Diese Arbeit setzt sich mit Blochs Konzept der Ungleichzeitigkeit und ihrem Vergleich zur so genannten Gleichschaltung aller Lebensbereiche im Nationalsozialismus auseinander. Als konkretes Beispiel der Durchsetzung der Gleichschaltung soll an dieser Stelle der Rundfunk insbesondere unter seinen Massen beeinflussenden Aspekten untersucht werden. In seinem Werk „Erbschaft dieser Zeit“, das er 1935 aus dem Exil schreibt, setzt sich Bloch mit den Gründen für den Durchbruch des Nationalsozialismus in Deutschland auseinander. Dabei entwickelt er die Idee der Ungleichzeitigkeit, die zur Grundlage für seine mehrräumige Dialektik wird. Seine Idee entspringt aus einem Geschichtsbewusstsein, das alles andere als linear gedacht ist. Vielmehr gebe es immer etwas aus der Vergangenheit zu beerben, was dann als Ungleichzeitiges mitgeschleppt, sofern es nicht transformiert oder verarbeitet wird. Bloch bezeichnet Deutschland als „das klassische Land der Ungleichzeitigkeit“ , ein Land, das die kapitalistischen Entwicklungen noch nicht erfolgreich in seine Sozialökonomie integrieren konnte. Stattdessen herrschen immer noch feudale Strukturen vor und auch die Bevölkerung sehnt sich nach einer vermeintlich besseren Vergangenheit, in der das Land noch im Griff einer festen Führung lag. Diese Rückwärtsgewandtheit gepaart mit irrationaler und romantischer Ideologie kennzeichnet die Ungleichzeitigkeit, von der Bloch spricht. Diesen Zustand machten sich die Nationalsozialisten zunutze, indem sie gerade die erträumte angeblich bessere Vergangenheit mit der Prophezeiung des Tausendjährigen Reiches und der Erschaffung der „Volksgemeinschaft“ inszenierten und damit die „Gleichzeitigkeit“ der „Ungleichzeitigen“ herstellten. Der sich seit 1923 etablierende Rundfunk eröffnete dabei die Möglichkeit des Zugriffs auf ein Massenpublikum bisher nicht gekannten Ausmaßes. Gleichwohl entstand mit dem Rundfunk eine neue Masse verstreuter und simultan verschalteter Teilnehmer.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Blochs Konzept von Ungleichzeitigkeit
- 2.1 Drei ungleichzeitige Gruppen: Jugend, Bauerntum, Mittelstand
- 2.2 Ungleichzeitiger und gleichzeitiger Widerspruch
- 2.2.1 Ungleichzeitiger Widerspruch
- 2.2.2 Gleichzeitiger Widerspruch
- 2.3 Mehrschichtige Dialektik
- 2.4 Wilhelm Pinders Konzept der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen
- 2.5 Gleichschaltung der Zeit im „Dritten Reich“
- 3 Der Rundfunk als Mittel zur Gleichschaltung im Dritten Reich
- 3.1 Begriff der Gleichschaltung
- 3.2 Veränderte Beziehung zu Raum und Zeit
- 3.3 Propaganda und Massenbeeinflussung
- 3.4 Simultan verschaltete Masse
- 3.4.1 Gerichtete und verstreute Masse
- 3.4.2 Kommunikative Masse
- 3.4.3 Synchronisierung von öffentlichem und privatem Raum
- 3.5 Die Weihnachtsringsendung von 1942
- 3.5.1 Authentifizierung
- 4 Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Ernst Blochs Konzept der Ungleichzeitigkeit im Kontext der nationalsozialistischen Gleichschaltung, insbesondere anhand des Rundfunks als Medium der Massenbeeinflussung. Die Analyse fokussiert auf die Strategien der NS-Propaganda, die die ungleichzeitigen gesellschaftlichen Gruppen Deutschlands ansprachen und in eine scheinbare Gleichzeitigkeit integrierten.
- Blochs Konzept der Ungleichzeitigkeit und seine Anwendung auf das nationalsozialistische Deutschland
- Die Rolle des Rundfunks in der nationalsozialistischen Gleichschaltung
- Analyse der NS-Propaganda und ihre Wirkung auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen (Jugend, Bauerntum, Mittelstand)
- Die Erzeugung von Gleichzeitigkeit aus Ungleichzeitigkeiten durch die nationalsozialistische Propaganda
- Der Vergleich zwischen Blochs Theorie und der praktischen Umsetzung der Gleichschaltung im Dritten Reich
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz der Arbeit. Kapitel 2 erläutert Blochs Konzept der Ungleichzeitigkeit, das auf die widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland verweist, und stellt drei besonders anfällige Gruppen vor: Jugend, Bauerntum und Mittelstand. Es wird beschrieben, wie diese Gruppen durch ihre unterschiedlichen zeitlichen Bezugspunkte für die nationalsozialistische Ideologie empfänglich waren. Kapitel 3 analysiert den Rundfunk als Werkzeug der nationalsozialistischen Gleichschaltung und seine Rolle in der Propaganda und Massenbeeinflussung, wobei die "Weihnachtsringsendung von 1942" als Beispiel dient.
Schlüsselwörter
Ernst Bloch, Ungleichzeitigkeit, Gleichschaltung, Drittes Reich, Rundfunk, Propaganda, Massenbeeinflussung, Nationalsozialismus, Jugend, Bauerntum, Mittelstand, Volksgemeinschaft.
- Arbeit zitieren
- Franziska Roeder (Autor:in), 2008, Die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123996