Haftung im web 2.0: Die Verantwortlichkeit der Betreiber von Webforen


Seminararbeit, 2008

27 Seiten, Note: 17


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

B. Die neue Erscheinungsform des „Web 2.0“

C. Haftungsregelungen für Webforenbetreiber
I. Gesetzliche Spezialregelungen des Internets
II. Differenzierung der Haftung nach Art des Forumsbeitrages
1. Eigene Inhalte
2. Fremde Inhalte
3. Sich-zu-Eigen-gemachte Inhalte
III. Reichweite der Verantwortlichkeit von Webforenbetreibern
1. Verantwortlichkeit für Schadensersatz
a) Kenntnis der Rechtswidrigkeit
b) Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit bei Schadensersatzansprüchen
2. Problematik der Unterlassungsansprüche
IV. Entwicklung der Rechtsprechung zur Verantwortlichkeit
1. „Rolex“-Entscheidung des BGH
a) Darstellung des Urteils
b) Bewertung des Urteils
2. Der „Heise“-Fall
a) Darstellung der Urteile des LG und OLG Hamburgs
b) Bewertung der Entscheidungen
3. Der Alternativansatz des OLG Düsseldorf
a) Subsidiarität der Haftung als Alternative
b) Bewertung des Ansatzes des OLG Düsseldorf
4. Bestätigung der „Rolex“- Rechtsprechung durch den BGH
5. Erneute Abweichung durch das LG Hamburg.

D. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

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Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 67. Aufl., 2008.

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A. Einleitung

Durch immer günstigere Tarifangebote der sog. Provider ist das Internet mittlerweile für fast jedermann günstig zugänglich geworden1. So wird nicht mehr nur präzise nach bestimmten Internetseiten und Informationen gesucht, sondern häufig ein Großteil der Freizeit mit Surfen im Internet verbracht. Zu unzähligen Themen jedweder Art finden sich Internetseiten und Angebote, welches einen genauso immensen Bedarf an Meinungsaustausch zwischen den Benutzern mit sich bringt. Plattformen dazu bieten vor allem Internetforen, wo Erfahrungsberichte und Beurteilungen von Produkten oder einfach nur gemeinsame Interessen diskutiert werden können. In den letzten Jahren ist die Zahl solcher Foren enorm gestiegen und sie stellen nunmehr ein häufig genutztes Kommunikationsmittel dar. Da aber auch das Internet bekanntlich kein rechtsfreier Raum ist, gelten auch hier Normen und Regeln für alle Nutzer. Im Folgenden sollen insbesondere die Haftungsvorschriften der Webforenbetreiber näher beleuchtet werden, welche sehr verworren erscheinen und bislang von Literatur und Rechtsprechung höchst unterschiedlich ausgelegt werden.

B. Die neue Erscheinungsform des „Web 2.0“

Diente vor einigen Jahren das Internet noch vornehmlich der reinen Informationsbeschaffung, so hat es sich der Charakter des Internets in letzter Zeit gewandelt: durch Tauschbörsen, Open-Source-Projekte und Internetforen spielt heutzutage der interaktive und kommunikative Aspekt des Internets eine gewichtige Rolle. Der Benutzer ist nicht nur passiver Konsument von Informationen sondern kann selbst aktiv werden und seinerseits Informationen bereitstellen, an Projekten mitarbeiten oder in Foren diskutieren. Diese Wandlung wird allgemein als „Web 2.0“ bezeichnet2, als eine neuere Version des Internets.

Die für diese Seminararbeit maßgeblichen Internetforen spielen im Web 2.0 eine gewichtige Rolle. Durch sie kann nahezu jeder Benutzer an Themendiskussionen unterschiedlichster Natur, sei es aktuelles Tagesgeschehen oder das gemeinsame Hobby, teilhaben und mitwirken. In einem Forum werden die einzelnen Themenbereiche und Beiträge archiviert und sind in der Regel über einen längeren Zeitraum abrufbar. Teilweise sind alle Beiträge für jedermann lesund kommentierbar, sodass eine Diskussion auch mit anonymen Gästen möglich ist. Teilweise wird hingegen eine Registrierung der Forumsnutzer verlangt, bei der die persönlichen Daten angegeben werden müssen. Eine Kontrolle dieser Daten findet jedoch nicht statt, sodass auch hier eine gewisse Anonymität gewahrt werden kann. Eine Identifikation des Nutzers kann lediglich über dessen Internet-Protocol-Adresse (IP) erfolgen, die jeder Besucher des Forums hinterlässt, welche abgespeichert wird und rückverfolgbar ist. Der Betreiber des Forums ist in aller Regel auch gleichzeitig Administrator und mit umfangreichen Befugnissen zur Verwaltung ausgestattet. Diese Einflussnahmemöglichkeit sowie das Bereitstellen des Forums führen dazu, dass auch der Betreiber bei auftretenden Rechtsverletzungen innerhalb seines Forums grundsätzlich haftbar gemacht werden kann. Die Reichweite und Ausprägung dieser Haftung wird teils durch Spezialgesetze, teils durch allgemeine Normen begründet. Eine genaue Festsetzung des Haftungsrahmens erscheint jedoch schwierig und wird äußerst unterschiedlich vorgenommen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Ansichten sollen im Folgenden dargelegt und anschließend bestmöglich zu einer Tendenz zusammengefasst werden.

C. Haftungsregelungen für Webforenbetreiber

I. Gesetzliche Spezialregelungen des Internets

Spezialgesetzliche Regelungen zu Haftungsmaßstäben und Haftungsbeschränkungen für Webforenbetreiber ergeben sich aus dem TMG, welches seit dem 01.03.2007 in Kraft ist und sowohl das TDG als auch den MDStV abgelöst und größtenteils in sich vereinigt hat. Eine komplizierte Unterscheidung der Angebote im Internet nach Teleund

Mediendiensten ist somit hinfällig geworden.3 Auf eine positive Definition der Telemedien wurde im Gesetzgebungsverfahren bewusst verzichtet, sodass sie nur negativ, über eine Abgrenzung zu Telekommunikation und Rundfunk, definiert werden können.4 Die Anwendbarkeit des TMG auf Internetforen lässt sich jedoch unproblematisch bejahen, da Interforen sowohl Teleals auch Mediendienste sein konnten und zudem weder Rundfunk noch Telekommunikation darstellen. Naturgemäß befasst sich aber noch ein Großteil der Literatur und Rechtsprechung zu diesem Thema mit den abgelösten Vorschrif- ten. Inhaltlich finden sich die entscheidenden Haftungsnormen des TDG (§§ 8- 11) und des MDStV (§§ 6-10) in den §§ 7-10 TMG unter dem Kapitel „Verantwortlichkeit“ wieder. Im Gesetzgebungsverfahren haben jedoch neue Erkenntnisse um Haftungsproblematiken keinen Einzug gefunden, sodass die Vorschriften ohne inhaltlich klarstellende Überarbeitung aus dem TDG übernommen wurden5.

II. Differenzierung der Haftung nach Art des Forumsbeitrages

Im Gesetzeswortlaut findet sich eine Haftungsunterscheidung für die Art der Foreninhalte, welche einen unterschiedlichen Verantwortlichkeitsgrad mit sich führen.

1. Eigene Inhalte

Originär ist natürlich auf die Inhalte abzustellen, welche die Betreiber selbst veröffentlichen. § 7 TMG stellt dabei die allgemeinen Grundsätze auf, dass Forenbetreiber für eigene Informationen, also eigene Beiträge, nach den allgemeinen Vorschriften haften (Abs. 1).

2. Fremde Inhalte

Für fremde Informationen gelten die §§ 8-10 TMG, wobei jedoch nach § 7 II TMG eine präventive Überwachungsoder Überprüfungs- pflicht dieser Inhalte explizit ausgeschlossen ist und somit eine Haftungsprivilegierung begründet wird. Fremd sind die Inhalte dann, wenn sie für einen Dritten erkennbar nicht vom Forumsbetreiber selbst stammen, sondern von einem anderen eingestellt wurde.6 Für solche Informationen bzw. Beiträge haftet der Betreiber nicht, sofern er sie nur durchleitet (§ 8 TMG), zwischenspeichert ohne Veränderungen daran vorzunehmen (§ 9 TMG) oder keine Kenntnis (§ 10 Nr. 1, 1. Fall TMG) bzw. grob fahrlässige Unkenntnis bei Schadensersatzansprüchen (§ 10 Nr. 1, 2. Fall TMG) von der „rechtswidrigen Handlung oder der Information“ hat. Erlangt der Betreiber Kenntnis, so kann er die Beiträge unverzüglich löschen oder den Zugang dazu sperren, um in die Haftungsprivilegierung zu gelangen (§ 10 Nr. 2 TMG).

3. Sich-zu-Eigen-gemachte Inhalte

Zudem hat sich eine dritte Gruppe von Inhalten herausgebildet, die keine Normierung im Gesetz findet, aber stark diskutiert wird. Es sollen auch dann eigene Inhalte vorliegen, wenn der Betreiber fremde Inhalte so übernimmt, dass er erkennbar für sie die Verantwortung übernehmen will.7 Die Existenz dieser Art von Inhalten wird mittlerweile weitgehend angenommen8, eine Auslegung dieses Begriffs wird jedoch unterschiedlich vorgenommen. So liegt einer Auffassung nach ein sich-zu-Eigen-machen bereits bei bloßer Verwendung eines allgemeinen Disclaimers vor, da ein Betreiber lenkend auf die Inhalte einwirken könne.9 Noch weiter ging das LG Trier, das ein grundsätzliches Sich-zu-Eigen-machen des Forenbetreibers von Beiträgen annahm, solange er keine Überprüfung und ggf. Entfernung der Beiträge annahm.10 Diese alten Auffassungen dürften jedoch durch die Rechtsfortbildung der Rechtsprechung als überholt gelten. Sie sind jedenfalls schon deswegen abzulegen, da der Wortlaut des § 7 II TMG solche Überprüfungspflichten explizit ausschließt.

Zudem führt eine solch weite Auslegung des Begriffs der eigenen Inhalte dazu, dass Sinn und Zweck des TMG verfehlt werden.11 Ziel ist es, die Anbieter von den Haftungsrisiken für Informationen Dritter zu befreien. Dieser Zweck wurde auch ausdrücklich in § 7 II TMG normiert. Eine extensive Definition der eigenen Inhalte würde so zu einer Umgehung dieses Zwecks führen. Ein Meinungsforum zeichnet sich in der Regel durch Meinungsneutralität aus, sodass Beiträge weder eigene noch zu Eigen gemachte Informationen des Portalbetreibers, sondern fremde Informationen darstellen.12

Überhaupt erscheint es fraglich, eine Unterscheidung der Verantwortlichkeit nach der Art der Inhalte vorzunehmen. Zwar sieht die Gesetzessystematik des TMG eine solche Differenzierung vor, allerdings könnten europarechtliche Vorgabe sie möglicherweise überflüssig machen. Das alte TDG sowie das neue TMG dienen u.a. auch zur Umsetzung der sog. „E-Commerce-Richtlinie“.13 Unter Bezugnahme auf Art. 14 ECRL wird eine solche Unterscheidung nach dem Ursprung der Inhalte jedoch teilweise abgelehnt.14 Aus dem Wortlaut der ECRL ergibt sich, anders als bei den nationalen Gesetzen, keine Unterscheidung nach der Herkunft der Inhalte. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für eine etwaige Haftungsprivilegierung ist allein die Tätigkeit des Speicherns der Inhalte für Dritte15. Bestehen hingegen Einflussmöglichkeiten der Betreiber auf die Nutzer und deren Beiträ- ge, greift die Haftungsprivilegierung nicht (Art. 14 II ECRL, § 10 S. 2 TMG). Demnach sei also ein gewisses Unterordnungsverhältnis der Nutzer zu den Forenbetreibern erforderlich.16 Ein solches kann bei öffentlichen Foren jedoch in der Regel nicht angenommen, da diese lediglich eine Plattform für den Meinungsaustausch bieten. Foren- betreiber speichern die Beiträge der Forumsbesucher nur auf ihren Servern ab17, haben jedoch keine Weisungsbefugnis. Generell dürfte der Anwendungsbereich für diese Fallgruppe eher marginal sein.18 Auch das TMG hat den Ausschluss der Privilegierung in § 10 S.2 ü- bernommen, unterscheidet dennoch zusätzlich anhand der Fremdheit der Informationen. Eine solche Unterscheidung anhand des Ursprungs der Inhalte ist jedoch unnötig, alleiniges Kriterium ist das Speichern der Informationen für Dritte. Dies würde auch die komplizierte Aufteilung nach Art der Inhalte überflüssig werden lassen.19 Somit greift für die Forenbetreiber die weite Haftungsprivilegierung des Art. 14 I ECRL, sodass sie dem Wortlaut entsprechend für Beiträge ihrer Forumsnutzer grundsätzlich nicht haften müssen.

Die Folge sollte sein, dass die Rechtsprechung in Zukunft das Kriterium der Fremdheit aufgibt und als Abgrenzungskriterium die Normen europarechtskonform auslegt.20 Inwieweit dies bisher geschehen ist, soll an späterer Stelle näher untersucht werden.

III. Reichweite der Verantwortlichkeit von Webforenbetreibern

Grundsätzlich sollen Forenbetreiber also in den Genuss der Haftungsprivilegierung der §§ 8-10 TMG kommen, da sie lediglich die Beiträ- ge Dritter speichern. Doch auch die Reichweite ihrer Verantwortlichkeit bzw. Nichtverantwortlichkeit hat ihre Grenzen. Diese sollen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung bei Schadensersatzund Unterlassungsansprüchen beleuchtet werden. Dabei ist besonders die Verantwortlichkeit bei Unterlassungsansprüchen in der Praxis problematisch und sehr umstritten.

1. Verantwortlichkeit für Schadensersatz

Haftungsmaßstab ist in § 10 TMG positive Kenntnis im Allgemeinen sowie grob fahrlässige Unkenntnis bei Schadensersatzansprüchen, wo ein Kennenmüssen bereits ausreichend ist.21 Das bedeutet also eine verschärfte Haftung bei Schadensersatzansprüchen. Allerdings ist zudem zu klären, worauf sich die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen beziehen muss.

a) Kenntnis der Rechtswidrigkeit

Der Wortlaut des § 10 S.1 Nr. 1 TMG spricht von der „rechtswidrigen Handlung oder der Information“. Es stellt sich mithin die Frage, ob auch Kenntnis bzw. Kennenmüssen bezüglich der Rechtswidrigkeit der Information erforderlich ist oder ob nur bei der Handlung auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit abgestellt werden muss. Die Gesetzesbegründung zum TDG verlangte nur eine Kenntnis der rechtswidrigen Handlung, während bei der Information die Kenntnis der Rechtswid- rigkeit nicht notwendig sei.22 Dieses Verständnis ist jedoch vielfach auf Kritik gestoßen23 und findet wohl auch bei europarechtskonformer Auslegung des TMG keine Grundlage.24 Zwar bietet die deutsche Fassung der ECRL keine genauen Hinweise, so ergibt sich jedoch aus anderen Übersetzungen, dass Kenntnis sowohl von der Rechtswidrigkeit der Handlung als auch der Information erforderlich ist.25

Eine solche Interpretation führt auch in der Praxis zu erheblich mehr Rechtssicherheit.26 Zum einen erscheint es kaum praktikabel, die Fülle von Informationen in Foren auf ihre Rechtswidrigkeit zu überprüfen, zum anderen würde dies eine Überprüfungspflicht der Betreiber begründen, die dem Wortlaut des § 7 II TMG zuwiderläuft.27 Schließlich ist die Rechtswidrigkeit, gerade für den juristischen Laien, oft gar nicht ersichtlich, da Rechtfertigungsgründe vorliegen könnten, die dem Forenbetreiber gänzlich unbekannt sind.28

[...]


1 In Deutschland sollen laut http://www.heise.de/newsticker/meldung/83774 rund 68 % aller Erwachsenen einen Zugang zum Internet haben.

2 Vgl. dazu Dörr/Schwartmann, Medienrecht, Rn. 7, 306; http://de.wikipedia.org/wiki/Web_2.0.

3 Bender/Kahlen, MMR 2006, 590 (591).

4 Holznagel, Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informationsund Kommunikationsdienste, BT-Drs. 16/3078 und 16/3135; Spindler, CR 2007, 239 (240); Bender/Kahlen, MMR 2006, 590 (591).

5 Hoeren, NJW 2007, 801 (805); Spindler, CR 2007, 239 (240).

6 Spindler, in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 8 Rn. 4; Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (444).

7 Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (444); so auch der Gedanke des Gesetzgebers, vgl. BT- Drs. 14/6098.

8 Vgl. nur Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (444) m.w.N.

9 OLG Köln, CR 2002, 678.

10 LG Trier, MMR 2002, 694.

11 Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (445).

12 Schmitz/Laun, MMR 2005, 208 (211).

13 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), Abl.EG L 178 v. 17.07.2000, S. 1-16; vgl. auch Bender/Kahlen, MMR 2006, 590; Hoeren, NJW 2007, 801.

14 Spindler, MMR 2004, 442.

15 Vgl. auch Spindler, in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 8 Rn. 8.

16 Schwarz/Poll, JurPC Web-Dok 73/2003, Abs. 36; Spindler, MMR 2004, 440 (442).

17 Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 29: a.A.: Jürgens, CR 2006, 188 (190).

18 Vgl. Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 30 zu betriebsinternen Foren.

19 Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 31.

20 Hoffmann, MMR 2002, 284 (288); Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 29.

21 Hoffmann, MMR 2002, 284 (288); Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 33.

22 BT-Drs. 14/6098, 25.

23 Vgl. nur Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (447) und Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 35.

24 Spindler, in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 8 Rn. 19.

25 Ebd.; Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (447); der französische Wortlaut von Art. 14 ECRL lautet: „le prestataire n’ait pas effectivement connaissance de l’activité ou de l’information illicite “.

26 Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 36.

27 Gramespacher, JurPC Web-Dok, 131/2005, Abs. 14; Sobola/Kohl, CR 2005, 443 (447).

26 Bedner, JurPC Web-Dok 94/2007, Abs. 36.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Haftung im web 2.0: Die Verantwortlichkeit der Betreiber von Webforen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Seminar im Medienrecht
Note
17
Autor
Jahr
2008
Seiten
27
Katalognummer
V113236
ISBN (eBook)
9783640137558
ISBN (Buch)
9783640137657
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haftung, Verantwortlichkeit, Betreiber, Webforen, Seminar, Medienrecht
Arbeit zitieren
Jan Przygoda (Autor:in), 2008, Haftung im web 2.0: Die Verantwortlichkeit der Betreiber von Webforen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113236

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