Stichwort "Ekphrasis" - Versuch eines Resümees anhand von Texten zur Rhetorik, Literatur- und Kunstgeschichte


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


GLIEDERUNG

I.) Problemerläuterung des Begriffs „Ekphrasis“ und Anmerkungen zur nachfolgenden Seminararbeit

II.) Untersuchung ausgewählter „Ekphrasis“ – Texte: Aspekte, Schlussfolgerungen und Perspektiven
1.) „Der Schild des Achilleus“ : Eine Auseinandersetzung mit der ersten überlieferten Ekphrasis
2.) Fragen zur Gattung und der Herkunft bei Fritz Graf
3.) Diskussion in Anlehnung an Ruth Webb: Ekphrasen und ihr Beitrag zum modernen Diskurs über die Künste

III.)Exkurs: Problematik von Wort-& Bildkunst im Theater

IV.) Quellenverzeichnis

I.) Problemerläuterung des Begriffs „Ekphrasis“ und Anmerkungen zur nachfolgenden Seminararbeit

„Ekphrasis – was ist das eigentlich?“ – eine berechtigte Frage, für die sich sehr schwer eine passende und vor allem ausreichende Antwort finden lässt und was sich zugleich als grundlegendste Problematik für die Bearbeitung dieses Themas erweist. Im Laufe des von Fr. Sprigath angebotenem Seminars wurde versucht, sich dem Themenkomplex systematisch anzunähern und das anhand einiger wissenschaftlicher Texte, die ich nun auch als Grundlage für meine Seminararbeit benutze. Trotz der langen Tradition des Begriffs findet sich das Wort „Ekphrasis“ weder im Duden noch im „außerwissenschaftlichen“ Sprachgebrauch. Was bezeichnet es also und warum ist „Ekphrasis“ ein eigenständiger Begriff neben der der „Bildbeschreibung“? Des Weiteren ergibt sich die Frage, ob „Ekphrasis“ die Bezeichnung für eine Gattung darstellt oder nur eine Art Untergattung betitelt. Und überhaupt: Warum scheint der Begriff in der Moderne soviel Konfliktpotenzial aufzuwerfen? Ziel dieser Seminararbeit muss also sein, diese grundlegenden Fragen anzugehen und im idealen Fall zu versuchen, eine Antwortmöglichkeit zu finden.

Um einen Einstieg in folgende Seminararbeit zu ermöglichen scheint es daher sinnvoll, eine erste, vorläufige und vor allem einleitende Definition des Begriffs „Ekphrasis“ zu formulieren, welche ich bei der folgenden Ausarbeitung als Grundlage benutze. Für mich ist daher „Ekphrasis“ allgemein eine besondere Form der Bildbeschreibung. Genauer: eine literarische Form, welche es schafft, so lebendig ein Kunstwerk zu beschreiben, dass der Leser sich innerlich eine genaue Vorstellung von dem Kunstwerk macht ohne es aber in Wirklichkeit vor sich zu SEHEN. Ekphrasis scheint also ausgehend von dieser vorläufigen Definition eine Art Verbindungsstelle darzustellen zwischen der indirekt visuellen Ausdrucksmöglichkeit eines literarischen Text und der direkten visuellen Konfrontation mit einem Kunstwerk.

Ob diese Definition hinreichend scheint oder nicht, inwieweit sie überhaupt stimmen mag oder nicht und ob sie sich noch genauer präzisieren lässt – dass möchte ich am Ende dieser Arbeit in einer Art Fazit noch einmal aufgreifen. Gegenstand dieser Arbeit ist also keine reine Analyse oder Inhaltsangabe der bearbeiteten Texte des Seminars – vielmehr möchte ich einzelne Texte herausgreifen und sie als eine Art Hilfestellung betrachten, um eigene Aspekte herausarbeiten zu können und in Hinblick auf oben genannte Fragestellungen zu verwenden. Ziel dieser Arbeit ist also die Erstellung eines subjektiven Resümees des Seminars, aus welchem ich am Ende versuchen werde objektive Schlüsse zu ziehen. Daher sind auch subjektive Meinungen in nachfolgendem Text zu erwarten – ich werde sie jedoch einerseits ausdrücklich als solche kennzeichnen und andrerseits nur aufwerfen, um mich dem Ziel einer objektiven Beantwortung der oben genannten Fragestellungen anzunähern.

II.) Untersuchung ausgewählter „Ekphrasis“ – Texte: Aspekte, Schlussfolgerungen und Perspektiven

1.) „Der Schild des Achilleus“ : Eine Auseinandersetzung mit der ersten überlieferten Ekphrasis

Als Einstiegstext wurde im Seminar mit dem Text „Der Schild des Achilleus“ von Erika Simon[1] begonnen. Wichtig ist ihr Text für meine Untersuchung daher, weil die Herstellung des Achilleus – Schild, so wie sie im „Ilias“ beschrieben wird[2], als erste überlieferte Bildbeschreibung gilt[3] und meiner Meinung nach eine unglaubliche Wirkungskraft besitzt. Mit Wirkungskraft meine ich damit die Anregung der visuellen Vorstellungskraft des Hörers bzw. Lesers und dass dieser Zustand wieder nur allein durch die Beschreibung ausgelöst wird. Es scheint nun sinnvoll zu sein, sich zunächst der Schildbeschreibung im Homer – Text anzunehmen, um diese Wirkungskraft genauer spezifizieren zu können, um danach einzelne Aspekte aus dem Aufsatz der Erika Simon aufzugreifen.

Die bildhafte Beschreibung der Schildherstellung durch Hephaistos, den „ hinkenden Feuerbeherrscher[4], nimmt im Homer – Text eine zentrale Rolle ein. Das lässt sich zum einen an der Länge der Beschreibung, zum anderen aber auch anhand der inhaltlichen Positionierung im „Ilias“ belegen. Wie Erika Simon bereits festgestellt hat, stellt der 18. Gesang im „Ilias“ eine Art Wendepunkt dar, da Achilleus nun endlich aktiv in den Krieg gegen Hektor ziehen will, um seinen gefallenen Freund Patroklos zu rächen.[5] Seine Mutter Thetis sieht nun aber den Tod ihres Sohnes voraus und aus Angst eilt sie zu Hephaistos, um von ihm vor dem nächsten Morgen und der sich anbahnenden Schlacht eine neue Rüstung für Achilleus zu bekommen, damit dieser nicht unbewaffnet in den Krieg zieht. Wie am obigen Zitat bereits deutlich wird, scheint dieser Hephaistos eine Art Monstrum zu sein: ein behinderter Halbgott, der aber so mächtig ist, dass er zum einen das Feuerelement beherrscht und zum anderen eine unglaublich vollkommene Rüstung in einer Nacht zu fertigen vermag. Dennoch scheint das Schild vielmehr als nur Rüstung: durch sein nahezu perfektes Abbild der Welt in detailgetreuen und vor allem „lebendigen Bildern“ und der Verwendung kostbarster Metalle wirkt es eher wie ein Kunstwerk als wie ein Werkzeug. Mit Blick auf die in der Einleitung formulierte Definition finden wir hier also eine erste Bestätigung: Die erste überlieferte und als solche betitelte Ekphrasis ist eine Beschreibung eines Kunstwerkes. Auch besitzt sie eine derart ausgeprägte „lebendige“ Sprache, durch die uns das Kunstwerk wie vor einem „geistigen Auge“ erscheint. Doch geht die Schildbeschreibung nicht noch einen Schritt weiter? Es gibt keine archäologischen Beweise dafür, dass das Schild der Beschreibung entsprechend WIRKLICH so existiert hat, wie Erika Simon ausführlich darstellt[6]. Es handelt sich also in erster Linie um ein gedachtes Kunstwerk, dessen Herstellung uns aber dennoch so „lebendig“ geschildert wird dass wir es uns in einer Art und Weise bildlich vorstellen können, d.h. es scheint für unsere Vorstellungskraft die Existenz des Kunstwerkes generell möglich zu sein und das scheint das Entscheidende. Hier spiegelt sich auch die Verbindungsstelle zwischen Sprache/Text und bildhafter Darstellung wider. Es scheint also sinnvoll die vorläufig getätigte Definition von Ekphrasis zu erweitern: es müssen scheinbar nicht immer real existierende Kunstwerke sein, um die Wirkungsweisen einer Ekphrasis zu erfüllen.

Wenn man nun abschließend die Argumentation von Erika Simon in ihrem Aufsatz „Der Schild des Achilleus“ betrachtet, fallen mehrere interessante Aspekte auf: Bereits zu Beginn des Textes spricht sie von einer Auflösung des neuzeitlichen Problems zwischen der der Simultanität der Bildkunst und dem Nacheinander der Wortkunst[7]. Das Problem scheint folgendes: Ein Bild oder Kunstwerk wirkt unmittelbar und sofort, während Wörter zwangsläufig eine bestimmte Aneinanderreihung beinhalten und diese erst nach Bewältigung dieser Aneinanderreihung wirken können. Wie sollen diese zwei Gegensätze also zusammenspielen können wie bei der Ekphrasis? Und was ist folglich die „bessere“ Art und Weise: die Bildkunst oder die Wortkunst? Auch später im Text kommt Erika Simon nochmal auf dasselbe Thema zu sprechen, als sie sagt, dass Homer sich scheinbar mit der Bildkunst beschäftigt haben muss und dessen Vorzüge, die LEBENDIGKEIT, deswegen versucht hat in seine Epik einzubauen[8]. Für mich scheint die Aussage von Erika Simon dennoch eine Zwiegespaltene zu sein: generell wird das Schild ja nach und nach hergestellt, ebenso wie die Worte nach und nach wirken. Es scheint also durchaus eine Art Auflösung zwischen dem scheinbaren Gegensatz Bild & Wort stattzufinden. Dennoch scheint das Problem der Moderne damit aber noch nicht generell gelöst weil es vielschichtiger scheint.

Im selben Absatz erwähnt sie auch dass die Ekphrasis des Schildes zwar die Erste, dennoch gleich die Vollendeteste aller Ekphrasen ist[9]. Ist dem wirklich so? Um diese Aussage bestätigen zu wollen, braucht es meinerseits mehr Vergleichsmaterial. Ebenso scheint es, dass Erika Simons Aufsatz zwar eine gute Einleitung ist, um auf die moderne Situation und die damit stattfindende Problematik hinzuführen, aber dennoch bleiben wichtige Fragen zur generellen Einordnung und Herkunft des Phänomens „Ekphrasis“ bis jetzt unangesprochen. Im nachfolgenden Abschnitt möchte ich daher zum besseren Verständnis kurz den Aufsatz „Ekphrasis: Die Entstehung der Gattung in der Antike“[10] von Fritz Graf behandeln und sehen, ob bzw. inwiefern sich die gestellten Fragen beantworten lassen.

[...]


[1] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage

[2] Homer: Ilias. Kopiervorlage (S. 319, Vers 468 – S. 322, Vers 607)

[3] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 123 oben)

[4] Homer: Ilias. Kopiervorlage (S. 318 Vers 462)

[5] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 123 Mitte)

[6] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 127 – 133; der 2. Teil ihres Aufsatzes)

[7] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 124; Ende des dritten Absatzes)

[8] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 126 unten – 127 Mitte)

[9] Erika Simon: Der Schild des Achilleus. Kopiervorlage (S. 124; Ende des dritten Absatzes)

[10] Fritz Graf: Ekphrasis: Die Entstehung einer Gattung in der Antike. Kopiervorlage

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Stichwort "Ekphrasis" - Versuch eines Resümees anhand von Texten zur Rhetorik, Literatur- und Kunstgeschichte
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Die "Bildbeschreibung" (Ekphrasis) und die Vieldeutigkeit der Bilder: von der Rhetorik zur Literatur- und Kunstgeschichte
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V145989
ISBN (eBook)
9783640567331
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ekphrasis, bildbeschreibung, philosophie, schild des achilles, fritz graf, ruth webb
Arbeit zitieren
Sandra Straube (Autor:in), 2009, Stichwort "Ekphrasis" - Versuch eines Resümees anhand von Texten zur Rhetorik, Literatur- und Kunstgeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145989

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