Einigungstendenzen in Afrika - die europäische Einigung als Modell?


Master's Thesis, 2005

79 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung und Fragestellung

2. Einigungstendenzen vor Schaffung der AU
2.1. Der ideelle Hintergrund afrikanischer Einigung
2.1.1. Der Panafrikanismus
2.1.2. Der afrikanische Nationalismus
2.2. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU)
2.2.1. Entstehung und Geschichte
2.2.2. Organe und Ziele
2.2.3. Erfolg und Scheitern
2.3. Regionale Einigung
2.3.1. Westafrika
2.3.2. Zentralafrika
2.3.3. Ostafrika
2.3.4. Südliches Afrika
2.3.5. Nordafrika
2.4. Lagos-Plan und Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft
2.5. Veränderte Rahmenbedingungen seit Beginn der 1990er Jahre
2.6. Von der Afrikanischen Renaissance über die Neue Afrikanische Initiative zu NEPAD
2.7. Die Konferenz für Stabilität, Sicherheit, Entwicklung und Zusammenarbeit in Afrika

3. Die Afrikanische Union
3.1. Entstehungsgeschichte und Entwicklung
3.2. Grundsätze, Ziele und Politiken
3.3. Organe
3.3.1. Die Versammlung
3.3.2. Der ausführende Rat
3.3.3. Das Pan-Afrikanische Parlament
3.3.4. Der Afrikanische Gerichtshof
3.3.5. Die Kommission
3.3.6. Die ständige Vertretung
3.3.7. Die technischen Fachkommissionen
3.3.8 Der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat
3.3.9. Die finanziellen Institutionen
3.3.10. Der Sicherheitsrat
3.4. Einbindung anderer Initiativen
3.4.1. AEC und RECs
3.4.2. NEPAD
3.4.3. CSSDCA
3.5. Probleme auf dem Weg zur Einheit und Entwicklungsperspektiven

4. Vergleich zu europäischer Einigung
4.1. Initiativen vor Schaffung der AU
4.1.1. Die OAU
4.1.1.1. und die EG/EU
4.2.1.2. und der Europarat
4.1.2. Regionale Einigung in Afrika und Europa
4.1.3. Die AEC und die europäische wirtschaftliche Einigung
4.1.4. NEPAD und die OEEC/OECD
4.1.5. CSSDCA und KSZE/OSZE
4.2. Die AU und die EG/EU
4.2.1. Entstehungsgeschichte und Entwicklung
4.2.2. Grundsätze, Ziele und Politiken
4.2.3. Organe
4.2.3.1. Die Versammlung und der Europäische Rat
4.2.3.2. Der ausführende und der Allgemeine Rat
4.2.3.3. Das Panafrikanische und das Europäische Parlament
4.2.3.4. Der Afrikanische Gerichtshof
4.2.3.4.1. und der Europäische Gerichtshof
4.2.3.4.2. und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
4.2.3.4. Die AU- und die Europäische Kommission
4.2.3.6. Die ständige Vertretung und der Ausschuß der Ständigen Vertreter
4.2.3.7. Die technischen Fachkommissionen und der Rat der EU
4.2.3.8. Der afrikanische ECOSOCC und der europäische ECOSOC
4.2.3.9. Die finanziellen Institutionen in der AU und der EU
4.2.3.10. Der PSC und die ESVP

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang: Die wichtigsten regionalen Wirtschaftsgemeinschaften

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

Innerhalb von nicht einmal drei Jahren hat sich die für die Bewältigung heutiger Problemlagen wie wirtschaftliche Unterentwicklung oder kriegerische Auseinandersetzungen ungeeignete „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) in eine Organisation neuen Typs gewandelt, die sich ausdrücklich die europäische Einigung zum Vorbild nimmt.

Neben der „Afrikanischen Union“ (AU) sind weitere Initiativen und Organisationen entstanden, SO die „African Economic Community“ (AEC) oder die „New Partnership for African Development“ (NEPAD). Politische Einigung hat damit neue Dynamik erhalten.

Ein Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich der bisherigen Einigungsbestrebungen mit denen im Rahmen der europäischen Einigung und die Bewertung, ob das Modell der europäischen Einigung auf Afrika und speziell die AU übertragbar ist. Zudem möchte ich eine allgemeine Einschätzung der Erfolgsaussichten der Einigungsbestrebungen versuchen.

Dabei sollen die Erfolgsaussichten der afrikanischen Einigung nicht einzig an der europäischen gemessen werden, denn schließlich stellt diese nicht das einzig mögliche Modell dar. Es wird aber oft als Vorbild für die Einigungsbemühungen in Afrika herangezogen.

Beim Vergleich afrikanischer und europäischer Einigung ergibt sich, gerade bei neueren Einigungsinitiativen wie der AU, das methodische Problem, eine gerade erst entstandene mit einer sich schon über beinnahe 50 Jahre entwickelnden Integration abzugleichen.

Die AU steht erst am Anfang einer Entwicklung, ihre Organe sind gerade erst geschaffen worden. Konkrete Politiken fehlen größtenteils noch. Auf der anderen Seite stehen die EU und andere europäische Organisationen wie der Europarat und die OECD, in denen sich die Organe über einen langen Zeitraum entwickelt haben und die über sehr detaillierte Politiken und Instrumente verfügen. Dabei stellt sich dann die Frage, welches Integrationsstadium zum Vergleich herangezogen werden soll.

Aufgrund dieser methodischen Schwierigkeiten wird der Vergleich sich auf die zugrundeliegenden Prinzipien, Rahmenbedingungen und Entwicklungen beschränken.

Für diese umfassende Fragestellung ist zunächst aber eine Bestandsaufnahme der Einigungstendenzen in Afrika nötig. Dabei werde ich nicht nur die neuen, sondern auch frühere Anläufe zu kontinentaler oder regionaler Einheit berücksichtigen. Gerade im Bereich der regionalen Wirtschaftsintegration gibt es zahlreiche Ansätze.

Ich werde versuchen, jede Entwicklung im afrikanischen Einigungsprozess einzubeziehen. Die zur Verfügung stehenden Informationen und Literatur sind aber je nach Initiative höchst unterschiedlich umfangreich. Oft ist es schwierig, an Dokumente der Organisationen zu gelangen. Die Websites der AU und der „Regional Economic Communities“ (RECs) sind oft nicht aktuell und gut gepflegt.

2. Einigungstendenzen vor Schaffung der AU

2.1. Der ideelle Hintergrund afrikanischer Einigung

Ähnlich wie in Europa gab und gibt es verschiedene Konzepte, wie eine Einigung vonstatten gehen soll und was das Endziel einer Integration sein soll. In Europa wären als die wichtigsten zu nennen: vor dem 2. Weltkrieg die Paneuropabewegung und die Ideen der europäischen Résistance, nach dem 2. Weltkrieg die Föderalisten und die ihnen entgegengesetzten Unionisten. Auch in der heutigen europäischen Einigung ist der Konflikt zwischen den Befürwortern von starken supranationalen Instrumenten und denen, die eher eine intergouvernementale Struktur befürworten, nicht beendet. Beide Positionen zeigen in der Säulenstruktur der EU.

2.1.1. Der Panafrikanismus

Der Panafrikanismus entstand als Bewegung zu Beginn der 20. Jahrhunderts, zunächst als Exilbewegung von Nachfahren von Sklaven, die der alltäglichen Diskriminierung der schwarzen Rasse durch die bewußte Besinnung auf ihre gemeinsamen kulturellen Wurzeln in Afrika begegnen wollten, um eine gegenseitige Solidarisierung zu erreichen und so gemeinsam für ihre Würde und Rechte als freie Menschen zu kämpfen. Dazu wurden in unregelmäßigen Abständen weltweit Kongresse abgehalten, so der erste 1900 in London. (Meyns: 2002, S. 52)

Nach dem 2. Weltkrieg richtete sich die Bewegung verstärkt politisch aus. Ihre Forderungen umfaßten nun auch die Freiheit und Unabhängigkeit von kolonialer Herrschaft in Afrika. Zum führenden Kopf der Bewegung wurde der Intellektuelle Kwame Nkrumah aus der damaligen britischen Kolonie Goldküste. (Meyns: 2002, S. 52)

Mit der Unabhängigkeitsbewegung hielt der Panafrikanismus auch in Afrika Einzug. Als Ghana als erster subsaharischer Staat 1957 unabhängig wurde, begann der neue Präsident Nkrumah sofort, Konferenzen in seinem „befreiten Territorium“ abzuhalten, um die Idee des Panafrikanismus zu verbreiten. Er befürwortete die sofortige politische Einheit. In seinem panafrikanischen Manifest „Africa must unite“ wandte er sich gegen Neokolonialismus und Balkanisierung des Afrikas. (Meyns: 2002, S. 53) Inspiriert war er vom Modell der USA mit begrenzter Souveränitätsabgabe bei gleichzeitig enormen Vorteilen. (Saxena: 2004, S. 167)

Die drei westafrikanischen Länder Ghana, Mali und Guinea schlossen sich dieser Idee folgend 1961 zur konföderalen „Union of African States“ zusammen, trennten sich aber bald wieder. (Meyns: 2002, S. 53) Auch der Zusammenschluß von Senegal und Gambia zu Senegambia wurde 1989 nach kurzer Zeit wieder gelöst. Einzige Ausnahme bildet der bis heute bestehende Zusammenschluß Tansanias und Sansibars von 1964. (Hofmeier: 2004, S. 196)

Die frühen 1960er Jahre prägten, nach der Unabhängigkeit von 17 afrikanischen Staaten, intensive Diskussionen über die Ideen des Panafrikanismus und der afrikanische Einheit. Zwei Pole kristallisierten sich heraus, die von der Casablanca- und die Monrovia-Gruppe vertreten wurden. Erstere trat für die afrikanische Einheit ein, allerdings nicht für die sofortige. Letztere sprach sich für eine Zusammenarbeit aufbauend auf der souveränen Gleichheit aller Staaten, aus. Die Mehrheit der Staaten unterstützte diese Position, so dass sich auch die OAU stark daran orientierte. (Meyns: 2002, S. 53/54)

Die Panafrikanische Bewegung verlor in den folgenden Jahren an Attraktivität, ihr letzter Kongreß fand 1993 in Kampala statt. (Meyns: 2002, S. 54/55) Die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten wurde verwirklicht und die gemeinsamen kulturellen Grundlagen schienen aufgrund der vielen innerkontinentalen Probleme fraglich, so dass der Idee am Ende seine Grundlagen abhanden kamen. Seit Anfang der 90er Jahre gewann die Idee wieder an Attraktivität. Kurz vor dem neuen Jahrtausend war gerade angesichts der ginnerkontinentalen Probleme und der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung des Kontinents die Zeit für eine Neuausrichtung kontinentaler Zusammenarbeit gekommen.

Die Losung „Africa must unite“ wurde wieder aufgegriffen und führte zu einer Reihe von Initiativen, z.B. der von Thabo Mbeki lancierten „Afrikanischen Renaissance“ oder zur Gründung der AU. Grundsätzlich ging es um die Neubestimmung des Verhältnisses von Panafrikanismus und dem für Jahrzehnte dominierenden afrikanischen Nationalismus.

2.1.2. Der afrikanische Nationalismus

Die Idee des afrikanischen Nationalismus entstand in der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung. Da sich die neuen unabhängigen Staaten zumeist an den Grenzen der Kolonialgebiete orientierten, die oft nicht den ethnischen oder sprachlichen Trennungslinien entsprachen, bestand die Notwendigkeit, den neuen nationalstaatlichen Rahmen durch Schaffung eines stabilen Nationalbewusstseins zu festigen. Ein Rückfall in vorkoloniale ethnische Zerklüftungen sollte so vermieden werden. (Meyns: 2002, S. 53) Mit der Forderung des Panafrikanismus nach Zusammenschluß nationaler Entitäten war somit der Konflikt programmiert.

In der Diskussion der 1960er Jahre um die Form der Zusammenarbeit der afrikanischen Staaten gewann der afrikanische Nationalismus zunehmend an Boden und beeinflusste auch die Position der Monrovia-Gruppe. Dem „nation-building“ wurde dann auch bei der Schaffung der OAU als intergouvernementale Organisation souveräner Staaten Vorrang eingeräumt.

2.2. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU)

2.2.1. Entstehung und Geschichte

Die Organisation für Afrikanische Einheit wurde am 25. Mai 1963 in Addis Abeba (Äthiopien) durch die Staatschefs von 30 afrikanischen Staaten gegründet.

Zuletzt hatte sie 53 Mitgliedsstaaten, einschließlich der Demokratischen Arabischen Republik Sahara. Wegen der Aufnahme der DARS im Jahr 1980 suspendierte Marokko 1984 seine Mitgliedschaft und trat 1985 aus. (Libyen-News: 2005b)

Die OAU entstand unter dem Eindruck der Notwendigkeit und des Willens zu einer Zusammenarbeit der unabhängig gewordenen Staaten. Ihre Gestalt wurde dabei vom Konflikt der Ideen des Panafrikanismus und des afrikanischen Nationalismus bestimmt. Sie vereinte beide Ansätze, allerdings dominierte die Monrovia-Gruppe mit ihrem stark souveränitätsbasierten Konzept. Grundprinzipien waren darum die souveräne Gleichheit aller Mitgliedsstaaten, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität jedes Staates und seines Rechts auf unabhängige Existenz. (Meyns: 2002, S. 54 und El-Ayouty: 1994, S. 186/187)

Eine Ausnahme von der strikten Beachtung der territorialen Integrität bildete der Fall Eritreas, das sich nach einer von UN und OAU mit den Konfliktparteien ausgehandelten Friedensinitiative von Äthiopien abspaltete. Zugleich eröffnete dieser Fall die Frage, ob die strikte Beachtung der territorialen Integrität noch aufrecht erhalten werden kann. Diese Frage stellte die Grundlagen der OAU in Frage, überforderte ihre Problemlösungskapazität und blieb ungelöst.

Eine neue Dynamik erhielt die OAU in den 1990er Jahren vor dem Hintergrund der gewandelten Rahmenbedingungen politischer und wirtschaftlicher Natur. So wurde 1991 auf dem Gipfel in Abuja (Nigeria) der Vertrag über die Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft AEC verabschiedet. (Hofmeier: 2004, S. 192)

Im sicherheitspolitischen Bereich schuf die Kairo-Erklärung von 1993 einen „Mechanismus für die Prävention, das Management und die Lösung von Konflikten“, der bei kleineren Konflikten erfolgreich eingreifen konnte. Wegen seines knappen Budgets war aber seine Kapazität beschränkt. So war er z.B. bei der Aushandlung des Waffenstillstandsabkommens 1999 im Kongo auf Unterstützung der UN angewiesen. (Meyns: 2002, S. 63 und Schmidt: 2005, S. 26)

Zwei Initiativen, die in den 1990er Jahren außerhalb der OAU entstanden sind, aber später in sie integriert wurden, CSSDCA und NEPAD, werden noch genauer betrachtet.

Die signifikanteste Initiative nahm aber am 9. September 1999 ihren Anfang, als der libysche Staatschef Gaddafi einen OAU-Sondergipfel in der libyschen Stadt Sirte einberief und dort zwei nicht im voraus mit den anderen Staatschefs abgestimmte Pläne zur Umwandlung der OAU in föderale „Vereinigte Staaten von Afrika“ oder eine konföderale „Union der afrikanischen Staaten“ präsentierte. (Meyns: 2002, S. 59)

Der Vorstoß ist vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage Gaddafis zu verstehen. Er hatte zum Panafrikanismus keinen engeren Bezug, eher zur Idee der arabischen Nation. Seit dem Lockerbie-Attentat war Libyen aber weltpolitisch isoliert. 1992/93 erließen die UN zudem wirtschaftliche Sanktionen. Gaddafi versuchte durch einen Kurs der Kooperationsbereitschaft aus der Isolation herauszukommen. Bei den afrikanischen Staaten fand er eher Unterstützung als bei den arabischen. (Meyns: 2002, S. 58 und NZZ: 9.7.2002)

Die Vorschläge waren für die anderen Staatschefs inakzeptabel, um aber einen diplomatischen Eklat zu vermeiden, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die gemeinsame Sirte-Deklaration erarbeitete. Anstelle eines gesamtafrikanischen Staates wurde die Gründung einer Afrikanischen Union beschlossen. Schon 2000 wurde die AU-Gründungsakte auf dem Gipfel in Lomé (Togo) vorgelegt. Dort beschloß die OAU ihre Auflösung und Umwandlung in die AU. Jedoch lagen bis zur beschlossenen Proklamation der AU auf einem Sirte-2-Sondergipfel im März 2001 nicht genügend Ratifikationsurkunden (2/3 der Mitglieder=36) vor. Auf dem Folgegipfel in Lusaka am 11. Juli 2001 war dies schließlich der Fall, so dass beschlossen wurde, die AU auf dem nächsten Gipfel in Durban im Juli 2002 aus der Taufe zu heben. (Meyns: 2002, S. 60 und Libyen-News: 2005b)

2.2.2. Organe und Ziele

Die in der Charta festegelegten Ziele der OAU lassen sich in fünf Themenkomplexe zusammenfassen: Förderung der Einheit und Solidarität der afrikanischen Staaten, Koordinierung und Intensivierung der innerafrikanischen Zusammenarbeit, um ein besseres Leben der Menschen zu ermöglichen, Verteidigung der Souveränität und territorialen Integrität der Mitgliedsstaaten, Abschaffung aller Arten von Kolonialismus und Förderung der internationalen Zusammenarbeit unter besonderer Beachtung der UN-Charta und der Universellen Erklärung der Menschenrechte. Die Mitgliedsstaaten waren aufgefordert, ihre Politiken zur Erreichung dieser Ziele zu harmonisieren. (ILO: 2005) Das Einheitsziel war dabei nicht territorial, sondern ideologisch zu verstehen. (Saxena: 2004, S. 175)

Die OAU war als Forum für politische Zusammenarbeit konzipiert, weshalb Fragen der Wirtschaftskooperation praktisch keine Rolle spielten. Die einzige Ausnahme bilden der Lagos-Plan und die AEC, die aber bislang weitgehend erfolglos blieben. (Hofmeier: 2004, S. 190)

Das oberste Organ war die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, die sich jedes Jahr im Juni traf. Ein Ministerrat traf sich in jeweils verschiedener fachlicher Komposition, hatte aber keine Entscheidungskompetenzen, sondern war nur für die Umsetzung der Beschlüsse der Versammlung zuständig. Der Rat der Außenminister traf sich zweimal jährlich, einmal zu finanziellen Fragen und einmal zur Gipfelvorbereitung. Die anderen Ministerräte traten gar nur alle zwei Jahre zusammen. Das Generalsekretariat, geleitet von einem Generalsekretär und fünf Stellvertretern, je einer aus einer der fünf Regionen Afrikas, hatte rein administrative Aufgaben. Außerdem war es für die Implementierung der Entscheidung der Gipfel oder Ministerräte zuständig. Daneben gab es spezialisierte Komitees etwa für soziale Fragen, Wissenschaft oder Flüchtlingsfragen. (ILO: 2005)

Weiterhin arbeiteten eine Reihe von autonomen spezialisierten Agenturen unter der Schirmherrschaft der OAU, z.B. die Pan-African Telecommunications Union, die Pan-African Postal Union, die Pan-African-News-Agency oder die Organisation of African Trade Union Unity. Am Beispiel der letzten beiden zeigte sich die Erfolglosigkeit von Initiativen, die über rein technische Fragen hinausgingen: beide Agenturen wurden schon kurz nach ihrer Schaffung aufgrund mangelnder Unterstützung der Mitgliedsstaaten wieder geschlossen. (ILO: 2005)

Seit der Verabschiedung des AEC-Vertrages war auch das Sekretariat der AEC beim Generalsekretariat der OAU angesiedelt.

Zur Unterstützung der Entwicklung von Mitgliedsstaaten wurden 1966 die Afrikanische Entwicklungsbank und 1972 der Entwicklungsfonds gegründet. (Libyen-News: 2005b)

Im Bereich der Menschenrechte hat die OAU zwei wichtige Dokumente hervorgebracht: die Afrikanische Charta über die Rechte und Wohlfahrt des Kindes und die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker, die sog. Banjul-Charta. Letztere trat 1986 in Kraft und lehnt sich stark an die UN-Menschenrechtspakte an. Die Überwachung übernimmt eine Menschenrechtskommission, die aber keine Sanktionsmöglichkeiten besitzt. Mit der Schaffung des Afrikanischen Gerichtshofes ist auch dieser für die Überwachung der Einhaltung der Charta zuständig. Erstere Charta basiert auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der UN-Kinderrechtskonvention. Die Charta, 1990 verabschiedet, trat am 29. November 1999 in Kraft. Bis heute ist sie 35 Staaten ratifiziert.

In institutioneller Hinsicht stand die OAU auf schwachen Füßen. Das Sekretariat besaß keine eigenen Kompetenzen und die jährlichen Gipfel wurden mehr und mehr zur bloßen Repräsentation genutzt. Die OAU litt auch zunehmend unter einem eklatanten Ressourcenmangel, da viele Mitglieder keine Beiträge zahlten. (Schmidt: 2005, S. 25/26) 2002 beliefen sich die ausstehenden Beiträge auf 54,5 Millionen US-Dollar, etwa das Doppelte des Jahresbudgets. Nur neun Mitglieder zahlten stets pünktlich. (Ankomah: 2002)

Sanktionsmechanismen für Mitglieder, die Beiträge schuldeten oder Beschlüssen zuwider handelten, existierten nicht. So unterhielten einige trotz eindeutiger Beschlüsse wirtschaftliche oder diplomatische Beziehungen zum Apartheidsregime Südafrikas. (Saxena: 2004, S. 175)

Der „Mechanismus für Prävention, das Management und die Lösung von Konflikten“ blieb wegen begrenzter Ressourcen in seiner Kapazität beschränkt. (Meyns: 2002, S. 63)

2.2.3. Erfolg und Scheitern

Die OAU ist in den fast vierzig Jahren ihrer Existenz zu einer festen Größe geworden. Für jeden unabhängig gewordenen Staat war der Beitritt selbstverständlich. Am Ende waren alle afrikanischen Staaten mit Ausnahme Marokkos Mitglied. (Meyns: 2002, S. 55)

In der Frage der Beseitigung kolonialer und weißer Minderheiten Herrschaft trat die OAU international, vor allem bei den UN, immer geschlossen auf und verlor trotz großer Meinungsunterschiede in anderen Gebieten dieses Ziel nicht aus den Augen. Schließlich konnte mit der Beseitigung der Apartheid in Südafrika dieses Ziel verwirklicht werden, was auch ein Verdienst der OAU ist. (Meyns: 2002, S. 55) Zudem erreichte die OAU die Schaffung eines gewissen Zusammengehörigkeitsgefühls. (Saxena: 2004, S. 185)

Bei innerstaatlichen Problemen war die OAU dagegen meist hilflos. Durch das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten hatte sie sich selbst die Hände gebunden. Sie sah in den 1970er Jahren dem Treiben blutrünstiger Diktatoren wie Bokassa ebenso tatenlos zu wie in den 1980er Jahren den durch Naturkatastrophen und verfehlte Entwicklungspolitik ausgelösten Wirtschaftskrisen oder den Bürgerkriegen in den 1990er Jahren etwa in Somalia oder Ruanda. (Meyns: 2002, S. 55) Die in der Charta vorgesehene Kommission für Vermittlung und Schlichtung hatte ihre Arbeit niemals aufgenommen. (Saxena: 2004, S. 184)

Oft wurde die OAU als „Club der Diktatoren“ oder „Trade Union of Tyrants“ (von Walraven: 2004, S. 200) bezeichnet. Der frühere Präsident Tansanias, Julius Nyerere, sagte: „The OAU exists only for the protection of African Heads of State“. (El-Ayouty, S. 179)

Integrationsversuche in den 1970er und 1980er Jahren waren geprägt von großen Worten und wenig Erfolg („Integration by declaration“), z.B. im Fall des Lagos-Plans von 1981 zur Herstellung wirtschaftlicher Einheit. (Zehender: 2005, S. 1)

„Insgesamt konnte die OAU weder einen Beitrag zur (wirtschaftlichen) Entwicklung des Kontinents leisten noch ihren Anspruch, den Frieden auf dem Kontinent zu wahren, einlösen.“ (Schmidt: 2005, S. 26)

2.3. Regionale Einigung

Auf dem Feld der regionalen Integration ist seit Beginn der 1990er Jahre wieder verstärkte Aktivität zu beobachten. Viele Regionalorganisationen (RECs) wurden schon viel früher gegründet, zeichneten sich aber durch lange mangelnde Aktivität aus.

Die meisten regionalen Organisationen wurden bereits in den 1960er und 1970er Jahren gegründet. Ihre Inhalte reichen von breit angelegten Wirtschaftsgemeinschaften bis zu auf einen Themenkomplex beschränkten Spezialorganisationen. (Hofmeier: 2004, S. 190)

Die 1958 gegründete UN-Wirtschaftskommission für Afrika hat sich von Anfang an für die Schaffung regionaler Organisationen eingesetzt. Sie werden bis heute als Basis für die Entwicklung des Kontinents betrachtet. Nicht zuletzt deshalb bilden sie auch die Basis für die AEC. Die Afrikanische Entwicklungsbank unterstütze die Regionalorganisation zudem mit speziellen Programmen. (Hofmeier: 2004, S. 190)

Insgesamt existieren laut AU 14 Regionalorganisationen in Afrika (siehe Anhang), die alle eine Wirtschafts- und infrastrukturelle Zusammenarbeit anstreben. Seit Anfang der 1990er Jahre findet eine Intensivierung der Zusammenarbeit bei außen- und sicherheitspolitischen Aspekten statt. Vorreiter hierbei war das Eingreifen der ECOMOG in die Bürgerkriege in Liberia, Sierra Leone und Elfenbeinküste. Auch andere Organisationen schufen Organe für eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit, so SADC und IGAD. (Hofmeier: 2004, S. 196)

„Keine auch nur ansatzweise erfolgversprechenden Ansätze hat es hingegen bisher im Hinblick auf eine verstärkte Regionalkooperation auch im engeren politischen Bereich gegeben, etwa in Richtung auf eine graduelle Herausbildung regionaler Föderation oder Staatenbünde, wie es in den frühen panafrikanischen Vorstellungen angelegt gewesen war.“ (Hofmeier: 2004, S. 196) Die EAC weist zwar weiterhin auf das politische Endziel Vereinigung hin, hat aber dahingehend noch keine Schritte unternommen.

„Nahezu alle Regionalorganisationen beruhen ausschließlich auf zwischenstaatlicher Kooperation ohne effektive Kompetenzen der schwachen und unzureichend ausgestatteten Sekretariate (...). Eine Überwindung der engen nationalstaatlichen Interessen hatte sich nirgendwo durchsetzen können. (Hofmeier: 2004, S. 190) Allerdings gibt es in einigen Regionalorganisationen, etwa EAC und ECOWAS, inzwischen Versammlungen/Parlamente, die aber nur mit geringen Kompetenzen ausgestattet sind. Darüber hinaus gibt es vereinzelt Gerichtshöfe, die bei Streitfragen zu den Vertragswerken angerufen werden können. (Hofmeier: 2004, S. 219)

Hinderlich ist weiterhin, daß vielfach Mehrfachmitgliedschaften existieren. Die daraus entstehenden unterschiedlichen Verpflichtungen und Vorschriften sind oft nicht kompatibel, worüber allerdings mit Desinteresse hinweggesehen wird. (Hofmeier: 2004, S. 200)

Bisher ist bei allen RECs die durch Wirtschaftskooperation zu erwartende Intensivierung des Binnenhandels gering geblieben. (Hofmeier: 2004, S. 217)

Ein großes, wenn nicht das größte, Hindernis dabei ist die wirtschaftliche Unterentwicklung Afrikas. Die Komplementarität der von verschiedenen Ländern produzierten Wirtschaftsgüter ist immer noch gering, der Grad der Industrialisierung nach wie vor niedrig. Die Abhängigkeit von nicht-afrikanischen Ländern besteht unvermindert fort. Zudem sind alle für den Wirtschaftsaustausch nötigen Infrastruktureinrichtungen von niedriger Qualität. (Hofmeier: 2004, S. 197) Ohne Industrie und grenzüberschreitenden Handel sind aber keine Gewinne erzielbar. Damit entfällt das wichtigste Antriebsmoment wirtschaftlicher Integration. (Haeflinger: 2001)

Alle regionalen Gemeinschaften haben sich auch aus diesem Grund den Dialog mit der Privatwirtschaft auf die Fahnen geschrieben, etwas bei der SADC durch eine Verbindungsstelle zum Sekretariat. Der Dialog mit der Privatwirtschaft ist dabei durch die Gründung von Dachverbänden nationaler Kammern leichter geworden. Allerdings ist es für nicht-staatliche Akteure grundsätzlich weiterhin schwer auf Politikentscheidungen Einfluß zu nehmen, was vor allem an ihrer eigenen ressourcenbedingten Schwäche liegt. (Zehender: 2001, S. 3ff.)

Aufgrund der schwachen Volkswirtschaften wären auch die mit einer Integration einhergehenden Strukturanpassungs- und Transformationsprozesse für die afrikanischen Staaten kaum zu bewältigen. (Hofmeier: 2004, S. 198)

Darüber hinaus verfügen alle RECs über eine völlig unzureichende Ressourcenausstattung, vielfach nicht einmal über genug Mittel, um die Funktionsfähigkeit der Institutionen zu gewährleisten. (Hofmeier: 2004, S. 200)

2.3.1. Westafrika

Die ECOWAS hat ihre vertragliche Grundlage im Jahr 1993 nach dem Vorbild der EU grundsätzlich erneuert. Zu den ambitionierten Zielen gehören ein gemeinsamer Markt und eine gemeinsame Währung sowie die völlige Freizügigkeit von Personen, Dienstleistungen und Kapital. Von der Realisierung dieser Ziele ist ECOWAS aber aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessen noch weit entfernt. Bis Mitte 2001 war erst der Handel für wenige Produkte liberalisiert und einzig Benin hatte sämtliche Zölle aufgehoben. (Hofmeier: 2004, S. 206/207) Dem Ziel einer gemeinsamen Währung ist man auch nicht näher gekommen. Eine für 2003 geplante zweite Währungsunion neben der UEMOA scheiterte wegen Nichterfüllung der Konvergenzkriterien. (Hofmeier: 2004, S. 207)

Sicherheitspolitisch hat sie aber ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Mit gemeinsamen Truppenkontingenten unter der Bezeichnung ECOMOG intervenierte sie in den Bürgerkriegen in Liberia (1991), Sierra Leone (1997) und Elfenbeinküste (2003). (Hofmeier: 2004, S. 207)

Institutionell hat ECOWAS in den letzten Jahren etwa in Bezug auf Arbeit des Sekretariats, des Parlaments und des Gerichtshofs mehr Fortschritte gemacht als es dem gemeinhin schlechten Ruf der Organisation entspricht. (Hofmeier: 2004, S. 207)

Die UEMOA besteht aus acht ECOWAS-Mitgliedern und zeichnet sich vor allem durch eine gemeinsame Zentralbank und eine gemeinsame Währung aus, den CFA Franc, der über Frankreich an den Euro gebunden ist. Seit 2000 besteht zudem eine Zollunion. Die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Binnenmarkt existieren damit, tatsächlich stehen diesem Ziel aber noch viele politische, institutionelle und nicht-tarifäre Hindernisse entgegen. Der 1997 geschaffene Strukturfonds soll den Entwicklungsgegensatz zwischen den reichen Küsten- und den armen Binnenländern überbrücken. Wie die gemeinsame Entwicklungsbank verfügt er aber nur über geringe Mittel. (Hofmeier: 2004, S. 206) Insgesamt betrachtet die UNECA die UEMOA als erfolgreichste Regionalorganisation. Der Konflikt im wichtigsten Mitgliedsland Elfenbeinküste hat aber auch ihre Fragilität gezeigt. (Hofmeier: 2004, S. 206)

Neben diesen beiden gibt es noch insgesamt 14 andere spezialisierte Organisationen, die aber für die Regionalintegration ohne Bedeutung sind. (Hofmeier: 2004, S. 208)

2.3.2. Zentralafrika

Die CEMAC ist 1998 aus der schon seit 1966 existierenden UDEAC entstanden. Hauptmerkmale der UDEAC, die in die CEMAC übernommen wurden, sind ein gemeinsamer Außenzoll, ein Solidaritätsfonds, eine gemeinsame Entwicklungsbank und die gemeinsame Zugehörigkeit zur CFA-Franc-Zone über eine autonome Zentralbank. Trotz dieser guten Voraussetzungen ist die Bilanz der tatsächlichen Wirtschafts- und Handelsintegration, vorwiegend aufgrund politischer Faktoren, enttäuschend. (Hofmeier: 2004, S. 208)

Sicherheitspolitisch engagierte sie sich erstmals 2002 mit einen kleinen Truppenkontingent im anhaltenden Machtkonflikt in der Zentralafrikanischen Republik. (Hofmeier: 2004, S. 209)

Die CEEAC umfaßt neben den CEMAC-Mitgliedern noch die DR Kongo, Burundi, Ruanda und São Tomé und Príncipe sowie Angola und hat sich aufgrund der Konflikte in DR Kongo und Angola als kaum handlungsfähig erwiesen.

Die 1976 gegründete Wirtschaftsgemeinschaft der großen Seen CEPGL existiert angesichts der kriegerischen Konflikte nur noch auf dem Papier. (Hofmeier: 2004, S. 209)

2.3.3. Ostafrika

COMESA wurde 1994 als Nachfolgeorganisation der seit 1981 existierende PTA gegründet und stellt mit 20 Mitgliedern die größte Regionalorganisation Afrikas dar. Durch überlappende Mitgliedschaften gab es jahrelang einen lähmenden Konflikt mit der SADC um die regionale Vorherrschaft im südlichen Afrika. Schließlich fokussierte sich COMESA ganz auf den Handelsbereich. Im November 2000 startete eine auf neun Mitglieder beschränkte Freihandelszone, die allerdings in drei geografische Blöcke[1] zersplittert ist. Die Zukunft der COMESA bleibt im unklaren Kompetenzgeflecht der RECs unklar. (Hofmeier: 2004, S. 212)

Schon nach dem 1. Weltkrieg begann die Kooperation der heutigen EAC-Staaten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie institutionell stark vertieft und mündete 1967 in der Gründung der ersten EAC, die aber nach 10 Jahren an Differenzen über die Zurechnung finanzieller und wirtschaftlicher Vor- und Nachteile aus der Gemeinschaft zerbrach. (Hofmeier: 2004, S. 209)

1996 begann mit Aufbau eines Sekretariats der zweite Anlauf, wobei alle Beteiligten das Zerbrechen der ersten EAC als Fehler ansahen. 2000 trat der Vertrag über die Neugründung in Kraft. Burundi und Ruanda haben Aufnahmeanträge gestellt, die aber wegen der instabilen politischen Lage in beiden Ländern noch nicht entschieden wurden. (Hofmeier: 2004, S. 210)

Die heutige EAC hat sich vor dem Hintergrund der politischen Differenzen, die zum Zerbrechen der ersten EAC geführt hatten, ganz auf die Wirtschaftinteressen fokussiert und die Zusammenarbeit ist wesentlich lockerer. Die Perspektive der EAC stellt auf eine schrittweise Vertiefung der Kooperation bis hin zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes und einer gemeinsamen Währung ab. Institutionelle Fortschritte hat die EAC 2001 mit der Schaffung eines Ostafrikanischen Parlaments und eines Gerichtshofes gemacht. Gerade wegen der Lernerfahrungen aus Fehlern der ersten Gemeinschaft kann sie als eine der erfolgversprechendsten RECs angesehen werden. (Hofmeier: 2004, S. 211) Im Januar 2004 wurde die Schaffung einer Zollunion beschlossen, die am 1. Januar 2005 verwirklicht wurde.

Die IGAD wurde 1986 mit einem Mandat zur Bekämpfung der Auswirkungen von Dürre geschaffen und 1996 in eine Regionalorganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit erweitert. Aufgrund der Vielzahl der Konflikte in der Region hat sie bisher aber kaum Fortschritte gemacht. (Hofmeier: 2004, S. 213)

Die IOC verfolgt das Ziel der engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit, leidet aber stark unter den räumlichen Entfernungen der Mitglieder. (Hofmeier: 2004, S. 213)

2.3.4. Südliches Afrika

Die heutige SADC wurde 1980 als Entwicklungskoordinationskonferenz der sog. „Frontlinienstaaten“ im Kampf gegen die Apartheid als lockere Organisation ohne Vertragswerk geschaffen. Sie betrieb pragmatische Kooperation in einer Vielzahl von Bereichen, unterstützt durch Entwicklungshilfe. 1993 trat einen festes Vertragswerk in Kraft und wandelte die Konferenz in eine Entwicklungsgemeinschaft. 1994 trat Südafrika bei, 1995 Mauritius, 1997 die DR Kongo und die Seychellen, die aber 2004 wieder austraten. Die Kooperation ist seitdem besonders auf das Ziel der Wirtschaftsintegration ausgerichtet. Seit 1996 existiert auch ein „Organ für Politik, Verteidigung und Sicherheit“. 2001 wurde eine weitreichende Strukturreform, die auch die Schaffung eines Sekretariats in Botswana beinhaltete, beschlossen. Für 2012 ist die Verwirklichung einer Freihandelszone vorgesehen. (Hofmeier: 2004, S. 215/216)

Aufgrund unterschiedlicher Interessen der Mitglieder und daraus resultierenden langen Abstimmungsprozessen hat ihr guter Ruf aber gelitten. Zudem führen Mehrfachmitgliedschaften der Mitglieder zu Konflikten. (Hofmeier: 2004, S. 216)

Bemerkenswert ist, daß bereits 25 % des Handelsvolumens aus internem Austausch resultiert, auch wenn diese Tatsache fast ausschließlich auf das Konto Südafrikas geht. (Haeflinger: 2001)

Die fünf SACU-Länder bilden durch die Regelungen der schon 1910 geschaffenen Südafrikanischen Union als Zollunion ein einheitliches Wirtschaftsgebiet und den einzigen vollständig verwirklichten gemeinsamen Markt. Zudem gibt es ein einheitliches Währungsgebiet, mit Ausnahme Botswanas, das 1976 ausgetreten war, dessen Währung aber faktisch an den südafrikanischen Rand gebunden bleibt. Allerdings ergeben sich immer wieder Spannungen durch die Dominanz Südafrikas und ebenso durch Mehrfachmitgliedschaften der Mitglieder. 2002 wurden erstmals gemeinsame institutionelle Strukturen sowie kompensatorische Maßnahmen zur Unterstützung schwächerer Mitglieder und ein Schlüssel für die Verteilung der Zolleinnahmen vereinbart. (Hofmeier: 2004, S. 214)

2.3.5. Nordafrika

Die UMA wurde 1989 gegründet und hat politische und wirtschaftliche Kooperation zum Ziel. Durch den anhaltenden Konflikt zwischen Algerien und Marokko über die Anerkennung der DARS ist sie derzeit aber handlungsunfähig. (Hofmeier: 2004, S. 216)

1998 wurde auf libysche Initiative hin die CEN-SAD gegründet, die in der kurzen Zeit ihrer Existenz ein beachtliche Dynamik in der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und sozialen Zusammenarbeit entwickelt hat und sich auch mit Vermittlungsbemühungen in den Konflikten in der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan engagiert. CEN-SAD hat 2002 im Bamako/Mali einen Sozialrat etabliert. Negativ auf die Aktivitäten wirkt sich aber die große geografische Entfernung der Mitglieder aus, die auch noch durch die lebensfeindliche Sahara von einander getrennt sind. (Hofmeier: 2004, S. 217)

2.4. Lagos-Plan und Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft

1981 verabschiedete ein OAU-Gipfel den sog. Lagos-Plan, in dem die Mitgliedsstaaten ihre Absicht erklärten, die wirtschaftliche Einigung Afrikas zu fördern und die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken. (Pan-African Perspective: 2005)

Nachdem die Staaten in den folgenden Jahren kaum Fortschritte erzielt hatten, folgte im Jahr 1991 in Abuja (Nigeria) ein neuer Anlauf. Die OAU-Mitglieder unterzeichneten den Vertrag zur Schaffung der Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nachdem die nötige Zahl der Ratifikationen erreicht war, trat er im Mai 1994 in Kraft. (Pan-African Perspective: 2005)

Der Vertrag sieht für die Schaffung der Wirtschaftsgemeinschaft ein Sechs-Phasen-Modell vor, das insgesamt in 34 Jahren bis 2028 verwirklicht werden soll. Es beginnt mit der Stärkung der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (RECs) und, wenn nötig, der Schaffung neuer (5 Jahre). In der zweiten Phase sollen die Verbindungen und die Zusammenarbeit zwischen den RECs gestärkt werden (8 Jahre). Dann ist die Schaffung einer Freihandelszone und einer Zollunion innerhalb jeder REC geplant (10 Jahre). In Phase vier sollen die Zoll- und anderen Handelsbeschränkungen zwischen den RECs harmonisiert werden (2 Jahre). Anschließend soll ein Gemeinsamer Afrikanischer Markt eingerichtet werden (4 Jahre). In der letzten Phase sollen alle Sektoren integriert und eine Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft mit gemeinsamer Währung und Zentralbank geschaffen werden und zudem ein Pan-Afrikanisches Parlament gewählt werden (5 Jahre). (Dept. of Foreign Affairs South Africa: 2005a)

Insgesamt sind 17 Organe vorgesehen, die sich nun in der organisatorischen Gestaltung der AU wiederfinden. Bis auf die drei OAU-Institutionen waren aber bis zur Schaffung der AU keine weiteren etabliert worden. (Meyns: 2002, S. 61) Die Schaffung der Institutionen ist seit der Gründung der AU merklich vorangekommen. Allerdings dienen sie nun nicht nur der AEC, sondern der gesamten AU. Die wirtschaftliche Einheit ist durch die Schaffung der Institutionen jedenfalls nicht vorangekommen, vor allem da die Finanzinstitutionen noch fehlen.

Bisher hat die AEC Arbeitsbeziehungen zu ECOWAS, ECCAS, COMESA, SADC und UMA aufgebaut. (Pan-African Perspective: 2005)

Die zeitliche Perspektive für die Schaffung der AEC geht auf die Erfahrungen der europäischen Einigung zurück, die zeigt, daß selbst bei günstigen Voraussetzungen eine solch lange Perspektive erforderlich ist. (Meyns: 2002, S. 63)

Bis zur Schaffung der AU hatte die Entwicklung der AEC kaum Fortschritte gemacht. Vom zeitlichen Horizont her befindet sich die AEC zwar mittlerweile in Phase 2, allerdings ist höchst fraglich, ob, vor dem Hintergrund des anhaltenden Mißerfolgs mancher RECs, Phase 1 schon als abgeschlossen betrachtet werden kann.

In der Sirte-1-Deklaration wird eine Beschleunigung der Phasen angekündigt. Dies nährt aber nur weitere Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Ziele. Es besteht die Befürchtung, daß es sich nur um „integration by declaration“ handelt, zumal einige der Ziele wie Schaffung einer gemeinsamen Zentralbank sehr unrealistisch erscheinen. (Meyns: 2002, S. 63, Hofmeier: 2004, S. 192 und van Walraven: 2004, S. 1999)

Insgesamt leidet die AEC, trotz Erfolgen bei einigen RECs unter dem Mißerfolg der Wirtschaftsintegration schon auf regionaler Ebene. Weiter ist fraglich, wie stark sich die Staats- und Regierungschefs dem Plan wirklich verbunden fühlen. Schon häufig sind Pläne der OAU am aktiven und passiven Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert und schließlich hat die AEC seit dem Lagos-Plan bis zum Vertrag über die AEC auch keine Fortschritte gemacht. (Danso: 1995, S. 31) Inwieweit sich durch die Schaffung der AU diesbezüglich Veränderungen ergeben haben, ist zumindest fraglich.

In Art. 79 des Vertrages sind spezielle Hilfen für die am wenigsten entwickelten, Binnen- und Inselstaaten vorgesehen, um Entwicklungsunterschiede auszugleichen. Vor dem Hintergrund der schlechten Ressourcenausstattung ist allerdings höchst fraglich, ob dieses Ziel erreicht werden kann. (Danso: 1995, S. 48)

2.5. Veränderte Rahmenbedingungen seit Beginn der 1990er Jahre

Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika 1994 war die Epoche der weißen Minderheitenherrschaft in Afrika endgültig beendet. Das Ende der Isolierung Südafrikas bedeutete auch, dass ein neuer Akteur auf der politischen Bühne Afrikas erschien, zumal ein wirtschaftliches Schwellenland. (Melber: 2001, S. 4)

Innerstaatliche Konflikte wie z.B. in Somalia 1992 zeigten die Ohnmacht nicht nur der internationalen Gemeinschaft, sondern auch der OAU. (Meyns: 2002, S. 56)

Das Ende des Ost-West-Konflikts bedeutete für Afrika nicht nur das Ende der machtpolitischen Interessen der östlichen bzw. westlichen Mächte, sondern auch eine partielle Verschiebung des Interesses und der Unterstützung der westlichen Welt, etwa durch Entwicklungshilfe, hin zu den Staaten des früheren Ostblocks oder nach Lateinamerika oder Asien. Afrikanische Regierungen stehen deshalb unter zunehmendem Druck, ihre grenzüberschreitenden Probleme selbst zu lösen, wobei funktionierende Gemeinschaften helfen könnten. (Thomson: 2000, S. 245, Joannidis: 2002 und Zehender: 2001, S. 1)

Die sich mit dem Ende des Ost-West-Konflikts beschleunigende Globalisierung führte schon auf dem OAU-Gipfel 1990 zu einer Erklärung die von der „realen Gefahr der Marginalisierung des Kontinents“ spricht. Der schon 1981 in diesem Zusammenhang verabschiedete Lagos-Plan hatte allerdings bis dahin kaum Fortschritte gemacht. Die Einsicht, daß die Bildung von Wirtschaftsgemeinschaften einen wichtigen Zwischenschritt zur Integration in die Weltwirtschaft darstellt, erhielt wieder Auftrieb. Außerdem wurde die Notwendigkeit einer stärkeren gemeinsamen Interessenvertretung bei internationalen Foren z.B. GATT/WTO deutlich. (Meyns: 2002, S. 56/57, Hofmeier: 2004, S. 191 und Zehender: 2001, S. 1)

[...]


[1] Norden: Ägypten, Sudan, Djibouti, Kenia; Süden: Malawi, Sambia, Simbabwe; außerdem: Madagaskar, Mauritius

Excerpt out of 79 pages

Details

Title
Einigungstendenzen in Afrika - die europäische Einigung als Modell?
College
University of Hamburg
Grade
2,3
Author
Year
2005
Pages
79
Catalog Number
V54532
ISBN (eBook)
9783638497091
ISBN (Book)
9783638709040
File size
704 KB
Language
German
Notes
Untersucht umfassend die Einigungstendezen in Afrika auf regionaler und kontinentaler Ebene, arbeitet Ihre Stärken und Schwächen heraus und vergleicht mit der europäischen Integration.
Keywords
Einigungstendenzen, Afrika, Einigung, Modell
Quote paper
Georg Schwedt (Author), 2005, Einigungstendenzen in Afrika - die europäische Einigung als Modell?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54532

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