Die Möglichkeiten der Gedenkstättenpädagogik in der Arbeit gegen Rechtsextremismus


Seminar Paper, 2008

14 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Aufgaben einer KZ-Gedenkstätte

3. Problematiken

4. Chancen

5. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Das Wachhalten der Erinnerung an die Opfer in den KZ-Gedenkstätten bedarf keiner weiteren Legitimierung durch andere Zielsetzungen – wie etwa der politischen Bildung oder der Bekämpfung des gegenwärtigen Rechtsextremismus.[1]

Jedoch soll in dieser Arbeit thematisiert werden, inwieweit die Gedenkstättepädagogik auch dazu in der Lage ist. Hierbei soll diskutiert werden, inwiefern Besuche in KZ-Gedenkstätten in der pädagogischen Auseinadersetzung mit und zur Prävention gegen Rechtsextremismus sinnvoll eingesetzt werden können.

Dies erscheint auf den ersten Blick paradox, da die Gedenkstätten einerseits das Böse vor Augen führen, sie aber gleichzeitig anstreben, „daß das Gute der Maßstab des Handelns wird. Sie wollen eine ethische Erziehung durch die Konfrontation mit seinem Gegenteil.“[2]

Inwiefern dies wirklich möglich erscheint, soll anhand einer Dreigliederung analysiert werden. Zunächst soll kurz auf die zentralen Aufgabenfelder und Konzeptionen einer KZ-Gedenkstätte eingegangen werden.

Ein größerer Abschnitt widmet sich der Problematik im Umgang mit KZ-Gedenkstätten. Hierbei wird der Begriff der „authentischen Orte“, die Frage der retroperspektiven Sinnstiftung, die zeitliche Diskrepanz der Nachkriegsgeborenen zu den Geschehnissen und die Emotionalisierung angesprochen.

Im letzten Teil dieser Arbeit wird herausgearbeitet, wieso der Besuch einer Gedenkstätte trotz der vorab angesprochenen Risiken und Schwierigkeiten, doch eine Chance sein kann. Hierbei werden der lokale Bezug sowie die Thematisierung der Unselbstverständlichkeit von Demokratie und freiheitlicher Ordnung im Mittelpunkt stehen.

Es können hieraus Vermittlungsziele der Gedenkstättenpädagogik abgeleitet und die Besucher zu einem selbständigen Handeln initiiert werden, welches sich gegen rechtsextremes Gedankengut richtet.

Diese Arbeit zielt in ihrer Fragestellung nicht auf jene Besucher von Gedenkstätten mit einem gefestigten rechtsextremistischen Weltbild. Wie Reif-Spirek sicherlich korrekt anmerkt, bleibt die historische Dokumentation der NS-Verbrechen gegenüber dieser Gruppe häufig ohnmächtig, „weil diese die Konzentrationslager nicht mehr nur wie bisher geschichtsrevisionistisch leugnen oder verharmlosen, sondern sogar als Muster- einrichtungen verteidigen und die Gedenkstätten als rechtes Ausflugsziel ansehen.“[3]

Es geht vielmehr um diejenigen Besucher, die Züge von fremdenfeindlichen, antidemokratischen und autoritären Einstellungen aufweisen und insbesondere auch um Jugendliche, deren politische Einstellungsmuster noch nicht gefestigt sind. Dabei wird im Kapitel 4 thematisiert, wie historisches Wissen um die Verbrechen der Nationalsozialisten, mit aktuellen politischen Verhalten zusammengebracht werden und nicht entkoppelt bleibt.[4]

2. Aufgaben einer KZ-Gedenkstätte

Die KZ-Gedenkstätten haben heute vier zentrale Aufgabenfelder: Sie sollen Friedhöfe sein; Mahnmale und Lernorte, die in die Gegenwart und Zukunft gerichtet aufklären wollen; sie sind Forschungsstätten, insbesondere durch die Arbeit in den Archiven und Dokumentationszentren und sie sind ferner Sachbeweise, bzw. Tatorte der geschehenen Verbrechen.[5]

KZ-Gedenkstätten werden gegenwärtig und zukünftig weiter in ihrer Bedeutung wachsen, da die Erfahrungsgeneration der Zeitzeugen verloren geht und damit die direkte Verbindung zu den vergangenen Ereignissen. So bleiben die Gedenkstätten „die Zeugen nach den Zeugen“[6].

Aus dieser Perspektive betrachtet sind die Konzentrationslager und ihre Einrichtungen anschauliche und unleugbare Sachbeweise für die Verbrechen der NS-Diktatur, die Tatorte werden bewahrt.

Die KZ-Gedenkstätten sind „weniger (als) Denk- als Schandmale – und, wieder von heute her formuliert, zugleich als (Freilicht-)Museen, in denen die Geschichte des Ortes aufgehoben, repräsentiert und für Besucher zum Sprechen gebracht werden soll“[7] zu verstehen.

Klei spricht in diesem Zusammenhang von „authentischen Orten“. Mit diesem Begriff „werden Gebäude, Flächen, Landschaften bezeichnet, die sich mit einem historischen Geschehen verbinden lassen. Die Topografie ehemaliger Konzentrationslager werden authentische Orte genannt. Sie waren und sind der materielle Beweis für die Existenz des Vernichtungssystems.“[8]

Für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer sollen die KZ-Gedenkstätten, aber auch Friedhöfe sein, in denen individuelle Trauer um Freunde und Verwandte möglich wird.

So formulierte der KZ-Häftling Werner A. Beckert 1945 das Anliegen, dass „das Lager Buchenwald (...) auf Wunsch der Gefangenen nicht vernichtet werde. Dieses Lager soll allen Nationen ein Mahnmal für die kommenden Geschlechter sein und zugleich eine Ruhestätte für unsere vielen Kameraden, die als Opfer der Nazi-Pest ihr Leben gelassen haben.“[9]

Besucher der Nachkriegsgenerationen, die keinen persönlichen Bezug zu den Opfern haben, können ihre Solidarität und Empathie ausdrucken, in dem sie versuchen zu erahnen, was die Opfer hier erleben mussten.[10]

Die baulichen Relikte, hierbei insbesondere die Krematorien, sind stellvertretende Grabdenkmale. Hier wird eine Möglichkeit gegeben, denjenigen Verstorbenen zu gedenken und zu erinnern, denen keine individuellen Gräber zuteil wurden, die „durch den Rauch“ gingen und deren Asche zerstreut wurde. Knigge fasst dazu zusammen: „Die Lager als Friedhöfe zu verstehen und in Teilen zu gestalten, steht vor diesem Hintergrund für den Versuch, den Ermordeten wenigstens nachträglich die ihnen abgesprochene Menschenwürde zurückzuerstatten.“[11]

Zum anderen sind die Gedenkstätten aber auch Mahnmale und Lernorte, in denen die Besucher durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte, aufgeklärt und für ihr gegenwärtiges Leben sensibilisiert werden sollen.

Dazu wird Weiteres im Kapitel 4 ausgeführt.

3. Problematiken

Im Bemühen einer angemessenen Darstellung der Wirklichkeit in Konzentrationslagern, liegt ein tendenzielles Scheitern.[12] Eine angemessene Repräsentation der NS-Verbrechen ist nur annäherungsweise erreichbar.[13]

Bereits oben wurde der Begriff der authentischen Orte vorgestellt. Dieser Begriff suggeriert, dass etwas unverändert durch die Zeit gelangt sei, bzw. etwas wieder so hergestellt werden könne, wie es einmal war, im Sinne der Echtheit.[14]

Jedoch wurden die Konzentrationslager nach 1945 zu Gedenkstätten umgebaut, indem man sie aus den alltäglichen Zusammenhängen isoliert und sie musealisiert hat.

Es besteht demnach eine Diskrepanz zwischen den Erinnerungen der Überlebenden und unserer heutigen Möglichkeit von Annäherung an diese Orte, zumal jeder Besuch einer solchen Gedenkstätte automatisch Assoziationen weckt, die möglicherweise bestätigt werden oder eben auch im Widerspruch zum wahrgenommenen stehen.[15] Für die (jüngeren) Besucher dienen die Gedenkstätten als Projektionsfläche unterschiedlicher Vorstellungen zum NS- und KZ-System, die sie vorher insbesondere durch das Medium Film und Fernsehen vermittelt bekommen haben.[16] Auf die Annäherung von Jugendlichen zu Gedenkstätten bezogen, vermerkt Langer kritisch, dass die Wahrnehmung der Schüler (...) in zunehmendem Maße durch medial vermittelte fiktionale Bilder geprägt (ist), denen ein historischer Wahrheitswert zugeschrieben wird. Insofern hat der verstärkte und oft unkritische Einbezug von Spielfilmen in den Schulunterricht zu Nationalsozialismus und Holocaust Konsequenzen für den Besuch von Gedenkstätten, als es den Wahrnehmungsrahmen der Schüler vorstrukturiert.“[17]

Ruth Klüger, die als Kind mehrere Jahre in KZ verbringen musste, spricht diese Problematik ebenfalls anschaulich an: „Da war alles sauber und ordentlich, und man brauchte schon mehr Phantasie, als die meisten Menschen haben, um sich vorzustellen, was dort vor vierzig Jahren gespielt wurde. Steine, Holz, Baracken, Appellplatz. Das Holz riecht frisch und harzig, über den geräumigen Appellplatz weht ein belebter Wind, und diese Baracken wirken fast einladend. Was kann einem da einfallen, man assoziiert eventuell Ferienlager als gefoltertes Leben. Und heimlich denkt wohl mancher Besucher, er hätte es schon schlimmer gehabt als die Häftlinge da in dem ordentlichen deutschen Lager. Das mindeste, was dazu gehörte, wäre die Ausdünstung menschlicher Körper, der Geruch und die Ausstrahlung von Angst, die geballte Aggressivität, das reduzierte Leben (...). Es ist unsinnig, die Lager so darstellen zu wollen, wie sie damals waren.“[18]

Um dieses Dilemma in einem Begriff zu fassen, erfindet sie den Begriff der „Zeitschaft“: Der Zustand eines Ortes zu einer bestimmten Zeit, die nicht mehr existiert. Da die Sinneseindrücke von damals fehlen und sich die Stätte auch gewandelt hat, muss infrage gestellt werden, inwieweit man die Gedenkstätten als authentische Orte betrachten kann.

[...]


[1] vgl. Reif-Spirek: 2

[2] Genger: 20

[3] Reif-Spirek: 4

[4] vgl. ders.: 5

[5] vgl. Kuhls: 31

[6] Ahlheim: 9

[7] Knigge: 58

[8] Klei: 19

[9] Beckert: 9

[10] vgl. Kuhls: 31

[11] Knigge: 57

[12] vgl. ders.: 61

[13] vgl. ders.: 58

[14] vgl. Klei: 19

[15] vgl. dies.: 9

[16] vgl. Reif-Spirek: 3

[17] Langer: http://www.km.bayern.de/blz/eup/01_08_themenheft/7.asp

[18] Klüger: 77f.

Excerpt out of 14 pages

Details

Title
Die Möglichkeiten der Gedenkstättenpädagogik in der Arbeit gegen Rechtsextremismus
College
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Pädagogik)
Course
Proseminar: - „Rechtsextremismus: Theorien, Weltanschauung, Trägergruppen, institutionelle Gegenstrategien
Grade
1,3
Author
Year
2008
Pages
14
Catalog Number
V146043
ISBN (eBook)
9783640549788
ISBN (Book)
9783640550524
File size
489 KB
Language
German
Keywords
Möglichkeiten, Gedenkstättenpädagogik, Arbeit, Rechtsextremismus
Quote paper
Marcel Görmann (Author), 2008, Die Möglichkeiten der Gedenkstättenpädagogik in der Arbeit gegen Rechtsextremismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146043

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