Markteintrittsbarrieren für ausländische Unternehmen in China


Diplomarbeit, 1999

140 Seiten, Note: 1.1


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

1. Wirtschaftsstandort China: Rahmenbedingungen für den Markteintritt
1.1 Bevölkerung
1.1.1 Bevölkerungszahl
1.1.2 Bevölkerungsgruppen
1.1.3 Einkommen
1.2 Geographie und Klima
1.3 Entwicklung des politischen Systems
1.3.1 Staatsorgane, Verfassung
1.3.2 Kommunistische Partei Chinas (KPCh)
1.3.3 People's Liberation Army (PLA)
1.3.4 Menschenrechte
1.4 Entwicklung des Wirtschaftssystems
1.4.1 1949 – 1957: Aufbauphase
1.4.2 1958 – 1962: Maos "Großer Sprung nach Vorne"
1.4.3 1962 – 1965: Erholung vom "Großen Sprung nach Vorne"
1.4.4 1966 – 1971: Kulturrevolution unter Mao
1.4.5 1972 – 1978: Wiederaufbau
1.4.6 1978 – 1997: Reformen unter Deng Xiaoping
1.4.7 1997 bis heute: Weiterführung der Reformen
1.4.8 Entwicklung des Außenwirtschaftssystems
1.5 Infrastruktur
1.6 Sektorale und regionale Wirtschaftsstruktur
1.6.1 Sektorale Wirtschaftsstruktur
1.6.2 Regionale Wirtschaftsstruktur
1.7 Außenwirtschaftsbeziehungen

2. Allgemeine Markteintrittsbarrieren
2.1 Kulturelle Barrieren
2.1.1 Kultur und Mentalität
2.1.2 Sprach- und Kommunikationsbarrieren
2.1.3 Beziehungen/ guanxi
2.2 Barrieren durch reale Ordnungspolitik
2.2.1 Wirtschaftssystem
2.2.2 rechtlicher Rahmen für die Wirtschaft
2.3 Barrieren durch monetäre Ordnungspolitik
2.3.1 Fiskalpolitik
2.3.2 Bankensystem
2.3.3 ungelöste Probleme im Finanzwesen
2.3.4 Devisenmarkt
2.3.5 Abwertung des RMB

3. Markteintrittsbarrieren gegenüber Direktinvestitionen
3.1 Begriff und Arten der Direktinvestitionen
3.1.1 Equity Joint Venture (EJV)
3.1.2 Cooperative/ Contractual Joint Venture (CJV)
3.1.3 Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE)
3.1.4 Änderung der Unternehmensform
3.2 Rechtliche Barrieren
3.2.1 Gründung einer Gesellschaft
3.2.2 Einschränkung der Sektoren
3.2.3 Rechtsunsicherheiten
3.2.4 Gesetzesauslegung durch lokale Behörden
3.2.5 Geistiges Eigentum an Technologietransfer
3.2.6 Einschränkung der Eigentumsrechte des Investors
3.3 Abgabentechnische Barrieren
3.3.1 Steuern
3.3.2 Zölle
3.4 Monetäre und finanzielle Barrieren
3.4.1 Finanzierung
3.4.2 Devisenbilanzausgleich
3.4.3 Gewinn- und Kapitaltransfer
3.5 Praktische Barrieren
3.5.1 Partnerfindung
3.5.3 Rohstoffversorgung
3.6 Differenzierung der Barrieren
3.6.1 Differenzierung nach Branchen
3.6.2 Differenzierung nach Regionen und Sonderwirtschaftszonen

4. Besonderheiten des chinesischen Marktes
4.1 Marktpotential
4.1.1 Marktforschung
4.1.2 Kaufkraft
4.2 Anpassungserfordernisse für Produkte
4.3 Vertrieb und Distribution
4.4 Werbung

5. Entwicklung der Direktinvestitionen in China
5.1 Entwicklungsphasen
5.1.1 Anfangsphase 1979-1986
5.3 Sektorale Verteilung
5.5 Investitionsschutzabkommen

6.3.1 Europäische Union (EU)

Literatur

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Angesichts der Ströme weltweiter Direktinvestitionen in Höhe von 644 Mrd. US$[1] im Jahr 1998 stellt sich allgemein die Frage, warum einige Länder mehr und andere weniger daran teilhaben. Mit dieser Arbeit soll speziell die Frage geklärt werden, welche Markteintrittsbarrieren in der Volksrepublik China für ausländische Unternehmen existieren, d.h. welche Faktoren den Zufluß von Direktinvestitionen dorthin negativ beeinflussen und einem unternehmerischen Engagement in Form von Joint Ventures oder Tochterfirmen dort im Wege stehen könnten.

Dazu soll im ersten Kapitel ein allgemeiner Überblick über die Volksrepublik China gegeben werden, der zum Verständnis vieler Eigenarten notwendig ist. Dieser ist etwas ausführlicher gestaltet, so daß ein detaillierter Einblick in die Entwicklung des chinesischen Wirtschaftssystems erfolgen kann, welche die Grundlage für viele heutige Zustände bildet.

Den Schwerpunkt der Arbeit bilden die Kapitel zwei und drei, die die größten Investitionsbarrieren behandeln. Darin sollen zunächst die allgemeinen Barrieren eines Markteintritts in China untersucht werden, d.h. Barrieren kultureller Art sowie durch reale und monetäre Ordnungspolitik. Dann folgen im dritten Kapitel zuerst die möglichen Formen von Direktinvestitionen, und dann die investitionsspezifischen Barrieren, die u.a. rechtlicher, abgabentechnischer, monetärer und praktischer Art sind.

Das Kapitel vier befaßt sich mit Besonderheiten des chinesischen Marktes, die ausländischen Unternehmen Schwierigkeiten bereiten könnten: Marktpotential, Produktanpassungen, Distribution und Werbemaßnahmen.

Im fünften Kapitel soll ein Überblick über die Entwicklung der Direktinvestitionen in China gegeben werden, d.h. bestimmte Phasen, Umfang, Herkunftsländer, bestehende Investitionsschutzabkommen sowie Trends, unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Investitionen.

Fördermaßnahmen für Direktinvestitionen sollen im sechsten Kapitel kurz erläutert werden. Dazu zählen in besonderem Maße die chinesischen Sonderwirtschaftszonen, andererseits auch die Angebote diverser deutscher, chinesischer und internationaler Organisationen.

Anschließend folgt eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

Die Motivation für die Erarbeitung dieses Themas entstand durch ein Auslandssemester an der Ocean University Qingdao, welches mir neben den Wirtschaftsvorlesungen auch die Gelegenheit zum Kennenlernen von 'Land und Leuten' bot. Im Rahmen dieses Aufenthaltes wurden auch Besuche bei mehreren chinesischen und ausländischen Unternehmen vor Ort ermöglicht, welche zumeist eine Gesprächsrunde mit den Geschäftsführern beinhalteten, so daß viele Einblicke in die Praxis und die Probleme der Unternehmen in China gewonnen werden konnten. Diese und persönliche Erfahrungen aus dem Alltag des Aufenthalts sind mit in die vorliegende Arbeit eingeflossen.

"Für viele ausländische Investoren bleibt China ein Mysterium..."[2] behauptet der Autor eines Zeitschriftenbeitrages. Die vorliegende Arbeit soll ein wenig dazu beitragen, daß dieses Mysterium aufgedeckt wird, zumindest was den wirtschaftlichen Bereich angeht. Um die ganzen Eigenarten Chinas, aber auch seine Faszination, herauszuarbeiten, bräuchte es weit mehr als den Umfang einer Diplomarbeit.

Birgit Bromund

Düsseldorf, September 1999

1. Wirtschaftsstandort China: Rahmenbedingungen für den Markteintritt

1.1 Bevölkerung

1.1.1 Bevölkerungszahl

China ist mit 1,227 Mrd. Einwohnern die bevölkerungsmäßig größte Nation der Welt[3]. Nach dem enormen Wachstum während Maos Herrschaft sind die durchschnittlichen jährlichen Bevölkerungswachstumsraten nun sinkend, was auf die 1980 zum Staatsziel erklärte Ein-Kind-Politik zurückzuführen ist.[4] Die ursprünglich geplante Bevölkerungszahl von maximal 1,2 Mrd. für das Jahr 2000 wurde trotzdem bereits mit der Bevölkerung von 1995 überschritten. Selbst bei einer jährlichen Wachstumrate von nur 1% bedeutet dies immer noch ein Anwachsen um 1,2 Mio. Einwohner pro Jahr, was die Regierung vor große Probleme in Bezug auf Versorgung, Infrastruktur und Arbeitsplätze stellt.

1.1.2 Bevölkerungsgruppen

Die Bevölkerung der VR China besteht zu ca. 94% aus Han-Chinesen; die restlichen 6% sind aufgeteilt auf 55 nationale Minderheiten. Dieser Anteil erscheint relativ gering, entspricht aber immerhin noch ca. 70 Mio. Menschen, also fast der Bevölkerung der BRD[5]. Verfassungsmäßig sind alle Nationalitäten gleichberechtigt, was in der Praxis allerdings anders aussieht. Die Unterdrückung von Bräuchen der Minderheiten und deren Ausnutzung als Devisenbringer für touristische Zwecke wird häufig beklagt.

Die nationalen Minderheiten leben zumeist in strategisch wichtigen Grenzgebieten mit hohen Rohstoffvorkommen (z.B. in Tibet und Xinjiang) und haben häufig auch jenseits der Landesgrenzen Volksangehörige. Daher ist die Loyalität der Minderheiten zur chinesischen Regierung wichtig für die Stabilität des Landes[6]. Es werden jedoch immer wieder Forderungen nach mehr Autonomie und zum Teil sogar nach Abspaltung laut[7].

Aufgrund der unterschiedlichen Volksgruppen und der Einflüsse aus dem Ausland (z.B. über die Seidenstraße und durch Kolonialisierung) gibt es in China viele verschiedene Religionen. Die Religionsfreiheit ist seit 1978 in der Verfassung gesichert; die Regierung hegt jedoch "ein grundsätzliches Mißtrauen gegenüber außerstaatlichen Vereinigungen" und sieht diese als "politisch gefährliche Kräfte, die das Herrschaftsmonopol der Kommunistischen Partei bedrohen könnten".[8]

1.1.3 Einkommen

Der durchschnittliche Reallohn pro Jahr ist von 1953 bis 1978 mit rund 1.200 RMB relativ konstant geblieben, z.T. sogar gesunken. Von 1978 auf 1996 (3.695 RMB) fand eine Verdreifachung statt[9], welche den Erfolg der Reformpolitik bestätigt. Mit steigenden Löhnen ist auch die Lebensqualität gestiegen, da durch die Öffnung des Landes mehr Konsumgüter erhältlich waren. Dabei ist das Einkommen jedoch ungleichmäßig verteilt: Die untersten 10% der Bevölkerung haben einen unterproportionalen Anteil von nur 2,2% am Gesamteinkommen, während die obersten 10% einen überproportionalen Anteil von 30,9% haben[10]. Die Hälfte der Haushaltsersparnisse wird von nur 20% der Bevölkerung gehalten[11]. Dies ist neben der steigenden Arbeitslosigkeit hauptsächlich auf die ungleiche Entwicklung von Stadt und Land zurückzuführen, weil der Staat sich lange Zeit nur auf den zumeist städtischen Industriesektor konzentrierte und dadurch gravierende Einkommensunterschiede hervorgerufen wurden. Das Pro-Kopf-Einkommen eines Stadtbewohners betrug 1994 3.179 RMB, während das eines Dorfbewohners mit 1.221 RMB nur etwas mehr als ein Drittel dessen erreichte[12]. Dies ist auch an der Ausstattung mit Gebrauchsgegenständen ersichtlich.[13] Daher muß sich die chinesische Regierung bemühen, die Einkommensunterschiede nicht zu stark ausufern zu lassen, um die soziale Sicherheit nicht zu gefährden, d.h. für die Landbevölkerung und die Arbeitslosen müssen Möglichkeiten zur Einkommenserzielung geschaffen werden.

1.1.4 Bildung

Als Indikatoren für das Bildungsniveau sollen hier Analphabetenquote und Schulbesuch herangezogen werden.

Die Analphabetenquote der Erwachsenen wird für 1995 im Durchschnitt mit 19% angegeben[14], welches im Vergleich zum Durchschnitt von 34% der Länder dieser Einkommenskategorie recht niedrig ist. Die chinesische Quote ist aber in dieser Form nicht sehr aussagekräftig, da sie sowohl nach Geschlechtern als auch nach Regionen sehr unterschiedlich ausfällt. So liegt der Anteil der Analphabeten bei den Männern nur bei ca. 10%, während er bei den Frauen mit 27% fast drei mal so hoch ist. In Beijing liegt die Analphabetenquote nur bei 10,7%, während sie in Tibet 70,4% beträgt[15], was auf deutliche Unterschiede im regionalen Bildungsniveau hinweist.

Abbildung 1: Schulbesuch in Prozent der jeweiligen Altersgruppe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Klammern jeweils der Durchschnitt Kategorie "Länder mit niedrigem Einkommen", d.h. einem BSP pro Kopf von unter 765 US$. Werte über 100% kommen dadurch zustande, daß auch Schüler, die älter sind als das amtliche Schulalter des Landes, noch in diesen Stufen sind.

Quelle: erstellt aus Weltentwicklungsbericht 1997, Tabelle 7.

Aus den Zahlen sind folgende Tendenzen zu erkennen: Der Anteil an den jeweiligen Altersgruppen in den Schulformen ist von 1980 auf 1993 angestiegen, d.h. das allgemeine Bildungsniveau hat sich über die Jahre verbessert.

Das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Schulbesuchern näherte sich von 1980 auf 1993 mehr und mehr an, d.h. die geschlechtlichen Unterschiede im Bildungsniveau sind gesunken.

In jeder Schulart liegt die VR China jeweils über dem Durchschnitt ihrer Einkommenskategorie, d.h. sie besitzt ein relativ hohes Bildungsniveau im Vergleich zu Ländern mit ähnlicher Einkommensstruktur. Der Anteil der Besucher von höheren Schulen bzw. Universitäten ist jedoch mit 4% der Altersgruppe relativ niedrig und wird von vielen Ländern aus der niedrigeren Einkommenskategorie übertroffen. Dies läßt auf einen Mangel an Arbeitskräften für hochqualifizierte Tätigkeiten in der VRC schließen, was z.B. für Auslandsunternehmen (FIEs) in Hinsicht auf die Besetzung von Managementpositionen von Bedeutung ist. Schüller (1998) bemängelt des weiteren einen rückläufigen Trend bei den Staatsausgaben im Bildungsbereich sowie die Unterschiede in der Versorgung mit Bildungseinrichtungen zwischen Stadt und Land.

1.2 Geographie und Klima

Mit einer Fläche von 9,326 Mio. km2 ist die VR China das zweitgrößte Land der Erde und entspricht in ihrer Größe in etwa dem gesamten europäischen Kontinent[16]. Die Landesgrenze der VR China beträgt mehr als 20.000 km und grenzt an nicht weniger als 14 Nachbarländer; die Küste hat eine Länge von mehr als 18.000 km. Von den ca. 3.400 zur VRC gehörenden Inseln ist Hainan die größte.[17] Die bedeutendsten Flüsse sind der Yangzi (5.464 km), der Huanghe oder auch Gelbe Fluß (6.300 km) und der Xijiang oder auch Westliche Fluß (2.600 km). Im Sommer führen diese Flüsse häufig Hochwasser, welche Evakuierungen erfordern und große wirtschaftliche Schäden anrichten.

Zwei Drittel des chinesischen Territoriums besteht aus Gebirgen, Hügelland oder Hochplateaus. Das ausgedehnte Territorium und die unterschiedliche Topographie führen zu extremen klimatischen Unterschieden, die von tropischem Klima bis zu ganzjährigem Schnee reichen. Nach offiziellen Angaben hat China eine Agrarfläche von 10% des Landes, d.h. etwa 95 Mio. Hektar[18]. Mit einer Bevölkerung, die rund 20% der Menschheit ausmacht, besitzt China jedoch nur 7% der Weltagrarfläche. Dieses Mißverhältnis sowie das Bevölkerungswachstum und der Agrarlandverlust durch Industrialisierung üben starken Druck auf die Nutzung der vorhandenen Flächen aus. Die Hauptanbauprodukte im Norden mit fruchtbaren Böden und geringeren Niederschlägen sind Weizen, Mais und Sojabohnen; im Süden mit höheren Niederschlagsmengen und schlechterer Bodenqualität werden hauptsächlich Reis, Weizen, Mais und Kartoffeln angebaut.

Die VR China besitzt unterschiedliche Bodenschätze, die zumeist regional konzentriert sind, woraus sich erhebliche Transportprobleme ergeben. So ist China zwar das weltweit größte Kohleförderland, muß die hauptsächlich im Norden des Landes vorhandene Kohle jedoch zu den Industriestandorten und Seehäfen in der östlichen Küstenregion transportieren, welches ständig rund 31% der gesamten Gütertransportkapazität beansprucht[19].

Die Bevölkerungsdichte beträgt durchschnittlich 125 Personen pro m2, der Großteil der Bevölkerung ist jedoch in den Küstenprovinzen angesiedelt. So erreicht die Bevölkerungsdichte in Shanghai z.B. 2.246 Personen, in Tibet jedoch nur zwei. Der Anteil der Stadtbevölkerung beträgt 29%, wobei 10% in Städten mit mehr als 1 Mio. Einwohnern leben[20]. Ein Problem stellt die wachsende Landflucht dar, die die Regierung jedoch durch strenge Wohnsitzbestimmungen begrenzen will.

1.3 Entwicklung des politischen Systems

1.3.1 Staatsorgane, Verfassung

Die Volksrepublik China, deren offizieller Name 'Zhongguo Renmin Gongheguo' lautet, ist eine sozialistische Volksrepublik mit der Hauptstadt Beijing (Peking). In seinen Institutionen und seinem Aufbau ist das chinesische System stark an der Sowjetunion orientiert.

Die Exekutive wird gebildet durch den Staatspräsidenten (Jiang Zemin) mit hauptsächlich repräsentativen Aufgaben, den Ministerpräsidenten (Zhu Rongji) und den Staatsrat (Kabinett). Die Legislative besteht aus dem Nationalen Volkskongreß, dem formal höchsten Organ der Staatsmacht mit 3.000 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden. Die Judikative wird angeführt vom Obersten Volksgerichtshof.

Die VRC ist aufgeteilt in 22 Provinzen, fünf autonome Regionen (Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Guangxi, Ningxia) und vier Städte direkt unter dem Staatsrat (Beijing, Shanghai, Tianjin, Chongqing). Das Regierungs- und Verwaltungssystem besteht aus sechs Stufen, auf denen es jeweils einen Kongreß als Staatsorgan gibt. Wahlberechtigt sind alle Bürger ab 18 Jahren. Diese wählen die Kongresse der untersten drei Stufen, welche dann die jeweils nächsthöhere Stufe wählen.

Im Rahmen der Reduzierung des Staatsapparates wurde im März 1998 das Kabinett von 54 auf 38 Mitglieder sowie die Anzahl der Ministerien und Kommissionen von 43 auf 29 verringert. Geplant ist auch eine Reduzierung des Beamtenapparates: Die Hälfte der acht Mio. Beamten soll innerhalb von drei Jahren abgebaut, umgesetzt, pensioniert oder in den Vorruhestand versetzt werden.[21] Ob dieses jedoch in Hinsicht auf die ohnehin angespannte Lage am Arbeitsmarkt tatsächlich durchgeführt werden wird erscheint zweifelhaft.

1.3.2 Kommunistische Partei Chinas (KPCh)

Gemeinsam mit der Ausrufung der VRC am 01.Oktober 1949 erfolgte die Machtübernahme durch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh). Im Parteistatut der KPCh ist die Führungsrolle der Partei in Staat und Gesellschaft festgelegt. Offiziell gibt es in der VRC ein Mehrparteiensystem, wobei im Prinzip keine reale Opposition existiert.

In der Verfassung von 1982 wurde festgelegt, daß "keine Organisation das Privileg genießen dürfe, die Verfassung und die Gesetze zu übertreten". Das chinesische System kennt jedoch keine Trennung von Politik und Recht; es gibt keine unabhängigen Kontrollinstanzen zur Herrschaftsbegrenzung der KPCh, so daß diese im Endeffekt das politische System beherrscht[22]. Die Partei wird vom Zentralkomitee sowie dem Politbüro und dessen ständigem Ausschuß geleitet. Auf allen sechs Verwaltungsebenen gibt es wiederum Parteikomitees.

Die KPCh hat heute ca. 58 Mio. Mitglieder, welches 4,8% der Bevölkerung entspricht. Ihre 7 Mio. Führungskader besetzen alle wichtigen Positionen in Verwaltung, Armee, Justiz, Gewerkschaften etc., so daß es zu einer starken Verflechtung von Partei- und Regierungsapparat kommt. Von den 3.000 Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses sind mehr als zwei Drittel Parteimitglieder.[23] Viele der Parteifunktionäre sind selbst in der Wirtschaft aktiv, z.B. durch Mitwirkung in Staatsunternehmen, und haben gleichzeitig staatliche Entscheidungsbefugnisse. Dies bildet die Grundlage für Korruption und Illoyalität gegenüber dem Staat. So berichtet Kynge (18.08.99-a), daß ca. 20% der Staatseinnahmen in der ersten Jahreshälfte 1999 mißbraucht wurden und nicht ihrem eigentlichen Verwendungszweck zugeführt wurden (es handelt sich hierbei um einen Betrag von 117,4 Mrd. RMB).

Die KPCh sieht sich dem Problem gegenübergestellt, daß ihre Ideologie aufgrund der wirtschaftlichen Reformen zunehmend veraltet erscheint und dadurch an Bedeutung verliert, die Partei jedoch nicht bereit ist, ihr Machtmonopol aufzugeben. Man will Wirtschaftsreformen ohne politische Reformen und schafft so einen starken Gegensatz zwischen Wirtschaft und Politik. Auf längere Sicht wird sich die chinesische Führung den Tendenzen zu mehr Mitbestimmung nicht widersetzen können. Es muß eine Reaktion auf die Veränderungen und eine Anpassung des politischen Systems in Form von mehr Demokratie und Kontrollmöglichkeiten über die Partei geben.

1.3.3 People's Liberation Army (PLA)

Die Volksbefreiungsarmee (PLA) besitzt eine Stärke von ca. 3 Mio. Mann. Laut offiziellen Angaben wurden 1995 lediglich 7,5 Mrd. US$ für die Verteidigung ausgegeben, nach Schätzungen von westlichen Forschern jedoch zwischen 30 und 56 Mrd. US$[24]. Wie bei der Niederschlagung der Studentenproteste 1989 deutlich wurde, besteht eine Aufgabe der Armee in der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung, wie auch zum Ende der Kulturrevolution geschehen. Weiterhin wird die Armee als Demonstration der nationalen Stärke und Macht eingesetzt, z.B. immer wieder in Manövern vor Taiwan, welches von China nicht als souveräner Staat, sondern als abtrünnige Provinz betrachtet wird.

Des weiteren hat die Armee auch eine große wirtschaftliche Bedeutung gewonnen, da sie ihren eigenen Geschäften nachgehen darf, um das Militärbudget zu ergänzen, und inzwischen "ein Imperium von Unternehmen der Konsumgüterindustrie, des Handels und Exports [...], die mit Rüstungsproduktion oder logistischen Aufgaben nur noch am Rande zu tun haben" besitzt[25]. Somit besteht eine starke Verflechtung auch zwischen Armee und Wirtschaft, welche Druck der Armeeführung auf die Lenkung der Wirtschaftspolitik begründet und eine weitere Ursache der Korruption darstellt.

Sowohl Mao als auch Deng hatten aufgrund ihrer Beteiligung am Bürgerkrieg eine Basis von Verbündeten in der Armee. Der dritten Generation, die jetzt an der Macht ist, fehlen größtenteils diese Verbindungen zur Armee, was auf Dauer zu Problemen hinsichtlich der Loyalität der Armee zur Regierung führen könnte.

1.3.4 Menschenrechte

Immer wieder wird bei Staatsbesuchen in China auch das Thema Menschenrechte angesprochen. Die VRC sieht dieses jedoch als innere Angelegenheit an und verbittet sich zumeist eine Einmischung des Auslands. Hinzu kommt die Tatsache, daß das im Westen übliche Menschenrechtsverständnis in der chinesischen Denkweise nicht existiert und die chinesische Führung die vom Westen angeprangerten Menschenrechtsverletzungen als zulässige Maßnahmen ansieht, um die öffentliche Ordnung und politische Stabilität zu sichern. Zu diesen zählen z.B. Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger durch Beschränkung der Religions- und Meinungsfreiheit, durch willkürliche Staatsherrschaft und durch erzwungene Abtreibungen oder Sterilisationen im Rahmen der Familienplanung. Nach Angaben von Amnesty International nutzt die VRC –auch für politische Gefangene- Methoden wie Arbeitslager, Folter, Strafverhängungen ohne Gerichtsverfahren und eine exzessive Ausübung der Todesstrafe.

Für westliche Unternehmen stellt sich angesichts dessen die Frage, ob sie mit einer Nation wie China, die erwiesenermaßen Menschenrechte verletzt, Geschäfte machen oder gar dort investieren sollen. Andererseits wird häufig die These vertreten, daß ausländische Investitionen die Wirtschaft des Landes fördern und somit zu einer Demokratisierung beitragen. Bei den meisten Unternehmen überwiegt offensichtlich die letztgenannte Überzeugung in Verbindung mit wirtschaftlichen Interessen, so daß die VRC trotz der Menschenrechtslage ein begehrter Investitionsstandort ist. Die Auswirkungen des ebenfalls zu diesem Themenbereich gehörenden Tiananmen-Massakers auf die ausländischen Direktinvestitionen sollen in Kapitel 5 näher untersucht werden.

1.4 Entwicklung des Wirtschaftssystems

1.4.1 1949 – 1957: Aufbauphase

Die letzte von diversen Dynastien, die China während seiner mehrere Jahrtausende langen Geschichte regierte, wurde 1911 aufgrund des Unmutes über den wachsenden Kolonialeinfluß ausländischer Mächte gestürzt. Es folgte die Gründung der Republik China durch Sun Yatsen. Von 1933 an befanden sich die Guomindang (Nationale Volkspartei) und die KPCh im Bürgerkrieg, aus dem die Kommunisten 1949 als Sieger hervorgingen. Am 01. Oktober 1949 erfolgte die Ausrufung der Volksrepublik China durch Mao Zedong.

Während der Aufbauphase nach dem Bürgerkrieg wurde in den Jahren 1949 bis 1957 zunächst die innere Ordnung wiederhergestellt; die politische Orientierung erfolgte in Richtung Sowjetunion, die sowohl ideologische als auch materielle Unterstützung gewährte. Mit der Bodenreform von 1950 wurden die Großgrundbesitzer enteignet; ihr Land wurde an Kleinbauern und Landlose vergeben. Im Wirtschaftsleben wurden Privatunternehmer toleriert und das Ackerland lag in den Händen der Bauern, wobei größere Feldmaschinen gemeinsam genutzt wurden.

Mit dem wachsenden Einfluß der KPCh wurde von 1952 an das zentrale Planungssystem eingeführt und der Staat nahm mehr Einfluß auf den industriellen Sektor. Die Nationalisierung aller Privatunternehmen war 1957 abgeschlossen. Mit dem ersten Fünfjahresplan (1953 –58) wurde die Priorität auf die Schwerindustrie gesetzt, welche als Motor des Wirtschaftswachstums angesehen wurde. Die Produktion von Konsum- und Agrargütern hingegen wurde zunehmend vernachlässigt. Die Bauern wurden zur Bildung von Kooperativen ermutigt, in denen das Eigentum an Land und Maschinen bei der Gemeinschaft lag.

1.4.2 1958 – 1962: Maos "Großer Sprung nach Vorne"

Mit seinem "Großen Sprung nach Vorne" bezeichnete Mao die Strategie, durch schnelles Wachstum sowohl in der Industrie- als auch der Agrarproduktion die Volksrepublik zu einer sozialistischen Wirtschaftsmacht zu entwickeln mit dem Ziel, die USA wirtschaftlich zu überholen. Es wurden zunächst riesige Volkskommunen von bis zu 5.000 Haushalten gebildet, die die Mechanisierung der Landwirtschaft vorantreiben und auch bei Infrastrukturprojekten mitarbeiten sollten. Weiterhin wollte Mao im Bereich der Stahlproduktion Großbritannien übertreffen und ermutigte daher die Bauern, zusätzlich zu ihrer Feldarbeit selbst Stahl herzustellen. So wurden entgegen jeder Vernunft Haushaltsgeräte aus Stahl eingesammelt, in kleinen Öfen geschmolzen und daraus dann wieder Haushaltsgeräte hergestellt, welche aufgrund des Materials und der Verarbeitung jedoch von wesentlich schlechterer Qualität waren.

Nach ideologischen Konflikten mit der Sowjetunion stellte diese die Unterstützung ein; hinzu kamen Hungersnöte durch Überschwemmungen und die ineffiziente Agrarproduktion. Der große Sprung nach Vorne erwies sich mehr als ein Schritt nach hinten für China, denn zusätzlich zu dem durch diese Kampagne hervorgerufenen wirtschaftlichen Rückschritt fanden ca. 30 Mio. Menschen den Tod.[26]

1.4.3 1962 – 1965: Erholung vom "Großen Sprung nach Vorne"

Nach seinem Mißerfolg konzentrierte sich Mao auf die innerparteiliche Arbeit und überließ den Wiederaufbau Zhou Enlai und dem neuen Generalsekretär der KPCh, Deng Xiaoping. Diese bemühten sich, politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum wiederherzustellen. Dazu wurden die Kommunen größenmäßig reduziert und die Privatnutzung von Land sowie der freie Handel von über die erforderliche Quote hinaus produzierten Gütern gestattet. Des weiteren ermutigte man private Initiative durch materielle Anreize.

1.4.4 1966 – 1971: Kulturrevolution unter Mao

Mao zeigte sich mit dem neuen Kurs nicht einverstanden und sah diesen als zu kapitalistisch an. Aus diesem Grund startete er 1966 die "Große proletarische Kulturrevolution", um Bourgeoisie und Feudalismus auszumerzen. Die Kommunen wurden wieder eingeführt, privater Landbesitz wurde verboten und die Führung der Fabriken wurde von Revolutionskomittes übernommen. Mao nutzte seine als 'Rote Garden' organisierte Anhängerschaft dazu, unerwünschte Parteifunktionäre und 'Konterrevolutionäre', die man einer bourgeoisen Mentalität verdächtigte, von ihren Posten zu entfernen, darunter auch Deng Xiaoping. Die Bewegung geriet jedoch außer Kontrolle und führte zu Terror und Chaos im ganzen Land. Politiker und Intellektuelle wurden auf das Land geschickt, eingesperrt oder getötet, Bücher wurden verbrannt, Kinder denunzierten ihre Eltern.

1967/ 68 wurde die Volksbefreiungsarmee eingesetzt, um Ordnung und zentrale Kontrolle wiederherzustellen. Langsam kehrte das Land zu einem normalen Leben zurück, nachdem 10 Mio. Menschen ermordet worden und die persönlichen Schicksale und Existenzgrundlagen von über 100 Mio. weiteren mit Füßen getreten worden waren.[27]

1.4.5 1972 – 1978: Wiederaufbau

Premierminister Zhou Enlai holte qualifizierte Parteiführer zurück (auch Deng Xiaoping), um die durch die Kulturrevolution zerstörte Staatsbürokratie, das Rechtssystem und die Wirtschaft wieder aufzubauen. Das Kommunensystem wurde wieder abgeschafft; privates Land für die Bauern und materielle Anreize für Landwirtschaft und Industrie wurden eingeführt. Die Armee wurde modernisiert und unter die Kontrolle der KPCh gestellt, deren Führungsriege ebenfalls wiederhergestellt wurde.

Währenddessen erlangte die sogenannte Viererbande, bestehend aus Maos Frau und drei Shanghaier Politikern, mehr und mehr Macht. Sie richteten sich gegen die Reformen und wollten die Entwicklungen der Kulturrevolution beibehalten. Mao stimmte nicht völlig mit der Viererbande überein, fürchtete jedoch die kapitalistische Orientierung von Deng Xiaoping. Mit Hilfe der Viererbande wandte er sich 1975 gegen Deng und stellte diesen als Verräter hin, so daß diesem nur die Flucht in den Süden des Landes blieb. Langsam bildete sich eine Opposition gegen die Viererbande und diese wurde nach Maos Tod im Jahr 1976 abgesetzt und inhaftiert. Maos Nachfolger Hua Guofeng war nur kurz an der Macht, da Deng Xiaoping im Jahr 1978 politisch rehabilitiert wurde und an die Macht zurückkehrte.

1.4.6 1978 – 1997: Reformen unter Deng Xiaoping

Deng erkannte die Notwendigkeit zur Modernisierung Chinas und setzte das Ziel, daß China bis zum Jahr 2000 eine Industrienation werden sollte. Dazu führte er die vier Modernisierungen ein: die der Industrie, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und Technik und der nationalen Verteidigung[28]. Er erkannte jedoch, daß sein Land für die Durchführung dieser Reformen die Hilfe des Auslands brauchte, vor allem ausländisches Kapital und Technologie. So beschloß der Volkskongreß die Öffnung des Landes.

Für sein Reformprogramm wählte Deng einen graduellen Ansatz, d.h. eine stückweise und abgestufte Reform. Im Gegensatz zu einem umfassenden Reformansatz wie in der ehemaligen Sowjetunion (auch als "Schocktherapie" oder "big bang" (Pomfret 1996) bezeichnet) bietet der Gradualismus durch seine Langfristigkeit bessere Voraussetzungen für die Stabilität des Landes und des politischen Systems. Durch diese Vorgehensweise wurde in China die Planwirtschaft nicht abgeschafft, sondern nur schrittweise reduziert. In den Jahren 1979 bis 1984 lag der Schwerpunkt der Reformen auf dem landwirtschaftlichen Sektor, wo die Entscheidungsverantwortung von der zentralen zunehmend auf die lokalen Ebenen verschoben wurde. Der Boden wurde an die Bauern verpachtet, und diese mußten bestimmte Quoten zu staatlich festgelegten Preisen an den Staat abliefern. Über diese Quoten hinaus produzierte Produkte konnten die Bauern selbständig zu Marktpreisen verkaufen. An dieser Stelle wird deutlich, daß es Parallelstrukturen[29] von Elementen der Plan- und der Marktwirtschaft nebeneinander gibt, z.B. Plan- und Marktpreise für dieselben landwirtschaftlichen Produkte. Durch die aus dem Staatshaushalt finanzierte Anhebung der staatlichen Ankaufspreise und die steigende Eigenverantwortung der Bauern war eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Einkommen zu beobachten, so daß die Einkommensunterschiede zwischen Stadt und Land geringer wurden.

Ab 1984 wurde der Reformschwerpunkt in Richtung Industrie verschoben, der Staat förderte die Entwicklung sogenannter Township and Village Enterprises (TVEs), d.h. ländliche, nicht-agrarische Unternehmen. In diesem Bereich war ein starkes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen: So stieg z.B. der Beschäftigtenanteil der TVEs an der Gesamtbeschäftigung von 14% im Jahr 1984 auf 27% 1994 an[30]. Die ländliche Industrialisierung wurde vorangetrieben, ebenso die Urbanisierung durch Gründung von ländlichen Kleinstädten. Das Einkommen der ländlichen Bevölkerung stieg weiterhin an. Schüller (1998) bemängelt jedoch "aufgrund der teilweise wenig effizienten Produktion dieser Unternehmen die Verschwendung von Ressourcen verbunden mit einer extensiven Zerstörung der Umwelt".

Die vom Volkskongreß beschlossene Öffnung des Landes (open door policy) folgte wie die Wirtschaftsreformen ebenfalls dem graduellen Ansatz. Ausgewählten chinesischen Studenten wurde ein Studium im Ausland erlaubt und durch Stipendien ermöglicht, während die normale Bevölkerung nicht ausreisen durfte. Inmitten des sozialistischen Wirtschaftssystems wurden vier marktwirtschaftlich orientierte Sonderwirtschaftszonen (SWZs) an der Küste geschaffen, in denen ausländische Unternehmen investieren durften. Auf diese soll im Kapitel 6 näher eingegangen werden.

Ein besonderes Problem stellte die Privatisierung der Staatsbetriebe dar. Aufgrund der kommunistischen Ideologie konnte diese zunächst nicht offen erfolgen, sondern eher unauffällig durch Umwandlung in Joint Ventures (JVs) oder durch Aktienausgabe. Des weiteren blockierten die Lokalregierungen häufig die Privatisierung, da diese von den großen Staatsunternehmen in ihrer Region in Hinsicht auf Steuereinnahmen und Beschäftigung abhängig waren und befürchteten, mit ihrer Kontrolle über die Staatsunternehmen an Macht einzubüßen. So erfolgte auch die Privatisierung der Staatsunternehmen eher langsam. Zunächst wurde dem Management mehr Verantwortung zugestanden. Auch hier wurde ein zweigleisiges Preissystem für die staatlichen Quoten und den Überschuß eingeführt. Der Wettbewerb wurde durch Zulassung privater Unternehmen gestärkt; Unternehmen in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Transport, Bergbau und Banken blieben jedoch weiterhin vor Konkurrenz geschützt.

Kritik an den Reformen, die z.B. von steigender Arbeitslosigkeit hervorgerufen wurde, und das Massaker auf dem Tiananmen-Platz sorgten für Reformverlangsamung in den Jahren 1989-91. Ab 1991 wurde der Reformkurs jedoch unverändert weitergeführt.

Abschließend zur Ära Deng Xiaoping bemerkt Ederer (1996): "Diese Modernisierungen haben das tägliche Leben, das Bild Chinas radikal verändert. [...] Es ist das erste Jahrzehnt in der überschaubaren Geschichte Chinas, in welchem die Menschen genug zu essen hatten, in dem keine größeren Hungersnöte, ausgelöst durch die Natur oder durch die Politik, das Land heimsuchten. Es war auch ein Jahrzehnt, in dem die Menschen vor neuen ideologischen Überfällen sicher waren und in dem der Staat einem Großteil seiner Bürger eine selbstbestimmte wirtschaftliche Entfaltung ermöglichte. Es gibt kein bedeutenderes Menschenrecht als das tägliche Brot. Und was auch immer gegen Deng und die jetzige Führung einzuwenden ist: Es ist ihr großes Verdienst, dieses Menschenrecht in China verwirklicht zu haben."

Die Rückkehr zu politischer Stabilität und persönlicher Sicherheit sowie die Erlaubnis zur wirtschaftlichen Entfaltung bildeten die Grundlage für ausländische Investitionen, die in der Ära Deng ihren Anfang fanden und auf deren Entwicklung im Kapitel 5 näher eingegangen werden soll.

1.4.7 1997 bis heute: Weiterführung der Reformen

Nach dem Tod des seit längerem kränkelnden Deng Xiaoping im Februar 1997 herrschte im Ausland zunächst Sorge, ob die Reformen weitergeführt werden würden. Der neue Präsident Jiang Zemin und seine Regierung beschlossen jedoch auf dem 15. Parteitag der KPCh im September 1997 die Weiterführung der Reformpolitik. Es wurden Reform-Befürworter in die Parteiführung gewählt und weitere Industriereformen und Privatisierungen beschlossen. Von den 118.000 Industriebetrieben unter den insgesamt 305.000 Staatsunternehmen behält der Staat die Mehrheit oder den kompletten Besitz nur an 1.000 Groß- und Schlüsselunternehmen und bleibt beteiligt an ca. 15.600 Unternehmen, die keine strategische Bedeutung haben, jedoch ca. ¼ aller chinesischen Arbeiter, d.h. 30 bis 40 Mio. Menschen beschäftigen. Der Staat zieht sich ganz zurück aus 102.300 kleinen Unternehmen, die privatisiert werden sollen.[31]

Nach dem starken wirtschaftlichen Aufschwung und der hohen Inflation bis Mitte der neunziger Jahre hat die chinesische Wirtschaft nun mit einer beginnenden Rezession und starker Deflation zu kämpfen. Die Regierung hat ein massives Investitionsprogramm in Infrastrukturmaßnahmen aufgelegt und Exportförderungen angeregt, um den sinkenden Preisen entgegenzuwirken und das geplante Wirtschaftswachstum von 7% in diesem Jahr noch zu erreichen.

1.4.8 Entwicklung des Außenwirtschaftssystems

1.4.8.1 Vor 1979

Im Rahmen des volkswirtschaftlichen Plans wurden sowohl die Import- und Exportgüter nach Art und Menge zu Festpreisen als auch die Deviseneinnahmen und –ausgaben geplant. Das Ministerium für Außenhandel und die ihm unterstellten staatlichen Außenhandelsgesellschaften (AHG) waren für die Durchführung der Im- und Exporte verantwortlich, während die Devisengeschäfte über die Bank of China abgewickelt wurden. Die Gewinne in Form der erwirtschafteten Devisen mußten die AHGs an das Ministerium abführen, welches andererseits auch für Verluste aufkam. Die Exportgüter-produzierenden Unternehmen hatten aufgrund der Planbindung keinerlei Entscheidungsbefugnisse und aufgrund der Exportabwicklung über die AHGs keinerlei Informationen über die internationalen Märkte. So kam es, daß ihre Produkte auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig waren und auch nicht verbessert wurden. Da die AHGs und Exportproduzenten keinerlei Verantwortung trugen, war dieses System von Ineffizienz und Fehlallokationen geprägt.[32]

Bei den Exportgütern wurde die sogenannte Ergänzungsstrategie angewendet[33], d.h. aufgrund des niedrigen Inlandsniveaus an Kapital und Technologie exportierte man hauptsächlich arbeitsintensive Primärgüter und importierte dafür schwieriger herzustellende Industriegüter. Hierbei kam es zu hohen staatlichen Verlusten, da man die Importgüter zu Weltmarktpreisen ankaufen mußte und im Inland zu subventionierten niedrigeren Festpreisen verkaufte, sowie Exportgüter im Inland zu hohen Festpreisen ankaufte und diese auf dem Weltmarkt nur zu niedrigeren Preisen absetzen konnte. So war das gesamte zentral geplante und durchgeführte Außenhandelssystem nicht nur ineffizient, sondern erzeugte wegen der politisch motivierten Preispolitik auch noch Verluste, anstelle Gewinne zu erwirtschaften.

1.4.8.2 1979 – 1984

Ab Ende der siebziger Jahre erfolgte ein Wechsel zur Strategie der Importsubstitution, d.h. neben den abnehmenden Primärgütern exportierte man zunehmend Industriegüter, die mit Hilfe von ausländischem Kapital und Know How produziert wurden. In diesem Zusammenhang ist auch die Öffnung gegenüber Auslandsinvestitionen zu sehen. Die aus der Marktgröße resultierende hohe Inlandsnachfrage bot gute Voraussetzungen für schnelle Lerneffekte und Erlangung von Kostenvorteilen durch economies of scale. Durch die Produktion von JVs mit Auslandsbeteiligung im Land wurde Konkurrenz für die Inlandsunternehmen geschaffen (welche jedoch teilweise durch den Exportzwang der JV-Produkte wieder abgeschwächt wurde). Im Gegensatz zu Importen brachten die Auslandsunternehmen für China Beschäftigung sowie den gewünschten Technologietransfer.

Da man die Ineffizienz und staatlichen Verluste nicht länger hinnehmen wollte, wurde der Außenhandel dezentralisiert, indem man AHGs auf Provinzniveau zuließ und auch einigen größeren Staatsunternehmen Außenhandelskompetenzen zugestand. Die Exportgüter wurden in drei Klassen aufgeteilt, von denen eine nur von den zentralen AHGs gehandelt werden durfte, während die anderen zwei gemeinsam bzw. nur regional gehandelt wurden. Durch ein teilweises Deviseneinbehaltungsrecht wollte man die am Export beteiligten AHGs und Staatsunternehmen zur Erzielung von mehr Devisenüberschüssen motivieren.

1.4.8.3 Ab 1984

Ab Mitte der achtziger Jahre wurde die Verantwortung für die Im- und Exporte weitgehend an die AHGs abgegeben. Durch Reduzierung der Planvorgaben konnten die AHGs nun selbständig Geschäfte mit eigener Gewinn- und Verlustverantwortung abschließen. Sie wurden immer mehr zu Dienstleistern, die für die Inlandsunternehmen Im- und Exporte durchführten, während die Unternehmen selbst die aus den Geschäften erzielten Gewinne oder Verluste zu tragen hatten.

1987 wurde die Aufteilung der erwirtschafteten Devisen zwischen Staat, Provinzen, AHGs und Unternehmen neu geregelt. Die zu erbringenden Devisen wurden vertraglich festgelegt. Die Verwendung der einbehaltenen Devisen wurde nicht länger vorgeschrieben, sondern konnte nach Belieben erfolgen. Durch Ausrichtung an den Weltmarktpreisen gelang es dem Staat, seine Verluste aus dem Außenhandel zu verringern.

Angesichts der sinkenden Exporte wurden für Ende 1999 wurden Pläne bekanntgegeben, die den Außenhandel weniger bürokratisch ablaufen lassen sollen. So sollen Genehmigungen leichter zu erlangen sein und Gebühren für Inspektionen und Zoll reduziert werden. 41 Unternehmen haben bereits die Erlaubnis erhalten, eigene Exporte durchzuführen, und eine Exportkreditversicherung soll gegründet werden.[34] Trotz dieser Neuerungen ist der 1989 von Weggel angestellte Vergleich noch zutreffend: "Der Plan und die staatliche Interventionspraxis gleicht dem Käfig, der einzelne chinesische Außenhandelspartner, sei es nun eine AHG oder aber ein Einzelbetrieb, dem Vogel. Der Käfig wird zwar laufend erweitert, doch nie ganz geöffnet oder entfernt."

1.5 Infrastruktur

Die unterentwickelte Infrastruktur in der VR China wird als größtes Hindernis für das Wirtschaftswachstum eingeschätzt[35]. Durch die erfolgte Vernachlässigung des Transportsektors bei staatlichen Investitionen und durch die zunehmende Öffnung des Landes sieht sich die Infrastruktur ständig steigenden Ansprüchen gegenübergestellt, die ohne ausländische Hilfe wohl nicht bewältigt werden können.

Die Infrastruktur ist von großen Kontrasten gekennzeichnet, einerseits zwischen der Küstenregion und dem Inland, andererseits zwischen Stadt und Land, was sehr unterschiedliche Ausgangsmöglichkeiten für Wirtschaftswachstum und Aufnahme von ausländischen Investitionen im besonderen darstellt. Das Eisenbahnnetz, welches 50% des überregionalen Gütertransports aufnimmt, ist überwiegend in der östlichen Landeshälfte konzentriert und gehört zu den am stärksten belasteten der Welt, was immer wieder Wartezeiten beim Rohstofftransport hervorruft.[36] Die Straßendichte ist sehr gering, welches ein Hindernis für den Transportbedarf im ländlichen Raum darstellt, der nicht an die Eisenbahn angeschlossen ist. Aufgrund der ständig steigenden Tonnage sind auch die Hafenkapazitäten für den Gütertransport nicht ausreichend. Das Flughafennetz ansich scheint ausreichend zu sein, jedoch sind nach eigenen Erfahrungen die Flughäfen zumeist sehr klein und veraltet. Zur Personenbeförderung dienen neben der Eisenbahn auch Überlandbusse quer durch das ganze Land. In den Städten werden lokale Busse, Fahrräder oder Taxen genutzt, in den ländlicheren Gebieten Fahrräder und Eselskarren.

Durch die nicht ausreichenden Kapazitäten im Transportsektor, die durch den hohen Anteil der Energieträgertransporte belastet werden, wird die wirtschaftliche Entwicklung negativ beeinflußt, da z.B. eine zuverlässige Belieferung der verarbeitenden Industrie nicht gewährleistet ist. Schüller (1998) liefert eine Schätzung der notwendigen Investitionen für den Ausbau des Verkehrsnetzes in Höhe von etwa 100 Mrd. US$ und beziffert die erforderlichen Finanzmittel aus dem Staatshaushalt auf 8 bis 9% des BIP. Angesichts der Größe des Finanzierungsbedarfs wird die Notwendigkeit ausländischer Hilfen und Chancen für Investitionen in diesem Bereich deutlich, besonders in Form von Build-Operate-Transfer-Modellen.

Da die Primärenergieproduktion langsamer wächst als die Gesamtwirtschaft, besteht laut Taubmann (1998) eine konstante Unterversorgung an Energie. Hansen (1986) spricht von einer "nationalen Energielücke" und Wiesegart (1989) führt an, daß 25-30% der Produktionsanlagen der Industrie aufgrund von Energiemangel nicht genutzt werden können, was auch für ausländische Unternehmen im Produktionsbereich eine Behinderung darstellt.

Als Energieträger dienen Kohle, Erdöl, Erdgas, Wasserkraft und Nuklearenergie. Diese werden jedoch staatlich verteilt, wobei es häufig zu Fehlallokationen kommt. Durch den Bau des gigantischen Drei-Schluchten-Staudamms am Mittellauf des Yangzi soll der Energiemangel teilweise behoben werden. Dennoch sind auch in diesem Bereich weitere Maßnahmen notwendig, um eine bessere Ausnutzung der Produktionskapazitäten zu ermöglichen.

Die Telekommunikationsinfrastruktur wurde in den neunziger Jahren stark verbessert. So stieg z.B. die Telefondichte pro 100 Personen von 1,11 Telefonen im Jahre 1990 auf 4,66 Telefone 1995 an, und das für 1995 gesetzte Ziel von 48 Mio. Telefonanschlüssen wurde bereits 1994 erreicht. Es bestehen jedoch nach wie vor gravierende Unterschiede in der Telefonversorgung zwischen Stadt und Land[37].

Die Zahl der Internetnutzer wird für Mitte 1999 mit knapp unter sechs Mio. beziffert und soll sich bis 2001 verdreifachen[38].

1.6 Sektorale und regionale Wirtschaftsstruktur

1.6.1 Sektorale Wirtschaftsstruktur

Abbildung 2: Anteil der Wirtschaftssektoren am BIP und der Beschäftigung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: State Statistical Bureau, A Statistical Survey of China 1997;

entnommen aus Informationen zur politischen Bildung Nr. 198/ 1997: VR China

Aus den Angaben ist ein seit dem Beginn des Reformprogramms sinkender BIP-Anteil des Primärsektors zugunsten des Tertiärsektors ersichtlich, wobei der hohe Anteil des Sekundärsektors sich kaum verändert hat. D.h., China ist auf dem Weg von einer Agrar- in eine Industrienation. Im Vergleich zu den USA oder Europa ist der Dienstleistungssektor noch sehr klein. Dies könnte daran liegen, daß zu Beginn der Reformen zunächst der Agrar-, dann der Industriesektor gefördert worden sind und viele ausländische Unternehmen im Industriesektor investiert haben, während dies im Dienstleistungssektor nicht möglich war. Der Beschäftigungsanteil des Primärsektors ist gesunken, ist jedoch noch mehr als doppelt so hoch wie der BIP-Anteil dieses Sektors, wohingegen der Sekundär- und Tertiärsektor einen steigenden Beschäftigungsanteil aufweisen, der jedoch unterproportional zu deren BIP-Anteilen ist. Hieraus läßt sich schliessen, daß die Produktivität im Tertiärsektor (mit 26,0% der Beschäftigten und 31,1% des BIP) und besonders im Sekundärsektor, wo 23,5% der Beschäftigten 48,9% des BIP erzeugen, wesentlich höher ist als im Primärsektor. Dies könnte an der Freisetzung von Arbeitskräften in den z.T. schon privatisierten Staatsunternehmen sowie der auf dem Lande teilweise noch sehr altmodischen Landbestellung (z.B. mit Büffeln oder selbst gezogenem Pflug) liegen.

Der Staat ist verantwortlich für einen großen Anteil an der Beschäftigung: Die Zahl der Beamten beträgt rund acht Mio. und die Zahl der Angestellten in den Staatsunternehmen ca. 110 Mio., wovon jedoch schätzungsweise 40 Mio. überflüssig sind. Auf eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 709 Mio. umgerechnet hat der Staat somit einen Anteil von 16,6% an der Beschäftigung[39]. Durch Privatisierungen und Entlassungen soll dieser Anteil sinken, was jedoch aufgrund der momentanen Wirtschaftslage zurückgestellt wurde.

1.6.2 Regionale Wirtschaftsstruktur

In regionaler Hinsicht sind gewaltige Unterschiede zwischen Küsten- und Inlandsprovinzen festzustellen. So entfallen z.B. die drei größten Anteile am BIP 1995 auf Küstenprovinzen und sind 30 bis 100 mal so hoch wie die der ärmsten drei Inlandsprovinzen[40].

Yao (1997) begründet dies hauptsächlich mit der Leistung der lokalen TVEs. In den östlichen Regionen mit höherer Agrarproduktivität stand mehr Kapital und Arbeitskraft für den nicht-agrarischen Bereich zur Verfügung, so daß sich dort besonders viele TVEs bilden konnten, die auch von der Nähe zu den großen Industriestädten profitierten. Durch das Fehlen eines integrierten Kapitalmarktes waren in den ärmeren Gebieten wenig Investitionskredite möglich. Des weiteren bildete die neue Politik der Zentralregierung, daß zunächst nur einige Leute reich werden sollten und dann der Rest[41], die Grundlage für regionale Präferenzen, d.h. einigen Regionen wurden Privilegien eingeräumt, um ein schnelleres Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Die in diesem Rahmen geschaffenen Sonderzonen, die durchweg im Osten des Landes liegen, konnten durch ausländische Investitionen zusätzliches Wachstum generieren, was den andereren Regionen zunächst verwehrt wurde.

1.7 Außenwirtschaftsbeziehungen

Nach ihrer Gründung 1949 orientierte sich die VRC mit ihren Außenwirtschaftsbeziehungen hauptsächlich in Richtung Sowjetunion; die Beziehungen zu westlichen kapitalistischen Ländern wurden langsam zurückgefahren und endeten sogar ganz mit dem UN-Handelsembargo 1951 (aufgrund des Korea-Krieges).

Erst nach dem UNO-Beitritt der VRC im Jahr 1971 war ein langsamer Anstieg des Außenhandels zu verzeichnen, der sich seit der teilweisen Aufhebung der Selbstversorgungspolitik 1978 verstärkte. Seither ist das Außenhandelsvolumen kontinuierlich angestiegen, wobei aus Angst vor Abhängigkeit vom Ausland zunächst die Importe wesentlich unter den Exporten gehalten wurden. Im Welthandel belegte die VRC 1996 sowohl bei den Exporten (2,8%) als auch bei den Importen (2,5%) den zehnten Rang[42]. Von 1980 auf 1997 hat sich die Summe der Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen versiebenfacht; die Summe der Einfuhren hat sich im gleichen Zeitraum verachtfacht.[43] Der Handelsanteil, d.h. der Anteil der Ex- und Importe am BIP, hat sich von 13% 1980 auf 40% im Jahr 1996 verdreifacht.[44]

Abbildung 3: Anteil am Handelsvolumen der VRC nach Kontinenten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistical Yearbook of China, verschiedene Jahrgänge. Entnommen aus Fischer 1998, S. 650.

Obwohl sich das gemeinsame Handelsvolumen von 3,5 Mrd. DM 1980 auf 28,8 Mrd. DM 1996 enorm gesteigert hat, spielt die Bundesrepublik mit einem Anteil von nur 4,5% des chinesischen Außenhandels im Vergleich zu Japan, Hong Kong und den USA eine eher untergeordnete Rolle. Die BRD importiert nach China hauptsächlich Maschinenbauprodukte (47%), Fahrzeuge (16%) und elektrotechnische Produkte (14%).[45]

Haupthandelspartner der VRC sind mit steigender Tendenz die asiatischen Nachbarländer, darunter vor allem Japan mit allein 20,5% des Handelsvolumens 1995[46]. Daher hat auch China die Folgen der asiatischen Wirtschafts- und Währungskrise in Form von sinkenden Exporten zu spüren bekommen.

Aufgrund des hohen Handelsanteils besteht nun doch die zu Beginn der Öffnungspolitik gefürchtete Abhängigkeit Chinas vom Ausland. Die Importe bedeuten eine internationale Konkurrenz für die chinesischen Unternehmen und zwingen diese zu Rationalisierung und Modernisierung, während die Exporte Beschäftigung schaffen. Ausländische Direktinvestitionen bringen dem Land Kapital, Technologie und Managementerfahrung sowie weitere Arbeitsplätze.

2. Allgemeine Markteintrittsbarrieren

2.1 Kulturelle Barrieren

2.1.1 Kultur und Mentalität

"Nach 'typischen Wesenszügen' befragt, würden wir spontan folgende nennen: Vitalität, Pragmatismus, Geschäftstüchtigkeit, Sparsamkeit, Fleiß, Leistungsbewußtsein, Geduld, Anpassungsfähigkeit, Lebensfreude, ausgeprägter Familiensinn, Anteilnahme an persönlichen Problemen, Gastfreundschaft, Humor, Traditionalismus.", so die Autoren des Länderführers "Reisegast in China" (Kuan 1995). Gleichzeitig verweisen sie jedoch darauf, daß man die Mentalität der Chinesen nicht so einfach bestimmen kann. So sollen an dieser Stelle nur bestimmte Merkmale behandelt werden, die für den ausländischen Investor aufgrund der ihm fremden Kultur zum Problem werden könnten.

Die Kultur eines Landes wird geprägt von bestimmten Denk- und Handlungsweisen. Beim Zusammentreffen von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen kommt es häufig zu "interkulturellen Konflikten", die dadurch entstehen, daß die Beteiligten den gleichen Sachverhalt unterschiedlich wahrnehmen, auffassen und bewerten und ihre eigene Wahrnehmung für richtig halten und durchsetzen wollen[47]. Dies kann z.B. bei Vertragsverhandlungen zu einem Problem führen, wenn beide Parteien glauben, über das Gleiche zu sprechen und doch eine ganz andere Auffassung haben. Chu (1994) nennt in diesem Zusammenhang z.B. das Thema Ersatzteile, welche von chinesischer Seite zumeist als selbstverständlich im Preis inbegriffen verstanden werden, während die westliche Seite diese selbstverständlich als separat zu berechnen ansieht. Des weiteren führt häufig die Übertragung von Sachverhalten aus dem Heimatland auf chinesische Verhältnisse zu Mißverständnissen; z.B. ist es für viele deutsche Investoren schwer zu verstehen, daß die chinesische Seite Probleme bei der Devisenbeschaffung haben könnte, da dies in Deutschland gewöhnlich überhaupt keine Schwierigkeit darstellt.

Ein weiteres Problem entsteht durch grundlegende Unterschiede in der Wesensart und damit auch der Verhandlungsführung. Ein deutscher Investor, der bei Investitionsverhandlungen mit Chinesen auf einen schnellen Geschäftsabschluß drängt und sozusagen sofort mit der Tür ins Haus fällt, wird von den Chinesen als sehr unhöflich angesehen werden und unter Umständen wenig Erfolg haben. Die westliche Ungeduld und Direktheit ist Chinesen fremd; für sie gilt es, zunächst Harmonie zu schaffen, z.B. durch gemeinsames Essen und persönliche Gespräche[48]. "Die möglichst kontinuierliche und über das rein Geschäftliche hinausgehende persönliche Beziehung zum chinesischen Geschäftspartner ist eine der entscheidenden Erfolgskomponenten im chinesischen Markt."[49]. Es gilt also, langfristige Ziele zu setzen und nicht auf einen schnellen Erfolg abzuzielen.

Man sollte außerdem nicht überrascht sein, wenn der Geschäftspartner zu Verhandlungsbeginn ankündigt, daß er "sich für eine bestimmte Aufgabe nicht qualifiziert [...]. Er will eigentlich sagen, daß er zwar qualifiziert, aber bescheiden ist."[50]. Denn übertriebene Bescheidenheit ist eine weitere chinesische Wesensart, die für Europäer sehr ungewohnt ist. Es gehört sich dann, dem Untertreibenden zu versichern, daß er natürlich sehr qualifiziert ist und man ihm volles Vertrauen schenkt. Als Europäer muß man diese Art der Bescheidenheit nicht übernehmen, sollte sich aber selbst nicht allzusehr loben, um nicht arrogant zu erscheinen. Das Gleiche gilt auch für das eigene Unternehmen oder dessen Produkte.

Ein Wertbegriff, der für westliche Ausländer zumeist völlig unbekannt ist und für Chinesen dagegen eine extrem wichtige Rolle spielt, ist das "Gesicht". Der Gesichtsverlust kann in etwa mit "Kränkung des Selbstwertgefühls"[51] beschrieben werden. Er kann z.B. dadurch eintreten, daß man in Gegenwart von anderen kritisiert wird oder einen Fehler bzw. eine Wissenslücke eingestehen muß[52]. Man fügt jedoch z.B. auch jemandem einen Gesichtsverlust zu, wenn man ein durch ihn arrangiertes Treffen mit einer dritten Person nicht einhält.

Der Gesichtsverlust ist für einen Chinesen so schwerwiegend, daß unter Umständen ganze Verhandlungen daran scheitern können; wenn z.B. ein wichtiger Verhandlungsteilnehmer bloßgestellt wurde, wird dieser schwerlich noch Eingeständnisse an die andere Seite machen können. Man sollte daher unbedingt darauf achten, Kritik diplomatisch anzubringen und sich eher zurückhaltend zu verhalten. Weiterhin sollte man ranghöheren und älteren Mitarbeitern den entsprechenden Respekt zukommen lassen, da Rang und Alter in dieser Hinsicht von größerer Wichtigkeit sind als z.B. Fachkenntnisse[53].

Aufpassen sollte man auch bei scheinbar unwichtigen Dingen, hinter denen in der chinesischen Kultur jedoch viel Symbolik steckt. Der Aberglaube ist weit verbreitet und es bringt z.B. Unglück, seine Stäbchen senkrecht in die Reisschale zu stecken, da dies an ein Totenmahl erinnert[54]. Bei der Auswahl von Gastgeschenken sollte man ebenfalls vorsichtig vorgehen, da die Chinesen in für uns völlig normalen Gegenständen bestimmte Bedeutungen sehen. So wurde dem damaligen Ministerpräsidenten Li Peng beim Antrittsbesuch des US-Botschafters 1989 ein Paar texanische Cowboystiefel mit den eingearbeiteten Flaggen der beiden Länder überreicht. Dies rief große Entrüstung hervor, da nach chinesischer Meinung die Füße eine unsaubere Körperzone sind, so daß das Plazieren der Landesflaggen dort als völlig geschmacklos galt[55]. Man sollte sich also vorab entweder direkt bei einem Chinesen erkundigen oder zumindest Literatur zum Thema chinesische Sitten und Symbole heranziehen, um die Geschäftskontakte nicht durch unnötige Kränkungen zu belasten, derer wir uns als Europäer gar nicht unbedingt bewußt sind.

Unkenntnis der chinesischen Kultur und daraus resultierendes Fehlverhalten können zum geschäftlichen Mißerfolg führen. Eine gute Vorbereitung, nicht nur auf die geschäftliche Seite der Verhandlungen, sondern auch auf die menschliche Dimension, ist unbedingt notwendig. Man sollte Anpassungsfähigkeit und ein gewisses Einfühlungsvermögen besitzen, um optimale Ergebnisse zu erlangen. Auf keinen Fall sollte man eine "koloniale Arroganz"[56] oder Überlegenheit zeigen, sondern eher zurückhaltend und nicht übermässig aggressiv und fordernd auftreten.

2.1.2 Sprach- und Kommunikationsbarrieren

Die Staatssprache der VRC ist Mandarin (putonghua); es werden zahlreiche Dialekte gesprochen, u.a. kantonesisch. Es gibt jedoch eine einheitliche Schrift, mit deren Hilfe man sich landesweit verständigen kann. Diese besteht aus etwa 60.000 Schriftzeichen, von denen man zum Lesen einer Zeitung ca. 2.000 benötigt.[57] Im Chinesischen gibt es 411 Silben, die jeweils in vier Tonlagen gesprochen werden, von denen jede wiederum eine andere Bedeutung hat[58]. Man muß also die Silbe im richtigen Ton aussprechen, um korrekt verstanden zu werden.

Trotz dieser für Europäer recht kompliziert anmutenden Schrift und Ausspracheregeln ist die chinesische Grammatik im Vergleich zu westlichen Sprachen relativ einfach: Es gibt keine Flexionen, d.h. am einzelnen Wort ist nicht zu erkennen, ob es sich dabei um Singular oder Plural, Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft etc. handelt. Dies kann alles erst aus dem Kontext erkannt werden, so daß es häufig zu Mehrdeutigkeiten kommt. "Ein chinesischer Satz kann daher vier oder fünf – allesamt richtige- deutsche Übersetzungen haben. Umgekehrt bleibt die deutsche Exaktheit und mit ihr oft auch wichtige Inhalte bei der Übersetzung ins Chinesische auf der Strecke."[59]. Besonders bei detailintensiven Vertragsformulierungen können daher Zweideutigkeiten entstehen, welche unter Umständen die Vertragspartner teuer zu stehen kommen können.

Mißverständnisse werden oft durch unterschiedliche Ausdrucksweisen und Argumenta-tionsstile hervorgerufen. So bevorzugen die Chinesen z.B. eine eher indirekte Ausdrucksweise sowie Umschreibungen, anstatt ihr Anliegen direkt und klar darzulegen. Häufig geschieht dies aus Höflichkeit, ist aber von einem westlichen Gesprächspartner nicht ohne weiteres zu verstehen. Man bekommt z.B. von Chinesen selten ein klares "Nein" zu hören, sondern eher etwas in der Tendenz, daß man diesen interssanten Vorschlag später noch einmal aufgreifen wolle. Auch ein "Ja" zu einer Ausführung muß nicht notwendigerweise Zustimmung bedeuten, sondern nur, daß derjenige den Sachverhalt verstanden hat[60]. Zu Kommunikationsproblemen dieser Art kommt noch der unterschiedliche Argumentationsstil der Chinesen hinzu, den Reisach (1997) als durch Wiederholungen sowie nicht immer streng lineare bzw. logische Gedankenführung geprägt beschreibt, wobei der wichtigste Teil der Botschaft erst ganz zum Schluß vorgetragen wird. Für Deutsche erscheint dies als umständlich und als "Reden um den heißen Brei"[61], da sie eine eher schnörkellose und wiederholungsfreie Darstellung, die schnell zum Ziel führt, gewohnt sind. Man sollte seine chinesischen Gesprächspartner jedoch nicht unterbrechen und auf eine schnellere Vortragsweise drängen, da dies als sehr unhöflich gilt.

Zumeist müssen bei internationalen Verhandlungen wegen mangelnder Sprachkenntnisse beider Seiten Dolmetscher eingesetzt werden. Bei der Auswahl eines Dolmetschers sollte man besondere Sorgfalt walten lassen, da Verhandlungen stark von Können und Genauigkeit des Dolmetschers abhängig sind. Chinesische Dolmetscher tendieren dazu, für nicht verstandene Sachverhalte eine Übersetzung zu erfinden, anstatt noch einmal nachzufragen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren[62]. Besonders bei Zahlen kommt es aufgrund des unterschiedlichen chinesischen Zählsystems immer wieder zu Mißverständnissen. So erwähnt Ehrlich (1995) ein Beispiel, wo die Übersetzerin die gleiche Zahl vier mal anders übersetzt hat. Um solche Probleme zu vermeiden, sollte man Zahlen am besten für alle sichtbar notieren; auch besondere technische Begriffe sollte man dem Dolmetscher vorher zur Vorbereitung zukommen lassen[63].

Gewiß kann von einem deutschen Investor nicht unbedingt erwartet werden, daß er fließend Chinesisch spricht. Man sollte sich jedoch bemühen, sich einige elementare Sprachkenntnisse anzueignen, einerseits um sich selbst im Land zurechtfinden zu können, andererseits als Geste des guten Willens. Denn Kenntnisse in der Sprache des Gastgeberlandes, seien sie auch noch so gering, beweisen eigenes Interesse am anderen Land und an guten Beziehungen zu den chinesischen Geschäftspartnern und können damit zu einem besseren Gelingen des Investitionsprojekts beitragen.

Auch der Dolmetscher sollte sorgfältig ausgewählt werden, da ein nicht qualifizierter Dolmetscher Unklarheiten und Mißverständnisse erzeugen kann, die das Projekt gefährden können.

2.1.3 Beziehungen/ guanxi

Bei einem Investitionsvorhaben in der VR China wird sich ein ausländischer Investor bald Problemen wie Lizenzbeschaffungen, Rohstoffversorgung und ähnlichem gegenübergestellt sehen. In einem Land wie China, das teilweise nur über knappe oder nach Plan verteilte Resourcen verfügt, sind dann gute "guanxi" gefragt.

Guanxi bedeutet wörtlich Beziehungen, es steckt jedoch wesentlich mehr dahinter, eine Art soziales Netzwerk[64], das Ederer (1996) mit einem einfachen Modell beschreibt. "Werfen wir nun zwei Steine nicht weit voneinander entfernt ins Wasser, überschneiden sich die Kreise. Werfen wir 1,2 Milliarden Steine ins Wasser, dann haben wir Milliarden Berührungspunkte, ein Netz von sich begegnenden Kreisen, haben Milliarden von Beziehungsnetzen. Das ist China."

Guanxi wird dadurch charakterisiert, daß es sich um eine gegenseitige, auf Vertrauen und Langfristigkeit begründete Beziehung handelt, von der beide Seiten in Hinsicht auf persönliche oder geschäftliche Beziehungen profitieren. Luo (1997) bezeichnet guanxi auch als ein "Schmiermittel", um durchs Leben zu kommen; Tang (1995) betrachtet es als eine Art Zukunftsinvestition.

Es gibt verschiedene Grundlagen für guanxi: Einerseits kann guanxi auf einer Gemeinsamkeit begründet sein wie Herkunft aus der gleichen Familie oder dem gleichen Ort, gemeinsamer Schulbesuch o.ä.. Bei Personen ohne die genannten Gemeinsamkeiten können guanxi auch durch Einführung über einen Vermittler geschaffen werden. "The China market is like a pond full of hidden delicious food. A new fish in the pond can starve to death because he doesn't know how to locate the food. Your intermediary is an old fish who knows where every plant and plankton is. He can show you the precise location of this food so you can eat to your heart's satisfaction."[65]. Diese zweite Art von guanxi ist besonders für ausländische Investoren ohne nähere Verbindungen zu China wichtig, da so Tore und Türen geöffnet werden können.

Die extreme Bedeutung von guanxi in der chinesischen Gesellschaft beruht darauf, daß man wenig Vertrauen in die Rechtsordnung hat und sich stattdessen lieber auf die starken Bande auf Grundlage der Familie, Herkunft oder Schul- und Militärverbindungen verläßt. Es wird eine klare Abgrenzung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern dieser Gruppen geschaffen und die Interessen der Familie -im weiteren Sinne- werden vorgezogen.[66]

Guanxi allein kann den Investitionserfolg in China nicht garantieren. Es ist jedoch besonders in der Anfangsphase des Investitionsprojekts wichtig, die notwendigen guanxi zu erlangen, z.B. um Genehmigungen und ähnliches zu erwirken[67]. Weiterhin sind guanxi notwendig für ausländische Unternehmen, die noch keine Markterfahrung, besondere Kompetenzen oder Distributionskanäle aufgebaut haben, um diese Defizite auszugleichen. Luo (1997) bezeichnet guanxi sogar als "marketing tool", da sie besonders wichtig beim Absatz von Produkten sind: "Guanxi-associated personal selling can produce impressive marketing results even when the product's attributes are not competitive."

Mehrere Autoren haben versucht, die Bedeutung von guanxi zahlenmäßig zu erfassen und auszuwerten. In einer von Yeung/ Tung (1997) durchgeführten Umfrage unter 2.000 Chinesen bestätigten 92,4% die Wichtigkeit von guanxi in ihrem täglichen Leben. 71,7% bevorzugen die Nutzung von guanxi anstelle der offiziellen bürokratischen Kanäle, um persönliche Interessen durchzusetzen und Probleme zu lösen. Luo (1997) bestätigt dies durch folgende Aussage: "Although China has enacted thousands of laws, rules, and regulations, almost none is completely enforced. Rather than depending on an abstract notion of impartial justice, Chinese people traditionally preferred to rely on their contacts with those in power to get things done. A practical consequence of guanxi is that personal connections and loyalties are often more important than organization affiliations or legal standards. For instance, whenever scarce resources exist, they are mainly allocated by guanxi rather than bureaucratic rules."[68]

Mit seiner Studie "Guanxi and Performance of Foreign-invested Enterprises in China: An Empirical Inquiry" will Luo den Zusammenhang zwischen auf guanxi begründeten Geschäftsfaktoren und der Performance von Auslandsunternehmen statistisch belegen durch eine Umfrage unter 128 Unternehmen in der Provinz Jiangsu. Er behauptet, daß der Einsatz von guanxi im Absatzbereich die Rentabilität und das Absatzwachstum steigert. Des weiteren vertritt er die These, daß guanxi einerseits einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmen Zahlungsaufschiebungen ermöglicht, andererseits dem Aufschub gewährenden Verkäufer weitere Käufe des Kunden zusichert. Außerdem behauptet er, daß bei Markteintritt in Form eines JVs guanxi besser genutzt werden können als bei einem Markteintritt als WFOE.

Die Behauptung, daß Firmen auf informellen Wegen erfolgreicher sind, als solche, die sich nur auf offiziellen Wegen bewegen, wird auch von Abramson/ Ai (1999) mit ihrer Untersuchung "Canadian Companies Doing Business in China: Key Success Factors" von 138 kanadischen in China investierenden Unternehmen unterstützt.

Nach eigener Meinung ist es eher fraglich, ob man die Auswirkungen von guanxi zahlenmäßig erfassen und in Prozenten genau ausdrücken kann, da es sich hierbei eher um ein abstraktes Prinzip als um eine konkret messbare Größe handelt. Sicher ist jedoch, daß in China vieles über inoffizielle Wege wesentlich einfacher läuft und daß fehlende guanxi einem ausländischen Investor den Zugang zum chinesischen Markt erheblich erschweren können, z.B. bei der Einholung von Genehmigungen oder der Zuteilung von Rohstoffen etc.

2.2 Barrieren durch reale Ordnungspolitik

2.2.1 Wirtschaftssystem

2.2.1.1 Rolle des Staates

In Art. 15 der Verfassung von 1982 wurde die Rolle des Staates noch in der Planung der Güterproduktion und der Marktregulierung gesehen: "Der Staat führt eine Planwirtschaft [...] durch. Er sichert [...] die Entwicklung der Volkswirtschaft durch [...] Wirtschaftspläne und ergänzend dazu vermittels der Regulierung durch den Markt." Im Rahmen der fortschreitenden Reformen wurde jedoch auch eine veränderte Rolle des Staates in der Verfassung von 1993 abgebildet: "Der Staat führt eine sozialistische Marktwirtschaft durch; er verstärkt die Wirtschaftsgesetzgebung und verbessert die Makrosteuerung.". Der Staat wird nun nicht mehr als Unternehmer angesehen, sondern übernimmt die Rolle eines "Rahmensetzers, Schiedsrichters und Förderers des Wirtschaftsgeschehens durch die indirekten Mittel der Geld-, Zins-, Preis und Steuerpolitik"[69]. Er behält jedoch seine vorherrschende Stellung in strategisch wichtigen Sektoren wie z.B. der Rüstungsindustrie.

Der Staat sieht sich nun ganz anderen Aufgaben gegenübergestellt, die durch das Privatisierungsprogramm entstanden sind. So ist z.B. das Schaffen einer sozialen Sicherung eine essentielle Notwendigkeit, um die Stabilität des Landes und den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhalten.

Vor den Reformen wurde die Altersvorsorge und eine kostenlose Gesundheitsversorgung von der staatlichen Arbeitseinheit (danwei) bzw. vom ländlichen Kollektiv gestellt. Bei der Privatisierung von Staatsunternehmen sind viele Arbeiter entlassen worden, die dadurch nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihr Arbeitslosen-, Alters- und Gesundheitsvorsorge verloren haben. Das Bevölkerungswachstum trägt noch zusätzlich zum Arbeitsplatzmangel bei, so daß die chinesische Regierung sich hier einem wachsenden Problem gegenübergestellt sieht. Offiziell wird die Arbeitslosenquote mit 2,9% angegeben; sie wird jedoch von chinesischen Arbeitswissenschaftlern auf mindestens 12% geschätzt, wenn man die Arbeitslosen, die noch als Angestellte der Staatsbetriebe geführt werden, und diejenigen ohne Wohnberechtigung in den Städten mit einbezieht[70]. Die soziale Stabilität wird zusätzlich dadurch gefährdet, daß sich das Verhältnis von Rentnern zu Arbeitenden durch die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Kinderzahlen ständig verschlechtert: 1978 kamen auf einen Rentner noch 30,3 Arbeiter, 1995 waren es nur noch 4,8, wobei gleichzeitig noch steigende Zahlungen pro Rentner aufzubringen sind.[71]

Um die soziale Stabilität nicht unnötig zu gefährden, wurde die Privatisierung der Staatsbetriebe von Zhu Rongji zunächst auf Eis gelegt[72]. Um eine soziale Absicherung für die Bevölkerung zu schaffen, sollen Fonds für Renten, Kranken- und Arbeitslosenversicherung geschaffen werden, in die Unternehmen und Arbeitnehmer einzahlen.

2.2.1.2 Eigentumsformen der Unternehmen

Für Unternehmen sieht die Verfassung drei Eigentumsformen vor, nämlich Staats-, Kollektiv- oder Privateigentum.

Schon vor den Reformen durften Privathaushalte eine kleine Produktion mit bis zu sieben Angestellten haben. Daraus entwickelten sich die ersten Privatunternehmen, die seit 1988 verfassungsmäßig als Ergänzung der sozialistischen Wirtschaft anerkannt wurden, jedoch staatlicher Kontrolle unterstehen. "The State permits private sector economy to exist and develop within the limits prescribed by law. Private sector economy is complementary to socialist public economy. The State shall protect the lawful rights and interests of the private sector economy, while exercising guidance, supervision and control over the private sector economy."[73].

2.2.1.3 Wettbewerb

Durch die schrittweise Abschaffung der Planwirtschaft und -preise sowie die Öffnung des Landes wird der Wettbewerb unter den Unternehmen gestärkt. Diese Tendenz wird u.a. durch ein Gesetz gegen Monopole und unlauteren Wettbewerb gefördert. Es bestehen jedoch besonders im Bereich der Staatsunternehmen viele Konglomerate (2.000 laut Stucken 1993 S. 75), da bei Bankrotten die unrentablen Staatsbetriebe nicht geschlossen, sondern mit anderen Betrieben zusammengelegt werden, um keine Arbeitsplätze zu verlieren. Dieses gibt den so entstehenden Konglomeraten mehr wirtschaftliche Macht, gleichzeitig wird den noch profitabel arbeitenden Staatsunternehmen auch jeglicher Anreiz zum Mithalten im Wettbewerb genommen, da ihre Ergebnisse durch solche staatlichen Eingriffe jederzeit negativ beeinflußt werden können.

Im allgemeinen läßt sich jedoch sagen, daß sich der Staat immer mehr aus dem vormals von ihm kontrollierten Markt zurückzieht und daß immer mehr Preise Angebot und Nachfrage überlassen werden, so daß ein "double track price system"[74] besteht, d.h. es existieren staatlich vorgegebene sowie Marktpreise nebeneinander.[75]

- Im Agrarbereich, in dem die Bauern schon seit Reformbeginn ihre Überproduktion zu Marktpreisen verkaufen durften, ist die Zahl der Festpreise von 113 (1978) auf nur noch sechs (1993) gesunken.
- Die Konsumgüter wurden vor Reformbeginn von der Regierung über Coupons zugeteilt. Im Laufe der Reformen wurde dieses System abgschafft und auch nicht-staatliche Vertriebsorganisationen wurden zugelassen; anstelle von 158 Einzelhandelspreisen (1978) sind nur noch sieben (1993) festgeschrieben.
- Die Preise der Produktionsmittel sind seit 1985 freigegeben, von ehemals 1.086 liegen nur noch 33 unter Regierungskontrolle.
- Auf dem Arbeitsmarkt, wo früher das Prinzip der "iron rice bowl" galt, d.h. staatlich auf Lebenszeit zugeteilten Arbeitsplätzen, werden nun auch befristete Arbeitsverträge eingesetzt, im Rahmen der Privatisierung von Staatsunternehmen kommt es zu vor den Reformen undenkbaren Entlassungen.
- Der Immobilienmarkt befindet sich z.Zt. im Umbruch: Traditionell wurde der Wohnraum den Angestellten von Staatsunternehmen zu extrem niedrigen Mieten gestellt, sogar unterhalb der Erhaltungskosten der Wohnungen. Im Rahmen der Privatisierungen werden die Mieter zum Kauf ihrer Wohnungen ermutigt (wobei Häuser gekauft, Land jedoch nur vom Staat gepachtet werden kann).

2.2.1.4 Verhältnis zu internationalen Organisationen

Trotz des UNO-Beitritts 1971 verhielt sich die VRC anderen internationalen Organisationen gegenüber sehr reserviert, da man z.B. den Internationalen Währungsfonds (IMF) und die Weltbank als "Instrumente des Imperialismus" und das GATT als "Institution zur Ausbeutung der Entwicklungs- durch die Industrieländer" betrachtete[76]. Man wollte sich seine Selbstversorgung und Unabhängigkeit von ausländischem Kapital bewahren. Ab 1979 erfolgte ein ideologisches Umdenken, da man aus der Mitgliedschaft Vorteile ziehen konnte, und diese wurde seither als "förderlich für die Erreichung der neuen wirtschaftspolitischen Ziele" angesehen[77]. China wurde 1980 Mitglied von Weltbank und IMF und erhielt auf diese Weise Kredite, technische Hilfen sowie vor allem Analysen und Beratungen für die Umgestaltung der Wirtschaft.

[...]


[1] vgl. de Jongquières 23.06.99

[2] Vanhonacker 1997 S. 10

[3] Weltbank 1999

[4] 1980-90 betrug die Rate durchschnittlich noch 1,5%, von 1990-95 betrug sie 1,1%. Weltbank 1999 S. 238

[5] FVA S.1/2

[6] vgl.Taubmann 1998 S. 41

[7] vgl. Nelles 1996 S. 236-239

[8] Heilmann 1997 S.38

[9] vgl. Fischer 1998 S. 616

[10] Weltbank 1999 S. 242

[11] vgl. Yonghao (10.08.99)

[12] Heberer 1998 S.386

[13] Von 100 Haushalten besitzen in der Stadt durchschnittlich 90,1 eine Waschmaschine, 93,5 einen Farbfern seher und 69,7 einen Kühlschrank, im Vergleich zu 20,5 Waschmaschinen, 22,9 Fernsehern und 7,23 Kühlschränken auf dem Dorf, vgl. Fischer 1998 S. 621

[14] Weltbank 1997 S. 246

[15] Weltbank 1999 S. 236, Fischer 1998 S. 607/609

[16] Weltbank 1999

[17] Morgenstern 1995 S. 27, vgl. http://www.ahk.net/de/cn/country.introduction.html

[18] Schüller 1997 S.11

[19] Taubmann, S. 47

[20] Fischer 1998 S.605/ 607

[21] vgl. http://www.ahk.net/de/cn/peking/wirtschaft.html

[22] Heilmann 1997 S.41/42

[23] Heilmann 1997, 1998

[24] Heilmann 1997 S. 48

[25] Heilmann 1997 S. 49, vgl. auch Ederer 1996 S. 321:"Viel wichtiger für die Berwertung der Volksbefreiungs armee ist, daß sie zu einem der größten Unternehmer in China aufgestiegen ist. Es gibt kaum eine Branche, in der sie nicht beteiligt ist, ob es sich um Luxushotels und Nachtbars handelt oder um Fabriken für Papier tapeten und Fahrräder."

[26] Ederer/ Franzen 1996 S.242

[27] vgl. Ederer/ Franzen 1996 S. 248

[28] Ederer 1996 S. 256

[29] Schüller 1998, S. 278/279

[30] Schüller 1998 S. 283/284

[31] vgl.http://www.ahk.net/de/cn/peking/wirtschaft.html

[32] vgl. Bohnet 1993

[33] vgl. Bohnet 1993

[34] vgl. Agence France Presse 05.08.99 und Deloitte & Touche 1999-1 S.7

[35] vgl. Hansen 1986 S. 34 und Wiesegart 1989 S. 221

[36] vgl. Schüller 1998 und Nelles 1994

[37] vgl. Schüller 1998

[38] vgl. Harding 02.08.99

[39] Hesener 1998, Weltbank 1997

[40] Fischer 1998

[41] "a policy which allows some people to get rich first and for the rest of the population to follow", Yao 1997 S.103

[42] Bankgesellschaft Berlin 1997

[43] Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen in Mio. US$: 1980=23.637; 1997=171.678; Einfuhren in Mio. US$: 1980=18.900; 1997= 154.127

[44] vgl. Weltbank 1999 S.262/272

[45] Zahlen für 1996 aus Schüller 1997

[46] Xueming 1998

[47] vgl. Tang 1995 S. 18

[48] Nelles 1994 S. 222

[49] Ehrlich 1995 S. 128

[50] Chu 1994 S. 65

[51] Chu 1994 S. 68

[52] vgl. Ehrlich 1995 S. 63, Kuan 1994 S. 83

[53] vgl. Tang 1995 S. 93

[54] Chu 1994 S. 123

[55] vgl. Chu 1994

[56] Ederer 1996 S. 376

[57] Nelles 1994 S. 226

[58] Nelles 1994 S. 226

[59] Reisach 1997 S. 612

[60] vgl. Zhang 1997und Reisach 1997

[61] Reisach 1997 S. 613

[62] Chu 1994 S. 28

[63] vgl. Tang 1995 S. 70

[64] vgl. Yeung/ Tung 1997

[65] Yeung/ Tung 1997

[66] vgl. Yeung/ Tung 1997 und Ederer 1996

[67] vgl. Yeung/ Tung 1997

[68] vgl. hierzu auch Yeung/ Tung 1997 und Chu 1994

[69] zitiert aus Heuser 1998 S. 413

[70] Fischer 1998 S. 626

[71] Fischer 1998 S. 626

[72] Kynge 23.06.99

[73] Art. 11 zitiert aus Stucken 1993 S. 69

[74] vgl. Zou Dongtao 1993 S. 346 ff

[75] Fischer 1998 S. 621

[76] Xueming 1998 S. 308/309

[77] Xueming 1998 S. 310

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Markteintrittsbarrieren für ausländische Unternehmen in China
Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf
Note
1.1
Autor
Jahr
1999
Seiten
140
Katalognummer
V185354
ISBN (eBook)
9783668591851
ISBN (Buch)
9783867462846
Dateigröße
1289 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
markteintrittsbarrieren, unternehmen, china
Arbeit zitieren
Birgit Bromund (Autor:in), 1999, Markteintrittsbarrieren für ausländische Unternehmen in China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185354

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