Kinderreichtum. Ein Risikofaktor für Familienarmut?


Hausarbeit, 2016

21 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition Armut

3. Kinderreichtum in Deutschland

4. Lebenssituationen deutscher kinderreicher Familien
4.1 Bildung der Eltern in kinderreichen Familien
4.2 Erwerbssituation der Eltern in kinderreichen Familien
4.3 Ökonomische Situation von kinderreichen Familien
4.4 Wohnverhältnisse von kinderreichen Familien
4.5 Strukturelle Unterschiede kinderreicher Familien und dadurch mögliche Typenbildung

5. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Drei Kinder wirst du bald haben? Das ist doch fast schon asozial.“[1]

Die soziale Situation von Familien mit Kindern im Allgemeinen und insbesondere von Familien mit mehreren Kindern belebt in Deutschland immer wieder die öffentliche und sozialwissenschaftliche Diskussion. Im Zentrum dieser Diskussion und der damit einhergehenden politischen Debatten steht die Frage, ob und in welchem Maße Kinder das Armutsrisiko von Familien erhöhen. Vater, Mutter und zwei Kinder gelten seit längerem für viele als die ideale Familie. Nur noch wenige Paare entscheiden sich heutzutage für mehr als zwei Kinder und auch der Kinderwunsch allgemein ist in Deutschland im europäischen Vergleich gering ausgeprägt.[2] Große Familien machen nur noch einen geringen Anteil aller Familien in Deutschland aus.[3] Dies könnte daran liegen, dass Kinderreichtum nicht selten mit sozialer Benachteiligung und Deprivation in Verbindung gebracht wird, vor allem im Hinblick auf die Einkommenssituation und damit einhergehend den Lebensstandard. Ein Fünftel der deutschen Eltern mit mehr als zwei Kindern fürchtet soziale Ablehnung bei der Geburt eines weiteren Kindes.[4] Die Entscheidung für ein weiteres Kind ist aber auch vor allem abhängig von den erwarteten zusätzlichen Kosten. Mögliche finanzielle Nachteile sind dabei häufig ein wichtiges Argument gegen ein weiteres Kind,[5] denn in der heutigen Gesellschaft in Deutschland dienen Kinder durch die sozialstaatliche Sicherung nicht mehr unbedingt als finanzielle Absicherung der Eltern im Alter. Doch haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen auch so gewandelt, dass jedes weitere Kind das Armutsrisiko erhöht und somit kinderreiche Familien besonders gefährdet sind in finanzielle Notlagen zu geraten? Lassen sich deutliche Nachteile im Vergleich zu kleineren Familien feststellen? Oder neigen vor allem finanziell bereits schlechter gestellte Familien dazu, viele Kinder zu bekommen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss zunächst definiert werden, was unter Armut zu verstehen ist und ab wie vielen Kindern eine Familie als kinderreich zählt, um anschließend die Lebenssituationen kinderreicher Familien zu analysieren und letztlich die Beweggründe zu einer Entscheidung für eine Mehrkindfamilie zu ergründen.

2. Definition Armut

Armut kann auf verschiedenste Weise wahrgenommen werden, je nach individuellen und kollektiven Fähigkeiten und Möglichkeiten. Der Entwicklungsausschuss der OECD (DAC) versteht unter Armut verschiedene Arten von Entbehrungen im Zusammenhang mit der Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen.[6] Dabei ist zwischen absoluter und relativer Armut zu unterscheiden. Absolute Armut ist als ein Zustand definiert, in dem sich ein Mensch die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse nicht leisten kann. Relative Armut, welche in Deutschland eher vertreten ist, beschreibt Armut im Verhältnis zum jeweiligen Umfeld eines Menschen. Diesbezüglich wird in dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Armut unter anderem als einen Mangel an Teilhabechancen definiert. So führen also nicht nur fehlendes Einkommen, sondern auch ein Mangel an Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und das Fehlen individueller Fähigkeiten, die für eine aktive Lebensgestaltung notwendig sind, in eine unsichere Lebenssituation. Ebenso werden die Ausgrenzung von einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung, Bildung und Erziehung, fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt und eine schlechte Wohnraumqualität als zentrale Armutsdimensionen definiert.[7] Die materielle Armut wird in der Regel durch die Armutsrisikoquote ausgedrückt, welche den Anteil an der Bevölkerung angibt, deren Nettoeinkommen pro Kopf weniger als 60 Prozent des statistischen Mittelwertes in der Gesellschaft beträgt. Dabei wird in der OECD eine altersbezogene Bedarfsgewichtung durchgeführt, wodurch Haushalte mit unterschiedlichen Personenzusammensetzungen vergleichbar gemacht werden. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass mit zunehmender Größe der Haushalte der durchschnittliche finanzielle Bedarf pro Haushaltsmitglied sinkt und dass er bei Kindern geringer ist, als bei Erwachsenen. Legt man diese neue OECD-Skala zu Grunde, ist das Armutsrisiko von Mehrpersonenhaushalten demnach in der Regel niedriger. Nach der sozialstaatlich definierten Armutsgrenze gelten Familien als arm, wenn sie in einem Haushalt leben, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) erhält. Im Jahr 2013 wurde ermittelt, dass etwa 24,2% aller Kinder in Familien leben die zumindest teilweise auf Grundsicherungsleistungen angewiesen und/oder von Einkommensarmut betroffen sind (Abbildung 1).[8]

Abbildung 1: Einkommensarmutsgefährdung und aktueller SGB-II-Bezug

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Tophoven, Silke / Wenzig, Claudia / Lietzmann, Torsten (2015): Kinder- und Familienarmut: Lebensumstände von Kindern in der Grundsicherung. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Nürnberg, S. 10

Abbildung 1: Einkommensarmutsgefährdung und aktueller SGB-II-Bezug Angaben in Prozent

3. Kinderreichtum in Deutschland

Familien in Deutschland sind vergleichsweise kinderarm. Der Rückgang großer Familien lässt sich in Deutschland vor allem seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts feststellen. Seitdem bekommen Frauen in Deutschland im Schnitt selten mehr als ein oder zwei Kinder.[9] Im heutigen Deutschland und auch in anderen westlichen Gesellschaften gilt eine Familie daher allgemein ab drei Kindern als kinderreich, auch wenn es diesbezüglich keine offizielle Definition gibt. Der statistische Mittelwert liegt bei 1,4 Kindern pro Familie, woraus die Annahme resultiert, dass die meisten Familien ein oder zwei Kinder haben. Die Obergrenze der Kinderzahl in einer „Normalfamilie“, entspricht also dem angenommenen Schwellenwert zum Kinderreichtum. Während noch 31,4% der Frauen aus dem Geburtsjahrgang 1937 zu den kinderreichen Frauen gehörten, haben in Deutschland momentan nur noch etwa 17% aller Familien mehr als zwei Kinder, von welchen fast alle Elternteile als verheiratetes Paar zusammenleben. Lediglich 7% der nichtehelichen Lebensgemeinschaften in Deutschland haben drei oder mehr Kinder.[10] Gezählt werden dabei Kinder, die in einem Haushalt mit ihren Eltern zusammenleben, was aus soziologischer Perspektive relevant ist, da dies die alltäglichen Interaktionen und die sozialen Beziehungen im Familienkontext beeinflusst.[11] Zu kinderreichen Familien werden demnach sowohl Paare mit gemeinsamen Kindern, bzw. Alleinerziehende mit drei oder mehr Kindern, als auch kinderreiche Patchworkfamilien und Mehrkindfamilien mit Adoptivkindern gezählt.[12] Kinderreiche Familien zeichnen sich gegenüber Ein- und Zwei-Kinder-Familien in Deutschland durch eine frühe Erstelternschaft und eine dichtere Geburtenfolge aus.[13] Des Weiteren ist festzustellen, dass Frauen mit einem Migrationshintergrund häufiger kinderreich sind, als Frauen ohne Migrationshintergrund, auch wenn sich in beiden Gruppen in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Rückgang der kinderreichen Familien vollzogen hat.[14]

4. Lebenssituationen deutscher kinderreicher Familien

Trotz der Vielfalt ihrer Lebenslagen lassen sich bei kinderreichen Familien bestimmte soziale Strukturen häufiger beobachten als bei Familien mit weniger Kindern. Das trifft etwa auf die schulische und berufliche Ausbildung der Eltern zu, auf ihre Erwerbsbeteiligung oder auf die finanzielle Situation der Familie. Allerdings erfolgt häufig auch eine bloße Beschreibung der statistischen Auffälligkeiten von Mehrkindfamilien auf Basis von Querschnitts-untersuchungen, die offenlassen, inwieweit beispielsweise eine tendenziell niedrigere Einkommenssituation eher Ursache oder eher Folge von Kinderreichtum ist.[15] Die Entscheidung für mehr als zwei Kinder ist nicht selten eine Entscheidung gegen gesellschaftliche und/oder ökonomische Gratifikationen und Absicherungen. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass in kinderreichen Familien ökonomische Werte nicht an erster Stelle stehen.[16] Generell wird sowohl hinsichtlich der Bildung als auch hinsichtlich der Erwerbssituation und der Einkommensverhältnisse festgestellt, dass Kinderreichtum mit sozioökonomischer Schlechterstellung assoziiert ist, sich allerdings auch eine asymmetrische U-Form zeigt, da auch einkommensstärkere Schichten unter den Kinderreichen leicht überproportional vertreten sind.[17]

4.1 Bildung der Eltern in kinderreichen Familien

Wer über eine höhere Schul- und Berufsausbildung verfügt, hat auch bessere Chancen für eine gute berufliche Karriere und für ein höheres Einkommen. Vor allem gut ausgebildete Frauen verzichten deshalb auf Kinder, bzw. wünschen sich weniger Kinder, unter anderem auch vor dem Hintergrund der bestehenden Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Fehlende Schul- und Berufsabschlüsse schränken dagegen die beruflichen und finanziellen Möglichkeiten häufig ein. Als oft einzige Option, die zudem gesellschaftliche Anerkennung verspricht, verbleibt die Gründung einer kinderreichen Familie. Neben der gängigen Behauptung, Kinderreichtum führe zu Armut, gibt es also auch die Ansicht, dass Armut, hier Bildungsarmut, zu Kinderreichtum führe.[18] Die Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Bildung und Kinderreichtum sind nicht stringent, verschiedene Autorinnen und Autoren kommen dabei teilweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Ein u-förmiger Zusammenhang besteht allerdings bei fast allen Autorinnen und Autoren. Sowohl Eltern ohne Schulabschluss oder mit einem geringen Bildungsniveau, als auch Eltern mit einem hohen Bildungsniveau haben also häufiger drei oder mehr Kinder, als Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass solch ein u-förmiger Zusammenhang lediglich bei dem Übergang zum dritten Kind zu beobachten ist, weshalb der Einfluss des Bildungsniveaus der Eltern auf Kinderreichtum differenziert nach der Kinderzahl betrachtet werden muss. Der Anteil der Eltern ohne Schulabschluss ist bei den Familien mit drei und mehr Kindern wesentlich höher als bei Ein- und Zwei-Kind-Familien. Durchschnittlich sind sie nur in 4% der Familien vertreten, bei Familien mit vier und mehr Kindern ist ihr Anteil jedoch mit 15% fast viermal so hoch. Die Schulbildung der kinderreichen Frauen ist dabei oft schlechter als die der kinderreichen Männer. Diese Trends setzen sich in den beruflichen Abschlüssen fort. Ein Viertel der Eltern, die drei oder mehr Kinder haben, verfügen über keinen beruflichen Abschluss, was fast dreimal so häufig wie der Durchschnitt ist. Unter den Familien mit drei Kindern gibt es auch eine über dem Durchschnitt liegende Gruppe mit hohem Bildungsstatus und beruflichem Abschluss. Bei 28% der Paare mit drei Kindern hat mindestens einer der Partner das Abitur. Ebenso liegen die Anteile derjenigen, bei denen ein oder beide Elternteile einen Hochschulabschluss haben, über dem Durchschnitt. Bei den Familien mit vier oder mehr Kindern haben allerdings nur noch 23% der Eltern die Hochschulreife. [19] Besonders häufig ist dabei eine Bildungshomogamie zu beobachten, also, dass zwei Partner denselben oder einen ähnlichen Schulabschluss haben. Etwa zwei Drittel der kinderreichen Paare haben den gleichen Schulabschluss, wobei der Hauptschulabschluss am häufigsten vertreten ist. Bei dem Vorhandensein einer Bildungsheterogamie, also, wenn sich die Eltern in ihren Bildungsabschlüssen unterscheiden, ist zu beachten, dass dabei selten mehr als eine Bildungsstufe Unterschied vorliegt. Es überwiegen also die Kombinationen Realschule mit Hauptschule und Hochschulreife mit Realschule.[20] Es wurde festgestellt, dass bei bildungsheterogamen Beziehungen häufig die kinderreichen Väter eine bessere Schulbildung vorweisen können, als kinderreiche Mütter.[21]

4.2 Erwerbssituation der Eltern in kinderreichen Familien

Mehr noch als hinsichtlich des Bildungsniveaus muss hinsichtlich der Erwerbssituation nach Geschlecht differenziert werden, denn die Kinderzahl hat einen deutlich stärkeren Einfluss auf das Erwerbsverhalten von Müttern als von Vätern.[22] Ab dem dritten und insbesondere ab dem vierten Kind liegen die Erwerbstätigenquoten von Müttern deutlich niedriger als bei Familien mit weniger als drei Kindern. Zudem ist ein Verzögerungseffekt beim Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit erkennbar, der dagegen bei über zwei Dritteln der Mütter mit weniger als drei Kindern bereits spätestens zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr des Kindes stattfindet. Diesen Wert erreichen kinderreiche Mütter auch nicht, wenn ihre Kinder bereits zwischen 10 und 15 Jahre alt sind. Hier ist also eine stärkere Verzögerung bei Müttern mit vier oder mehr Kindern, als bei Müttern mit drei Kindern zu beobachten. Die Dauer des beruflichen Ausstiegs ist also stark von der Kinderzahl abhängig. Zudem sind erwerbstätige Mütter mit drei und mehr Kindern häufig nur geringfügig beschäftigt, Teilzeittätigkeiten sind in Deutschland unter den erwerbstätigen Müttern besonders stark verbreitet. Nur jede zehnte Frau mit drei Kindern und sogar nur 6% der Mütter von vier und mehr Kindern arbeiten in Vollzeit. Auch wenn die Kinder bereits im Schulalter sind, arbeiten Mütter mit drei und mehr Kindern überdurchschnittlich oft weiterhin in Teilzeit.[23] Im Gegensatz zur Erwerbsbeteiligung der Mütter steht die der Väter nur in einem schwachen Zusammenhang mit der Zahl der Kinder. Neun von zehn Vätern mit bis zu drei Kindern sind erwerbstätig. Bei Vätern mit vier oder mehr Kindern sinkt die Erwerbsbeteiligung allerdings auf 80%. Auch variiert die Erwerbsbeteiligung der Väter kaum mit dem Alter der Kinder, anders als bei vielen kinderreichen Müttern. Allerdings entscheiden sich Väter mit drei oder mehr Kindern besonders häufig für mehr als zwei Partnermonate und sind damit interessiert daran, in längeren Phasen familiäre Verantwortung zu übernehmen, insbesondere seit der Einführung des Elterngeldes.[24] In Mehrkindfamilien kommt es deutlich häufiger vor, dass ausschließlich der Vater erwerbstätig ist. Über die Hälfte der Familien mit vier oder mehr minderjährigen Kindern und 42% der Familien mit drei Kindern leben diese Form der Arbeitsteilung, aber nur etwa 30% der Familien mit einem oder zwei Kindern. Unter den Familien mit mehr als drei Kindern gibt es außerdem einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Familien, in denen beide Elternteile über einen längeren Zeitraum keine Erwerbstätigkeit ausüben.[25] Jedoch leben mehr Mehrkindfamilien diese traditionelle Arbeitsteilung, als es sich wünschen, auch wenn die Einstellungen etwas traditioneller sind, als bei kleineren Familien. 42% der nicht berufstätigen Mütter von drei Kindern sowie 34% der Mütter mit vier und mehr Kindern sind an einer zukünftigen Berufstätigkeit interessiert. Dies muss allerdings vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei kinderreichen Familien betrachtet werden, denn Mütter aus kinderreichen Familien sind besonders häufig nicht erwerbstätig, weil sie das Gefühl haben, sie könnten sich dann weniger gut um ihre Kinder kümmern. Des Weiteren haben Mütter mit drei oder mehr Kindern häufiger den Eindruck, dass eine Erwerbstätigkeit sie neben der Kinderbetreuung überlasten würde. Für einen kleineren Teil der Mütter sind hauptsächlich finanzielle Motive von Bedeutung. 14% der kinderreichen Mütter sagen, dass die Familie es sich finanziell leisten kann, dass sie nicht arbeiten. 12% der Mütter von drei und mehr Kindern sind dagegen der Auffassung, dass es sich finanziell nicht lohnen würde, arbeiten zu gehen, unter anderem, weil z.B. die Abzüge durch Steuern zu hoch wären oder sie zu wenig verdienen würden. Zugleich geben Mütter mit drei und mehr Kindern zwar insgesamt selten (7%), aber doch häufiger als Mütter mit ein oder zwei Kindern (4 bis 5%) an, dass sie durch die Erwerbsaufnahme den Anspruch auf staatliche Leistungen verlieren würden.[26]

Obwohl also Frauen häufig selbst die Verbindung von Beruf und Familie wünschen, sind es fast ausnahmslos die Mütter, welche die Tätigkeiten im Haushalt und die Betreuung und Erziehung der Kinder verantwortlich übernehmen und dazu auf eine Erwerbsbeteiligung ganz oder teilweise verzichten. Dies liegt im Wesentlichen in den schlechten Rahmenbedingungen für ein erwerbstätiges Leben mit vielen Kindern begründet. Bedenklich ist dieser Punkt, da hierin die Hauptursache für die vergleichsweise schlechte Einkommensposition vieler kinderreicher Familien zu sehen ist.[27]

4.3 Ökonomische Situation von kinderreichen Familien

Einkommenssituation und Armutsrisiko von Familien unterscheiden sich stark nach Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Mehr noch als die Erwerbssituation wird die ökonomische Lage dabei vor allem als Folge von Kinderreichtum thematisiert, generell ist jedoch von einer wechselseitigen Beziehung auszugehen.[28] Ungeachtet der Anzahl der Kinder liegen die Einkommen von Familien über dem durchschnittlichen Einkommen aller Lebensformen. Die gewichtete Verteilung des Familieneinkommens auf die verschiedenen Mitglieder einer Familie zeigt allerdings, dass mit steigender Zahl der Kinder immer weniger Einkommen pro Familienmitglied zur Verfügung steht. Das Pro-Kopf-Einkommen kinderreicher Familien ist somit meist deutlich niedriger als bei Familien mit einem oder zwei Kindern,[29] da das mittlere monatliche Familiennettoeinkommen kinderreicher Eltern sich kaum von dem der Eltern mit einem oder zwei Kindern unterscheidet, obwohl kinderreiche Familien mehr Kinder versorgen müssen. Bei Müttern und Vätern mit fünf oder mehr Kindern liegt das mittlere Familiennettoeinkommen sogar unter jenem von Eltern mit zwei, drei oder vier Kindern.[30] Pro Kopf steht Mehrkindfamilien also ein geringeres Einkommen zu Verfügung als Paarhaushalten mit weniger Kindern. Dies gilt insbesondere für Familien mit vier oder mehr Kindern. Zwar sinken mit zunehmender Kinderzahl die durchschnittlichen Konsumausgaben pro Kind, allerdings steigen die Gesamtausgaben für die Kinder deutlich stärker an als die Einkommen der Familien. Der Anteil der Ausgaben für Kinder am Haushaltsnettoeinkommen nimmt also mit steigender Kinderzahl kontinuierlich zu. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass ab dem dritten Kind in einigen Konsumbereichen sog. Sprungfixkosten entstehen, z.B. durch das Benötigen eines größeren Autos oder einer größeren Wohnung.[31] Neben der größeren Zahl von Familienmitgliedern, auf die sich das etwa gleich bleibende Haushaltseinkommen verteilt, ist wie bereits erwähnt vor allem die geringere Erwerbsbeteiligung von Müttern in Mehrkindfamilien für deren ökonomische Schlechterstellung verantwortlich.[32]

[...]


[1] Eggen 2015, S. 8

[2] Vgl. Rupp / Bierschock 2005, S. 154f

[3] Vgl. BMFSFJ 2007, S. 3f

[4] Vgl. BMFSFJ 2007, S. 5

[5] Vgl. Huinink 2001

[6] Vgl. OECD 2002, S. 43f

[7] Vgl. Böhmer / Heimer 2008, S. 7

[8] Vgl. Tophoven / Wenzig / Lietzmann 2015, S. 7ff

[9] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 9

[10] Vgl. BMFSFJ 2007, S. 3f

[11] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 6f

[12] Vgl. Eggen 2015, S. 8

[13] Vgl. Peukert 2008, S. 204

[14] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 11

[15] Vgl. Eggen 2015, S. 8f

[16] Vgl. Eggen / Rupp 2006, S. 37-48

[17] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 12

[18] Vgl. Eggen / Leschhorn 2004, S. 10

[19] Vgl. BMFSFJ 2007, S. 5f und Eggen / Rupp 2006, S. 58ff

[20] Vgl. Eggen / Rupp 2006, S. 55ff

[21] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 13

[22] Vgl. BMFSFJ (Hrsg.) (2013): Mehrkindfamilien in Deutschland. Berlin, S. 25

[23] Ebd., S. 26-34

[24] Ebd., S. 35f

[25] Vgl. BMFSFJ (Hrsg.) (2013): Mehrkindfamilien in Deutschland. Berlin, S. 36ff

[26] Ebd., S. 39-43

[27] Vgl. BMFSFJ 2007, S. 8

[28] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 14

[29] Vgl. Eggen / Rupp 2006, S. 87f

[30] Vgl. Eggen 2015, S. 16

[31] Vgl. BMFSFJ 2013, S. 44f

[32] Vgl. Lück / Scharein / Lux / Dreschmitt / Dorbritz 2015, S. 15

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kinderreichtum. Ein Risikofaktor für Familienarmut?
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Soziologie)
Note
1,3
Jahr
2016
Seiten
21
Katalognummer
V345627
ISBN (eBook)
9783668354562
ISBN (Buch)
9783668354579
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kinderreichtum, risikofaktor, familienarmut
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Kinderreichtum. Ein Risikofaktor für Familienarmut?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/345627

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