Begriffsgeschichtliche Erörterung: Häresie, Ketzertum und Herejía unter besonderer Berücksichtigung der Begebenheiten der spanischen Inquisition


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Häresie
2.2 Ketzerei
2.3 Herejía
2.4 Die spanische Inquisition

3. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Die Spanische Inquisition nimmt in der Geschichte Europas eine Sonderstellung ein. Sie wurde von den Reyes Católicos ins Land gerufen, um eine Einheit des Glaubens zu schaffen. 1478 erwirkten diese vom Papst Sixtus IV die Bulle „Exigit sinceras devotionis affectus“. Sie wollten so gegen die starken Minderheiten der Juden und Moslems vorgehen, die in ihren Augen die katholische Einheit des Landes störten. Und sie kamen damit feindlichen Tendenzen im Volke nach, die schon vor dem 15. Jh. zu Pogromen vor allem gegen Juden und judeoconversos geführt hatten. Die spanische Inquisition zeichnet sich durch eine besondere Verquickung zwischen den Katholischen Königen und der Inquisitorischen Macht aus. Menendez Pidal beschreibt das königliche Ansinnen, das die Inquisition notwendig machte so:

La iniciativa de los Reyes Católicos estaba encaminada, sin embargo, no sólo a declarar delictivas las afirmaciones contra la fe, sino a descubrir y perseguir a los herejes, en un colosal esfuerzo que se destinaba a purificar la sociedad española.[1]

Das hier mit „herejes“ nicht allein die Häresien im konventionellen Sinn gemeint sind, wird sich im Folgenden herausstellen. Viel mehr Gewicht liegt dabei auf der Umschreibung „purificar la sociedad“: Die Gesellschaft sollte vereinheitlicht werden.

Es geschah auf direkten Wunsch der Reyes Católicos, dass das Santo Oficio in Spanien installiert wurde. Neben dem religiösen Einheitsgedanken war ein weiterer Aspekt dieser Entwicklung ein machtpolitisches Ansinnen. Denn Spanien bekam mit dem Santo Oficio eine durch den Papst autorisierte Instanz, die vollkommen unbehelligt Macht ausüben konnte und im Sinne der Könige agierte: „[...] los Reyes Católicos obtenían, por la bula del 1 de noviembre de 1478, el derecho a proponer el nombramiento directo de inquisidores [...][2].

Für die Spanische Inquisition ist überaus charakteristisch, dass sie in ihrer Entstehung und ersten Hochphase hauptsächlich gegen Conversos, also Marranos und Moriscos vorging. Diese waren konvertierte Juden und Muslime, die nun als Neue Christen unter der Gewalt der Inquisition standen. Mit einem Edikt vom 31. März 1492 stand den Juden Spaniens zur Wahl, innerhalb von 4 Monaten zu konvertieren, oder das Land zu verlassen. Das gleiche Verfahren wurde bei den Muslimen 1502 angewendet.[3] Am 11. Februar wurde ihnen in einem Dekret der Zeitraum bis Ende April gewährt, um zwischen der Konversion und dem Exil zu wählen.[4] So brachte man schließlich auch Andersgläubige unter die Gerichtsbarkeit der Inquisition und indirekt auch in die Gewalt der herrschenden Könige. Menendez Pidal schreibt:

La expulsión no era forzosa. En todo momento los judíos tenían un medio de sustraerse al terrible decreto: aceptar el bautismo y fundirse con la población cristiana. Es cierto que de este modo caían bajo la acción inquisitorial, pero sin efecto retroactivo; no era posible una conversión simulada.[5]

Menendez Pidal erkennt hier einen wichtigen Punkt. Die neu getauften Christen unterstanden nun vollkommen der Gerichtsbarkeit der Inquisition. Dass die Inquisition nicht rückwirkend angewendet wurde, ist keine Milderung. Gerade nach der Annahme des neuen Glaubens waren die Konvertierten besonders angreifbar. Was die Freiwilligkeit der Konversion angeht, verkennt Menendez Pidal die Tragik, die sich daraus ergab. Den Andersgläubigen stand nur zur Wahl, welchen Aspekt ihrer Identität sie aufgaben, ihre Heimat oder ihre Religion, nicht aber, ob sie etwas aufgaben.

In Spanien gab es weder im Mittelalter noch in der frühen Neuzeit nennenswerte häretische Gruppierungen von Abtrünnigen der Kirche, wie sie in Italien, Deutschland oder den Niederlanden auszumachen sind. Auch spielte in Spanien die Hexenverfolgung keine größere Rolle.[6] So entwickelte Spanien eine völlig individuelle Stoßrichtung der Inquisition. Sie konzentrierte sich vor allem auf die Andersgläubigen, ob sie nun ihren alten Glauben bereits abgelegt hatten oder noch nicht. Durch die Konversion waren sie keinesfalls sicher vor Verfolgung. Sie setzten sich vielmehr einer weiteren Bedrohung aus. Als Neue Christen standen sie ständig unter Verdacht, nur aus pragmatischen Gründen konvertiert zu sein und insgeheim noch ihrer alten Religion anzuhängen. Es blieb ihnen in letzter Konsequenz verwehrt, sich von dem Stigma der Andersartigkeit zu befreien.[7]

Schon im Vorwort des Edikts, dass 1492 die Juden zu Konversion oder Migration zwang, wird der Gedanke formuliert, nichtkonvertierte Juden remissionierten Conversos und gefährdeten so ihren Glauben und die Einheit der christlichen Gemeinden. Dies war aus Sicht der Reyes Católicos der vorrangige Grund, der die Inquisition notwendig machte. Die spanische Inquisition war so von Anfang an dafür gedacht, Andersgläubige zu kontrollieren und ihnen ihre Einflussmöglichkeiten zu nehmen.

Um dies besser zu verstehen, muss man einige begriffsgeschichtliche Entwicklungen näher betrachten: Die Inquisition, die inquisitio haereticorum ist in ihren Anfängen eine rein kirchliche Institution, die zwar über häretische Tendenzen bei Abtrünnigen aus den eigenen Reihen der Christen urteilen konnte, über Sekten, die sich aus dem Christentum entwickelt oder abgespaltet hatten, dahingegen nicht über Andersgläubige. So ging sie im Mittelalter gegen Bogomilen, Katharer, Waldenser und ähnliche häretische Gruppen vor, aber nicht gegen Gläubige nichtchristlicher Religionen.

[...]


[1] Menendez Pidal, Ramon: Historia de España; La España de los Reyes Católicos (1474-1516); Band XVII, Volumen II, Madrid: Espasa Calpe; 1999, S. 206.

[2] Menendez Pidal, Ramon: Historia de España; La España de los Reyes Católicos (1474-1516); Band XVII, Volumen II, Madrid: Espasa Calpe; 1999, S. 212.

[3] Auch mit den im Lande lebenden gitanos wurde ähnlich verfahren. 1499 verfassten die Reyes Católicos ein Gesetzt, nachdem sie sesshaft werden sollten, und eine geregelte Arbeit aufweisen mussten. Konnten sie dies nicht nachweisen, mussten sie unter Androhung von Strafe das Land verlassen. S. Real Pragmática de 1499, fechada en Medina del Campo, Novísima Recopilación, Libro XII, título XVI. Dies macht deutlich, wie allumfassend die neuen Gesetze das Klima Spaniens veränderten und wie restriktiv sie angelegt waren.

[4] Menendez Pidal, Ramon: Historia de España; La España de los Reyes Católicos (1474-1516); Band XVII, Volumen II, Madrid: Espasa Calpe; 1999, S. 300.

[5] Ebd., S. 254.

[6] Hier ließe sich darüber streiten, ob es schlicht und einfach keinen Anlass dazu gab, Hexen zu verfolgen, oder ob die Inquisition schon viel zu sehr mit der Verfolgung der Conversos beschäftigt war, und nur so diejenigen Menschen unbehelligt ließ, die unter „normalen“ Umständen in das Hexen-Schema gepasst hätten.

[7] In der gleichen Art und Weise sind auch die „Limpieza de sangre“-Gesetze zu verstehen.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Begriffsgeschichtliche Erörterung: Häresie, Ketzertum und Herejía unter besonderer Berücksichtigung der Begebenheiten der spanischen Inquisition
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Die spanische Inquisition
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V79246
ISBN (eBook)
9783638860024
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begriffsgeschichtliche, Erörterung, Häresie, Ketzertum, Herejía, Berücksichtigung, Begebenheiten, Inquisition
Arbeit zitieren
Caroline Wullenweber (Autor:in), 2007, Begriffsgeschichtliche Erörterung: Häresie, Ketzertum und Herejía unter besonderer Berücksichtigung der Begebenheiten der spanischen Inquisition, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79246

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