ArbG Stuttgart - Keine mehrmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2010

15 Seiten


Leseprobe


ArbG Stuttgart*: Keine mehrmalige Inanspruchnahme[1] /[2] von Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen[3] /[4]

„Der weit reichende sozialrechtliche Schutz soll seit der Sozialgesetzgebung unter Bismarck denen zugute kommen, die nur ihre Arbeitskraft haben, um ihre Lebensgrundlage zu schaffen“.[5]

Die Pflegezeit[6] nach § 3 PflegeZG kann pro pflegebedürftigen[7] nahen Angehörigen nur einmal ununterbrochen bis zu einer Gesamtdauer von längstens 6 Monaten beansprucht werden.[8][9]

Das PflegeZG selbst enthält keine eigenständige Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung. Übt der Beschäftigte sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 2 Abs. 1 PflegeZG aus, entfällt sein Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 BGB.

Die Parteien streiten über einen Anspruch[10] der klägerischen Partei[11] auf Pflegezeit gemäß § 3 Abs. 1 PflegeZG.[12] Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.01.1986 seit dem 01.04.1986 als Betriebsmittelkonstrukteur bei der Beklagten angestellt. Die Mutter des Klägers Frau N. wurde mit Wirkung ab 01.02.2005 durch die Pflegekasse B. Ersatzkasse nach der Pflegestufe I als pflegebedürftig anerkannt.[13]

Der Kläger hat am 19.02.2009 der Beklagten die Pflege seiner pflegebedürftigen[14] Mutter für den Zeitraum vom 15.06. bis 19.06.2009 mitgeteilt[15], was die Beklagte ihm bestätigt hat. Der Kläger zeigte mit Schreiben vom 09.06.2009 an, dass er seine pflegebedürftige Mutter vom 28.12.2009 bis zum 29.12.2009 pflegen werde, was die beklagte Partei nicht bestätigt hat, da der Kläger bereits von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter bereits einmal Gebrauch gemacht habe. Stattdessen wurde für den Zeitraum 28./29.12.2009 eine unbezahlte Freistellung des Klägers angeboten.[16] Das Rechtsschutzbedürfnis der Klage ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Beklagte für die Zeit der beanspruchten Pflegezeit vom 28. bis 29. Dezember 2009 eine unbezahlte Freistellung anbietet.[17] /[18] Damit wäre zwar dem klägerischen Begehren nur auf unbezahlte Freistellung für diesen genannten Zeitraum Rechnung getragen. Dies lässt jedoch außer Acht, dass die Geltendmachung der Pflegezeit noch weitergehende Rechtsfolgen auch hinsichtlich des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses nach sich zieht. Nach § 5 Abs. 1 PflegeZG[19] darf der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen, es sei denn, die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde hätte eine solche Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt (vgl. § 5 Abs. 1, Abs. 2 PflegeZG). Der Kläger kann nicht ein zweites Mal Pflegezeit - diesmal für den Zeitraum 28.12.2009 bis 29.12.2009 - nach § 3 PflegeZG beanspruchen, da er diesen Anspruch nur einmal geltend machen kann, und diesen bereits im Zeitraum 15.06. bis 19.06.2009 verbraucht hat.

Ihm steht nach Maßgabe von § 3 PflegeZG nur einmalig eine Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen[20] zu. Die Bestimmung in § 4 Abs. 1 PflegeZG[21] ist § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nachgebildet. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 PflegeZG[22] regeln ausdrücklich nur die Verlängerung der Pflegezeit, jedoch nicht die Aufteilung auf mehrere Zeitabschnitte, zwischen denen eine Unterbrechung liegt. Insofern weicht die Regelung des PflegeZG von der entsprechenden Regelung der Elternzeit ab. Auch deutet der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 („längstens 6 Monate")[23] auf einen einheitlichen, ununterbrochenen Zeitraum hin.[24] Das PflegeZG hat im Unterschied zu den Regelungen der Elternzeit die Bestimmung nach dem Regelungsvorbild des § 16 Abs. 1 Satz 5 BEG nicht übernommen, wonach die Elternzeit auf mehrere Zeitabschnitte verteilt werden kann. Auch systematische Belegungen bestätigen diese Rechtsauffassung. Das PflegeZG sieht zweierlei Arbeitsfreistellungen aus Anlass der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen vor. Da ist zum Einen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis zu 10 Arbeitstagen, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen (vgl. § 2 PflegeZG). Daneben befindet sich eine auf längstens 6 Monate befristete Pflegezeit, in der der Beschäftigte von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen ist, wenn er in dieser Zeit einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt. Wird für einen kürzeren Zeitraum eine Pflegezeit in Anspruch genommen, kann sie bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Diese Verlängerung kann jedoch nur dann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann. Die Beanspruchung einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder einer Pflegezeit hat jedoch auch Einfluss auf den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Nach § 5 PflegeZG darf der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 oder der Pflegezeit nach § 3 nicht kündigen.[25] Nach Auffassung der streitentscheidenden Kammer folgt hieraus folgendes: Aus dem Gegensatz der Modalitäten von Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung nach dem PflegeZG wird deutlich, dass eine Pflegezeit nach § 3 PflegeZG für die längerfristige, vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung über einen Zeitraum von längstens 6 Monaten bestimmt ist. Besteht nur ein kurzfristiger Pflegebedarf, etwa um eine Versorgungslücke in der Pflegesituation eines nahen Angehörigen zu überbrücken, besteht die Möglichkeit, eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu 10 Arbeitstagen nach § 2 PflegeZG geltend zu machen. In dieser Zeit kann eine bedarfsgerechte Pflege organisiert oder selbst in eigener Regie eine pflegerische Versorgung sichergestellt werden. Eine Pflegezeit nach § 3 PflegeZG stellt eine vollständige oder teilweise Arbeitsfreistellung dar, indem der betroffene Arbeitnehmer seinen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung eigenhändig und dann für einen deutlich längeren Zeitraum von längstens bis zu 6 Monaten pflegen will. Die Pflegezeit ist regelungssystematisch daher nicht auf eine Abwesenheit vom Arbeitsplatz bemessen nach Tagen, sondern für einen deutlich längeren Zeitraum angelegt. Da mit der Geltendmachung von Arbeitsfreistellung nach § 2 PflegeZG sowie nach § 3 PflegeZG Eingriffe in die betrieblichen Belange des Arbeitgebers zwangsläufig verbunden sind, sollte der Bestandsschutz der Beschäftigen, die Freizeit nach dem PflegeZG verlangen, nach Maßgabe von § 5 PflegeZG gestärkt werden, indem eine Kündigung nur ausnahmsweise mit behördlicher Zustimmung gestattet ist. Ein weitergehender Kündigungsschutz sollte hierdurch nicht bewirkt werden. Würde man der Auffassung der klagenden Partei folgen, dass ein Beschäftigter Pflegezeiten bis zu einem Zeitkonto von 6 Monaten beliebig aufteilen und in seinem Arbeitsleben verteilen könnte, wäre es gewissermaßen möglich durch geschicktes zeitliches Verteilen von Ankündigung und Durchführung von mehreren Pflegezeiten nach § 3 PflegeZG einen durchgehenden Kündigungsschutz nach § 5 Abs. 1 und 2 PflegeZG[26] zu erlangen, in dem das Arbeitsverhältnis nur nach ausnahmsweiser Zulässigkeitserklärung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde gekündigt werden könnte. Bei berechtigter Inanspruchnahme von Pflegezeit wirkt das Kündigungsverbot vom Zugang der schriftlichen Ankündigung nach § 3 Abs. 3 Abs. 1 PflegeZG bis zum Ende der Pflegezeit. Da im Unterschied zu § 18 Abs. 1 Satz 1 BEG der besondere Kündigungsschutzgesetz nicht beispielsweise auf einen 8-Wochen-Zeitraum vor Antritt der Pflegezeit zeitlich begrenzt ist, bewirkt eine berechtigte Inanspruchnahme der Pflegezeit das Kündigungsverbot vom Zugang der schriftlichen Ankündigung bis zum Ende der Pflegezeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB), auch dann, wenn die Pflegezeit erst Wochen oder Monate nach der Ankündigung später beginnen soll. Einen solch weitgehenden Sonderkündigungsschutz wollte das PflegeZG sicherlich nicht bewirken. Dieser sollte lediglich absichern, dass sich Beschäftigte nicht aus Furcht vor Beendigungskündigungen davon abhalten lassen ihre Rechte auf Pflegezeit geltend zu machen.[27]

[...]


* Mit Erläuterungen von Prof. Dr. Dr. Siegfried Schwab, Mag. rer. publ. unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (DH) Silke Schwab und Referendarin Heike Schwab. Die Auseinandersetzung mit dem Gedanken, als Pflegefall langfristig oder gar dauernd auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, scheuen viele Menschen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pflegebedürftigkeit und Pflege ein Stück Realität in einer alternden Gesellschaft darstellen. So gab es (Stand Dezember 2007) in Deutschland 2,25 Mio. Menschen, die pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) waren. Damit hat die Zahl der Pflegebedürftigen im Vergleich zu Dezember 1999 um 231.000 Personen oder 11,4 % zugenommen. Der weit überwiegende Teil der Pflegebedürftigen wird zu Hause, d.h. durch Angehörige oder ambulante Pflegedienste versorgt. Lediglich der prozentual geringere Teil wird stationär in Pflegeheimen betreut. Hierbei ist jedoch auffällig, dass in den letzten beiden Jahren die Zahl der in Heimen Versorgten weniger stark zugenommen hat als die Zahl der Menschen, die durch ambulante Pflegedienste oder durch Angehörige zu Hause versorgt werden. Der Trend zur professionellen Pflege in Heimen erscheint damit gebrochen. 1.033.000 Menschen erhielten im Dezember 2007 Pflegegeld und wurden zu Hause allein durch Angehörige gepflegt. Der weit überwiegende Teil hiervon ist der Pflegestufe I zugeordnet; auf Pflegestufe II entfällt knapp ein Drittel. Wohl nicht zuletzt aufgrund der hohen zeitlichen, physischen und psychischen Belastung ist bei der Gruppe der zu Hause von Angehörigen versorgten Patienten der Anteil der Pflegebedürftigen nach Pflegestufe III mit 8,3 % am geringsten, vgl. Czernik, Die Pflegereform aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2009. Wenn Pflegebedürftigkeit auch durch pränatale Schädigung, Krankheit oder Unfall zum Schicksal von Kindern und jungen Menschen werden kann, steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, zum Pflegefall zu werden, mit zunehmendem Alter. So waren – ebenfalls Stand Dezember 2007 – lediglich 5 % der Bundesbürger zwischen 70 und 75 Jahren einer Pflegestufe zugeordnet. Bei den über 90-jährigen lag diese Quote bereits bei 62 %. Der Gesetzgeber hat mit dem am 01. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Regelungen getroffen, um die Pflege durch Angehörige in häuslicher Umgebung zu stärken. So konstatiert der Gesetzgeber einerseits den „Wunsch vieler pflegebedürftiger Menschen, durch vertraute Angehörige in gewohnter Umgebung gepflegt zu werden.“ Dies lässt sich durch die Zahlen der Pflegestatistik untermauern: Zumindest in den Pflegestufen I und II geht der Trend dahin, das pflegebedürftige Familienmitglied zu Hause zu pflegen. Die oftmals als „Abschiebung“ empfundene Weggabe in ein Pflegeheim wird so vermieden. Andererseits ist die ambulante Pflege, insbesondere jedoch die häusliche Pflege durch Angehörige, für die Pflegeversicherung günstiger als die vollstationäre Versorgung des pflegebedürftigen Patienten in einem Heim. Um es berufstätigen Angehörigen leichter zu ermöglichen, sich eine gewisse „Auszeit“ zur Pflege naher Familienangehöriger zu nehmen, sind durch das PflegeZG die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden.

[1] LAG B-W, Urteil vom 31.03.2010, das PflegeZG sieht eine mehrfache Inanspruchnahme von Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen nicht vor. Der Sinn und Zweck des PflegeZG gebietet keine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Zeitabschnitte. Zwar hat der Gesetzgeber den Sinn und Zweck des PflegeZG ausweislich der BT-Drs. 16/7439 S. 91 f. selbst betont, nämlich die Pflegeversicherung noch besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen sowie ihrer Angehörigen auszurichten und dem Grundsatz "ambulant vor stationär" stärker als bisher Rechnung zu tragen. Allerdings folgt daraus nicht das Gebot, eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Zeitabschnitte zu statuieren, diese in die alleinige Gestaltungsmacht des pflegenden Arbeitnehmers zu legen und jegliche Belange des Arbeitgebers dahinter zurücktreten zu lassen. Eine solch unausgewogene Regelung hat dem Gesetzgeber zu Recht fern gelegen. So hat er etwa in § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG bestimmt, dass die Inanspruchnahme von Pflegezeiten nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten besteht, weil der Ausfall eines freizustellenden Arbeitnehmers in Kleinbetrieben regelmäßig schwieriger zu kompensieren ist als in größeren. Auch die Verlängerung der einmal zeitmäßig bestimmten Pflegezeit gem. § 3 Abs. 3 PflegeZG ist gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG an die Zustimmung des Arbeitgebers oder an wichtige Gründe gebunden. Im Übrigen ist die Pflegezeit selbst auf 6 Monate begrenzt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG).

[2] Auch systematische Erwägungen sprechen nach Auffassung des LAG B-W gegen die vom Kläger erwünschte Auslegung. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/7439 S. 91 f.) sind die Regelungen der Pflegezeit und der Pflegeteilzeit an die Elternzeitbestimmungen der §§ 15 ff. BEEG angelehnt. So hat der Gesetzgeber die in § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG geregelte Möglichkeit der Verlängerung der Elternzeit auch für die Pflegezeit und die Pflegeteilzeit vorgesehen. Hat der Beschäftigte die Höchstdauer gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG von 6 Monaten nicht ausgeschöpft, kann die Pflegezeit regelmäßig nur mit formfreier und nicht fristgebundener Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden (§ 4 Abs. 1 S. 2 PflegeZG). Der Arbeitgeber ist in seiner Entscheidung frei. Es handelt sich nicht um die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 BGB, Gallner, in ErfK, § 4 PflegeZG, RN 1). Ausnahmsweise hat der Beschäftigte Anspruch auf Verlängerung der Pflegezeit, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 4 Abs. 1 S. 3 PflegeZG). Diese Regelung ist § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nachgebildet, Gallner a. a. O., § 4 PflegeZG, RN 1. § 16 Abs. 3 S. 4 BEEG wird in der Gesetzesbegründung sogar ausdrücklich zitiert (BT-Drs. 16/7439 S. 92). Das PflegeZG hat die Regelung des § 16 Abs. 1 S. 5 BEEG nicht übernommen. Danach kann die Elternzeit auf 2 Zeitabschnitte verteilt werden; eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Aus dem Fehlen jeglicher, eine Aufteilung der Pflegezeit ermöglichender Regelung ist deshalb zu folgern, dass nur eine einmalige Pflegezeitnahme pro pflegebedürftiger Person in Betracht kommen sollte. Andernfalls wäre eine dem § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG entsprechende Regelung geboten gewesen, um einen Systembruch im Verhältnis der Anforderungen an die Verlängerung der Pflegezeit einerseits und die Aufteilung der Pflegezeit andererseits zu vermeiden. Denn ansonsten könnte eine Verlängerung der Pflegezeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers (§ 4 Abs. 1 S. 2 PflegeZG) oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 PflegeZG verlangt werden, während die Aufteilung der Pflegezeit in eine unbestimmte Vielzahl von Zeitabschnitten bis zur Dauer der Höchstgrenze einseitig im (freien?) Ermessen des Arbeitnehmers (zu beachten ist m. E. § 315 Abs. 3 BGB) läge und nur eine Ankündigungsfrist von mindestens 10 Arbeitstagen beachtet werden müsste (§ 3 Abs. 3 S. 1 PflegeZG), obwohl eine so verstandene Aufteilungsmöglichkeit im Regelfall wesentlich höhere Anforderungen an das Planungsvermögen des Arbeitgebers betreffend die Ersatzbeschaffung für den Arbeitnehmer stellte.

[3] ArbG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2009 - 12 Ca 1792/09, BB 2010, 705. Joussen, Streitfragen aus dem PflegeZG, NZA 2009, 69 - das primär aus sozialpolitischen Gründen eingeführte Gesetz beinhaltet unterschiedliche Ansprüche zu Gunsten der Arbeitnehmer. Das PflegeZG sollte die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern. Das PflegeZG soll vor allem helfen, die Pflege besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen und deren pflegender Angehörigen auszurichten. Es wollte den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass der Pflegebedürftigen so lange wie möglich durch vertraute Angehörige in gewohnter Umgebung oder zumindest ambulant und nicht in einem Pflegeheim versorgt werden kann, BR-Dr 718/07, S. 1, 82.

[4] Die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege soll ausweislich der Gesetzesbegründung gestärkt werden. Die Pflegezeitregelungen basieren auf zwei Säulen: Bei unerwartetem Eintritt einer Pflegesituation eines nahen Angehörigen erhalten Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen (§ 2 PflegeZG). Für eine längere Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung können Berufstätige in Unternehmen mit mehr als fünfzehn Beschäftigten bis zu sechs Monate Pflegezeit in Anspruch nehmen; hierbei können sie zwischen der vollständigen und einer teilweisen Freistellung von der Arbeit wählen (§§ 3, 4 Abs. 1 PflegeZG). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 sind „Beschäftigte von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit).“ Der Begriff „Pflegezeit“ kennzeichnet den Freistellungsgrund, hier die Pflege. Das Merkmal ist erfüllt, wenn der ArbN die häusliche Betreuung und Versorgung des Pflegebedürftigen übernimmt. Die Inanspruchnahme ambulanter Hilfsdienste der Pflegeversicherung ist unschädlich. Der von § 3 Abs. 1 S. 1 begründete sog. Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung besteht nicht bei Kleinbetrieben i. S. von § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG. Gegenüber ArbG mit höchstens 15 Beschäftigten besteht kein Recht auf Pflegezeit. Das PflegeZG schließt die gleichzeitige Inanspruchnahme von Pflegezeit durch mehrere beschäftigte Angehörige für denselben pflegebedürftigen nahen Angehörigen nicht Die Pflege von Pflegebedürftigen insbesondere der Pflegestufe III, vor allem in Härtefällen, kann oft nicht allein geleistet werden.

*[5] Schlegel, Wen soll das Sozialrecht schützen? - Zur Zukunft des Arbeitnehmer- und Beschäftigtenbegriffs im Sozialrecht, NZS 2000, 421 - historisch gesehen ist die Sozialversicherung eine „Organisationshilfe des Staates” zur zwangsweisen Eigenvorsorge, Isensee, Finanzverfassung und Sozialrecht, SDSRV 35 (1992), S. 20; Schulin, Gutachten für den 59. DJT, 1992, E 44. Ausgangspunkt ist und war die wirtschaftliche Schwäche und Abhängigkeit der Arbeitnehmer und die Erkenntnis, dass die Vertragsautonomie der Arbeitsvertragsparteien nicht das hält, was sie verspricht. Rechtliches Fundament des Arbeitslebens war und ist der Arbeitsvertrag. Dieser geht von der formalen (Rechts-) Gleichheit der Vertragsparteien und damit - jedenfalls seiner Idee nach - von gleich starken Vertragspartnern aus. Die sozial und wirtschaftlich schwächere Stellung des ArbN erfordert eine Absicherung, wenn er gesellschaftspolitisch wirksame Aufgaben wahrnimmt, die seine Einkommenssituation beeinträchtigen.

[6] Der Freistellungsanspruch zur Pflege ist in § 2 PflegeZG ausdrücklich geregelt. Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Tage der Arbeit fernzubleiben, wenn nur so eine bedarfsgerechte Pflege in einer akuten Pflegesituation sicherzustellen ist § 2 Abs. 1 PflegeZG. Beschäftigte i. S. des Gesetztes sind Arbeitnehmer, auch leitende Angestellte, zur Berufsausbildung Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen zu denen auch die in Heimarbeit Beschäftigten und ihnen Gleichgestellte gehören. Gerechtfertigt ist die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Personengruppen durch die wirtschaftliche Unselbständigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit, Müller, BB 2008, 1058. Von einer akut aufgetretenen Pflegesituation ist dann auszugehen, wenn sie plötzlich, unerwartet und unvermittelt aufgetreten ist, BT-Drucks 16/7439, S. 90; Freihube/Sasse, DB 2008, 1320. Die kurzfristig entstandene Pflegesituation („Pflegebedürftigkeit“) muss auf für den ArbN nicht rechtzeitig vorhersehbaren Umständen beruhen und ihn vor organisatorische Schwierigkeiten stellen, die er nicht anderweitig lösen kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Beschäftigte die Pflegesituation objektiv nicht hat vorraussehen können. Es genügt, wenn sie für ihn subjektiv nicht vorhersehbar und damit auch nicht planbar war, Müller, in Feichtinger, RN 12f. Das PflegeZG enthält keine Regelung über die Häufigkeit der Freistellungsansprüche. Die Gesetzesbegründung geht zwar davon aus, dass das Recht des Beschäftigten, der Arbeit fernzubleiben durch die Begrenzung auf Akutfälle nur 1 mal pro Angehöriger in Anspruch genommen werden kann, BT-Drucks 16/7439, S. 91. Eine zeitliche Begrenzung oder Regelung zur Häufigkeit fehlt aber. Notsituationen können freilich bei mehrfacher, auch unterschiedlicher Erkrankung, Organisationsproblemen, z. B. Erkrankung oder Unfall der Pflegekraft kurzfristig und unvorhersehbar entstehen, sodass sich die kurzzeitige Arbeitsverhinderung wiederholen kann. Ergänzend ist der Gesetzeszweck zur Begriffsklärung heranzuziehen. Die häusliche Pflege sollte aus humanitären und finanziellen Gründen gestärkt werden. Vor dem Hintergrund ist auch die mehrmalige Inanspruchnahme der Pflegezeit für einen Angehörigen von § 2 PflegeZG abgedeckt, vgl. Gallner, in ErfK, § 2 PflegeZG, RN 2; Preis/Nehring, NZA 2008, 730f. § 2 PflegeZG gilt nur für die Pflege naher Angehöriger. Nach § 2 PflegeZG hat der ArbN ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn er nicht anders eine bedarfsgerechte Pflege sicherstellen kann. Das Recht der Arbeit fern zu bleiben, entsteht sofort, ohne Ankündigungsfrist und ohne Mitwirkungshandlung des ArbG, Müller, in Feichtinger, § 2 PflegeZG, RN 21f. Ein Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung ist lediglich dann nicht gegeben, wenn die Betreuung des pflegebedürftigen Angehörigen durch eine objektiv und subjektiv pflegefähige Person sichergestellt ist. Die konkrete Dauer der Inanspruchnahme der Pflegezeit muss erforderlich sein. Der ArbN muss dies nachweisen, sodass er nicht von der Höchstdauer ausgehen kann, vgl. Linck, Offene Fragen des Pflegezeitgesetzes, BB 2008, 2738 - das Leistungsverweigerungsrecht aus § 2 Abs. 1 PflegeZG steht neben dem aus § 275 Abs. 3 BGB. Es ist mit diesem jedoch nicht identisch. Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB hat einen weiter gehenden Anwendungsbereich. Es greift nicht nur in den in § 2 Abs. 1 PflegeZG genannten Fällen ein, sondern auch bei sonstigen Pflichtenkollisionen und Gewissenskonflikten. § 275 Abs. 3 BGB erfordert allerdings eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, während es für das Leistungsverweigerungsrecht aus § 2 Abs. 1 PflegeZG allein darauf ankommt, dass auf Seiten des Beschäftigten die dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber kann allenfalls geltend machen, es sei nicht "erforderlich" gewesen, der Arbeit fernzubleiben, Müller/Stuhlmann, ZTR 2008, 291, muss dies dann aber auch substantiiert glaubhaft machen. Die bloße Behauptung reicht nicht.

[7] Der Begriff der Pflegebedürftigkeit entspricht dem der §§ 14, 15 SGB XI. § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit (1) 1Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 ) der Hilfe bedürfen. Krankheiten oder Behinderungen im Sinne des Absatzes 1 sind:

Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat,

Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane,

Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen, vgl. Müller, a.a.O., RN 19. Nach der Gesetzesbegründung reicht eine voraussichtlich zu erwartende Pflegebedürftigkeit aus, BT-Drucks 16/7439 S. 94. Ausreichend ist danach, wenn aufgrund der Erkrankung voraussichtlich eine Pflegestufe festgestellt wird.

Die Hilfe im Sinne des Absatzes 1 besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.

[8] Von Steinau-Steinrück, Mosch, Angehörigenpflege und Arbeitsrecht, NJW-Spezial, 2010, 178 - nach § 1 PflegeZG verfolgt das Gesetz das Ziel, Beschäftigten zu ermöglichen, nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen, um die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern. Das Gesetz findet nicht nur zu Gunsten von Arbeitnehmern Anwendung. „Beschäftigte” in diesem Sinne sind auch Auszubildende und die so genannten arbeitnehmerähnlichen Personen, § 7 Abs. 1 PflegeZG.

[9] Das PflegeZG selbst sieht keinen Entgeltfortzahlungsanspruch vor. Eine Vergütungsfortzahlungspflicht kann sich nach § 2 Abs. 3 aber aus anderen gesetzlichen Regelungen (etwa aus § 616 S. 1 BGB oder aus dem nach § 25 BBiG unabdingbaren § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) BBiG) sowie aus tarifvertraglichen Regelungen (z. B. § 29 Abs. 1 S. 1 lit. e) TVöD/TV-L; näher Gabke, AiB 2009, 360; Schwerdle, ZTR 2007, 657, Betriebsvereinbarung oder Individualvertrag ergeben, BR-Drs. 718/07 S. 220. Es lässt sich keine Aussage des Gesetzgebers erkennen, ob und inwieweit § 2 PflegeZG auf § 616 BGB „ausstrahlt”. Die zeitlichen Voraussetzungen und Auswirkungen sind unterschiedlich. Nach § 616 BGB hat der zur Dienstleistung Verpflichtete nur Anspruch auf Weiterzahlung seiner Vergütung, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Diese unbestimmte Zeitangabe kann, muss aber nicht mit der tagesgenauen Freistellung nach § 2 PflegeZG übereinstimmen. Als Grund für die Fortzahlung der Vergütung ist die Pflege naher Angehöriger allerdings anerkannt, wenn eine anderweitige Versorgung für einen nicht zu langen Zeitraum nicht realisierbar ist, Dörner, in ErfK, § 616 BGB, RN 8. Mit dem PflegeZG wird erstmals ausdrücklich und positiv festgelegt, dass unter den gesetzlichen Voraussetzungen ein Arbeitsverhinderungstatbestand gegeben ist, der dem ArbN den Vergütungsanspruch nach § 616 unter dessen tatbestandlichen Voraussetzungen erhalten kann, Dörner, a.a.O., RN 8a.

[10] Der Gesetzgeber hat mit dem PflegeZG die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Beschäftigten die Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung zu ermöglichen, BR-Dr 718/07, S. 217, 219; Müller, Das PflegeZG und seine Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis BB 2008, 1058. § 2 des Gesetzes hat eine akut auftretende Pflegesituation im Blick hat und regelt in Anlehnung an § 616 BGB dass der betroffene Beschäftigte im Wege einer kurzzeitigen Arbeitsbefreiung die Möglichkeit hat, die Pflege zu organisieren.

[11] Beschäftigte i. S. d. PflegeZG sind auch selbstständig tätige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG). Gem. § 12 a Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b) TVG liegt eine wirtschaftliche Abhängigkeit vor, wenn die Beschäftigung überwiegend durch einen Dienstgeber erfolgt bzw. aus einem der Beschäftigungsverhältnisse zumindest das überwiegende Einkommen erzielt wird. Nach dem Gesetzeswortlaut wird auf Personen abgestellt, die (allein) "(...) wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (...)". Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird zur Begründung von § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG allerdings ausgeführt: "Arbeitnehmerähnliche Personen sind im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Pflegezeit wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit sozial ebenso schutzbedürftig wie Arbeitnehmer."

[12] § 3 des Gesetzes an die Regelung des § 15 BEEG an: Er enthält einen besonderen Rechtsanspruch auf eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (Pflegezeit). Deren Dauer bestimmt sich dann nach § 4 des Gesetze, Joussen, in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Onlinekommentar, § 1 PflegeZG RN 8ff; Gallner, in ErfK § 1 PflegeZG, RN 2. Die Regelungen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und der Pflegezeit werden durch einen Sonderkündigungsschutz (§ 5) und einen besonderen Befristungsgrund (§ 6) ergänzt. Die gesetzlichen Kompromissvorschriften – insbesondere der auf arbeitnehmerähnliche Personen ausgedehnte Kündigungsschutz, seine Dauer, die fehlende Wartezeit und die Weite des Angehörigenbegriffs – haben schon im Gesetzgebungsverfahren heftige Kritik hervorgerufen, Bauer, NJW 2008 Heft 8 Editorial; Berger-Delhey, ZTR 2007, 605 mit Entgegnung Kreutz, ZTR 2008, 246 ; Freihube/Sasse, DB 2008, 1322; Preis/Weber, NZA 2008, 83 ff.; Schwerdle, ZTR 2007, 661.

[13] Für das PflegeZG ist als gesetzgeberisches Ziel maßgeblich, die Pflege noch besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen sowie ihrer Angehörigen auszurichten, Gallner, in ErfK, PflegeZG § 1 RN 1; Preis/Nehring, Das Pflegezeitgesetz, NZA 2008, 729 - es wird wie bei der Elternzeit ein umfassender Freistellungs- und Teilzeitanspruch gewährt ; Hexel/Lüders, Offene Fragen des neuen Pflegezeitrechts, NZS 2009, 265 - der wirtschaftlich Abhängige soll zugleich seiner sozialen Stellung nach mit einem Arbeitnehmer vergleichbar sein, um arbeitnehmerähnliche Person im Sinne dieser Gesetze zu sein. Deshalb sind nach zutreffender Ansicht als arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des PflegeZG auch nur solche Dienstnehmer anzusehen, die ihre vertraglich geschuldete Leistung persönlich zu erbringen haben. Nur ein Beschäftigter, der seine Leistung persönlich zu erbringen hat. kann beim Eintritt eines Pflegfalls in die Situation geraten, dass er selbst die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht erfüllen kann.; vgl. Böhm, Klie/Krahmer, Sozialgesetzbuch XI, § 1 PflegeZG, RN 1.

[14] Diese Voraussetzungen erfüllen alle Personen, bei denen mindestens Pflegestufe I (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI) festgestellt ist.

[15] Damit sich der Arbeitgeber entsprechend einrichten kann, trifft Beschäftigte, die i. S. v. § 2 Abs. 1 PflegeZG kurzzeitig an der Arbeitsleistung verhindert sind, gem. § 2 Abs. 2 S. 1 PflegeZG die Pflicht, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) - mitzuteilen. Die Angabe der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsverhinderung ist notwendiger Bestandteil dieser Erklärung. Versäumt der Pflegezeitberechtigte dagegen lediglich die Ankündigungsfrist des § 3 Abs. 3 S. 1 PflegeZG, dann führt dies dazu, dass der Beginn der Pflegezeit entsprechend dem Umfang des Fristversäumnisses verschoben wird. Bei der Frist handelt es sich (wie auch bei § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG) um eine Schutzfrist für den Arbeitgeber, Dörner, in ErfK, § 16 BEEG, RN 5.

[16] Der Kläger ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Pflegezeit für höchstens 6 Monate bestehe und zwar für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Dieser Anspruch sei noch nicht erschöpft. Dieser könne auch mehrmals bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer geltend gemacht werden. Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass der Klage im Hinblick auf die angebotene unbezahlte Freistellung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, da die Pflegezeit nur ein Mal geltend gemacht werden könne.

[17] Das am 1.7.2008 in Kraft getretene PflegeZG (PflegeZG) beinhaltet u. a. einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bis zu sechsmonatige Freistellung von der Arbeit zur Pflege eines nahen Angehörigen, sog. Pflegezeit i. S. v. § 3 PflegeZG. Ob diese Pflegezeit nur zusammenhängend in Anspruch genommen werden kann, ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Könnte die Pflegezeit nur einmalig am Stück genommen werden, so hätte dies zur Folge, dass - auch bei Nichtausschöpfung der Maximaldauer von sechs Monaten - der Anspruch nach § 3 PflegeZG für den jeweiligen pflegebedürftigen Angehörigen durch die erste Pflegezeitnahme bereits vollständig "verbraucht" wäre, Geiselhart/Scheik, BB - das PflegeZG gewährt den Beschäftigten, die die Rechte aus dem Gesetz in Anspruch nehmen, einen umfassenden Kündigungsschutz. Eine Kündigung kann nur in Ausnahmefällen und nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde erfolgen. Der Kündigungsschutz setzt sofort mit Ankündigung der Pflegezeit ein, da im PflegeZG eine § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG entsprechende Regelung fehlt. Er endet mit Ablauf der Pflegezeit. Da es keine Regelungen gibt, die verhindern, dass die Inanspruchnahme der Pflegezeit sehr lange im Voraus angekündigt wird, kann auch eine erst in weiter Zukunft geplante Pflegezeitnahme angekündigt und ab diesem Zeitpunkt Kündigungsschutz beansprucht werden. Bei einer Aufteilungsmöglichkeit der Pflegezeit könnte dies beliebig oft wiederholt und immer nach Inanspruchnahme einer weiteren "Teil-Pflegezeit" sofort die nächste Pflegezeitnahme angekündigt werden. Dadurch könnte sich der Arbeitnehmer einen über viele Jahre hinziehenden Sonderkündigungsschutz verschaffen.

[18] Der Beschäftigte ist im Falle der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG weitgehend darauf verwiesen, sich freiwillig abzusichern, Schlegel, jurisPR-SozR 10/2008, Anm. 4. Mit der Inanspruchnahme von Pflegezeit fällt der Anspruch auf Arbeitsentgelt weg, führt die Gesetzesergänzung in § 7 Abs. 3 S. 4 <Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. 2Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Inanspruchnahme von Pflegezeit im Sinne des § 3 des Pflegezeitgesetzes> dazu, dass ab Beginn der Freistellung die Voraussetzungen der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht mehr vorliegen. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall auch nicht die „einmonatige Überlegungs- und Reaktionsfrist” des § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV.

[19] § 5 Kündigungsschutz

Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 oder der Pflegezeit nach § 3 nicht kündigen.

In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden. Die Bundesregierung kann hierzu mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.

Das Kündigungsverbot schützt die Beschäftigen ohne Wartezeit; also auch schon während der sechsmonatigen Wartezeit für das Einsetzen des allgemeinen Kündigungsschutzes § 1 Abs. 1 KSchG. Um Missbrauchsfällen vorzubeugen, könnte die Pflegezeit nicht auf den Ablauf der kündigungsrelevanten Wartefrist nach § 1 KSchG angerechnet werden. Nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es allerdings nur auf den rechtlichen Bestand (und die mit Bestand des Arbeitsverhältnis verstrichene Zeit an) des Arbeitsverhältnisses ankommt. Geschützt sind auch Auszubildende in der Probezeit des § 20 BbiG, Gallner, in ErfK, § 5 PflegeZG, RN 1. In den persönlichen Geltungsbereich fallen auch arbeitnehmerähnliche Personen, krit. zu dieser Neuheit in der deutschen Arbeitsrechtsgeschichte Freihube/Sasse, DB 2008, 1322 f.; Linck, BB 2008, 2738; Preis/Nehring, NZA 2008, 735 f.; Preis/Weber, NZA 2008, 83 f. Der generelle Sonderkündigungsschutz des § 5 PflegeZG für alle arbeitnehmerähnlichen Personen einschließlich der Heimarbeiter und ihnen Gleichgestellter geht über alle bisherigen Regelungen hinaus. Auch die Sonderkündigungsschutzbestimmungen der § 9 MuSchG, § 18 BEEG, §§ 85 ff. SGB IX, § 2 ArbPlSchG finden auf arbeitnehmerähnliche Personen keine Anwendung. Ausnahmen bestehen für Heimarbeiter und ihnen Gleichgestellte (§ 1 Abs. 1 und 1 Abs. 2 HAG) nach §§ 1 Nrn. 2, 9 MuSchG, §§ 18, 20 B20 Abs. 2 BEEG,, §§ 2, 7 ArbPlSchG, teilweise unter Einschränkungen. Eine Ausnahme gibt es ferner nach § 8 Abs. 4 ArbPlSchG für Handelsvertreter. Der Sonderkündigungsschutz beginnt nach dem Wortlaut der Norm zu dem Zeitpunkt, von dem an der Arbeitnehmer die kurzfristige Arbeitsbefreiung oder die Pflegezeit verlangt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist, wie auch bei § 18 Abs. 1 BEEG, der Zugang der Kündigungserklärung, nicht der Tag, zu dem das Arbeitverhältnis beendet werden soll, Rolfs, in APS, KündigungsR, § 18 BEEG, RN 11. Eine Kündigung verstößt danach nicht gegen § 5 PflegeZG, wenn sie dem Beschäftigten zugeht, bevor dieser die kurzzeitige Arbeitsbefreiung bzw. die Pflegezeit dem ArbG ankündigt, auch wenn sie das Arbeitsverhältnis erst zu einem innerhalb des Schutzzeitraums des § 5 PflegeZG liegenden Termin beenden will. Das Kündigungsverbot des § 5 ist bei einer Leistungsverweigerung nach § 2 Abs. 1 anders als bei der Ankündigung von Pflegezeit (§ 3 Abs. 1 S. 2) nicht an eine bestimmte Beschäftigtenzahl gebunden, da eine § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG vergleichbare Regelung fehlt. Ordentliche, außerordentliche und arbeitskampfbedingte Änderungs- oder Beendigungskündigungen sind bei der Leistungsverweigerung nach § 2 Abs. 1vom Zugang der formfrei möglichen Anzeige nach § 2 Abs. 2 S. 1 bis zum Ende der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nichtig (§§ 5 Abs. 1 PflegeZG, 134 BGB), vgl. Gallner, a.a.O., RN 1. Nimmt der Beschäftigte berechtigt Pflege(teil-)zeit in Anspruch, wirkt das Kündigungsverbot vom Zugang der schriftlichen Ankündigung nach § 3 Abs. 3 S. 1 bis zum Ende der Pflegezeit, Küttner/Reinecke, Personalbuch 2009 Pflegezeit RN 37. Der Gesetzgeber hat den besonderen Kündigungsschutz vor dem Beginn der Leistungsverweigerung oder der Pflegezeit zeitlich nicht begrenzt, vgl. Rose/Dörstling, DB 2008, 2138 - in § 9 MuSchG ist vorgesehen, dass der Sonderkündigungsschutz nicht mit der Ankündigung, schwanger werden zu wollen, beginnt, sondern erst mit dem Bestehen der Schwangerschaft an sich. Auch der Kündigungsschutz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers beginnt gem. § 90 Abs. 2a SGB IX erst dann, wenn ein entsprechender Nachweis der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch vorliegt. Somit reicht auch im SGB IX die Ankündigung, sich auf eine Schwerbehinderung untersuchen zu lassen bzw. einen entsprechenden Antrag stellen zu wollen, nicht aus. Diese Regelungen haben für den ArbG den Vorteil, dass er in der zeitlichen Abfolge zwischen Ankündigung und dem einsetzenden Sonderschutz das Bestehen der Tatbestandsmerkmale (hier der Elternzeit) überprüfen bzw. sich bescheinigen lassen kann. Ob tatsächlich nur so ist echter Sonderkündigungsschutz zu rechtfertigen, so Rose/Dörstling, a.a.O., ist m. E. zweifelhaft. Die psychische Situation zu Beginn einer Elternzeit ist anders, als bei plötzlichem Eintritt eines Pflegefalls im engen Familienkreis. Hier ist die Pflegeperson einem erheblichem psychischem Druck ausgesetzt, muss mit dem Ableben des Angehörigen einerseits rechnen, dessen Pflege organisieren und soll zusätzlich ordnungsgemäß ihre Arbeit erledigen. Der Druck steigert sich, wenn zusätzlich eine Familie, insbesondere Kinder zu versorgen sind. Den Kündigungsschutz bei der langen Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nur in zeitlich engem Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflegeleistung beginnen zu lassen, trägt der psychischen Situation des ArbN nicht ansatzweise Rechnung. Hier werden einseitig – zugunsten des ArbG – dem ArbN sozialpolitische Lasten auferlegt und der Regelungszweck des Pflegezeitgesetzes unterlaufen. der Sonderkündigungsschutz aus § 5 für das Recht auf Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 S. 1 voraus, dass der das Recht Ausübende Beschäftigter i.S.v. § 7 Abs. 1 ist, die Beschäftigtenzahl des ArbG den Schwellenwert des § 3 Abs. 1 S. 2 von 15 Beschäftigten überschreitet, einer der nahen Angehörigen des Beschäftigten (§ 7 Abs. 3) pflegebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 4 ist, der Beschäftigte ernsthaft beabsichtigt, den nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1), und die schriftliche Ankündigung der Pflegezeit dem ArbG zugeht (§ 3 Abs. 3 S. 1).

[20] Der Personenkreis der „nahen Angehörigen” wird in § 7 Abs. 3 PflegeZG definiert. Er ist weit gefasst. Onkel und Tanten, Stiefeltern und Stiefkinder sowie (Adoptiv-/Pflege-)Kinder des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft sind dennoch keine nahen Angehörigen im Sinne des PflegeZG. Im Hinblick auf die Ausnahme der letztgenannten Personen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Der abschließende Charakter der Norm und der eindeutigen Wortlaut lässt eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu, Joussen, NZA 2009, 69.

[21] Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG können Beschäftigte für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen eine Pflegezeit für längstens sechs Monate in Anspruch nehmen. Der Beschäftigte muss die gesetzlich vorgesehene Pflegezeithöchstdauer nicht ausschöpfen. In diesen Fällen kommt aber unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 PflegeZG eine Verlängerung der Pflegezeit bis zur Höchstdauer in Betracht, Müller, BB 2010, 705, BB-Kommentar.

[22] M dem Ende der notwendigen Pflegeleistung endet der Kündigungsschutz. Die Ursache ist dabei ohne Bedeutung. Das Gesetz knüpft an den Eintritt veränderter Umstände an. Veränderte Umstände liegen nach den Motiven des Gesetzgebers vor, wenn der Pflegefall z. B. durch Gesundung entfällt, die Pflegeleistung z. B. durch den Tod oder die Schwere der Erkrankung mit stationärer Pflege unmöglich oder z. B. durch finanzielle Engpässe des Pflegenden unzumutbar wird. In diesen Fällen endet der Schutz vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände.

[23] Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen längstens sechs Monate und zwar unabhängig davon, ob sich der pflegende Beschäftigte vollständig oder nur teilweise von seiner Arbeitspflicht freistellen lässt (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 PflegeZG). Bei Pflege mehrerer Familienangehöriger durch einen Beschäftigten kann für jeden pflegebedürftigen Familienangehörigen eine Pflegezeit in Anspruch nehmen. Hat der Beschäftigte die Höchstdauer nicht ausgeschöpft, kann die PZ regelmäßig nur mit formfreier und nicht fristgebundener Zust. des ArbG verlängert werden, § 4 Abs. 1 S. 2, Kossens, WzS 2009, 37; Müller, BB 2008, 1062. Hat der ArbN eine kürzere Freistellung als sechs Monate beansprucht, kann die Pflegezeit mit Zustimmung des ArbG bis zur Höchstdauer verlängert werden (§ 4 Abs. 1 S. 2). Ein Anspruch auf Zustimmung besteht nicht. Über die Annahme des Verlängerungsantrags des ArbN entscheidet der ArbG nach billigem Ermessen, str. a. A. Reinicke, in Küttner, Pflegezeit, RN 29 – freiem Ermessen, da keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht besteht. Es handelt sich nicht um die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts i.S.v. § 315 BGB, vgl. F reihube/Sasse, DB 2008, 1322.

[24] Nach vorzeitiger Beendigung einer Pflegezeit i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG steht dem Arbeitgeber, der eine Vertretungskraft befristet eingestellt hat, gegenüber dem vertretungsweisen Mitarbeiter ein Sonderkündigungsrecht aus § 6 Abs. 3 S. 1 PflegeZG zur Verfügung. Der Arbeitgeber kann dann der Vertretungskraft (in Abweichung zu § 622 BGB) unter Einhaltung einer zweiwöchigen Kündigungsfrist kündigen.

[25] Das PflegeZG räumt den Arbeitgebern die Möglichkeit ein befristet Vertretungskräfte einzustellen § 6 PflegeZG. Eine langfristige Personalplanung ist dadurch aber kaum möglich, da insbesondere im Hinblick auf erforderliche Einarbeitungszeiten derartige kurzzeitige Vertretungen für den Arbeitgeber keine echte Alternative darstellen.

[26] Voraussetzung des Sonderkündigungsschutzes nach § 5 Abs. 1 PflegeZG ist die akute Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen des Beschäftigten, dessen Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Personen beschäftigt. Der Sonderkündigungsschutz entsteht mit Zugang der formgerechten Erklärung des Beschäftigten über die Inanspruchnahme der Pflegezeit beim Arbeitgeber. Dabei sind die Schriftform des § 126 BGB zu beachten sowie Dauer und Zeitraum der Pflegezeit anzugeben. Der Berechnung der Ankündigungsfrist nach § 3 Abs. 3 S. 1 PflegeZG ist ein Zwei-Wochen-Zeitraum zugrunde zu legen. Feiertage, die auf Arbeitstage fallen, verlängern die Frist entsprechend. Das Pflegezeitgesetz enthält keine Maximalfrist für die Ankündigung der Pflegezeit. Die Ankündigung kann deshalb bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs für eine weit in der Zukunft liegende Pflegezeit erfolgen. Um Unsicherheiten über das tatsächliche Bestehen des Sonderkündigungsschutzes nach § 5 PflegeZG zu beseitigen, kann der Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde die Ausstellung eines Negativattestes beantragen und dies mit einem vorsorglichen Zustimmungsantrag verbinden, vgl. Novara, Sonderkündigungsschutz nach dem Pflegezeitgesetz, DB 2010, 503.

[27] § 7 Abs. 3 S. 1 regelt das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnis und der davon abhängigen Versicherungspflicht, wenn für einen begrenzten Zeitraum die Beschäftigung unterbrochen wird und der Anspruch auf Arbeitsentgelt entfällt; handelt sich um eine gesetzliche Fiktion , die nicht widerlegbar ist. § 7 Abs. 3 SGB IV lässt ein Beschäftigungsverhältnis bei kürzeren leistungslosen Unterbrechungen von aktiv weitergeführten Arbeitsverhältnissen fortbestehen. Die Monatsfrist in Abs. 3 S. 1 ist keine Voraussetzung, sondern begrenzt die Dauer des Fortbestehens. Wird für die Dauer einer Unterbrechung das Arbeitsentgelt fortgezahlt (z. B. bezahlter Urlaub, AU mit Entgeltfortzahlung) wird das Beschäftigungsverhältnis nicht unterbrochen. Die Entgeltfortzahlung ist ein Indiz für den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses. Ist das Arbeitsverhältnis beendet, kommt Abs. 3 nicht zur Anwendung. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und in der Pflegeversicherung nach § 49 Abs. 2 SGB XI i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (beitragsfrei) erhalten, solange ein Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Entsprechendes gilt nach § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, solange von einem Rehabilitationsträger während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird, vgl. Rittweger, in Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching, Beck'scher Online-Kommentar, § 7 SGB IV, RN 17. Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.5.2008 (BGBl I 874) ist ab 01.07.2008 vom nachlaufenden Versicherungsschutz auch die Zeit ausgenommen, in welcher Pflegepersonen die neue Pflegezeit in Anspruch nehmen. Sie müssen sich i.d.R in der Kranken- und Pflegeversicherung freiwillig versichern, sofern keine Familienversicherung (§ 10 SGB V) möglich ist. Dann sieht § 44a SGB XI Beitragszuschüsse vor. In der Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungspflicht gemäß § 26Abs. 2 b SGB III, vgl. Seewald, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 7 SGB IV, RN 184; Baier, in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 7 SGB IV, RN 60. Im Bereich der Rentenversicherung findet schließlich § 44 i.V.m. § 19 SGB XI Anwendung, denn die Pflege durch Familienangehörige oder Verwandte stellt sich grundsätzlich als nicht erwerbsmäßig dar, auch wenn das Pflegegeld (§ 37 SGB XI) an sie weitergegeben wird. Die Pflegekassen entrichten während der Pflegezeit die Rentenversicherungsbeiträge des pflegenden Angehörigen an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern der Pflegeaufwand mindestens 14 Stunden pro Woche beträgt. Aus der Eigenschaft als Pflegeperson i.S.d. § 19 SGB XI folgt nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII zugleich die Absicherung durch die gesetzliche Unfallversicherung für alle Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung des Pflegebedürftigen.

Durch Artikel 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz - RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I S. 2998) ist dem § 7 SGB IV mit Wirkung vom 01.01.1999 ein Absatz 3 angefügt worden, wonach die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt generell für einen Monat als fortbestehend gilt, sofern das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert und keine Entgeltersatzleistung bezogen oder Erziehungsurlaub (jetzt: Elternzeit) in Anspruch genommen wird. Hierzu hatten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung unter dem Datum vom 01.10.1998 eine gemeinsame Verlautbarung herausgegeben. Darin war u. a. vorgesehen, dass dann, wenn mehrere Unterbrechungstatbestände unterschiedlicher Art aufeinander treffen, die Zeiten der einzelnen Arbeitsunterbrechungen zusammenzurechnen sind und dies auch gilt, wenn Arbeitsunterbrechungen im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV (z. B. unbezahlter Urlaub) sich unmittelbar an Arbeitsunterbrechungen im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 2 SGB IV (z. B. Krankengeldbezug) anschließen.

Das Bundessozialgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Es hat durch Urt vom 17.02.2004 - B 1 KR 7/02 R - (USK 2004-18) entschieden, dass eine fortbestehende Mitgliedschaft in der Krankenversicherung rechtlich dieselbe Qualität hat wie diejenige, die ursprünglich durch das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis begründet worden ist. Deshalb hat das Bundessozialgericht in dem entschiedenen Fall im Anschluss an den Bezug von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld sowie die Gewährung von Erziehungsurlaub (Elternzeit) noch einen Forbestand des Versicherungsverhältnisses für einen Monat nach § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV eingeräumt.

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben über die Auswirkungen des oben genannten Urteils beraten und sind übereinkommen, die gemeinsame Verlautbarung vom 01.10.1998 zum Fortbestand des Versicherungsverhältnisses bei Arbeitsunterbrechungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu überarbeiten und neu bekannt zu geben.

Gesetzliche Vorschriften

§ 24 SGB III - Versicherungspflichtverhältnis

Das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte besteht während eines erheblichen Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls im Sinne der Vorschriften über das Winterausfallgeld fort.

§ 7 SGB IV – Beschäftigung

Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird.

§ 192 SGB V - Fortbestehen der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger

Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt erhalten, solange sie sich in einem rechtmäßigen Arbeitskampf befinden, Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird, von einem Rehabilitationsträger während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird oder Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld nach dem „Dritten Buch“ bezogen wird.

Während der Schwangerschaft bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger auch erhalten, wenn das Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst oder das Mitglied unter Wegfall des Arbeitsentgelts beurlaubt worden ist, es sei denn, es besteht eine Mitgliedschaft nach anderen Vorschriften.

§ 1 SGB VI

Beschäftigte
Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort.

§ 49 SGB XI

Mitgliedschaft
Für das Fortbestehen der Mitgliedschaft gelten die §§ 189, 192 des Fünften Buches sowie § 25 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte entsprechend.
Versicherung - Allgemein

Nach § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert (z. B. unbezahlter Urlaub, Arbeitsbummelei, Streik, Aussperrung), jedoch nicht länger als einen Monat. Diese Vorschrift gilt einheitlich für alle Zweige der Sozialversicherung und bedeutet, dass die Versicherungspflicht für die Dauer der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verb. mit Satz 1 SGB XI, in der Rentenversicherung nach § 1 S. 1 Nr. 1 erster Halbsatz SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 SGB III fortbesteht. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die Dauer der Arbeitsunterbrechung von vornherein befristet ist. Die Versicherungspflicht bleibt mithin auch dann für einen Monat erhalten, wenn die Dauer der Arbeitsunterbrechung nicht absehbar oder die Unterbrechung von vornherein auf einen Zeitraum von mehr als einem Monat befristet ist. Darüber hinaus findet § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV in Bezug auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung für krankenversicherungsfreie oder von der Krankenversicherungspflicht befreite Arbeitnehmer Anwendung, die arbeitsunfähig sind und deren Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts erschöpft ist, und zwar auch dann, wenn sie bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind. Auch bei ihnen gilt die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung noch für längstens einen Monat als fortbestehend, vorausgesetzt, dass das Beschäftigungsverhältnis weiterhin besteht. Sofern ein privat krankenversicherter Arbeitnehmer von dem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld bezieht, besteht nur für den Bereich der Arbeitslosenversicherung in dieser Zeit neben der Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 SGB III in Verb. mit § 7 Abs. 3 SGB IV eine Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III.

Berechnung der Monatsfrist

Nach § 26 Abs. 1 SGB X gelten für die Berechnung der Monatsfrist § 187 Abs. 2 S. 1 und § 188 Abs. 2 und 3 BGB. Danach beginnt die Monatsfrist mit dem ersten Tag der Arbeitsunterbrechung. Sie endet mit dem Ablauf desjenigen Tags des nächsten Monats, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Fehlt dem nächsten Monat der für den Ablauf der Frist maßgebende Tag, dann endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Bezug von Entgeltersatzleistungen oder Inanspruchnahme von Elternzeit

Nach § 7 Abs. 3 S. 2 SGB IV gilt die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nicht als fortbestehend, wenn Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld oder Mutterschaftsgeld (nach § 13 Abs. 1 oder 2 MuSchG) oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. In der Kranken- und Pflegeversicherung bleibt in diesen Fällen die Mitgliedschaft nach den Vorschriften der Kranken- bzw. Pflegeversicherung erhalten. Dies gilt grundsätzlich auch für die Renten- und Arbeitslosenversicherung, denn in diesen Versicherungszweigen besteht (im Zusammenhang mit dem Leistungsbezug) aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften Versicherungspflicht bzw. verlängert sich in der Arbeitslosenversicherung die Rahmenfrist des § 124 SGB III.

Wehrdienst oder Zivildienst

Die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt ferner nicht nach § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV als fortbestehend, wenn die Beschäftigung durch Wehrdienst oder Zivildienst unterbrochen wird.

Bezug von Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld

Der Bezug von Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld wird weder in Satz 1 noch in Satz 2 des § 7 Abs. 3 SGB IV erwähnt. Dies ist auch entbehrlich, denn für den Fall des Bezugs von Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld ist das Fortbestehen der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung durch § 192 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und in der Pflegeversicherung durch § 49 Abs. 2 SGB XI in Verb. mit § 192 Abs. 1 Nr. 4 SGB V vorgesehen. In der Rentenversicherung besteht die Versicherungspflicht während des Bezugs von Kurzarbeitergeld oder Winterausfallgeld nach § 1 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz SGB VI fort. In der Arbeitslosenversicherung bleibt das Versicherungspflichtverhältnis während eines erheblichen Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder während eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls im Sinne der Vorschriften über das Winterausfallgeld nach § 24 Abs. 3 SGB III unberührt.

Kumulierung unterschiedlicher Unterbrechungstatbestände

Sofern mehrere Unterbrechungstatbestände unterschiedlicher Art aufeinander treffen (z. B. unbezahlter Urlaub oder rechtmäßiger Arbeitskampf im Anschluss an den Bezug von Krankengeld, Mutterschaftsgeld oder Elternzeit), sind die Zeiten der einzelnen Arbeitsunterbrechungen nicht zusammenzurechnen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Unterbrechungstatbestände im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV aufeinander treffen (z. B. unbezahlter Urlaub oder Streik, gegebenenfalls im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bei einem privat krankenversicherten Arbeitnehmer). In diesen Fällen kommt für den Bereich der Renten- und Arbeitslosenversicherung ein Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses für längstens einen Monat in Betracht. Für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung besteht das Beschäftigungsverhältnis u. U. auch darüber hinaus fort (vgl. Ausführungen unter 3.2); allerdings ist in den Fällen, in denen im unmittelbaren Anschluss an einen rechtmäßigen Arbeitskampf ein unbezahlter Urlaub oder eine Arbeitsbummelei folgt, die Zeit des rechtmäßigen Arbeitskampfs auf die Monatsfrist des § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV anzurechnen.

Besonderheiten in der Kranken- und Pflegeversicherung

Während die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bei Arbeitskampfmaßnahmen - ungeachtet der Tatsache, ob die Maßnahmen rechtmäßig oder rechtswidrig sind - längstens für einen Monat fortbesteht, bleibt die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und in der Pflegeversicherung nach § 49 Abs. 2 SGB XI in Verb. mit § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V im Falle eines rechtmäßigen Arbeitskampfs bis zu dessen Beendigung erhalten.

Bezug von Entgeltersatzleistungen oder Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub
Außerdem bleibt die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und in der Pflegeversicherung nach § 49 Abs. 2 SGB XI in Verb. mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Entsprechendes gilt nach § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, solange von einem Rehabilitationsträger während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld gezahlt wird.

Ferner bleibt nach § 192 Abs. 2 SGB V in der Krankenversicherung die Mitgliedschaft von Schwangeren, deren Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist oder die unter Wegfall des Arbeitsentgelts beurlaubt worden sind, erhalten. Entsprechendes gilt über § 49 Abs. 2 SGB XI für den Bereich der Pflegeversicherung.

Beiträge
Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV hat mittelbar Auswirkungen auf die Beitragsberechnung und gegebenenfalls auf die Höhe der zu zahlenden Beiträge, denn die Zeiten der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt sind keine beitragsfreien, sondern dem Grunde nach beitragspflichtige Zeiten. Dies bedeutet, dass für Zeiträume von Arbeitsunterbrechungen im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV Sozialversicherungstage (SV-Tage) anzusetzen sind. Mithin sind diese Zeiträume auch bei der Ermittlung der anteiligen Jahresbeitragsbemessungsgrenzen nach § 23a Abs. 3 S. 2 SGB IV zu berücksichtigen. In den Fällen, in denen die Versicherungspflicht wegen einer Arbeitsunterbrechung ohne Fortzahlung von Arbeitsentgelt im Laufe eines Monats geendet hat, kann ein nach Wiederbeginn der Versicherungspflicht in diesem Monat erzieltes laufendes Arbeitsentgelt nicht auf Zeiten davor verlagert werden.

Besonderheiten in der Kranken- und Pflegeversicherung bei Arbeitskampfmaßnahmen Für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung sind zwar die im Falle eines rechtmäßigen Arbeitskampfes über einen Monat hinausgehenden Tage als SV-Tage anzusehen. Im Interesse einer einheitlichen Berechnung der Beiträge aus Arbeitsentgelt für alle vier Versicherungszweige wird allerdings empfohlen, die über einen Monat hinausgehenden Tage nicht als SV-Tage zu berücksichtigen. Nach § 224 Abs. 1 S. 1 SGB V bzw. § 56 Abs. 3 S. 1 SGB XI besteht für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld sowie für die Dauer des Bezugs von Erziehungsgeld in der Kranken- und Pflegeversicherung Beitragsfreiheit. Dies bedeutet, dass bei der Beitragsberechnung aus dem Arbeitsentgelt für diese Zeiten keine SV-Tage anzusetzen sind. Eine Elternzeit ohne Bezug von Erziehungsgeld löst von Rechts wegen keine Beitragsfreiheit nach § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 56 Abs. 3 S. 1 SGB XI aus. Gleichwohl sollten Elternzeiten ohne Bezug von Erziehungsgeld nicht als SV-Tage gewertet werden (vgl. Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 12./13.05.1992, Punkt 4 der Niederschrift). Für Zeiten des Bezugs von Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld sieht § 224 Abs. 1 S. 1 SGB V bzw. § 56 Abs. 3 S. 1 SGB XI keine ausdrückliche Beitragsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung vor. Während des Bezugs von Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld wegen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation dürfte aber im Allgemeinen ein - nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ruhender - Anspruch auf Krankengeld bestehen, so dass gleichwohl der Tatbestand des § 224 Abs. 1 S. 1 SGB V bzw. des § 56 Abs. 3 S. 1 SGB XI erfüllt ist und Beitragsfreiheit eintritt. Für die Bereiche der Renten- und Arbeitslosenversicherung fehlt eine dem § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB XI entsprechende Vorschrift; der gemeinsame Einzug der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gebietet es allerdings, die Regelung des § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. des § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB XI für alle vier Versicherungszweige gleichermaßen auf die Beitragsberechnung aus Arbeitsentgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis anzuwenden. In den Fällen der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV (z. B. unbezahlter Urlaub) fallen keine Meldungen an, wenn die Arbeitsunterbrechung einen Monat nicht überschreitet. Bei längeren Arbeitsunterbrechungen endet die entgeltliche Beschäftigung nach einem Monat, so dass innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Ende eine Abmeldung nach § 8 Abs. 1 DEÜV zu erstatten ist; in dieser Meldung ist das im gesamten Meldezeitraum erzielte Arbeitsentgelt zu bescheinigen.

In den Fällen der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 3 S. 2 SGB IV (z. B. Krankengeldbezug) fallen keine Meldungen an, wenn die Arbeitsunterbrechung weniger als einen Kalendermonat dauert. Wird die versicherungspflichtige Beschäftigung in den Fällen des § 7 Abs. 3 S.2 SGB IV mindestens einen Kalendermonat unterbrochen, ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DEÜV für den Zeitraum bis zum Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf des ersten Kalendermonats eine Unterbrechungsmeldung zu erstatten. Endet die Beschäftigung während einer solchen Unterbrechung, ist außerdem innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Ende gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 DEÜV eine Abmeldung vorzunehmen. Sofern in den Fällen der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SGB IV (z. B. Krankengeldbezug) die Beschäftigung in dem auf den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs folgenden Kalendermonat endet, ist für den Zeitraum bis zum Wegfall innerhalb von sechs Wochen nach dem Ende der Beschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 DEÜV eine Unterbrechungsmeldung zu erstatten. Gleichzeitig ist nach § 9 Abs. 2 Satz 2 DEÜV das Ende der Beschäftigung zu melden.

Die versicherungs-, beitrags- und melderechtlichen Auswirkungen von Arbeitsunterbrechungen werden in der beigefügten Anlage durch Beispiele erläutert. Hierbei werden nur die Meldungen aufgeführt, die im Zusammenhang mit der Arbeitsunterbrechung anfallen.

Seit 01.01.2008 beendet der Bezug von Kranken tage geld aus einem privaten Versicherungsvertrag gleichzeitig das sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnis (Art 1 Nr. 3a des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I S 3024). Durch diese Regelung wurde zwar das private Kranken tage geld den anderen genannten Sozialleistungen, insbesondere dem Krankengeld nach §§ 45 ff SGB V gleichgestellt. Die versicherungsrechtliche Auswirkung besteht allerdings darin, dass die betroffenen Personen anders als früher nicht mehr den einmonatigen nachlaufenden Versicherungsschutz genießen und sich insbesondere zur Erhaltung rentenrechtlicher Anwartschaften ab dem ersten Tage des Kranken tage geld-Bezuges selbst versichern müssen, z. B. nach § 4 SGB VI oder § 7 SGB VI.

Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.5.2008 (BGBl I 874) ist ab 1.7.2008 vom nachlaufenden Versicherungsschutz auch die Zeit ausgenommen, in welcher Pflegepersonen die neue Pflegezeit in Anspruch nehmen. Sie müssen sich i.d.R. in der Kranken- und Pflegeversicherung freiwillig versichern, sofern keine Familienversicherung (§ 10 SGB V) möglich ist. Dann sieht § 44a SGB XI Beitragszuschüsse vor. In der Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 2b SGB III. Rentenversicherungspflichtig ist, wer einen Pflegebedürftigen i.S.v § 14 SGB XI wenigstens 14 Stunden in der Woche pflegt (zu den Beiträgen vgl § 44 SGB XI). Unfallversicherungsschutz für die nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. Einzelheiten dazu haben die Sozialversicherungsträger im Gemeinsamen Schreiben vom 01.07.2008 festgelegt.

Durch das Flexi-II-Gesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.12.2008 - BGBl I 2940) wurde die Portabilität von Wertguthaben dadurch erleichtert, dass gemäß § 7f Langzeitkonten auf die DRV Bund übertragen werden können. Aus diesem Grunde wurde klarstellend S. 2 zum 1.1.2009 eingefügt. Rittweger, „Das Flexi-Gesetz heißt nur so”, DStR 2009, 278 - mit dem Flexi-II-Gesetz wurden nach landläufiger Meinung im Wesentlichen Normen für die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten und ein verbindlicher Insolvenzschutz für Wertguthaben eingeführt. Genau das ist aber nicht der Fall: Flexible Arbeitszeitregelungen wie Gleitzeit, Stunden- oder Ampelkonten erfasst die Neuregelung ebenso wenig wie den Insolvenzschutz für den häufigsten Fall der Langzeitkonten, die verblockte Altersteilzeit, Hanau/Veit, Neues Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze, NJW 2009, 182 – das Gesetz bezweckte die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen, insbesondere die Insolvenzsicherung von Langzeitkonten.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
ArbG Stuttgart - Keine mehrmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V160818
ISBN (eBook)
9783640747948
ISBN (Buch)
9783640748143
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
pflegebedürftig, SGB IX, Pflegeversicherungsgesetz, Sozialgesetzgebung, Pflegezeit
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2010, ArbG Stuttgart - Keine mehrmalige Inanspruchnahme von Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160818

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