Gewalt im Grundschulalter - Eine empirische Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit


Epreuve d'examen, 2002

116 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlegungen
2.1 Terminologische Abgrenzungen
2.2 Formen der Gewalt
2.3 Erklärungsmodelle - Theorien
2.3.1 Triebtheorie nach Sigmund Freud
2.3.2 Ethologisches Instinktkonzept nach Konrad Lorenz
2.3.3 Frustrations- Aggressions- Theorie
2.3.4 Lernpsychologische Theorien
2.4 Entstehungsmechanismen und Ursachen von Gewalt
2.4.1 Sozialisationsinstanz Familie
2.4.2 Ursachen in der Freizeitgestaltung
2.4.3 Massenmediale Gewaltdarstellungen
2.4.4 Gewaltmonopol Gesellschaft
2.4.5 Konfliktfeld Schule
2.5 Gewalt in der Schule
2.5.1 Gewalt von Schülern gegen Schüler
2.5.2 Gewalt von Schülern gegen Sachen
2.5.3 Gewalt von Schülern gegen Lehrer
2.5.4 Gewalt von Lehrern gegen Schüler

3 Wissenschaftliche Fragestellungen und Hypothesen

4 Methodischer Zugang
4.1 Durchführung der Untersuchung
4.2 Methoden der eingesetzten Verfahren
4.3 Statistische Darstellungen

5 Ergebnisse der Untersuchung
5.1 Freizeitgestaltung und Medienkonsum
5.2 Hintergrundbedingungen der Gewaltbereitschaft
5.3 Selbsteinschätzung und Gewaltbereitschaft
5.4 Reflexion über das Thema Gewalt

6 Verallgemeinerung der Ergebnisse und Ausblick
6.1 Bewährung der Hypothesen
6.2 Diskussion der Hauptergebnisse
6.3 Schlussfolgerungen

7 Konsequenzen und Präventionsmaßnahmen für die Schulpraxis
7.1 Anforderungen an die Schule und an die Lehrkräfte
7.2 Präventionsmodelle
7.2.1 Gewaltpräventionsmaßnahmen nach DAN OLWEUS
7.2.2 Konfliktbewältigung nach JAMIE WALKER 1995
7.2.3 FAUSTLOS– ein Projekt zur Gewaltprävention in der Grundschule

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang

1 Einleitung

Diese Wissenschaftliche Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Gewalt im Grundschulalter“.

Gewalt ist ein Phänomen, welches viele Gesichter hat, und noch nicht einheitlich und zufriedenstellend definiert werden konnte.

Gewalt wird heute zum größten Teil negativ bewertet. Doch wenn man sich genauer damit beschäftigt, muss man feststellen, dass der Begriff Gewalt eine lange und durchaus nicht immer negative Tradition hat. Im Artikel 20 des Grundgesetzes steht geschrieben : „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“

In diesem Fall leitet sich das Wort Gewalt vom althochdeutschen Wort „waltan“ ab, und bedeutet herrschen.

Hier wird der Gewaltbegriff nicht negativ betrachtet, d.h. das Volk bestimmt die Zusammensetzung seiner Regierung und kann diese bei nicht Einhaltung ihrer Versprechen, nach einiger Zeit wieder abwählen.

Bis ins letzte Jahrhundert hinein wurde Gewalt in Familie und Schule als approbates Mittel zur Disziplinierung der Kinder eingesetzt.

Ein tiefgehender Wandel hat sich seit den 70er Jahren vollzogen. Den Kindern wurden Rechte zugeschrieben und diese wurden vom Staat gefestigt und überwacht. Man gründete eine Vielzahl von Beratungsstellen in Erziehungsfragen. Gewalt gegen Kinder wurde verächtet.

Die Kinderschutzbewegung der 70er Jahre hat zum Thema Gewalt gegen Kinder folgendes artikuliert : „Die Misshandlung von Kindern umfasst die Gesamtheit der Lebensbedingungen, der Handlungen und Unterlassungen, die dazu führen, dass das Recht der Kinder auf Leben, Erziehung und wirkliche Förderung beschnitten wird. Das Defizit zwischen diesen Rechten und ihrer tatsächlichen Lebenssituation macht die Gesamtheit der Kindesmisshandlung aus.“ (SOMMERFELD 1996, 48)

Jedes Individuum definiert Gewalt je nach persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen.

Auch wenn es um die Kindererziehung geht, kann man auf unterschiedliche Ansichten treffen. Manche sehen in einem „Klaps“ ein legitimiertes Mittel der Disziplinierung bei der Überschreitung bestimmter Grenzen an, wo hingegen Andere dies als gewalttätige Handlung verurteilen.

Deshalb ist es schwierig, eine einheitlich für jeden vertretbare Definition des Gewaltbegriffes zu finden.

Das Phänomen Gewalt ist nichts Neues. Die Gewalttätigkeit unter Kindern und Jugendlichen hat, wie sooft behauptet meiner Meinung nach im Laufe der Jahre nicht wirklich bedenklich zugenommen. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der die Menschen und vor allem die Medien sensibler auf Gewaltakte Jugendlicher und Kinder, reagieren. „Die kulturelle Sensibilität hat sich gegenüber allen Formen von Gewalt erhöht.“ (BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 30)

Diese Tatsache ist nicht nur als negativ zu bewerten, ganz im Gegenteil, sie trägt dazu bei, dass die Pädagogen, Lehrerinnen[1] und Lehrer sich mit diesem Problem auseinander setzen, und wenn nötig an ihren Schulen Präventionsarbeit leisten können.

Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass die Behauptung, dass Kinder und Jugendliche heute aggressiver und gewalttätiger sind als früher, schlichtweg nicht belegbar ist.

„Gewalt an Schulen ist zweifellos ein sehr altes Phänomen. Die Tatsache, dass einige Kinder häufig und systematisch von anderen Kindern gemobbt und angegriffen werden, wurde in Werken der Literatur beschrieben, und viele Erwachsene haben damit Erfahrung aus ihrer eigenen Schulzeit.“ OLWEUS behauptet jedoch, dass dieses Problem in den letzten Jahren an Schärfe deutlich zugenommen hätte. (OLWEUS 1995; Buchrückseite)

Es lassen sich Vermutungen anstellen, dass zwar nicht die körperliche Gewalt, dennoch aber die psychische Gewalt zugenommen hat. Diese Form der Gewalt ist nicht zu unterschätzen. „Die Gewalt , die wir bereits bei Kindern leibhaftig vor uns sehen, ist immer nur ein Ausschnitt aus einem sozialen und geschichtlichen Zusammenhang. Diesen gilt es aufzuspüren, wenn man nicht an den Symptomen herumkurieren möchte.“(VALTIN / PORTMANN 1995, 39)

Bei der hier vorliegenden Wissenschaftlichen Hausarbeit handelt es sich um eine empirische Arbeit. Sie ist demnach in einen theoretischen und einen praktischen Teil gegliedert. Ich habe mich in meiner Arbeit vor allem den Schulen im Primarbereich gewidmet. Aber nicht alle von mir genutzten Quellen beziehen sich direkt auf den Grundschulbereich.

Im ersten Teil werde ich auf die verschiedenen Formen von Gewalt eingehen und diese näher erläutern. Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich auf verschiedene Umfragen, die ich an einer Grundschule im ländlichen Bereich durchgeführt habe, eingehen.

2 Theoretische Grundlegungen

2.1 Terminologische Abgrenzungen

Wie ich in der Einleitung schon angedeutet habe, ist Gewalt ein vielschichtiger Begriff, der sich nur schwer und nicht eindeutig definieren lässt.

Im Deutschen wird dem Gewaltbegriff zwei verschiedene Bedeutungen zugeschrieben. Es kann sowohl eine Art von Machtausübung beschreiben, oder aber eine gewaltsame Zerstörung bedeuten. In Frankreich und England gibt es für den gleichen Begriff zwei unterschiedliche Bezeichnungen. Zum einen den Begriff potestas ( power, pouvoir), welcher eine legitime Amtsgewalt beschreibt, und zum anderen den Begriff violenca (violence), der die triebhafte und rohe Gewalttätigkeit beschreibt. Leider haben wir in Deutschland für beide Bedeutungsebenen nur ein Wort. Für die meisten Deutschen ist der Begriff Gewalt negativ besetzt.

(VALTIN / PORTMANN 1995, 40)

Geht man von Herrn Galtung aus, so muss der Gewaltbegriff um ein weiteres erweitert werden. Er spricht hierbei von der sogenannten Strukturellen Gewalt. Damit geht er auf die in der Gesellschaft herrschende soziale Ungleichheit der Menschen ein.

„Gewalt nennen wir die Art und Weise einer Handlung, die andere Menschen physisch oder psychisch beeinträchtigt, wobei diese Handlung oft mit einem Zwang verbunden wird, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Auch Freiheitsentzug ist Gewalt.“ ( VALTIN / PORTMANN 1995, 39)

Gewalt in der Schule kann wie folgt beschrieben werden : Wenn man von BRÜDEL /HURRELMANN (1995, 19) ausgeht, dann lässt sich sagen, dass Gewalt in der Schule als “das gesamte Spektrum von Tätigkeiten und Handlungen, die physische und psychische Schmerzen oder Verletzungen bei den im Bereich der Schule handelnden Personen zur Folge haben oder die auf die Beschädigung von Gegenständen im schulischen Raum gerichtet sind,“ bezeichnet werden kann.

Folgende Definition von Gewalt ist meiner Ansicht nach im Hinblick auf das Thema der Wissenschaftlichen Hausarbeit, treffend :

«Unter Gewalt versteht man sowohl körperliche als auch psychische Gewalt, also Treten, Prügeln, Schlagen, Drohen, Erpressen, aber auch Entziehen von Liebe und Zuwendung, Nichtbeachten, Ausgrenzen sowie ironische, sarkastische und zynische Bemerkungen. Gewalt kann gegen Personen und gegen Sachen angewendet werden. Gewalt zeigt sich in Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen, in hierarchischen Strukturen und in schulischen Maßnahmen wie Notengebung, Versetzung und Ordnungsmaßnahmen. Sie wird als strukturelle Gewalt bezeichnet» (BRÜNDEL/HURRELMANN 1994, 232)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Terminus Aggression im Zusammenhang mit dem Gewaltbegriff

Die beiden Begriffe Aggression und Gewalt meist zusammen auftreten, oder sogar in manchen Fällen gleichgesetzt werden, muss man ebenfalls den Terminus Aggression kurz beleuchten.

„Nach einem geläufigen Sprachgebrauch werden nur schwerere, insbesondere körperliche Formen der Aggression als Gewalt bezeichnet, andere hingegen nicht (z.B. Schimpfen, böse Blicke).“ (NOLTING 2001, 25/26)

Nach NOLTING ist Gewalt ein durchaus eng gefasster Begriff, der sich allerdings an einigen Stellen mit dem Aggressionsbegriff überschneidet.

Auch beim Terminus Aggression gibt es wie bei dem Begriff Gewalt unterschiedliche Interpretations- und Definitionsansätze, wobei keiner dieser Ansätze einen Absolutheitsanspruch für sich behaupten kann.

Hierzu ein „Schema zum Verhältnis der Begriffe Aggression und Gewalt.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG AUS NOLTING 2001, 26

Laut GATZEMANN (2000, 41) werden die Begriffe Gewalt und Aggression „in der wissenschaftlichen Forschung zumeist als begriffliche Einheit verstanden.“

Aggression stammt von dem lateinischen Wort „aggredi“ ab und bedeutet herangehen. Hier verliert der Aggressionsbegriff seine typische Bedeutung und wird mit dem Begriff der Aktivität gleichgesetzt. (NOLTING 2001, 24)

Nach Deutschland kam der Begriff im 19.Jahrhundert von Frankreich. Er hatte eine negative Konnotation, hervorgerufen durch die Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland und die daraus resultierenden kriegerischen Auseinandersetzungen. (GATZEMANN 2000, 41)

Da die beiden Begriffe Gewalt und Aggression häufig gleichgesetzt werden, spreche ich, angelehnt an GATZEMANN, in meiner Arbeit des öfteren von beiden Termini.

Abschließend lässt sich zu diesem Punkt sagen, dass Gewalt in unserer Gesellschaft häufig sowohl im positiven Sinne, z.B. Gewaltenteilung, als auch im negativen Sinne, z.B. durch gewalttätige Übergriffe, aber auch durch Demütigungen oder Beleidigungen auftreten kann. Gewalt ist allgegenwärtig und jeder Mensch wird tagtäglich damit konfrontiert, u.a. auch durch die Medien.

Da sich meine Wissenschaftliche Hausarbeit mit dem Gewaltthema im Grundschulalter beschäftigt, werde ich vor allem auf die Gewaltakte, die schon unter Kindern herrschen eingehen. Ich werde mich mit den Formen der Gewalt, mit den verschiedenen Ursachen von Gewalt und mit möglichen Präventionsmaßnahmen beschäftigen, diese aufzeigen und kommentieren.

2.2 Formen der Gewalt

Es gibt verschiedene Formen der Personalen Gewalt.

a.) Die physische, oder auch körperliche Gewalt:

Der Begriff der physischen Gewalt umfasst die körperliche Gewalt gegen Personen (Gewalttätigkeiten) und gegen Sachen (Vandalismus).

Gewalt gegen Personen bezieht sich vor allem auf vorsätzliche und bewusst herbeigeführte Körperverletzungen. Hier zählen leichte Rempeleien genauso dazu, wie schwere Schlägereien und sexuelle Übergriffe.

b.) Gewalt gegen Sachen, auch Vandalismus:

Der Vandalismus tritt zum Großteil in der Schule auf. Man redet von Vandalismus, wenn in intentionaler, schädigender und normverletzender Weise gegen Schul- und Lehrereigentum Gewalt ausgeübt wird. In den meisten Fällen richtet sich die Gewalt gegen Schuleigentum, welches von Schülern beschädigt und zerstört wird.

c.) Psychische und verbale Gewalt :

Hierzu zählen verbale Aggressionen wie z. B. Beleidigungen, üble Nachrede, ironische Bemerkungen und Bloßstellungen, sowie auch Drohungen in Verbindung mit Gewalt gegen Personen oder Sachen, insbesondere wenn Menschen erpresst werden. Auch Diskriminierung ist eine Art von psychischer und verbaler Gewalt. Diese Formen von Gewalt können auch in kombinierter Form vorkommen, denn körperliche Gewalt schließt die verbale Gewalt nicht automatisch aus. Psychische Aggressionen können nicht selten auch Auslöser für körperliche Übergriffe sein.

Meiner Meinung sind dies die drei Hauptformen der Gewalt. Allerdings sind mir während meiner Literaturrecherche viele Bücher in die Hände gefallen, welche noch weitere Formen der Gewalt aufzählen. Ein Beispiel wäre BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 27/28. Diese gehen des weiteren auf die Abgrenzungen „sexuelle Gewalt, frauenfeindliche Gewalt und fremdenfeindliche Gewalt“ ein.

Gewalt tritt in zwischenmenschlichen Beziehungen meist dann auf, wenn sich ein Konflikt in der Endphase befindet. Von daher wird Gewalt bei vielen Menschen als Mittel zum Zweck eingesetzt. Unter Gewalt versteht man auch Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung von Gruppen in einer Gesellschaft.

Formen und Vorformen von Gewalt unter Kindern

Gewaltakte sind schon bei Kindern im Grundschulalter zu beobachten. Bei meinen Ausführungen über die Formen und Vorformen der Gewalt im Grundschulalter, werde ich mich hauptsächlich auf VALTIN / PORTMANN

(1995,42/43) beziehen. Folgende Formen bzw. Vorformen der Gewalt sind des öfteren bei Kindern im Grundschulalter aufzufinden :

- “Rang- und Revierkämpfe” zeichnen sich bei verschiedenen Sozialformen, wie z.B. dem Stuhlkreis ab, z. B. wenn mehrere Kinder um einen bevorzugten Platz kämpfen.
Auch beim Eigentum der Kinder ist dies zu beobachten, wenn Kinder sich gegenseitig nichts ausleihen wollen.
- Zu Gewaltakten kann es auch führen, wenn Kinder eine bestimmte Vorstellung haben, die durch den Freund nicht erfüllt wird, oder wenn ein Freund oder Freundin nicht genau das tun möchte, was das andere Kind gerne hätte. Dieses Phänomen ist oft beim Spielen der Kinder untereinander zu beobachten. Meist stellt sich dann ein Kind besonders in den Mittelpunkt und versucht alle anderen so zu beeinflussen, wie es ihm oder ihr gefällt. Dazu ist aber auch zu sagen, dass es dabei nicht immer zu körperlichen Gewalttätigkeiten kommen muss, oder dass alle Kinder in einer gewalttätigen Art und Weise reagieren, wenn ein anderes Kind nicht nach seiner Pfeife tanzen will.
- Gewalt resultiert bei Kindern oft aus der Langeweile heraus. Kinder neigen dann dazu sich gegenseitig zu necken oder sich ein Opfer auszusuchen, auf dem sie herumhacken und welches sie ärgern können.
- Oft gibt es auch die Situation, dass durch Missverständnisse, Gewaltakte entstehen können, wie z.B., wenn ein Kind einem anderen einen Gegenstand von sich ausleiht und dieses Kind den Gegenstand als Geschenk betrachtet und nicht zurück geben möchte.

Bei Kindern im Grundschulalter gibt es also eine Fülle von Erscheinungsformen von Gewalt. VALTIN und PORTMANN gehen meiner Meinung nach in diesem Abschnitt zu wenig auf die psychische Gewalt der Kinder untereinander ein. Die oben beschriebenen Gewaltakte sind meist auch für Lehrer und Lehrerinnen sichtbar, was bei der psychischen Gewalt leider nicht immer der Fall ist. Diese ist unter Kindern häufig nur bei genauer Beobachtung zu finden. Dennoch ist die psychische Gewalt nicht minder schlimm für die Opfer. Ganz im Gegenteil, sie hinterlässt bei den Opfern oft Angst und Misstrauen gegenüber anderen Kindern. Denn Beleidigungen, Ausgrenzungen und Beschimpfungen sind schmerzvolle Erfahrungen im Leben eines Kindes.

Diese psychische Gewaltausübung können aggressives und gewalttätiges Handeln hervorrufen. Meiner Meinung nach ist diese Form der Gewalt bei Grundschulkindern nicht zu unterschätzen. Vor allem gegen diese muss Präventionsarbeit von Seiten der Lehrer und Erzieher geleistet werden.

2.3 Erklärungsmodelle - Theorien

„Es stehen sich in der Psychologie zwei Theoriegruppen gegenüber; die eine umfasst Instinkt- oder Triebtheorien, die andere verschiedene, einander ergänzende lerntheoretische Ansätze; zwischen ihnen ist eine dritte Sichtweise, die Frustrations- Aggressions- Theorie anzusiedeln.“ (SELG/MEES/BERG 1997, 17)

Hierbei wird ebenfalls zwischen privaten bzw. naiven Theorien und den Wissenschaftstheorien zu unterscheiden. Die privaten Theorien sind größtenteils nicht in der Literatur zu finden, wo hingegen die wissenschaftlichen Theorien fester Bestandteil der Gewalt- und Aggressionsforschung sind, wobei man heute auch von diesen Modellen bei weiteren Forschungen immer mehr Abstand nimmt.

„Triebtheoretische Konzepte stammen vor allem aus der Psychoanalyse und aus der Tierverhaltensforschung (Ethologie). In beiden Forschungsrichtungen wurden und werden aber auch ganz andere Auffassungen vertreten.“

(NOLTING 2001, 52)

Die Frage, welche Ursachen Aggression und Gewalt zugrunde liegen hat die Menschen seit jeher bewegt. Schon Hobbes hat in seinem berühmten Essay „Leviathan“ den Menschen als ein von Natur aus selbstsüchtiges, brutales und grausames Wesen beschrieben. Ein berühmter Satz von ihm war : „Homo homini lupus“, was übersetzt soviel heißt wie, „Der Mensch dem Menschen ein Wolf.“

Die Theorien, dass Gewalt und Aggressionen angeborene Instinkte sind werden schon seit Urzeiten in der Forschung angenommen. Kenntnisse und Forschungsergebnisse aus verschiedenen Humanwissenschaften wie Medizin, Psychologie, Soziologie, Pädagogik und anderen Bereichen haben wesentlich zur Klärung dieser Problematik beigetragen. Dennoch sehen wir uns noch immer vielen ungeklärten Problemen gegenüber gestellt. Somit kann keine der einzelnen Theorien für sich in Anspruch nehmen, das Wesen der Aggression, ihre Entwicklung und ihre Äußerungsformen unter den verschiedenen kulturellen, sozialen und individuellen Bedingungen umfänglich geklärt zu haben. Sie untersuchen lediglich - jede für sich – bestimmte Aspekte der Aggression und geben uns Einblicke in eine Dimension dieses vielschichtigen Phänomens.

Zunächst möchte ich die verschiedenen in der Wissenschaft diskutierten Modelle der Entstehung von Gewalt und Aggressionen aufzeigen. Hierbei sei zu beachten, dass viele dieser Theorien für die heutige Wissenschaft kaum noch von Bedeutung sind.

2.3.1 Triebtheorie nach Sigmund Freud

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts hatten die Triebtheorien in der sozialwissenschaftlichen Forschung in nahezu allen Bereichen einen hohen Stellenwert. Die Triebtheorie als Auslöser aggressiven und gewaltbereiten Handelns ist somit der älteste Bereich der Aggressionstheorien. Am meisten verbreitet war die dualistische Triebtheorie von Sigmund Freud.

Nach Freud ist der Mensch von Geburt an zwei gegensätzlichen Trieben ausgesetzt. Zum einen dem Lebenstrieb Eros, und zum anderen dem Todestrieb. Während der Lebenstrieb Eros dem Menschen zu seinem Fortbestand und Überleben dient, zielt der Todestrieb auf die Selbstzerstörung des Individuums ab. Der Todestrieb will das Lebendige auslöschen.

Menschliches Verhalten entsteht nach Freud durch das Zusammenspiel dieser beiden Triebe. Der Todestrieb zielt darauf ab, das Lebendige zum Tode zu führen. Allerdings wird der Todestrieb von Eros als Gegenspieler sein Ziel nicht so einfach durchsetzen können, denn Eros richtet ihn gegen Objekte in der Lebenswelt.

Die in uns lebenden Aggressionen sind in der Regel nicht sehr stark ausgeprägt. Für diese Tatsache sorgt laut Freud das sogenannte „Über-Ich“. Es überwacht die von außen auf uns einwirkenden kulturellen Zwänge, wie z.B. durch die Gesellschaft, die das Ausleben der Aggression gegen andere verbietet. Dadurch wird verhindert, dass wir unsere Aggressionen und unser Gewaltpotenzial nach außen ausleben. Demnach richten wir unsere Aggressionen nach innen, d.h. gegen uns selbst.

Der Mensch ist dennoch nicht immer in der Lage den Aggressionstrieb vollständig zu unterdrücken. Man kann ihn also nur versuchen abzulenken, oder wie Freud es ausdrückt, den Aggressionstrieb zu verschieben oder die Aggression zu sublimieren. Hierzu ist es notwendig sich ein sogenanntes Ersatzziel zu suchen, um seinen eigenen Trieb zu befriedigen. (SELG/MEES/BERG 1997, 18-19)

„Vielfältige Prozesse zwischen Bewusstem und Unbewusstem sowie zwischen den drei Instanzen können antisoziales Verhalten herrufen. Gewaltverhalten kann ebenso resultieren aus übermäßigen und ungezügelten Triebwünschen des ES wie aus unmoralischen Gewissensnormen. Ein zu schwaches ÜBER –ICH ist ebenso pathologisch und u.U. aggressionsauslösend oder zulassend wie ein despotisches Über– Ich“ (MARTIN 1999, 42) Somit muss das ICH die Stärke zeigen, sich seinen Triebwünschen zu widersetzen, und menschenachtendes Verhalten entwickeln. Durch diesen Prozess wird der Mensch lernen soziale Konflikte besser lösen zu können.

„Entscheidend für die Nutzung psychoanalytischer Erkenntnisse für das Verständnis der Genese von abweichendem, speziell auch aggressivem, Verhalten ist Freuds Auffassung, dass Menschen aggressives Verhalten nicht gänzlich nachträglich lernen, z.B. von einem bösen Menschen oder von Gewaltdarstellungen im Fernsehen, sondern dass die Möglichkeit dazu tiefer in ihnen wurzelt, nämlich in ihrer bio-psychischen Ausstattung. Menschen haben demnach eine triebhafte Anlage zu aggressiven Handlungen.“ (MARTIN 1999, 41)

Leider sind bei Freud keine konkreten Vorschläge zum Abbau der Aggressionen zu finden.

Freuds Theorie ist kaum durch empirische Analysen zu belegen. Er war von seiner Persönlichkeit her ein sehr negativ eingestellter Zeitgenosse, und seine Theorien beruhen auf reinen Spekulationen. Immer weniger Psychoanalytiker können sich zu seiner Theorie bekennen. Allerdings waren viele seiner Theorien und Konzeptionen über die Entstehung von gewalttätigem, verhaltensauffälligem Verhalten für Erzieher, Pädagogen und Lehrer hilfreich, um mögliche Präventions- und Interventionsmaßnahmen vorzunehmen. (MARTIN 1999, 39)

Dennoch erklärt die Freudsche Theorie aggressives Verhalten nicht wirklich. Sie ist heute sehr umstritten und spielt in der Aggressionsforschung kaum noch eine Rolle, da man durch sie den Aggressionstrieb weder beweisen noch widerlegen kann. Es handelt sich bei Freud um eine Hypothese, keinesfalls jedoch um eine beweisbare Theorie. Freuds Triebtheorie wurde in den 60er Jahren noch von einigen Untersuchungen unterstützt, heute wird sie allerdings nur noch von geringem wissenschaftlichen Wert gehandelt.

2.3.2 Ethologisches Instinktkonzept nach Konrad Lorenz

Die Ethologie beschäftigt sich mit den vergleichenden Verhaltensweisen von Tieren. Die Ethologische Triebtheorie wurde durch KONRAD LORENZ 1963 begründet. Sie verbreitete sich schnell und fand an vielen Stellen große Zustimmung. Ein weiterer berühmter deutscher Vertreter der Ethologie war neben KONRAD LORENZ auch IRINÄUS EIBLE –EIBESFELD.

Im weiteren Verlauf werde ich die Theorie von LORENZ näher betrachten. Er stimmt mit FREUD in jener Hinsicht überein, dass Aggressionen auf einem angeborenen Instinkt beruhen und von daher unvermeidbar sind. LORENZ hat vor allem durch seine Arbeit mit Tieren, zum größten Teil Wildgänse, seine Theorien erstellt. Vor dem Hintergrund seiner Tierstudien vertrat KONRAD LORENZ die Ansicht, dass Aggressionen eine spontane, angeborene Kampfbereitschaft sind, die für das Überleben des Organismus entscheidend sind. In seinen Untersuchungen hat er festgestellt, dass die Tiere und auch die Menschen den angeborenen Aggressionstrieb in sich tragen.

Im Gegensatz zur FREUDSCHEN Theorie sieht LORENZ aber zusätzlich noch einen Sinn in dem Treibverhalten der Tiere. Z.B. schaffen sich die Tiere durch ihre Aggressivität ihren Lebensraum, sie verteidigen sich und haben einen Selbsterhaltungstrieb in sich, welcher eine arterhaltende Funktion hat. LORENZ geht also nicht von FREUDS formulierten Selbstvernichtungstrieb aus, er sieht durchaus einen Sinn in dem angeborenen Instinkt.

„ Aggressives Verhalten soll nach Meinung der Ethologen vielmehr dazu beitragen, dass sich beispielsweise die verschiedenen Individuen einer Art nicht zu dicht nebeneinander ansiedeln, sondern über größere Gebiete verstreuen und so den Fortbestand ihrer Familien mit reicheren Futterquellen versorgen können. Auf der anderen Seite sorgen Rivalenkämpfe dafür, dass nur die kräftigsten oder stärksten Individuen – oder was sonst noch als Kriterium für den Sieger gelten mag – eine Herde oder Sippe anführen. Außerdem wird durch den Kampf, das aggressive Verhalten also, eine stabilere Hackordnung oder eine soziale Rangordnung erreicht, in der der Beste zum Gruppenleiter werden kann.“

(SCHMIDT – MUMMENDEY 1975, 10)

Die Funktionen der Aggressionen lassen sich wie folgt zusammenfassen :

1. Sie hilft bei der Abstoßung der Artgenossen, und bietet somit genügend Platz und Raum für die Tiere.
2. Sie hilft auch eine Auswahl der Besten zu gewährleisten.
3. Bei der Selektion für die Brutpflege ist sie von Nutzen.
4. Sie sorgt ebenfalls für die Bildung von Rangordnungen unter den Tieren. (NOLTING 2001, 59/60)

Dieses Modell, welches die Spontaneität der aggressiven Handlungen erklären soll, nennt sich das LORENZsche Energie – Modell.

(SCHMIDT – MUMMENDEY 1975, 10)

Eine aggressive Handlung findet dann statt, wenn die angesammelten aggressiven Impulse durch einen externen Reiz ausgelöst. Im Extremfall kann ein solcher Ausbruch auch ohne Reiz, d.h. im Leerlauf stattfinden.

Der Mensch besitzt nach LORENZ ein angeborenes aggressives Potenzial. Dieses Potenzial lädt sich automatisch auf und wird durch bestimmte Schlüsselreize stimuliert. Dadurch wird die Aggression ausgelöst, wobei sich das Potential kurzzeitig abschwächt. Dieses Aggressionspotential ist abhängig von der jeweiligen Intensität der Aggression. Bei langem Ausbleiben des Schlüsselreizes wird unkontrollierbares aggressives Verhalten ausgelöst. (NOLTING 1999, 58/59)

Dem Energieaufbau muss ein sukzessiver Abbau folgen. Normalerweise geschieht dies in kleinen Mengen. Ist eine Abreaktion allerdings nicht möglich, so steigt der Pegel dieser freigesetzten Energie fortwährend a, und die Aggression entlädt sich in Form des Dampfkesselprinzips, d.h. die Aggression bricht mit extremer Energie hervor. Aggressive Menschen sind demnach nicht in der Lage genügend Luft in den entsprechend geringen Mengen abzulassen. Bei ihnen entlädt sich die Energie abrupt und explosionsartig, mit den entsprechenden negativen Folgen.

Das Ausleben der Aggression ist laut Lorenz für die psychische und physische Gesundheit eines Menschen notwendig. Aggressive Impulse können jedoch abgeleitet werden, so dass sie einem anderen Organismus keinen Schaden zufügen, in dem man z. B. Sport treibt und damit seine aggressiven Energien umzusetzen.

Bei einem Kampf zwischen Tieren einer Spezies ist selten mit echten Verletzungen oder Todesfällen zu rechnen, da die Verlierer meist Unterwerfung signalisieren. LORENZ behauptet, dass die Menschen diese Hemmungen verloren haben, und damit auch zu Mördern werden können. Dennoch sollte man die, zwischen den tierischen und den menschlichen Trieben grundsätzlichen Unterschiede nicht aus den Augen verlieren. Der Mensch kann durch die Fähigkeit des Gedächtnisses Situationen miteinander vergleichen und abwägen. Er hat die Fähigkeit Werkzeuge erstellen und sein gewalttätiges Verhalten planen, d.h. er ist in der Lage, mit voller Absicht Gewalt an seinem Opfer ausüben. Unterwürfiges Verhalten ist sowohl in der Menschenwelt als auch zum Teil in der Tierwelt leider nicht immer eine Garantie für den Abbruch aggressiven Verhaltens am Opfer.

Diese natürlichen Hemmungsmechanismen – kein Jäger würde sein Wild mit bloßen Händen und Zähnen zur Strecke bringen - werden durch Fernwaffen – Schusswaffen und Distanz - außer Kraft gesetzt.

(NOLTING 1999, 60/61)

Bei seinen Tierversuchen hat er das von ihm beobachtete Verhalten der Tiere analog auf das Verhalten der Menschen übertragen. Seiner Theorie zur Folge soll die menschliche Aggressivität sehr verhängnisvolle Auswirkungen haben, da ihm die neuzeitliche Zivilisation kaum noch Entladungsmöglichkeiten biete. (SELG 1974, 27)

Kinder leben ihre Aggressionen häufig unbewusst aus. Sie raufen sich und messen ihre Kräfte mit anderen Kindern. Dabei muss es nicht immer zu Gewalthandlungen kommen. Es gibt viele Jungen, welche diese Raufereien als eine Art Spiel betrachten, wobei niemand wirklich ernsthaft verletzt wird. Dennoch wird die Grenze auch häufig überschritten, oder eventuelle Signale des Anderen nicht richtig wahrgenommen. Kinder haben heute kaum noch die Möglichkeit, ihre angestauten Aggressivitäten im Freizeitbereich spielerisch auszuleben. (BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 315/316)

LORENZ Theorie ist für heutige Untersuchungen nicht mehr von Bedeutung. Er begründete seinen Aggressionstrieb vor allem mit dem Stamm der Ute-Indianer, die wegen unausgelebter Aggression an Neurose gelitten haben. Diese Erkenntnis wurde jedoch nicht bewiesen, sondern durch unterschiedlichste Untersuchungen eher widerlegt. (NOLTING 1999, 62/63)

2.3.3 Frustrations- Aggressions- Theorie

Die Frustrations- Aggressions- Theorie ist die bei weitem populärste Theorie. Sie ist erstmals 1939 von fünf Wissenschaftlern der Yale-Universität aufgestellt worden. (DOLLARD, DOOB, MILLER, MOWRER und SEARS).

Ihre Theorie besagt erstens, dass die Menschen durch frustrationsbedingte Triebe zu aggressivem Verhalten getrieben werden, und zweitens, dass Frustration immer zu einer Form von Aggression, führt.

„Die Frustrations- Aggressions- Hypothese beinhaltet nun in ihrer Fassung von 1939 eine einfache Eins –zu –eins -Zuordnung zwischen den so beschriebenen Begriffen : a.) Das Auftreten von Aggression setzt in jedem Fall eine vorhergegangene Frustration voraus,

b.) das Bestehen von Frustration führt immer zu irgendeiner Form von Aggression.“ (SCHMIDT – MUMMENDEY 1975, 23)

Frustration wird von dem lateinischen Wort frustra = vergebens, abgeleitet. Laut NOLTING 1999, 68 werden dem Frustrationsbegriff weitere Bedeutungen zugeschrieben, „z.B. für Entbehrungen, für Angriffe und Belästigungen, für die Zufügung von Schmerz, für Stress-Situationen oder überhaupt für unangenehme, aversive Bedingungen.“

Die Aggression richtet sich dabei aber nicht immer zwangsläufig gegen den Verursacher der voraus gegangenen Frustration. Diese Tatsache wird als Aggressionsverschiebung bezeichnet. Die beste Möglichkeit seine Aggressionen abzubauen ist es, sie durch viele kleinere Aggressionshandlungen abzuschwächen. Diesen Vorgang bezeichnet man Katharsis, was soviel wie Reinigung bedeutet.

Die Katharsishypothese wurde 1939 von DOLLARD in der Psychoanalyse zur Diskussion gestellt. Sie ist auch im Zusammenhang mit den Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in den Medien diskutiert worden. In Anlehnung an die ursprünglichen Überlegungen von DOLLARD wurde behauptet, dass schon allein die Betrachtung von aggressiven Handlungen anderer Personen bei der beobachtenden Person kathartische Effekte zeigen und sich aggressionsmindernd auswirken könnte. Empirische Untersuchungen stützen diese Annahme jedoch nicht. (SELG/MEES/BERG 1997, 25-26)

Die folgende Abbildung zeigt die Frustrations- Aggressions- Theorie nach DOLLARD :

Sie beschreibt, dass aufgestaute Energie im Menschen zu Frustrationen führt. Jedes Individuum geht mit ihr subjektiv um. Die Frustration löst bei den meisten Menschen Ärger, Wut und Hass aus. Nun hat der Mensch die Möglichkeit auf zwei Art und Weisen mit dieser Frustration umzugehen. Zum einen kann er sie in Aggressionen umwandeln und somit häufig negative Folgen mit sich bringen.

Die Konstruktive Entladung hingegen ist positiver zu bewerten. Hier setzt man sich mit seinen Frustrationserlebnissen auseinander, und versucht diese durch Isolation, Regression, Humor oder Umbewertung in den Griff zu bekommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung : Frustrations- Aggressions- Theorie nach DOLLARD

Es gibt auch sogenannte Frustrationserlebnisse, die subjektiv geprägt sind. Die Menschen versuchen diesen Frustrationserlebnissen, welche von außen auf sie einwirken, soweit als möglich zu vermeiden.

Vor allem Kinder sind in ihrem alltäglichen Leben häufig Frustsituationen ausgesetzt, sei es durch auftretende Probleme in der Familie, in der Schule oder im Streit mit Freunden. Kinder können ihre Frustrationen häufig nicht wie Erwachsene kompensieren und richtig einschätzen. In solchen Situationen sind die Kinder und Jugendlichen anfälliger für aggressives und gewaltbereites Handeln. Schon die kleinste Provokation kann zu einer Schlägerei oder zu einem verbalen Angriff führen. (GATZEMANN 2000, 50/51)

Frustrationen müssen allerdings nicht immer zu Aggressionen und Gewalt führen, dennoch können sie ein auslösender Faktor sein.

Die Frustrations- Aggressions- Theorie ist immer noch weit verbreitet und wird von Wissenschaftlern und Philosophen oft als Entschuldigung für menschliches Versagen betrachtet.

Wie kann man diesem Problem bei Kindern sinnvoll und präventiv entgegenwirken? Fest steht, dass Kinder nicht von Frustration ferngehalten werden können. Sie müssen bereits im frühen Kindesalter lernen mit frustrierenden Ereignissen umzugehen und diese besser verarbeiten zu können. Eine Erziehung der Kinder ohne Frustrationserlebnisse würde ich nicht als sinnvolle Lösung dieses Problems ansehen. „Wünschenswert ist vielmehr, dass jeder die konstruktive Bewältigung von Frustrationen lernt.“ (SELG/MEES/BERG 1997, 25)

2.3.4 Lernpsychologische Theorien

Die Lerntheorie besagt im Gegensatz zu FREUD und LORENZ, dass menschliches Verhalten erlerntes Verhalten ist, d.h. Aggressivität und Gewalt sind danach keine angeborenen Instinkte oder Triebe, sondern erlerntes und nachgeahmtes aggressives Verhalten.

Aggressives Verhalten beruht also ebenso wie soziales Verhalten überwiegend auf Lernvorgängen, wobei man verschiedene Typen von Lernvorgängen innerhalb der Lerntheorien unterscheidet.

Klassisches Konditionieren

Diese Lerntheorie ist durch den Nobelpreisträger PALOW begründet worden, auf welchen der berühmte Hundeversuch zurückgeht. Er ging davon aus, dass ein zunächst neutraler Reiz zu einem spezifischen Auslöser wird, weil er raumzeitlich mit einem entsprechendem natürlichem Auslöser gekoppelt war. „Klassisches Konditionieren setzt natürliche, unbedingte Reflexe oder reflexartige Reaktionen voraus“. (SELG/MEES/BERG 1997, 29) Es erklärt Wut und Ärgerreaktionen. Wenn wir für bestimmte Mitmenschen keinerlei Sympathie verspüren, da sie uns des öfteren verärgert haben, so führt das mit der Zeit dazu, dass man schon beim Anblick dieses Menschen oder bei der Nennung seines Namens innerliche Aversionen und Aggressionen entwickelt. So erklärt das klassische Konditionieren auch sadanisitisches Verhalten, weil wir lernen gefühlsmäßige Reaktionen auf neutrale Reize zu übertragen.

Allerdings lernt man durch klassisches Konditionieren keine neuen Verhaltensmuster, dafür ist das operante Konditionieren und das Lernen am Modell zuständig. (SELG/MEES/BERG 1997, 28-29)

Operantes Konditionieren (Lernen am Effekt / Erfolg / Misserfolg)

Das operante Lernen kann auch als Lernen durch Versuch und Irrtum bezeichnet werden. Folgt auf eine bestimmte Verhaltensweise eine positive Reaktion, so wird dieses Verhalten in Zukunft weitergeführt und kommt wieder zum Einsatz. Erfolgt aber auf eine bestimmte Verhaltensweise eine negative Reaktion, so wird diese auch in Zukunft nicht mehr zum Einsatz gebracht werden. Aufgrund der auf diese Weise gesammelten Erfahrungen werden bestimmte Verhaltensmuster angeeignet. Meist kommt jene zum Zug, welche den größten Erfolg verspricht. Gerade bei Kindern ist diese Art und Weise des Lernens oft zu beobachten. Deshalb müssen meiner Meinung nach vor allem die Lehrer und die Eltern in dieser Hinsicht sehr aufmerksam und vorsichtig sein, damit sie ihre Kinder nicht in ihrem aggressivem Handeln fördern.

Lernen am Modell

Das sogenannte Lernen am Modell wurde in den 60er Jahren vor allem durch ALBERT BANDURA und WALTERS in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, und dadurch ist es zu einem wichtigen Forschungsthema der Wissenschaft geworden. BANDURAS Team setzte sich zunächst kritisch mit der seit vielen Jahren dominierenden Annahme der nötigen Verknüpfung von Frustration und Aggression auseinander.

Nach lernpsychologischer Sichtweise werden Aggressionen, genauso wie andere Verhaltensmuster, gelernt. Es gibt nach BANDURA also keine spezifischen Triebe, welche laut FREUD und LORENZ, Aggressionen hervorrufen sondern es handelt sich hierbei um Lernprozesse.

(SELG 1974, 30)

Das Modell schließt das klassische und das operante Konditionieren nicht aus. Das Lernen am Modell vervollständigt die Lerntheorien. Diese besagen, dass Kinder ihr aggressives Verhalten durch Beobachtung und Nachahmung einer bestimmten Modellperson erwerben. Diese Modellperson muss nicht real existieren, es kann sich dabei genauso gut um einen Comichelden oder um diverse Fernsehfiguren handeln. Die Kinder imitieren das beobachtete Verhalten bestimmter Modelle bzw. Vorbilder in ihrer Umgebung.

Normalerweise sollten die Eltern, Lehrer und Erzieher diese Vorbildrolle einnehmen. Aber viel zu oft haben die Kinder andere, fiktive Figuren aus Medien und Fernsehen zum Vorbild. Dabei kann es sich schnell um gewalttätiges Verhalten handeln, da viele Kinder heutzutage gerne Actionfilme und Gewaltcomics ansehen. Diese aggressiven Modelle können unmittelbar Einfluss auf die Kinder nehmen, indem sich das Kind gegenüber anderen Kindern aggressiv verhält. Allerdings gibt es auch den Fall, das aggressive Verhaltensmuster im Unterbewusstsein, erst im späteren Leben in Erscheinung treten, z.B. bei der eigenen Kindererziehung. (SELG/MEES/BERG 1997, 33-36)

Die Familie und die Geschwister können dabei schnell ein negatives Vorbild für solch ein Verhalten werden. „Gewalt, so hat sich gezeigt, wird in der Familie ausgeübt, erfahren, übernommen und weitergereicht.“ (BRÜDEL/HURRELMANN 1997, 323)

Kinder, welche zu Hause geschlagen, willkürlich bestraft, beschimpft und misshandelt werden, übernehmen die erfahrenen und erlernten Verhaltensweisen an und geben diese an andere Kinder weiter.

Gerade dann, wenn diese aggressiven und gewalttätigen Verhaltensweisen zum Erfolg führen, werden sie immer wieder eingesetzt.

So entsteht eine Art „Schneeballeffekt“. D.h. die angewandten negativen Verhaltensmuster erzeugen auch bei den Opfer – negative gesehen – Respekt und Anerkennung. Dies bestätigt wiederum den Täter und animiert ihn, seine negativen Handlungsweisen zu maximieren.

Hierzu eine Karikatur, welche diesen Kreislauf treffend darstellt :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(KLAUS 2000, 32)

2.4 Entstehungsmechanismen und Ursachen von Gewalt

Es gibt eine Fülle von Konflikten, denen die Kinder Tag für Tag ausgesetzt sind. Meist sind es mehrere Faktoren, die das aggressive Verhalten der Kinder fördern. In diesem Zusammenhang ist mir ein Zitat von BERT BRECHT in die Hände gefallen : „Der reißende Fluß wird gewalttätig genannt, aber das Flußbett, das ihn einengt, nennt keiner gewalttätig.“

(BRÜDEL / HURRELMANN 1997, 5)

In der Regel spielen hier viele Faktoren ineinander, und bei jedem aggressiven und gewaltbereiten Kind oder Jugendlichen sieht es, je nach Lebensgeschichte und Charakter, anders aus. Deshalb sollte man dennoch einen Blick auf mögliche Ursachen werfen, welche ein gewaltbereites Handeln der Kinder bereits im Grundschulalter fördern könnten.

Hier ein Schema, welches meiner Meinung nach gelungen aufzeigt, welchen Problemfeldern die Kinder sich heutzutage ausgesetzt fühlen, und welche unter Umständen zu aggressivem Handeln führen können :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„ In einer 4. Klasse ergaben sich die abgebildeten Ergebnisse“

Abbildung aus WALKER 1995; 97

[...]


[1] Im weiteren Textverlauf verzichte ich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf „weibliche“ Endungen. Die Schülerinnen und Lehrerinnen sind stets mit gemeint.

Fin de l'extrait de 116 pages

Résumé des informations

Titre
Gewalt im Grundschulalter - Eine empirische Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit
Université
University of Education Heidelberg
Cours
Wissenschaftliche Hausarbeit / Examensarbeit für das 1.Staatsexamen an GHS
Note
1
Auteur
Année
2002
Pages
116
N° de catalogue
V9836
ISBN (ebook)
9783638164450
Taille d'un fichier
1403 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gewalt, Grundschulalter, Eine, Analyse, Konsequenzen, Erziehungsarbeit, Wissenschaftliche, Hausarbeit, Examensarbeit, Staatsexamen
Citation du texte
Miriam Englert (Auteur), 2002, Gewalt im Grundschulalter - Eine empirische Analyse mit Konsequenzen für die Erziehungsarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9836

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