Der ökonomische Strukturwandel Spaniens und seine Folgen


Term Paper (Advanced seminar), 2003

22 Pages, Grade: gut


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ökonomischer Strukturwandel – Erklärungsansätze
2.1 Definition
2.2 Die Theorie des Produktzyklus
2.3 Die Theorie der langen Wellen

3 Ursachen und Verlauf des ökonomischen Strukturwandels in Spanien
3.1 Die wirtschaftliche Entwicklung in einem autoritären System
3.2 Reformen der jungen Demokratie
3.2.1 Die Politik im Primären Sektor
3.2.2 Die Politik der Industriereform
3.3 Der Einfluss der EG auf den wirtschaftlichen Reformprozess
3.3.1 Primärer Sektor
3.3.2 Industrie- und Bausektor
3.3.3 Dienstleistungssektor
3.4 Aktuelle Perspektiven des Dienstleistungssektors

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Wirtschaftsräumliche Strukturen unterliegen in einer offenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einem permanenten Wandel; die Folge ist, dass einzelne Wirtschaftszweige an Bedeutung gewinnen, während andere verlieren.

Wie kein anderes Beitrittsland der EU hat Spanien von der Süderweiterung der damaligen EG im Jahre 1986 profitiert. Dank der neuen wirtschaftlichen Prosperität spielt das Land heute eine maßgebende Rolle im Kreis der Industrienationen. Diesen Erfolg verdankt Spanien im Wesentlichen seiner liberalen Wirtschaftspolitik, die besonders günstige Rahmenbedingungen für internationales Investitionskapital geschaffen hat. Die spezifischen Interessen der „Global Players" ebenso wie die veränderten Konkurrenzbedingungen auf den internationalen Märkten haben dabei die Struktur der spanischen Volkswirtschaft verändert.

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst erläutert, was unter dem Begriff „ökonomischer Strukturwandel“ zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang werden auch dynamisch-zyklische Ansätze erwähnt, die betonen, dass sich die Wirtschaft in einem ständigen Wandel befindet. Im Kapitel 3 werden die Ursachen und der Verlauf des Strukturwandels in Spanien aus der Zeit des autoritären Systems unter Franco bis in die Gegenwart vorgestellt. Dabei werden die einzelnen Phasen des ökonomischen Wandels und seine Folgen im politischen und gesellschaftlichen Kontext beschrieben. In der Schlussbetrachtung wird erläutert, inwieweit die spanische Wirtschaft durch den Prozess des Strukturwandels mit den Volkswirtschaften der Kernländer der Europäischen Union konvergiert und wo es Abweichungen gibt.

2 Ökonomischer Strukturwandel – Erklärungsansätze

2.1 Definition

Der Bedeutungswandel von Wirtschaftszweigen kennzeichnet den ökonomischen Strukturwandel. Dabei handelt es sich um eine längerfristige und meist irreversible Veränderung der Struktur im sozioökonomischen Bereich (Leser 2001, S. 847).

Betrachtet man den Wandel output-orientiert, so findet sich häufig eine Unterteilung der Wirtschaft in drei Sektoren: in den Primären (Agrar- und Forstwirtschaft, Fischerei und Bergbau ohne Aufbereitung), Sekundären (Industrie einschließlich Energiegewinnung und Aufbereitung von Bergbauprodukten, Bauwesen, Handwerk und Heimarbeit) und Tertiären Sektor (Dienstleistungen wie Handel, Verkehr, Verwaltung, Bildungs- und Schulwesen sowie die freien Berufe) (Coy 2001).

Die Zuteilung zu einem der drei Sektoren wird nach dem Endprodukt vorgenommen; der Strukturwandel schlägt sich somit in Verschiebungen der Anteile der verschiedenen Sektoren nieder.

Die Suche nach den Ursachen für einen Strukturwandel stellt ein kontrovers diskutiertes Forschungsfeld dar. Es existiert keine einzelne, allumfassende Theorie, die den komplexen ökonomischen Wandel erklären könnte. Allerdings leisten einige Theorieansätze wesentliche Beiträge zum besseren Verständnis des Prozesses. Zwei wissenschaftstheoretische Ansätze werden im Folgenden kurz dargestellt.

2.2 Die Theorie des Produktzyklus

Diese Theorie geht auf einer mikroökonomischen Maßstabsebene davon aus, dass ein Produkt nur eine begrenzte Lebensdauer besitzt und einen Lebenszyklus durchläuft. Dieser Zyklus ist durch vier Phasen gekennzeichnet: Entwicklung, Wachstum, Reife und Schrumpfung. Produktions- und Absatzbedingungen (Faktoreinsatz, Umsatz, Wettbewerb, Profit, Innovationen) ändern sich im Laufe des Lebenszyklus; es kommt u.a. zu Schwerpunktverschiebungen von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen zu Rationalisierungsinvestitionen, von kleinen Losgrößen zur Massenproduktion und zur Verlagerung des optimalen Produktionsstandortes. Steigende Sachkapitalintensität, sich verschärfender Qualitäts- und Preiswettbewerb erzwingen eine funktionale Standortspaltung oder Zweigbetriebsgründungen im Hinterland des Zentrums, in peripher gelegenen Standorten oder in Niedriglohnländern (Schätzl 2001, S. 210 ff).

2.3 Die Theorie der langen Wellen

Die u.a. auf Kondratieff und Schumpeter zurückgehende Theorie liefert einen Erklärungsansatz für die Entstehung und Verlagerung von wirtschaftlichen Räumen anhand des technischen Fortschritts. Die zentrale Aussage lautet, dass grundlegende technische Neuerungen – so genannte Basisinnovationen – in zyklischen Abständen gehäuft auftreten und somit lang anhaltende Wachstumsschübe („lange Wellen“) auszulösen vermögen. Die Basisinnovationen bringen als Produktinnovationen neue Wachstumsindustrien hervor, als Prozessinnovationen bewirken sie grundlegende Veränderungen in bereits bestehenden Wirtschaftszweigen.

Auf den Komplex Dampfmaschine/Kohle/Eisen (1. Welle) folgten Stahl/Eisenbahn
(2. Welle), dann Elektrizität/Chemie/Auto (3. Welle) und schließlich - in den 1970er Jahren zur Reife gelangt - der Chip-/Kunststoff-/Flugzeug-Komplex (4. Welle). Als basistechnologische Generation der 5. Welle werden Information und Kommunikation, Gen- und Biotechnologie genannt (Schätzl 2001, S. 217).

In der Vergangenheit lag der räumliche Konzentrationskern einer neuen langen Welle in der Regel entfernt von jenem des alten Zentrums. Bei globaler Betrachtung lag das Zentrum der ersten Welle in England (Manchester), während sich die Zentren der zweiten Welle zusätzlich in Deutschland (Ruhrgebiet) und den USA (Ostküste) etablierten. In der dritten Welle kamen neben westeuropäischen Ländern weitere Staaten der USA hinzu, und während der vierten langen Welle trat Japan als Ausgangspunkt und Kristallisationskern von Basisinnovationen hinzu. Zu Beginn der fünften langen Welle wird erwartet, dass sich der pazifische Raum zu einer führenden Industrieregion entwickeln könnte.

Ein Grund der Standortverlagerungen liegt darin, dass die Kernregionen der alten Welle nicht den Standortanforderungen der neuen Wachstumsindustrien genügen, etwa in Bezug auf die Infrastruktur oder das Humankapital. Hinzu kommt, dass statisches Verhalten von Großunternehmen, Gewerkschaften und Regierungen die notwendigen Anpassungsprozesse verhindern (Schätzl 2001, S. 221).

Zusammenfassend lassen sich folgende Ursachen für den Strukturwandel benennen:

- globaler Wettbewerb und Liberalisierung der Märkte,
- Veränderung der Produktionsprozesse,
- ungünstige Branchen- und Betriebsgrößenstruktur,
- Veränderung der Nachfrage nach Dienstleistungen,
- Innovationen und technischer Fortschritt,
- Veränderung der Subventionspolitik und
- hohe Umweltbelastungen (Gaebe 1998, S. 117).

3 Ursachen und Verlauf des ökonomischen Strukturwandels in Spanien

3.1 Die wirtschaftliche Entwicklung in einem autoritären System

Nach dem Ende des Bürgerkrieges 1939 betrieb das Franco-Regime eine Politik der Autarkie und des Staatsinterventionismus. Sie war teils eine Folge der internationalen Isolierung des Landes, entsprach aber vor allem der sozialen und ökonomischen Ideologie der Einheitspartei Falange. Mit einer importsubstituierenden Industriepolitik suchte man die Unabhängigkeit von Einfuhren. Hauptinstrument dieser Politik war das Nationale Industrieinstitut (Instituto Nacional de Industria/INI), eine Staatsholding, die die Schlüsselindustrien (Energie, Eisen-/Stahlindustrie, Bergbau, Schiffbau, Luftverkehr) kontrollierte und gezielt förderte.

Neben der Industrieproduktion überwachte der Staat auch die Investitionen und legte Landwirtschaftspreise, Rohstoffzuteilungsquoten und Löhne fest. Folgen dieser Politik waren Fehlinvestitionen, bürokratische Verzögerungen, Qualitätsmängel der Industrieerzeugnisse, unzureichende Produktions- und Produktivitätsquoten sowie Korruption, Schwarzmarkt und ein Absinken des allgemeinen Lebensstandards (Nohlen/Hildenbrand 1992, S. 26).

Im Juli 1959 wurde ein weitreichender Stabilisierungsplan von der spanischen Regierung verabschiedet. Der Schwerpunkt des Plans lag auf strukturellen Maßnahmen, die auf Drängen des IWF in das Programm aufgenommen worden waren. Er enthielt:

- die Abwertung der Peseta zur Exportunterstützung,
- die Gewährung von Devisenfreiheit,
- die Lockerung von Importbeschränkungen,
- die Freiheit des Gewinntransfers und damit die Förderung

von Auslandsinvestitionen.

Im Anschluss an die Verabschiedung des Stabilisierungsplans durchlief die spanische Wirtschaft eine Periode rasanten Wachstums, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des BIP von 7,4% im Zeitraum von 1960 bis 1973. Der Anteil des Agrarsektors am BIP ging kräftig zurück, während dagegen die entsprechenden Anteile der Industrie und des Dienstleistungssektors zunahmen. Spanien wandelte sich von einem Agrarland in einen Industriestaat.

Während der Franco-Regierung war die Industrieplanung auf Großunternehmen begrenzt. Dabei wurden die Industrieunternehmen im Rahmen der nationalen Entwicklungspläne nach dem Konzept der Wachstumspole (Perroux) gefördert. Durch die Ansiedlung von Schlüsselindustrien sollten der regionalen Wirtschaft Wachstumsimpulse verliehen werden, wobei erwartet wurde, dass die zusätzliche Ansiedlung vor- und nachgelagerter Betriebe langfristig das Einkommen der Region erhöhen wird (Benton 1992, S. 77).

Als Ergebnis der industriellen Entwicklung konzentrierten sich die Arbeitsplätze dieses Sektors auf drei historisch gewachsene Pole des Landes: Das Baskenland (Montan-/Schwerindustrie), Katalonien (Textilindustrie, Chemische Industrie) und Madrid (mit einer stärker gemischten Branchenstruktur, darunter Automobilbau ebenso wie Elektrotechnik). Ergänzt wird dieses Raummuster eines industriellen Kräftedreiecks durch periphere (Hafen-)Standorte der Werftindustrie (Breuer 2001,
S. 90 f).

Im Zeitraum von 1960 bis 1973 kam es zu einem rapiden Wandel der Beschäftigungsstruktur. Während 1960 noch 42% der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig waren, sank dieser Anteil bis 1973 auf 24%. Sowohl in der Industrie als auch im Baugewerbe war lediglich ein leichter Anstieg des Beschäftigtenanteils zu verzeichnen, es fand jedoch ein deutlicher Zuwachs bei den Dienstleistungen von 28% im Jahr 1960 auf 43% im Jahr 1973 statt (Teubner 1999, S. 13 f).

Zwei Faktoren sind für die Erklärung des Wandels in der Beschäftigungsstruktur hervorzuheben: Zum einen schuf das starke Wachstum des ausländischen Tourismus in großem Umfang Arbeitsplätze; zum anderen wurde durch die Emigration spanischer Arbeitskräfte der Abbau der Beschäftigung in der Landwirtschaft ermöglicht.

3.2 Reformen der jungen Demokratie

Das so genannte „Spanische Wirtschaftswunder“ fand 1974 ein abruptes Ende. Weltwirtschaftliche Veränderungen wie die Verteuerung des Erdöls und die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit der Schwellenländer bei bestimmten Industrieprodukten (Eisen- und Stahlerzeugung, Schiffbau, Textil- und Bekleidungsindustrie) führten zur Wirtschaftskrise. Die während der letzten eineinhalb Jahre des Franco-Regimes einsetzende Krise äußerte sich im Absinken der Wachstumsrate des BIP, im Rückgang der Industrieinvestitionen, in der Zunahme des Handelsbilanzdefizits und der Auslandsverschuldung sowie im Anstieg der Inflation und der Arbeitslosigkeit. Da die Wirtschaftskrise mit einer politischen Systemkrise zusammenfiel, wurde mit ökonomischen Sanierungs- und Anpassungsmaßnahmen später als in anderen Ländern begonnen (Nohlen/Hildenbrand 1992, S. 28 f).

Der erste Schritt zu wirtschaftlichen Reformen nach dem Tode Francos im November 1975 wurde mit der Verabschiedung des Moncloapaktes vollzogen. Der Moncloapakt ist eine Übereinkunft zwischen den wichtigsten spanischen Parteien (Unión de Centro Democrático/UCD, Partido Socialista Obrero Español/PSOE, Partido Comunista de España/PCE, Alianza Popular/AP, baskische und katalanische Sozialisten) über wirtschaftliche und politische Reformen, die am 25. Oktober 1977 im spanischen Regierungssitz „Palacio de la Moncloa“ getroffen wurde. Der aus mehreren Abmachungen bestehende Pakt enthielt ein Bündel von kurzfristigen Maßnahmen für die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts und eine Reihe von strukturellen Reformen (Steuerreform, Reform des Systems der sozialen Sicherheit, Reformen im Erziehungssektor und die Ausarbeitung eines Betriebsverfassungsgesetzes).

Zieht man eine Bilanz des Paktes von Moncloa, so zeigt sich, dass die kurzfristigen Maßnahmen erfolgreich waren. Wenige Monate nach Inkrafttreten konnte die Inflation um die Hälfte verringert werden, das Zahlungsbilanzdefizit reduziert werden, und die wirtschaftliche Wachstumsrate stieg auf 3%. Die Strukturreformen wurden allerdings kaum in Angriff genommen, und die Arbeitslosigkeit bekam man auch nicht in den Griff, so dass es 1979 zu landesweiten Streiks kam (Nohlen/Hildenbrand 1992, S. 227 f).

Die Anpassungspolitik des Moncloapaktes wurde 1982 von der PSOE-Regierung fortgesetzt. Im Rahmen der so genannten Sozialpakte wurde in enger Kooperation mit Gewerkschaften und Unternehmerverband eine Wirtschaftspolitik verfolgt, die aus der Kombination einer Sanierungspolitik (zur Beeinflussung makroökonomischer Variablen) mit einer Politik der Strukturreformen bestand. Im Folgenden werden die Reformen im Primären und Sekundären Sektor vorgestellt.

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Details

Title
Der ökonomische Strukturwandel Spaniens und seine Folgen
College
University of Mannheim  (Geographisches Institut)
Grade
gut
Author
Year
2003
Pages
22
Catalog Number
V16080
ISBN (eBook)
9783638210263
ISBN (Book)
9783656069577
File size
620 KB
Language
German
Keywords
Strukturwandel, Spaniens, Folgen
Quote paper
Markus Lueske (Author), 2003, Der ökonomische Strukturwandel Spaniens und seine Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16080

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