Studios in Arlington (Florida) sie am 3. Februar 1926 einluden, an der Verfilmung ihres Lebens mitzuwirken. Es heißt, Bessie habe zunächst eingewilligt, dann aber die Dreharbeiten später abgebrochen, weil ihr die Darstellung der Schwarzen in dem Drehbuch zu klischeehaft erschienen sei. Nach anderen Angaben kam der Film nicht zustande, weil die finanziellen Mittel hierfür nicht ausreichten. Im Frühjahr 1926 kaufte Bessie Coleman in Dallas (Texas) einen Doppeldecker und flog ihn nach Jacksonville. Statt der in der Beschreibung angegebenen 90 PS hatte dieses Flugzeug nur 60 PS. Besorgte Familienmitglieder und Freunde rieten

Bessie ab, mit dieser Maschine zu fliegen, weil sie diese nicht für sicher hielten. Ungeachtet der Warnungen bereitete sich Bessie zusammen mit ihrem weißen Mechaniker und PR- Agenten William Wills auf eine Flugschau am 1. Mai 1926 vor.

Ein Übungsflug auf dem Flugplatz „Paxton Field“ in Jacksonville (Florida) am 30. April 1926 mit William Wills als Pilot und Bessie Coleman als Passagier wurde für beide ein Flug in den Tod. Bessie legte bei diesem Flug ihren Sicher- heitsgurt nicht an, weil sie für den nächsten Tag einen Fall- schirmsprung geplant hatte und sich aus dem Cockpit lehnen wollte, um das Gelände zu erkunden. Wills begann etwa zwölf Minuten nach dem Start aus schätzungsweise 3.000 Meter Höhe einen Sturzflug, konnte das Flugzeug aber nicht wieder in die horizontale Lage bringen. Statt dessen geriet die Ma- schine ins Trudeln und stürzte ab. Bessie wurde während des Sturzfluges aus dem Cockpit geschleudert und starb beim Aufprall auf den Boden. Wills war in den Trümmern des Flugzeuges eingeschlossen. Tragischerweise zündete sich John Betsch, der Werbeleiter der „Negro Welfare League“, an der Absturzstelle eine Zigarette an, um seine Nerven zu beruhigen. Die Folge war, dass ein Funke den Benzindunst entzündete, das Wrack in Flammen aufging und Wills verbrannte.

Bei der Untersuchung des Wracks fand man einen Schrau- benschlüssel im Getriebe des abgestürzten Flugzeuges. Wills hatte dieses Werkzeug offenbar versehentlich liegengelassen. Beim Sturzflug geriet der Schraubenschlüssel in die Gänge und verklemmte sie.

Rund 5.000 Trauergäste nahmen am 2. Mai 1926 an einer Trauerfeier für Bessie Coleman in Jacksonville teil. Eine weitere Trauerfeier folgte in der „Mount Zion Missionary Baptist Church“ in Orlando. Von dort reiste ihr Leichnam mit dem Zug nach Chicago. Schätzungsweise 10.000 Menschen defilierten die ganze Nacht und am Tag in der „Pilgrim Baptist Church“ in Chicago an ihrem Sarg vorbei und erwiesen ihr die letzte Ehre. An der Beerdigung am 7. Mai 1926 auf dem Lincoln-Friedhof in Chicago nahmen Tausende teil.

Der Traum von Bessie Coleman von einer Fliegerschule für Afro-Amerikaner wurde 1929 wahr. In jenem Jahr gründete William J. Powell (1897-1942) den „Bessie Coleman Aero Club“ in Los Angeles.

Die erste afro-amerikanische Pilotin wurde nach ihrem Tod oft ausgezeichnet. 1931 flog eine Gruppe schwarzer Piloten zum ersten Mal zu Ehren von Bessie Coleman über ihr Grab. Damit begann eine Tradition, die man später alljährlich wiederholte. 1977 hob man den „Bessie Coleman Aviators Club“ schwarzer Piloten aus der Taufe. Der internationale Terminal des „O’Hare International Airport“ in Chicago befindet sich seit 1990 am Bessie-Coleman-Drive. 1995 erschien auf einer Briefmarke des „United States Postal Service“ ein Porträt von Bessie. 2004 taufte man einen kleinen Park in Chicago auf den Namen „Bessie Coleman Park“. Auch in der Musikwelt hat man Bessie verewigt: 1940 nahm der Jazz-Saxofonist Johnny Hodges das von ihm geschrieben Stück „Good Queen Bess“ auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sophie Blanchard (1778-1819)

Bild: Reproduktion eines Kupferstiches von Jules Porreau aus dem Jahre 1859, der nach ihrem Tod entstand

Frauen in der Luftfahrt

4. Juni 1784: Die französische Opernsängerin Elisabeth Thible, nach anderer Schreibweise auch Tible, fliegt in Lyon als erste Frau in einem Heißluftballon (Montgolfière) mit.

10. November 1798: Die Französin Jeanne Labrosse (1775- 1845), die Ehefrau des Luftakrobaten André-Jacques Garnerin (1769-1823), unternimmt als erste Frau selbstständig einen Flug in einem Ballon.

12. Oktober 1799: Jeanne Labrosse wagt als erste Frau der Welt aus einer Höhe von rund 900 Metern einen Fallschirmsprung.

7. Juli 1819: Die erste professionelle Luftschifferin Frank- reichs, Madeleine Sophie Blanchard (1778-1819), kommt in Paris bei einer Ballonfahrt als erste Frau beim Fliegen ums Leben.

Um 1850: Die französische Fallschirmspringerin Rosalie Poitevin (1819-1908) stellt in Parma (Italien) mit einem Sprung aus rund 2.000 Metern einen Frauenrekord auf, der erst 1931 von der Deutschen Lola Schröter (1906-1953) überboten wird.

4. Juli 1880: Mary Hawley Myers (1849-1932) unternimmt in Little Falls (New York) als erste Amerikanerin einen Alleinflug mit einem Ballon.

19. Juli 1893: Käthe Paulus (1868-1935) unternimmt in Nürnberg (Bayern) zusammen mit ihrem Verlobten Hermann Lattemann (1852-1894) ihren ersten Ballonflug. Sie gilt als erste Luftschifferin in Deutschland.

1893: Die Luftschifferin Käthe Paulus wird in Elberfeld bei Wuppertal die erste deutsche Fallschirmspringerin.

9. Juli 1903: Die Amerikanerin Aida de Acosta (1884-1962) unternimmt in Paris als erste Frau einen Alleinflug in einem lenkbaren Luftschiff.

1906: Die Amerikanerin E. Lillian Todd (1865-1937) ent- wirft und baut als erste Frau ein Flugzeug, das allerdings nie fliegt.

8. Juli 1908: Die französische Bildhauerin Therésè Peltier (1873-1926) unternimmt in Turin (Italien) an Bord eines Doppeldeckers zusammen mit dem französischen Piloten Léon Delagrange (1873-1910) den ersten Flug mit einem weiblichen Passagier.

7. Oktober 1908: Edith Berg fliegt als erste Amerikanerin in Le Mans (Frankreich) in einem Flugzeug mit. Sie ist eine Passagierin des amerikanischen Luftpioniers Wilbur Wright (1867-1912) und die Ehefrau von Hart O. Berg, des europäischen Agenten von Wright.

26. Oktober 1909: Die Französin Marie Marvingt (1875-1963) fliegt als erste Frau mit einem Ballon von Frankreich nach England.

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Details

Titel
Bessie Coleman. Die erste Afro-Amerikanerin mit Pilotenschein
Autor
Jahr
2010
Seiten
57
Katalognummer
V146172
ISBN (eBook)
9783640572656
ISBN (Buch)
9783656853619
Dateigröße
1369 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Bessie Coleman, Fliegerin, Pilotin, Fliegerinnen, Pilotinnen, Frauenbiografien, Biografien, Fliegerei, Luftfahrt, Kurzbiografie, Kurzbiografien, Ernst Probst
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2010, Bessie Coleman. Die erste Afro-Amerikanerin mit Pilotenschein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146172

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