Zygmunt Bauman gilt als einer der renommiertesten Soziologen der Postmoderne und als derjenige, der diesen Begriff maßgeblich prägte. Für ihn ist das „Bedürfnis nach Rationalität“ (Bauman, 1992, S. 271) der zentrale Wesenszug der (Post-)Moderne - eine Rationalität, die fiktiv und unerreichbar ist, da im Zuge des Strebens nach ihr kontinuierlich neue Mehrdeutigkeiten entstehen, die nach rationalen Lösungen verlangen.
Vor diesem Hintergrund betrachte ich eine Tätigkeit, der eine immer größere Gruppe von Menschen nachgehen und dessen Maxime „Self-knowledge through numbers“ lautet. Es geht um die totale Objektivierung des menschlichen Körpers, um die Rationalisierung einer der letzten Bastionen der Subjektivität. In meiner Arbeit möchte ich aufzeigen, inwiefern es sich in die Theorien Baumans einbetten lässt, beziehungsweise inwiefern es sich bei Quantified Self um ein prototypisches Phänomen der Postmoderne bei Bauman handelt.
In meiner Darstellung der Analysen Zygmunt Baumans stelle ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und gehe eher punktuell vor. Im Sinne des Umfangs meiner Arbeit und im Sinne des Bezugs auf meinen Analyseschwerpunkt gehe ich beispielsweise nicht auf den Holocaust an den Juden in Europa als Konsequenz der Moderne ein, ein Bereich, der im Lebenswerk Baumans einen großen Platz einnimmt. Dafür beleuchte ich innerhalb eines groben Abrisses über die Charakteristika der Moderne und der Postmoderne jeweils explizit das Individuum-Körper-Verhältnis, einen Bereich, der mich im Hinblick auf die Quantified Self-Bewegung, die sich der Übersetzung von Körperfunktionen in Zahlen verschrienen hat, besonders interessiert. Darüber hinaus skizziere ich aus eben jenem Grund die Rolle, die nach Bauman die Technologie und die Wissenschaft in der Postmoderne einnehmen.
Ich halte es für sinnvoll, in das Lebenswerk Baumans und die Konzepte, die hinter seiner Definition der (Post-)Moderne stehen am Anfang meiner Arbeit einzuführen. Im Anschluss gebe ich einen Überblick über die Quantified Self-Bewegung, während ich diese im letzten Abschnitt in Baumans Theorien eingliedere.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Moderne als Kampf gegen das Chaos
- Ambivalenz als Produkt der Moderne
- Körperlichkeit in der Moderne
- Der Wandel zur Postmoderne
- Identitätsbildung in der Postmoderne
- Der postmoderne Körper
- Postmoderne als Konsumgesellschaft
- Die Rolle der Experten
- Wissenschaft...
- ...und Technologie
- Exkurs: die flüchtige Moderne
- Die Quantified Self-Bewegung
- Geschichte der Quantified Self-Bewegung
- Motivationsgründe für Quantified Self
- Das Individuum vor neuen Problemen
- Der Selbstquantifizierer als Prototyp des postrnodernen Menschens nach Zygmunt Bauman
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Quantified Self-Bewegung im Kontext der soziologischen Theorien Zygmunt Baumans. Sie untersucht, inwiefern sich die Praxis der Selbstquantifizierung in Baumans Konzept der Postmoderne einordnen lässt und ob der Selbstquantifizierer als Prototyp des postmodernen Menschen betrachtet werden kann.
- Die Ambivalenz der Moderne und Postmoderne
- Das Individuum-Körper-Verhältnis in der Postmoderne
- Die Rolle von Wissenschaft und Technologie in der Postmoderne
- Die Selbstquantifizierung als Ausdruck des Strebens nach Selbstoptimierung und Kontrolle
- Die Auswirkungen der Selbstquantifizierung auf die individuelle und gesellschaftliche Ordnung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt die zentralen Forschungsfragen vor. Es wird erläutert, warum die Quantified Self-Bewegung im Lichte der Theorien Zygmunt Baumans relevant ist.
Im zweiten Kapitel wird Baumans Konzept der Moderne als Kampf gegen das Chaos dargestellt. Es wird gezeigt, wie das Streben nach Ordnung und Rationalität zu Ambivalenz und neuen Problemen führt.
Das dritte Kapitel behandelt die Ambivalenz als Produkt der Moderne. Es wird erläutert, wie die Klassifikation und Einordnung der Welt zu neuen Mehrdeutigkeiten und Unsicherheiten führt.
Das vierte Kapitel beleuchtet das Individuum-Körper-Verhältnis in der Moderne. Es wird gezeigt, wie der Körper in der modernen Gesellschaft als Werkzeug der Arbeit und des Kampfes betrachtet wurde.
Das fünfte Kapitel beschreibt den Wandel von der Moderne zur Postmoderne nach Bauman. Es wird erläutert, wie der Staat seine Ordnungsansprüche verliert und das Individuum zunehmend für die soziale Ordnung verantwortlich wird.
Das sechste Kapitel behandelt die Identitätsbildung in der Postmoderne. Es wird gezeigt, wie das Individuum in der Postmoderne seine Identität durch individuelle Lebensplanung selbst gestalten muss.
Das siebte Kapitel beleuchtet den postmodernen Körper. Es wird erläutert, wie der Körper in der Postmoderne zum Empfänger von Empfindungen und zum Werkzeug der Lust wird.
Das achte Kapitel beschreibt die Postmoderne als Konsumgesellschaft. Es wird gezeigt, wie der Konsum zum zentralen Merkmal der postmodernen Gesellschaft wird und wie der Konsument zum Selbstverständnis des Individuums wird.
Das neunte Kapitel behandelt die Rolle der Experten in der Postmoderne. Es wird erläutert, wie der Experte zum Vermittler zwischen Subjektivität und Objektivität wird und wie er die Individualität durch eine überindividuelle Autorität bestätigt.
Das zehnte Kapitel beleuchtet die Rolle der Wissenschaft in der Postmoderne. Es wird gezeigt, wie die Wissenschaft zu einem System mit Selbsterhaltungsdynamik wird und wie sie neue Probleme erzeugt, um sich selbst zu erhalten.
Das elfte Kapitel behandelt die Rolle der Technologie in der Postmoderne. Es wird gezeigt, wie die Technologie zum Träger von Fachwissen wird und wie sie sich als „Lösung auf der Suche nach Problemen" darstellt.
Das zwölfte Kapitel bietet einen Exkurs in die „flüchtige Moderne" nach Bauman. Es wird erläutert, wie die Ordnung in der flüchtigen Moderne zu einem hochdynamischen Konstrukt wird und wie die Individuen in einem ständigen Prozess des Relativierens von Interessen und Beziehungen leben.
Das dreizehnte Kapitel beschreibt die Quantified Self-Bewegung. Es werden die Praxis der Selbstquantifizierung, die verwendeten Technologien und die Motivationsgründe der Anhänger erläutert.
Das vierzehnte Kapitel behandelt die Geschichte der Quantified Self-Bewegung. Es wird gezeigt, wie sich die Bewegung in den letzten Jahren entwickelt hat und wie sie von der Technologie geprägt ist.
Das fünfzehnte Kapitel beleuchtet die Motivationsgründe für Quantified Self. Es werden die Argumente der Selbstoptimierung und der Behandlungsoptimierung dargestellt.
Das sechzehnte Kapitel behandelt die möglichen Probleme, die durch die Selbstquantifizierung entstehen können. Es wird gezeigt, wie die Selbstquantifizierung zu einem Verlust der gesunden Selbstwahrnehmung, zu paranoide oder hypochondrische Züge und zu Fremdherrschaft führen kann.
Das siebzehnte Kapitel untersucht, inwiefern der Selbstquantifizierer als Prototyp des postmodernen Menschen nach Zygmunt Bauman betrachtet werden kann. Es wird gezeigt, wie die Selbstquantifizierung als Ausdruck des Strebens nach Rationalität, Selbstoptimierung und Kontrolle verstanden werden kann.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Quantified Self-Bewegung, die Postmoderne nach Zygmunt Bauman, Selbstoptimierung, Selbstquantifizierung, Körperlichkeit, Wissenschaft, Technologie, Ambivalenz, Identität und soziale Ordnung.
- Arbeit zitieren
- Jakob Kluge (Autor:in), 2013, Die Quantified Self-Bewegung als Phänomen der Postmoderne nach Zygmunt Bauman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273490