Das Problem des monarchischen Episkopats bei Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien


Referat (Ausarbeitung), 2003

12 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I.Teil. Das Bischofsamt als ein gehobener Dienst im ersten Brief vom Hl. Clemens
I.1. Die Struktur des ersten Clemensbriefs
I.2. Der Begriff der Ordnung im 1.Clem
I.3. Der Unterschied im Verständnis von der Kirchenordnung zwischen Clemens und Paulus
I.4. Die Übertragung der alttestamentlichen Dienstvorstellung auf die christliche Gemeinde
I.5. Die Idee der apostolischen Sukzession

II. Teil. Die hierarchische Vorstellungen des Hl. Ignatius von Antiochien
II.1. Die Entstehung der hierarchischen Vorstellung bei Hl. Ignatius
II.2. Wie der christliche Glaube durch Magie ersetzt wird
II.3. Die Idee des monarchischen Episkopats
II.4. Die Vorstellung über die geistige Liebe

Literatur

I. Teil Das Bischofsamt als ein gehobener Dienst im ersten Brief vom Hl. Clemens

I.1. Die Struktur des ersten Clemensbriefs

Der erste Clemensbrief an die korinthische Kirche stammt vermutlich aus dem Jahr 96 und wird als ein echter Brief vom römischen Bischof Hl. Clemens angesehen. Der Bischof ist mit einem Aufruhr in der korinthischen Gemeinde zutiefst betrübt. Interessanterweise kommt der Grund dieses Aufruhrs niergendwo im Brief zur sachlichen Besprechung. Es wird bloß konstatiert, daß ein "unpassenden und den Auserwählten Gottes fremden, abscheulichen und gottlosen Aufruhr, den einige unbesonnene und freche Personen bis zu einem solchen Grad von Tollheit entfacht haben"[1] in der Gemeinde entstanden ist. Der Tatbestand wird weiter präzisiert: "So erhoben sich die nicht Geachteten gegen die Geachteten, die Ruhmlosen gegen die Berühmten, die Unverständigen gegen die Verständigen, die Jungen gegen die Älteren"[2]. Die Folgen dieser Erhebung sind fatal: "Deshalb sind Gerechtigkeit und Friede in weiter Ferne, weil jeder die Furcht Gottes verlassen und beim Glauben an ihn den klaren Blick verloren hat, auch nicht in den Satzungen seiner Gebote wandelt und sein Leben nicht so führt, wie es Christus entspricht, sondern jeder nach den Begierden seines bösen Herzens wandelt, ungerechte und gottlose Eifersucht tragend, wodurch ja der Tod in die Welt hineingekommen ist"[3].

Solche Einschätzung der Situation führt zu einer scharfen Ermahnung, die allerdings erst am Ende des Briefes vorkommt: "1. Ihr nun, die ihr mit dem Aufruhr begonnen habt, ordnet euch den Presbytern unter und laßt euch züchtigen zur Buße und beugt die Knie eures Herzens! 2. Lernt, euch unterzuordnen, legt ab die prahlerische und hochmütige Überheblichkeit eurer Zunge! Denn es ist besser für euch, in der Herde Christi klein und dazugerechnet gefunden zu werden, als über die Maßen in Geltung stehend aus ihrer Hoffnung verstoßen zu sein"[4]. Alles, was im Brief dazwischen steht, dient nur zur Begründung dieses einfachen Urteils. Daraus ist klar zu sehen, warum die Argumentation des Clemens sich auf einen Grundgedanke zurückführen läßt: jede Erhebung gegen die kirchliche Ordnung ist als solche sündhaft.

I.2. Der Begriff der Ordnung im 1.Clem

Was versteht aber Hl. Clemens unter dem Begriff der Ordnung? Um es zu erklären schreibt er über die Ordnung, die der Schöpfer in der Natur eingesetzt hat: "1. Die Himmel, kreisend durch sein Walten, ordnen sich ihm in Frieden unter. 2. Tag wie Nacht vollenden den von ihm angeordneten Lauf, ohne einander zu behindern. 3. Sonne und Mond und die Chöre der Sterne durchlaufen entsprechend seiner Anordnung in Eintracht ohne jede Überschreitung die ihnen vorgeschriebenen Bahnen. ... Und die kleinsten der Lebewesen halten ihre Zusammenkünfte in Eintracht und Frieden. 11. Daß dies alles in Frieden und Eintracht sei, hat der große Schöpfer und Herr des Alls angeordnet ..."[5]. Also das All befindet sich in Frieden und Eintracht, was durch die Unterordnung gegenüber dem Höchsten gesichert ist. Es wird weiter noch deutlicher hervorgehoben: "1. Laßt uns also, Männer, Brüder, den Kriegsdienst leisten mit aller Beharrlichkeit unter seinen untadeligen Befehlen. 2. Laßt uns diejenigen beobachten, die für unsere Herrschenden Kriegsdienst leisten - wie wohlgeordnet, wie willfährig, wie gehorsam sie die Anordnungen vollziehen. 3. Nicht alle sind Befehlshaber, auch nicht Führer von Tausendschaften, von Hundertschaften, von Fünfzigschaften und so weiter; sondern jeder vollzieht auf seinem eigenen Posten das vom König und von den Herrschenden Angeordnete. 4. Die Großen können ohne die Kleinen nicht sein; und die Kleinen nicht ohne die Großen. Es gibt bei allem eine gewisse Mischung, und darin liegt die Brauchbarkeit. 5. Nehmen wir unseren Leib: Der Kopf ist ohne die Füße nichts; so sind auch die Füße nichts ohne den Kopf. Die geringsten Glieder unseres Leibes sind notwendig und nützlich für den ganzen Leib. Aber alle stimmen sie überein und geben sich einer einträchtigen Unterordnung hin, auf daß der ganze Leib bewahrt werde."[6]. Die Einheit, sei es kosmischer, sei es sozialer, sei es leiblicher Natur, ist, laut diesen Vorstellungen, erst dann möglich, wenn es eine bestimmte Unterordnung der Glieder gibt. Damit unter den Begriff der Ordnung wird der Begriff der Unterordnung verschleiert und die Existenz der Großen und Kleinen verewigt. Wenn man sich gegen die Großen erhebt, erhebt man sich gegen die Ordnung und schließlich gegen die Einheit und Liebe.

I.3. Der Unterschied im Verständnis von der Kirchenordnung zwischen Clemens und Paulus

Die christliche Kirche in Gestalt vom Leib aus vielen Gliedern wurde schon im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther[7] beschrieben[8], aber dort nirgendwo über die Unterordnung die Rede ist. Eher gerade der Gegensatz ist der Fall. Über die Einheit der Kirche schreibt Paulus so: "Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten; und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und bei den unanständigen achten wir besonders auf Anstand; denn die anständigen brauchen's nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen."[9].

Obwohl Clemens dieselben Gestalt eines Leibes benutzt, deutet er sie ganz anders, sogar konträr zu Paulus: "1. Es soll also bewahrt werden unser ganzer Leib in Christus Jesus, und es soll sich ein jeder seinem Nächsten unterordnen, wie es bestimmt ist in seiner Gnadengabe. 2. Der Starke soll für den Schwachen sorgen , der Schwache aber soll den Starken achten."[10]. Die Ordnung, die in der Kirche Gottes herrscht, schreibt jedem seinen Platz vor, sodaß man aus seinen eigenen Willen nichts darin ändern kann. "Jeder von uns, Brüder, soll auf seinem eigenen Posten Gott gefallen mit gutem Gewissen, indem er die für seinen Dienst festgelegte Regel nicht übertritt, in ehrfürchtiger Scheu."[11]. Dem Brief von Clemens nach kennzeichnet jede Bestrebung nach einen höheren Dienst abscheuliche Eifersucht und ist sofort zu verwerfen. Der Dienst kann nur von oben, letztendlich persönlich vom Gott, anvertraut sein, anders geht es nicht. Dagegen schreibt Paulus genau in diesem Kontext: "Strebt aber nach den größeren Gaben!"[12]. Es scheint so, daß ein Wettbewerb um dem Nächsten zu helfen bei Paulus keineswegs als problematisch bewertet wäre, denn die Gaben Gottes sind eben dazu da, um das Leben des Nächsten zu bereichern. Die Idee der Notwendigkeit einer Ordnung entsteht bei Paulus aus dem Verständnis, daß jedem eine Möglichkeit der Entfaltung seiner Gabe in der Gemeinde und für die Gemeinde garantiert sein muß[13]. Für Clemens die Idee von einem solchen Wettbewerb erscheint unerträglich, denn dies würde zur Eifersucht führen, die die harmonische Liebe der Gemeindeglieder gefährden und damit die Einheit zerstören könnte. Die Ordnung ist eingesetzt um die Einheit als eine Erscheinung der vermutlich göttlichen Harmonie zu erreichen, nicht um des Menschen Willen[14]. "Da uns nun dies offenbar ist und wir einen Einblick erhalten haben in die Tiefen der göttlichen Erkenntnis, sind wir verpflichtet, alles der Ordnung gemäß zu tun, was der Herr zu festgelegten Zeiten zu vollziehen befohlen hat."[15].

I.4. Die Übertragung der alttestamentlichen Dienstvorstellung auf die christliche Gemeinde

Weil die Ordnung in den "Tiefen der göttlichen Erkenntnis" liegt und mit den konkreten Umständen der Zeit und Raum nicht direkt verbunden ist, ist es kein Wunder, daß die alttestamentliche Ordnung auf das neue Leben in Christus übertragen werden kann: "Dem Hohenpriester nämlich sind eigene dienstliche Handlungen übertragen, und den Priestern ist ein eigener Platz zugewiesen, und Leviten obliegen eigene Dienstleistungen. Der Mensch aus dem Volk ist an die für das Volk geltenden Vorschriften gebunden."[16]. Diese Übertragung der göttlichen Aufträge wurde in der christlichen Kirche folgendermaßen durchgeführt: "1. Die Apostel sind für uns mit dem Evangelium beauftragt worden vom Herrn Jesus Christus; Jesus, der Christus, ist von Gott ausgesandt worden. 2. Christus also von Gott her, und die Apostel von Christus her. Es geschah also beides in guter Ordnung nach dem Willen Gottes. 3. Da sie also Aufträge empfangen hatten und mit Gewißheit erfüllt worden waren durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus und Vertrauen gefaßt hatten durch das Wort Gottes, zogen sie mit der Fülle des Heiligen Geistes aus, verkündigend, daß das Reich Gottes kommen werde. 4. In Ländern und Städten also predigend setzten sie ihre Erstlinge ein, nachdem sie sie im Geist geprüft hatten, zu Episkopen und Diakonen derer, die künftig glauben würden. 5. Und dies war nichts Neues; denn es war ja seit langen Zeiten geschrieben über Episkopen und Diakonen. So nämlich sagt irgendwo die Schrift : Ich werde einsetzen ihre Episkopen in Gerechtigkeit und ihre Diakonen in Treue [17]."[18].

Im Vergleich zum oben zitierten Stück des 1.Kor ist es doch etwas Neues. Mit einer rhetorischen Frage erwidert Clemens auf diesen Einwand: "Und was ist Erstaunliches dabei, wenn die in Christus von Gott mit einem solchen Werk Betrauten die eben Genannten eigesetzt haben?"[19]. Das kann nur heißen, daß es genug bewunderte Menschen am Ort gab.

I.5. Die Idee der apostolischen Sukzession

Die Kulmination dieser langen Überlegung wird im Paragraf 44 erreicht: "1. Auch unsere Apostel haben durch unseren Herrn Jesus Christus gewußt, daß es Streit geben würde über das Amt der Aufsicht[20]. 2. Aus diesem Grunde nun, da sie vollkommenes Vorherwissen empfangen hatten, setzten sie die eben Genannten ein und gaben danach Anweisungen, daß, wenn sie entschliefen, andere bewährte Männer ihren Dienst übernehmen sollten. 3. Daß nun die, die eingesetzt worden waren von jenen oder danach von anderen angesehenen Männern unter Zustimmung der ganzen Kirche, und untadelig dienten der Herde Christi in Demut, still und nicht engherzig und von allen mit einem guten Zeugnis versehen lange Zeit hindurch - daß diese aus dem Dienst entfernt werden, halten wir nicht für recht."[21].

Damit wird im Klartext gesagt, wessen dienstliche Interessen Hl. Clemens verteidigt. Selbst der Begriff des Dienstes wird bei ihm nicht mehr als eine freie Gabe Gottes verstanden, sondern als eine Gabe, die streng mit einer Machtposition in der Gemeinde gebunden ist. Eine solche Position anzugreifen heißt die ganze Ordnung in Gefahr zu bringen, statt brüderliche Liebe und harmonische Einheit zu pflegen, abscheuliche Eifersucht zu treiben. Es geht keineswegs um eine sachliche Betrachtung des Streits, sondern um die Korporationsinteressen der amtlich beauftragten Verkünder des Reiches Gottes, was zu einem neuen Verständnis des kirchlichen Dienstes führt.

II. Teil. Die hierarchische Vorstellungen des Hl. Ignatius von Antiochien

II.1. Die Entstehung der hierarchischen Vorstellung bei Hl. Ignatius

Die Vorstellung des Hl. Clemens über die Ordnung, die in der christlichen Kirche sein soll, wurde am Anfang des zweiten Jahrhunderts von Hl. Ignatius in seinen sieben Briefen weiter entwickelt. Wie bei Clemens, so liegt auch bei Ignatius jeglicher Ordnung die Einheitsvorstellung zugrunde, die ausdrücklich hierarchisch geprägt ist: "3,2. Aber da die Liebe mich im Blick auf euch nicht schweigen läßt, habe ich deshalb den Gedanken gefaßt, euch zuzureden, daß ihr mit Gottes Sinn übereinstimmt. Ist doch auch Jesus Christus, unser unerschütterliches Leben, des Vaters Sinn, wie auch die Bischöfe, die bis an die Grenzen eingesetzt sind, in Jesu Christi Sinn sind."[22]. Schon hier kann man eine hierarchische Kette ersehen: Vater ® Jesu ® Bischöfe. Man muß sich an diese Kitte binden lassen, um die Übereinstimmung zu erreichen, was offensichtlich nur von unten, also durch die Unterordnung, möglich ist. Aus weiteren Belegen wird dies noch deutlicher: "4,1. Deshalb gehört es sich für euch, mit des Bischofs Sinn übereinzustimmen, was ihr tut. Denn euer Presbyterium, das des Namens und das Gottes würdig ist, ist mit dem Bischof so wie die Seiten mit der Zither verbunden. Darum wird in eurer Einmütigkeit und zusammenklingenden Liebe Jesus Christus besungen. 2. Aber auch Mann für Mann sollt ihr zum Chor werden, damit ihr in Einmütigkeit zusammenklingenden Gottes Tonweise in Einheit aufnehmt und mit einer Stimme dem Vater durch Jesus lobsingt[23], auf daß er euch höre und aus euren guten Werken als Glieder seines Sohnes erkenne. So ist es nun nützlich, wenn ihr euch in untadeliger Einheit befindet, damit ihr auch immerfort an Gott Anteil habt."[24]. Diese harmonische Hierarchie der in einen Chor mündenden Stimmen bedeutet, daß es nicht nur eine klare Unterscheidung zwischen dem Bischof, dem Presbyterium und Laien gibt, sondern auch, daß der Unterschied primär durch die Unterordnung gekennzeichnet ist. Damit wird die o.g. Kette erweitert: : Vater ® Jesu ® Bischöfe ® Presbyterium ® Laien. Diese durch hierarchische Verbindung zusammengeschweißte Einheit führt zu einer magischen Verstärkung der Kraft des Betens: "Denn wenn schon des einen oder des anderen Gebet solche Kraft besitzt, wieviel mehr erst das des Bischofs und der ganzen Kirche"[25].

II.2. Wie der christliche Glaube durch Magie ersetzt wird

Das letzte Zitat weist indirekt auf die Bibelstelle Mt 18,19.20 hin: "Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen". Wenn im Neuen Testament um die Präsenz Jesu geht, schreibt Hl. Ignatius über die Präsenz eines Bischofs und die Kraft, die diese Präsenz bewirkt. Dazu muß man noch bemerken, daß die Präsenz Jesu sich nur als eine Verheißung verstehen läßt[26] und durch den persönlichen Glauben empfangen wird, nicht als eine Bedingung der Wirksamkeit des Gebets, sondern eher als eine Gabe. Laut dem Evangelium um das Gebet wirksam zu machen soll man nur daran glauben[27] !

Damit also ersetzt Hl. Ignatius (1) die unsichtbare Präsenz Jesu durch die materielle Präsenz eines Bischofs und (2) gibt diese Präsenz als eine Bedingung statt der Verheißung aus. Dazu noch ein Beispiel: "3,1. Für euch aber schickt es sich, das jugendliche Alter des Bischofs nicht auszunutzen, vielmehr entsprechend der Kraft Gottes, des Vaters, ihm alle Achtung zu erzeigen, wie ich erfahren habe, daß auch die heiligen Presbyter seine offensichtliche Jugend nicht mißbrauchen, sondern als Verständige in Gott sich im fügten, nicht ihm aber, sondern dem Vater Jesu Christi, dem Bischof aller. 2. Zur Ehre dessen nun, der seinen Liebeswillen auf uns gerichtet hat, ist es angemessen, ohne alle Heuchelei zu gehorchen, da man ja nicht diesen sichtbaren Bischof betrügt, sondern den unsichtbaren täuscht."[28].

II.3. Die Idee des monarchischen Episkopats

Im Brief an die Magnesier wird dieses Schema endlich in voller Entfaltung dargestellt: "6,1. Da ich nun in den eben erwähnten Personen die ganze Gemeinde im Glauben erblickt und liebgewonnen habe, so mahne ich: in der Eintracht Gottes bemüht euch, alles zu tun, wobei der Bischof den Vorsitz führt an Gottes Stelle und die Presbyter an Stelle der Versammlung der Apostel, und die mir besonders lieben Diakone mit dem Dienst Jesu Christi betraut sind, der vor aller Zeit beim Vater war und am Ende erschienen ist. 2. Alle nun, die ihr eine göttliche Übereinstimmung der Gesinnung empfangen habt, achtet einander; und niemand soll in fleischlicher Weise auf den Nächsten blicken, sondern in Jesus Christus liebt einander fort und fort. Nichts sei unter euch, was euch trennen könnte, vielmehr bildet eine Einheit mit dem Bischof und den Vorgesetzen zu Vorbild und Lehre der Unvergänglichkeit[29]."[30].

II.4. Die Vorstellung über die geistige Liebe

Daraus sieht man, daß Ignatius analog zu Clemens die Liebe in Jesus Christus als einen Gegensatz zu fleischlichen Begierden (vermutlich wie Neid, Eifersucht u.ä.) deutet. Die Liebe zum Gott ist mit dem Gehorsam gegenüber den Obrigkeiten in der Kirche untrennbar verbunden. Dementsprechend wird das Liebesgebot Jesu zu einem Gehorsamsgebot schweigend umgedeutet. In der Tat ist es keine Erfindung von Ignatius oder Clemens, sondern eine durchaus übliche uralte orientalische Vorstellung. "Dieses Liebesgebot[31] stammt aus der Sprache der Vasallenverträge und Loyalitätsvereidigungen. Bei den Hethitern schwören die Heerführer und niederen Ränge, ihren Herrn zu lieben, und in den Thronfolgevereidigungen[32] Asarhaddons - also in unmittelbarer zeitlicher Nähe des Deuteronomius - schwören die Vasallen «wenn Ihr Assurbanipal, Euren Herrn, nicht liebt wie euer eigenes Leben ...». Wichtiger ist mir noch, daß auch die eigentümliche Betonung des inneren Menschen - «von ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Vermögen» - aus dem Bereich der politischen Loyalität stammt. Die Formel «aus ganzem Herzen» kommt schon in hethitischen Verträgen vor."[33]. Der Hl. Ignatius ist aber der anderen Meinung: "2,1. Denn wenn ihr euch dem Bischof unterordnet wie Jesus Christus, scheint ihr mir nicht nach Art der Menschen zu leben, sondern nach Jesus Christus, der um unseretwillen gestorben ist, damit ihr im Glauben an seinen Tod dem Sterben entrinnt."[34]. Solche Gleichsetzung ist eigentlich bibelwidrig, denn das Wort Gottes ermahnt uns durch die Apostel Jesu: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."[35]. Es kann sein, daß Ignatius die Unterordnung unter den Bischof als einen Protest gegen Forderungen der römischen Macht versteht, doch setzt er damit den Bischof auf die Stelle Gottes und statt des Evangeliums eine heidnische Weisheit predigt, die nicht selten bis heute zur geistlichen Sklaverei führt.

Literatur

Die Briefe von Clemens und Ignatius wurden nach der folgenden Ausgabe zitiert:

"Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe", neu übersetzt und herausgegeben von A. Lindemann und H. Paulsen, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1992

Die Bibelstellen wurden aus der Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers genommen, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1999.

[...]


[1] 1.Clem 1,1

[2] 1.Clem 3,3

[3] 1.Clem 3,4

[4] 1.Clem 57,1.2

[5] 1.Clem 20,1-3.11

[6] 1.Clem 37,1-5

[7] Dieser Brief war dem Hl. Clemens offensichtlich bekannt.

[8] 1.Kor 12,12-31

[9] 1.Kor 12,22-25

[10] 1.Clem 38,1.2

[11] 1.Clem 41,1

[12] 1.Kor 12,31

[13] 1.Kor 14,26-33

[14] Es trifft hier die Meinung von Eliade über Platon zu: "Er war fasziniert von der pythagoreischen Konzeption der universellen Einheit, der unveränderlichen Ordnung des Kosmos und der Harmonie, die ebenso den Lauf der Planeten wie die Tonleitern der Musik beherrscht" [M. Eliade, "Geschichte der Religiosen Ideen", Herder, 1979, Bd. II, S. 173].

[15] 1.Clem 40,1

[16] 1.Clem 40,5

[17] vgl. Jes 60,17: "Und ich will zu deiner Obrigkeit den Frieden machen und zu deinen Vögten die Gerechtigkeit.". Vermutlich hat Clemens hier ziemlich ungenau Septuaginta zitiert.

[18] 1.Clem 42,1-5

[19] 1.Clem 43,1

[20] peri tou onomatoV thV episkophV

[21] 1.Clem 44,1-3

[22] Epheser 3,2

[23] Das alles läßt sich die pythagoreisch-platonische Einstellung von Ignatius ohne Zweifel erkennen, was ihn in Einklang mit Clemens bringt. S.a. die Fußnote 14.

[24] Epheser 4,1.2

[25] Epheser 5,2

[26] vgl. Mt 28,20

[27] Mk 11,24; s.a. Mt 7,7.8; Joh 14,13; 1.Joh 5,14.15

[28] Magnesier 3,1.2

[29] Wiederum haben wir hier eher eine Entlehnung aus der griechischen Philosophie (s. die Fußnote 14), als aus dem Evangelium.

[30] Magnesier 6,1.2

[31] 5.Mose 11,1: "So sollst du nun den Herrn, deinen Gott, lieben ..."

[32] Vgl. mit der Idee der bischöflichen Inthronisierung.

[33] Jan Assmann, "Politische Theologie zwischen Ägypten und Israel", Bonn, 1992, S. 100

[34] Traller 2,1

[35] Apg 5,29

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Problem des monarchischen Episkopats bei Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Fakultät der Evangelischen Theologie)
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
12
Katalognummer
V12633
ISBN (eBook)
9783638184700
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problem, Episkopats, Clemens, Ignatius, Antiochien
Arbeit zitieren
Roman Dieser (Autor:in), 2003, Das Problem des monarchischen Episkopats bei Clemens von Rom und Ignatius von Antiochien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12633

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