Die Gutai-Ausstellungen im Ausland und deren Rezeption im geschichtlichen Kontext


Hausarbeit, 2014

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1.Einleitung

Als Yoshihara Jirō in Ashiya in der Nähe von Osaka 1954 die Künstlergruppe Gutai gründete, hatten Japan und die Welt einigermaßen die Schrecken des 2. Weltkrieges verdaut. Die Gründung internationaler Organisationen zur Zusammenarbeit zwischen den Nationen wie z.B. der UN und mit der amerikanischen Okkupation einhergehende Demokratisierung zahlreicher Staaten, die nicht nur gesellschaftliche sondern auch kulturelle Impulse setzte, schien eine internationale Öffentlichkeit geschaffen worden zu sein. Yoshihara sah in dieser Entwicklung die Möglichkeit einer transnationalen Kunstwelt, deren Diskurse global verhandelt werden können. Dass diese neue Globalität jedoch stark von Nachkriegs- und “Kalter Krieg“- Rhetorik bestimmt war, die sich durchaus im Kunstgeschehen widerspiegelte, musste die Gruppe bei ihren ersten Ausstellungen in der Kunstmetropole bitter erfahren.

Obwohl Gutai performativ arbeiteten bevor Allan Kaprow im Westen mit seinen Happenings die Kunstwelt revolutionierte und Bodypaintings schufen, bevor Yves Klein mit Farbe bemalte Frauenkörper auf Papier brachte, wurden sie als Avantgarde in ihrer Zeit zunächst verkannt. Erst in ihrer späteren Phase erreichte die Gruppe eine Anerkennung ihrer Arbeit, bekam jedoch nie die ihnen gebührende Position in der Kunstgeschichte zugesprochen.

Gutai ist ein weitläufiges und komplexes Forschungsfeld, das vor allem in der Frage Zentrum vs. Peripherie so viele Aspekte und Problemstellungen birgt, die in einer Hausarbeit nicht in vollem Umfang besprochen werden können. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf die ersten Ausstellungen von Gutai im Ausland und deren Rezeption im geschichtlichen Kontext, die Gutais Platz in der Kunstgeschichte bis in die Gegenwart hinein bestimmt hat. Zunächst wird Yoshiharas Idee vom globalen Kunstdiskurs und Gutais Strategien zur Teilnahme an diesem vorgestellt. Im nächsten Teil geht es um die ersten Begegnungen mit der westlichen Kunstwelt .

Da es bislang kaum ausführliche Literatur zu der Gruppe gibt und die Originalschriften aufwendig zu beschaffen sind, habe ich mich auf Ming Tiampos und Alexandra Munroes gut recherchierte und umfassende Publikationen gestützt.

2. Von der Peripherie zum Zentrum

2.1 Yoshiharas Vision von einer internationalen Kunstszene

Yoshihara Jiro hatte intellektuelle und künstlerische Wurzeln im Vorkriegseuropa als auch in der Japanischen Moderne. Durch das Abonnement wichtiger Zeitschriften wie dem art-journal, Shirakaba (1910-23), Minotaure (1933-39) und Abstraction-Cr é ation (1932-36) nahm er trotz der räumlichen Entfernung am herrschenden Diskurs der westlichen Kunstwelt teil. Dank seiner umfassenden Bibliothek war Yoshihara mit den aktuellen Entwicklungen bekannt, wie z.B. dem Futurismus und dem Supermatismus als dezentrale Vorreiter mit einem globalen Bestreben für eine neue Kultur und Ästhetik.1 Yoshiharas Erfahrungen als moderner Maler in einem kosmopolitischen Zirkel in den Vorkriegsjahren und dem darauffolgenden Militarismus in Japan, stärkten seinen Glaube an eine offene Gemeinschaft gleicher Interessen über Landesgrenzen hinweg.

Sein internationaler Ausblick korrespondierte mit den umfassenden Veränderungen im Japan der Nachkriegszeit, das bemüht war, sich durch Wirtschaftsaufbau und Reformierung zu einer modernen, demilitarisierten und demokratischen Nation auf dem internationalen Parkett zu positionieren. Der Zweite Weltkrieg und die darauf folgende Nachkriegszeit betraf einen Großteil der Menschheit, warf somit Fragen über die Kunst und menschliche Existenz auf, die eine ganze Generation von Künstler weltweit gleichermaßen beschäftigte. So sprach Yoshihara 1950 von einem gemeinsamen Bewusstsein der Ära ( „a shared sense of the era“2 ) die er in der amerikanischen Malerei vertreten sah, während er die japanischen Künstler, die im veralteten Stil arbeiteten, vermied („ Japanese artists working in outdated styles“3 )

Bei seiner Suche nach einer künstlerischer Position, die die Menschen weltweit ansprechen sollte, nutze Yoshihara Distanz und Andersartigkeit um Gutais besonderen Universamilsmus als eine freie, dem Fortschritt der Menschheit dienliche Stätte aufzuzeigen.4

Diese Haltung drückt sich im Anspruch an die Gutai-Künstler aus: „ Do what no one has done before!“. Damit setzte er sich für eine Kunst ein, die ein Akt der Befreiung, eine Geste des individuellen Geistes und ein Prozess der Zerstörung zum Zwecke der Erneuerung sein sollte.5

Die Entfernung vom Zentrum hinderten Gutai nicht daran, sich innovativ mit dem aktuellen Stand der Kunst auseinanderzusetzen. Ganz in Gegenteil, spornte sie dieser Zustand geradezu an, neue künstlerischen und eigene Ausdrucksformen zu finden und mit den euro-amerikanischen Künstlern in Dialog zu treten.

So schrieb Yoshihara an Jackson Pollock, in dessen Malerei er seine Ansichten ausgedrückt sah:

„ I think contemporary american painting has spontaneously resolved the problem of humanism today, because it relates at a deep level to the psychological experience of the human being.“6

Hierin lag für Yoshihara die Lösung des Problems der japanischen Künstler, die vor die Herausforderung gestellt waren, als Nachzügler der Moderne in der Peripherie eine eigene moderne Kunst zu entwickeln, die innerhalb der Amerikanisierung eine eigenständige und authentische Position/ kulturelle Identität einnahm/bildete.

Es ist die Überwindung des Ost-West Diskurses und Besinnung auf die Substanz, auf das rohe Sein als die Materie der Kunst. Durch die Bewegung („action“), entstand die Möglichkeit, eine direkte physische Verbindung zwischen Künstler, Material und Betrachter herzustellen und dabei die Vereinzelung zu überwinden.7 Im Material selbst, nicht was es repräsentiert, lag für Yoshihara die Schönheit dieser Kunst, die so existentiell war, dass sie grenzenlos und damit eine authentische humanistische Kunst für die aktuelle Zeit darstellte.

[...]


1 vgl. Munroe 2013, S.24

2 Yoshihara Jirō et al., „Gendai bijutsu ni tsuite no zadankai“ , The Ashiya Bijutsu, no.3,1950 zitiert nach : Tiampo 2011, S.48

3 ebd.

4 vgl. Munroe 2013, S.23

5 vgl. Munroe 2013, S.22

6 Yoshihara Jirō, Nakamura Shin, „America no kindai kaiga“ in Kansai Bijutsu 13, 1951 zitiert nach: Munroe 2013, S.25

7 vgl. Munroe 2013, S.25

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Gutai-Ausstellungen im Ausland und deren Rezeption im geschichtlichen Kontext
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
14
Katalognummer
V300287
ISBN (eBook)
9783656978633
ISBN (Buch)
9783656978640
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japan, Gutai, Avantgarde
Arbeit zitieren
Ina Hildebrandt (Autor:in), 2014, Die Gutai-Ausstellungen im Ausland und deren Rezeption im geschichtlichen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300287

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