Das multilaterale Investitionsschutzabkommen: MAI


Seminar Paper, 2002

56 Pages, Grade: 15 Punkte


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Gliederung

Literaturverzeichnis

Das Multilaterale Investitionsabkommen

A. Einleitung
I. Der Weg zu einem internationalen Investitionsabkommen
1. Die Globalisierung als Investitionsphänomen
2. Bisherige internationale Investitionsregelungen
a) Historischer Überblick
b) Bilaterale Ebene
c) Multilaterale Ebene: die OECD
d) Globale Ebene: die WTO
e) Freiwillige Unternehmensleitsätze: Codes of Conduct
II. Idee und Entstehung eines multilateralen Investitionsschutzabkommens

B. Der Entwurf des Multilateralen Investitionsabkommen (MAI)
I. Ziele des MAI
II. Geltungsbereich und Anwendung
1. Räumlicher Anwendungsbereich
2. Personeller Anwendungsbereich
3. Sachlicher Anwendungsbereich
III. Behandlungen von Investoren und Investitionen
1. Inländerbehandlung und Meistbegünstigung
2. Transparenz
3. Verbot von Leistungsanforderungen „performance requirements“
4. Aufenthaltsrecht für Schlüsselpersonal im Empfängerland der Investition
5. Monopole und Privatisierung
6. Investitionsanreize
7. Keine Absenkung von Standards
IV. Schutz von Investitionen
1. Allgemeine Behandlung
2. Enteignung und Entschädigung
3. Schutz vor Unruhen und Konflikten
4. Transferfreiheit
V. Streitschlichtung
VI. Generelle und länderspezifische Ausnahmen
VII. Weitere Abschnitte des MAI- Entwurfs
1. Finanzdienstleistungen
2. Besteuerung
3. Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen
4. Umsetzung und Anwendungsbereich
5. Schlussbestimmungen

C. Kritik am MAI und Gründe für das bisherige Scheitern
I. Grundsätzliche Bedenken
II. Komplexität und Umfang der Verhandlungsmaterie
III. Asymmetrie des Vertrages
IV. Entwicklungspolitische Anliegen
V. Unzureichende Absicherung der Arbeitnehmerrechte
VI. Der Verhandlungsabruch

D. Perspektiven für eine „Neue Weltverfassung“
I. Herausforderungen bei künftigen Verhandlungen
1. Identifizierung konkreter Verhandlungsziele
2. Das gemeinsame Regelungsinteresse
a) Die unterschiedlichen politischen Risiken
b) Die fehlende Austauschbeziehung
c) Der fehlende Gegensatz Kapitalgeber/ Kapitalnehmer
3. Schlussfolgerungen
II. Künftige Verhandlungsoptionen
1. Breit angelegter multilateraler Vertrag
2. Abschluss eines herkömmlichen Investitionsschutzvertrages
3. Limitierter Verhandlungsansatz
a) Ausdehnung des GATS auf andere Sektoren
b) Überprüfung des WTO- TRIMS- Abkommens
c) Verantwortlichkeit von Investoren
d) Das Verhandlungsforum
III. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Multilaterale Investitionsabkommen

A. Einleitung

I. Der Weg zu einem internationalen Investitionsabkommen

1. Die Globalisierung als Investitionsphänomen

Seit Beginn der 90er Jahre unterliegen gemäß einer weitverbreiteten Wahrnehmung die Strukturen einer Weltwirtschaft einem rasanten Wandeln[1]. Die aktuelle Debatte um die Globalisierung der Wirtschaft hat eine empirische Grundlage in der Wachstumsdynamik grenzüberschreitender Wirtschaftsaktivitäten weltweit. Jene entwickeln sich dynamischer als die binnenländischen. Zwischen 1986 und 1996 wuchs das weltweite Sozialprodukt mit einer durchschnittlichen Rate von 8,5 Prozent, während der Welthandel mit einer Rate von 11 Prozent und die Direktinvestitionen im Ausland mit einer Rate von rund 20 Prozent pro Jahr zunahmen. Allein im Jahr 1995 war eine Zuwachsrate des Volumens der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen von 32,6 Prozent zu verzeichnen[2].

Was die heutige Globalisierung von früheren Phasen kapitalistische Entwicklung unterscheidet, ist zu einem überwiegenden Teil ein Investitionsphänomen. Das Ausmaß internationaler Handelsverflechtungen ist heute nicht wesentlich größer als beispielsweise vor dem Ersten Weltkrieg[3]. Anders als früher nutzen Unternehmen heute aber ihre neuen Möglichkeiten, sich von ihren heimischen Standorten zu lösen. Die globale Streuung ihrer Aktivitäten erfolgt überwiegend mittels direkter Investitionen im Ausland[4].

Veränderte Rahmenbedingungen, z.B. Markteröffnungen, neue technische Möglichkeiten und Managementtechniken gehören zu den Faktoren, die eine zunehmende „Globalisierung“ der Produktion ermöglichten, zunehmender Margendruck aufgrund der Wachstumsabschwächung in den Industrienationen bei gleichzeitigem Aufkommen neuer Konkurrenten aus den emerging economies waren Gründe, die sie erzwangen[5]. Aus den multinationalen Unternehmen der Vergangenheit, die trotz kosmopolitischer Geschäftstätigkeit noch einer gewissen nationalen Basis verhaftet und in gewissem Masse einer nationalstaatlichen Regulierung unterworfen waren, sind global players geworden, die zumindest potentiell ohne spezifische nationale Identität ihre Unternehmensaktivität zur Ausnutzung spezifischer komparativer Vorteile im Rahmen einer Weltmarktstrategie global streuen[6].

Parallel zu dem explosionsartigen Anstieg der Direktinvestitionstätigkeit ist ein Wettbewerb der Standortländer um arbeitsplatzschaffende oder- erhaltende Direktinvestitionen entstanden. Angesichts kontinuierlich sinkender Entwicklungshilfeetats (Betrug der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe an den gesamten Nettoleistungen an die Entwicklungsländer 1987 noch 51 Prozent, so ist dieser Anteil 1995 auf 24 Prozent gesunken[7].) richten sich die Hoffnungen vieler Staaten des Südens auf die entwicklungsfördernden Wirkungen privater Direktinvestitionen[8]. Auf der anderen Seite sehen sich die meisten der großen Exportländer von Direktinvestitionskapital mit dem Problem persistenter und z.T. wachsender Arbeitslosigkeit konfrontiert. Es erstaunt deshalb nicht, dass in der öffentlichen Debatte ein Kausalzusammenhang zwischen den beiden Phänomenen gesehen wird. Hier in Deutschland werden die Negativsaldi der Direktinvestitionsbilanz oft als Beweis einer abnehmenden Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland gedeutet und mit Produktionsverlagerungen ins Ausland und daher auch mit Beschäftigungsverlusten im Inland gleichgesetzt[9].

Transformationsprozesse von solch tiefgreifender Bedeutung wie die Globalisierung sollten nicht im rechtsfreien Raum stattfinden. Vergleicht man aber die beiden wesentlichen Facetten des Globalisierungsphänomens, den grenzüberschreitenden Handel und die Investitionstätigkeit im Ausland, so stellt man eine auffällige Diskrepanz fest. Für die internationalen Warenströme existiert bereits seit 1948 ein Regelwerk, das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT[10]), welches 1995 mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO[11]) auch auf Dienstleistungen übertragen wurde.

2. Bisherige internationale Investitionsregelungen

a) Historischer Überblick

Angesichts sich radikal wandelnder Strukturen der Weltwirtschaft wäre ein internationales Abkommen für Investitionen im Ausland überaus wichtig. Ein solches liegt allerdings bislang nicht vor.

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat es bereits mehrere vergebliche Anläufe zu einem solchen Abkommen gegeben. Erwähnt seien hier kurz die Entwürfe der Havanna- Charta[12], die Abs- Shawcross- Konvention[13], die OECD[14] - Konvention zum Schutz ausländischen Eigentums[15] und der UN- Draft Code of Conduct for Multinational Enterprises[16].

In den 60er und 70er Jahren scheiterten jegliche Versuche, verbindliche multilaterale Regeln für den Investitionsschutz zu verabschieden, da diese auf internationaler Ebene nicht mehrheitsfähig waren. Begründet wird dies insbesondere dadurch, daß die Staaten des Südens aufgrund der kolonialen Erfahrungen von einem starken Unabhängigkeitsdrang getrieben wurden. Daher standen sie grundsätzlich ausländischem Kapital ablehnend gegenüber. Diese Staaten verfolgten eine entwicklungspolitische Strategie des Self-Reliance, d.h. einer größtmöglichen Unabhängigkeit von ausländischen Interessen, um einen selbstgewählten Entwicklungsweg zu verfolgen. Auf Kapitaltransfer aus dem Ausland wollte man nicht angewiesen sein[17]. Bestärkt wurde diese Haltung durch das zu der Zeit herrschende weltpolitische Klima. Viele Politiker des Nordens[18] erkannten an, daß die Entwicklungsländer berechtigte Ansprüche gegenüber den Industriestaaten anmelden konnten und gewährten bereitwillig Entwicklungshilfe[19].

Die 80er Jahre erlebten jedoch einen tiefgreifenden Wandel der Nord- Süd- Politik. Im gleichen Maß, wie sich in den meisten Industrieländern neoliberale wirtschaftspolitische Konzepte durchsetzten, wurde dem Regulierungsbedürfnis der Entwicklungsländer immer weniger Verständnis entgegengebracht. Gleichzeitig schwand die Bereitschaft zu großzügiger Entwicklungshilfe. Da die meisten Länder des Südens ihre Entwicklung aber mittels teurer Industrialisierungsprogramme in Angriff genommen hatten, sahen sie sich mehr und mehr auf Kredite des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und privater Kapitalgeber angewiesen. Die in fast allen Entwicklungsländern seither periodisch auftretenden Überschuldungen sind unter dem Stichwort „Schuldenkrise“ bekannt geworden. Der einzige Ausweg aus den krisenhaften Zuspitzungen war für die Entwicklungsländer immer wieder die Unterwerfung unter die Strukturanpassungsprogramme(SAP) der internationalen Organisationen, mit denen sie zu marktwirtschaftlichen Reformen, u.a. auch zur Öffnung ihrer Märkte für ausländische Waren und ausländische Kapital gezwungen wurden[20].

Mittlerweile hat die Liberalisierung des internationalen Kapitaltransfers große Fortschritte gemacht. Zwischen 1991 und 1996 wurden weltweit 599 Gesetze, Verordnungen etc. über ausländische Direktinvestitionen geändert, wobei 95 % der Änderungen in Richtung Liberalisierung und Deregulierung gingen[21]. Die meisten Entwicklungsländer sind mittlerweile zu der Position gelangt, daß mehr privates Kapital aus dem Ausland besser sei als weniger Entwicklungshilfe (Bei den Finanzflüssen in den Entwicklungsländern steht das Privatkapital inzwischen vor der öffentlichen Entwicklungshilfe an erster Stelle[22]). Auslandsinvestitionen werden nun als das Mittel angesehen, um die wirtschaftliche und technologische Entwicklung im eigenen Land voranzutreiben und ein verstärkte Integration in die Weltwirtschaft zu erreichen[23].

Auch ohne direkten Zwang seitens internationaler Organisationen versuchen seit Beginn der 90er Jahre die allermeisten Staaten - nicht nur des Südens -, ihre Attraktivität für ausländisches Kapital zu steigern, z.B. durch Abbau von aufwendigen Genehmigungsprozeduren für Direktinvestitionen aus dem Ausland, Reduzierung von Marktzutrittsbeschränkungen und Wegfall von Höchstquoten für den ausländischen Kapitalanteil an inländischen Firmen.

b) Bilaterale Ebene

Auf bilateraler Ebene wurde dagegen schon seit den 50er Jahren eine Vielzahl von Abkommen zum Investitionsschutz abgeschlossen. In diesen Bilateralen Investitionsabkommen[24] verpflichten sich die Staaten gegenüber den Investoren aus dem Partnerland, Schutz vor Enteignung, Anspruch auf Entschädigung, falls staatliche Maßnahmen das Investitionsprojekt schädigen, sowie die Garantie des freien Gewinntransfers ins Heimatland zu gewähren. Häufig gingen den BITs Absichts- und Freundschaftserklärungen[25] voraus, die speziell auf Investitionen ausgerichtet waren. Die verbreitete Zeichnung solcher Abkommen ist aber erst ein Phänomen der letzten Jahre. Anfang der 90er Jahre gab es weltweit rund 400 Investitionsschutzabkommen; bis ins Jahr 1997 hatten 162 Länder insgesamt 1.330 bilaterale Abkommen, vorwiegend in der Konstellation Industrie- und Entwicklungsland, abgeschlossen[26].

Die BITs beinhalten im Prinzip folgende Kernelemente: Der Anwendungsbereich wird geregelt, die Zulassung ausländischer Investitionen in Form subjektiver Niederlassungs- und Marktzugangsrechte (nicht aber ein Investitionsrecht) wird meist mit Beschränkungen zugesichert, und es werden allgemeine Nichtdiskriminierungsstandards zur Handhabung von Investitionen wie etwa Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung[27] vereinbart. Darüber hinaus werden in der Regel Ausnahmen für sensible Bereiche des Marktzugangs wie auch ein Streitbeilegungsverfahren festgelegt[28].

c) Multilaterale Ebene: die OECD

Neben den bilateralen sind in der Zwischenzeit auch regionale Investitionsabkommen getreten. Insbesondere die Gründungsverträge von Freihandelszonen, wie der NAFTA- (Nordamerika) und der MERCOSUR- Vertrag (Südamerika), enthalten umfangreiche Investitionsregelungen (auch wenn diese Verträge primär anderen Zwecken dienen). Das bislang weltweit liberalste Regulierungsregime für ausländische Investitionen ist im NAFTA-Vertrag enthalten, der in mancherlei Hinsicht eine Vorbildfunktion für das von der OECD geplante Investitionsabkommen innehatte[29].

Für den Bereich der ausländischen Direktinvestitionen wurden im Rahmen der OECD in den 60er und 70er Jahren verschiedene Kodizes erarbeitet. Im Jahre 1961 wurde beispielsweise der „Code of Liberalisation of Capital Movements and Current Invisible Operations“ verabschiedet, der im Laufe der Zeit weiter ausgebaut wurde. Der Code legt die OECD- Staaten[30] auf einen kontinuierlichen Abbau von Kapitalverkehrsbeschränkungen fest. „Peer reviews“ dienen dazu, die Einhaltung der Verpflichtungen zu überprüfen[31].

1976 wurde die rechtlich nicht verbindliche „Declaration on International Investment and Multinational Enterprises“ angenommen, die aus vier Teilen besteht. Dieses rechtliche nicht bindende Regelwerk besteht aus vier Teilen. Ein Teilbereich ist das Inländergleichbehandlungsinstrument, wobei das OECD- Komitee für Internationale Investitionen und Multinationale Unternehmen[32] die Notifizierung und Prüfung der anzumeldenden Ausnahmen von der Inländergleichbehandlung vornimmt. Das zweite Element sind die Guidelines for Multinational Enterprises, deren Ziel es ist, sicherzustellen, „that MNEs operate in harmony with the policies of the countries where they operate“[33]. Diese Leitsätze beinhalten einen Wohlverhaltenskodex für multinationale Unternehmen und ihre Tätigkeiten im Gastland und umfassen Empfehlungen, die nationale Souveränität des Gastlandes, dessen Recht auf Entwicklung und Verfolgung soziokultureller Ziele und eigener Wertvorstellungen zu achten. Weiterhin stellen sie auf die Respektierung der Menschenrechte und die Nichteinmischung des ausländischen Investors in die inneren und äußeren Angelegenheiten des Gaststaates ab[34]. Die Guidelines enthalten ferner Empfehlungen zum Umweltschutz und zur Zusammenarbeit der Unternehmen mit Arbeitnehmervertretern. Obwohl es sich bei den Guidelines lediglich um unverbindliche Empfehlungen handelt, deren Einfluss nach Ansicht selbst von OECD-Vertretern gering geblieben ist[35], drückt sich in ihrer Verabschiedung dennoch aus, daß für die OECD in den 70er Jahren Liberalisierung von Investitionsströmen und Verpflichtung der Nutznießer der Liberalisierung zusammengehörten[36].

d) Globale Ebene: die WTO

Auf weltweiter Ebene wurden zeitgleich zu dem OECD- Reglement und der Einrichtung des CIME Verhandlungen begonnen, die zu einem globalen Direktinvestitionsschutzabkommen führen sollten. Diese scheiterten allerdings bei der WTO- Ministerkonferenz in Seattle im November 1999[37].

Auf WTO- Ebene werden auch die Trade Related Investement Meausures (TRIMs) verwaltet. Sie verpflichten die WTO-Mitgliedsländer, alle handelsrelevanten Investitionsmaßnahmen in einem Notifikationsverfahren vom zuständigen WTO-Komitee auf WTO-Konformität prüfen zu lassen. Im Zuge der Uruguay-Runde ist eine Liste von 14 TRIMs entstanden. Diese sind nicht als ein abgeschlossener Katalog, sondern als Illustration üblicher, investitionsrelevanter Maßnahmen in den Nord-Süd-Beziehungen zu verstehen. Aufgeführt sind einzelne Investitionsanreizinstrumente sowie Bestimmungen hinsichtlich der Eigentümerstruktur, betreffs Lizenzen, Fremdwährungstransfer, Ursprungsbestimmungen, Zahlungsbilanz, inländischer Produktionserfordernisse, Exportauflagen und Importsubstitutionserfordernisse etc. Auch Leistungserfordernisse wie z.B. Exportauflagen sind, obwohl WTO- widrig, in den TRIMs enthalten[38]. Zielsetzung der TRIMs ist es, staatliche Interventionen bei grenzüberschreitenden Direktinvestitionen zu spezifizieren und solche staatlichen Eingriffe auszuschließen, die den Grundsätzen der WTO widersprechen. Hierzu gehören vor allem Investitionsauflagen im Hinblick auf inländische Wertschöpfung oder Exportauflagen[39].

Ebenfalls in der Uruguay- Runde ist das allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS[40]) verabschiedet worden, das –vermittelt über die Frage der Niederlassungsfreiheit - seinerseits Regelungen zu Investitionen beinhaltet. Unter anderem sind hier die Instrumente der Inländergleichbehandlung sowie der Meistbegünstigung vertraglich festgeschrieben, wobei jedes Mitgliedsland die einzelnen Branchen bestimmen kann, für die die Nichtdiskriminierung gelten soll[41].

Unter dem TRIPS[42] - Abkommen sind die WTO- Mitglieder verpflichtet, allen Firmen den Schutz geistiger Eigentumsrechte zu gewähren, der vom TRIPS- Abkommen verlangt wird. Das Abkommen verlangt die Anerkennung von geistigen Eigentumsrechten z.B. bei Copyright- Bestimmungen, regionalen Herkunftsbezeichnungen, Industriedesigns, Handelsmarken, Patenten etc. Für all diese Bereiche werden im Abkommen Mindestschutzstandards formuliert, die WTO- Mitglieder in nationales Recht überführen müssen. Gleichzeitig verlangt das Abkommen, daß jedes WTO- Mitglied auch rechtliche Einspruchsmöglichkeiten für betroffene ausländische Firmen einräumt, sollten geistige Eigentumsrechte verletzt werden[43].

Schließlich wurde im Rahmen der WTO- Verträge das Abkommen über Subventionen und Gegenmaßnahmen (ASCM[44]) verabschiedet, das sich auf Subventionen und Anreize bezieht, die direkt etwas mit dem Handel von Waren zu tun haben. Alle Anreize, um Importe oder Exporte direkt oder indirekt zu erleichtern oder zu fördern, werden nach den Abkommensbestimmungen untersagt. Dabei bezieht sich das ASCM lediglich auf den Warenhandel[45].

e) Freiwillige Unternehmensleitsätze: Codes of Conduct

In den 80er und 90er Jahren haben sich nicht nur bilaterale Investitionsschutzabkommen großer Beliebtheit erfreut, sondern die multinationalen Unternehmen legten sich zunehmend selbst sogenannte „Codes of Conduct“ auf. Solche freiwilligen Unternehmensleitsätze erklären sich als Reaktion auf das Fehlen entsprechender Vorgaben seitens der Regierungen. Sie können auch als Privatisierung der Verhaltensnormen multinationaler Unternehmen verstanden werden. Die Vorreiterrolle bei selbstauferlegten Leitsätzen nehmen US-amerikanische Konzerne ein[46].

Als Motive für freiwillige Konzernleitsätze werden die Bedeutung einer guten Reputation für den Geschäftsverlauf und die Herstellung von Transparenz genannt, letzteres vor allem im Hinblick auf Kritik von seiten der Nichtregierungsorganisationen[47].

Freiwillige Unternehmensleitsätze beschäftigen sich üblicherweise mit folgenden Themen: Beziehung zwischen Stake- und Shareholdern im Konzern, Respekt vor nationalen und lokalen Gesetzen und Gebräuchen, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Arbeitszeit und Bezahlung, Diskriminierungsverbot, Kinder- und Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit[48].

Laut einer derzeit in Arbeit befindlichen Studie der ILO[49], die 220 Grundsatzerklärungen multinationaler Unternehmen untersucht, haben zwei Drittel der freiwilligen Leitsätze Nichtdiskriminierungsbestimmungen am Arbeitsplatz aufgenommen, jeweils ein Viertel die ILO-Konvention über Kinder- und Zwangsarbeit und nur 15 % die Vereinigungs- und Vertragsfreiheit. Darüber hinaus hat die Analyse ergeben, daß die Konzerne im Durchschnitt jedes halbe Jahr die Leitsätze abändern bzw. adaptieren[50].

Auch Gewerkschaften, entwicklungspolitische Gruppen und Konsumentenschutzverbände haben Wohlverhaltenkodizes für Unternehmen aufgestellt. Die „Clean Clothes Campaign“ stützt sich z.B. auf einen Kodex, der von Gewerkschaften und NGOs überprüft wird und Wohlverhalten von Unternehmen positiv herausstellt.

In Publikation der OECD, die sich mit firmeneigenen Codes of Conduct befassen, wird der Standpunkt vertreten, daß multinationale Unternehmen sich auch freien Stücken verantwortungsvoll ihrer Umwelt gegenüber verhalten. Sie bescheinigen den Konzernen ein grundsätzliches ethisches Verhalten und sehen in freiwilligen Codes of Conduct eine realistische Chance, sozial- und umweltpolitische Anliegen voranzutreiben. Einige OECD- Delegationen sind daher der Auffassung, daß sich die Leitsätze für multinationale Unternehmen in Zukunft als Mustertext für solche Kodizes durchsetzen werden[51].

Die dargelegten Aktivitäten und Regelwerke wurden in einer Zeit großer Skepsis und öffentlicher Kritik gegenüber multinationalen Konzernen entwickelt. Kritik an den Geschäftspraktiken der multinationalen Unternehmen übten Mitte der 70er Jahre sowohl Regierungen der Entwicklungsländer als auch westeuropäische Regierungen. Damals herrschte in den meisten OECD- Ländern eine Wirtschaftsdoktrin vor, die dem Staat eine starke und gestaltende Rolle in der ökonomischen Sphäre einräumte. Aufgrund der sich dann weltweit durchsetzenden neoliberalen Ideen kam es in den 80er und 90er Jahren zu keiner Weiterentwicklung der Instrumente. Im Gegenteil: die Wirtschaftsinteressen wurden so stark, daß Regierungen mit einem multilateralen Investitionsliberalisierungsvertrag in die Pflicht genommen werden sollten[52].

II. Idee und Entstehung eines multilateralen Investitionsschutzabkommens

Seit den 80er Jahren zielen vertragliche Regelungen des Investitionskomplexes also durchgängig auf die Liberalisierung der Investitionsströme ab. In der Tat fehlt aber bislang das multilaterale Investitionsabkommen als Seitenstück zum GATT, was besonders Industriestaaten als Mangel empfinden, die ihre inländischen Konzerne, aber auch ihre Klein- und Mittelunternehmen in deren Internationalisierungsstrategie unterstützen und schützen wollen[53].

Als Forum für ein solches umfassendes Investitionsabkommen böte sich die WTO an. Die Vereinigten Staaten wollten die Investitionsproblematik bereist auf die Agenda der Uruguay- Runde setzen; dies scheiterte aber am Widerstand einiger Schwellenländer[54]. Dennoch wurden Liberalisierungsmaßnahmen für Direktinvestitionen im GATS und TRIMs- Abkommen verankert.

Ein rascher Erfolg der Investitionsliberalisierung schien im Rahmen der WTO nicht erreichbar, da sich abzeichnete, daß einige einflussreiche Entwicklungsländer wie Indien und Malaysia gegen eine weitere Liberalisierung von Auslandsinvestitionen waren[55] und von daher mit sehr langwierigen Verhandlungen gerechnet werden musste. Aus diesem Grund einigten sich die führenden Industrieländer auf die OECD als Verhandlungsrahmen, da sie mit ihren 29 Mitgliedsstaaten[56] nur einen relativ kleinen Staatenkreis erfasst.

Im Mai 1995 beschloss das Treffen des OECD- Rates auf Ministerebene, Verhandlungen der OECD über den Abschluss eines Investitionsabkommens aufzunehmen. In einem „fact sheet“ begründet die OECD dies wie folgt: „OECD countries account for the majority of foreign direct investment flows, probably 85 percent of outflows and 65 percent of inflows, and accordingly have a major stake in the rules governing international investment. They also share a common view of the benefits of foreign direct investment and have reached an advanced stage of liberalization... In addition to its investment disciplines, the OECD has rules and procedures for international cooperation in many fields... In all these fields, progress was possible because consensus was found to move forward in the OECD when it was lacking in other international bodies”[57].

[...]


[1] Dies gilt vor allem auch für die Struktur der Auslandsinvestitionen. So sind bereits schon seit Ende der sechziger Jahre die intangiblen Investitionen, also diejenigen Investitionen, die in Forschung, Entwicklung, Ausbildung, Softwareentwicklung, „design“ und „engineering“ ergingen, dreimal so schnell wie die tangiblen Investitionen gestiegen (OECD 1992, S.121f).

[2] Vgl. UNCTAD 1997, S.4, 303ff, 313ff.

[3] Vgl. Hirst/ Thompson, S.204f.

[4] Hartwig, S.77.

[5] Porter, S.13; Bartlett/ Ghosal, S.20f.

[6] Zur “Weltmarktfähigkeit” Zattler, S.10; Hartwig, S.77.

[7] UNCTAD 1997, S.327, 341.

[8] Karl in RIW 1994, S.809.

[9] Hartwig, S.77.

[10] Abk. für: General Agreement on Tariffs and Trade.

[11] Abk. für: World Trade Organization.

[12] UN- Conference on Trade and Development, Final Act and Related Documents, 1948, S.5 ff.

[13] Abgedruckt in: Journal of Public Law 9, S.116ff.

[14] Abk. für: Organization for Economic Cooperation and Development.

[15] Siehe OECD- Publikationen Nr. 15637 sowie Nr.23081.

[16] Zu den Codes of Conduct siehe unten Punkt e.

[17] Hartwig, S,79.

[18] Stellvertretend genannt seien der Vorsitzende der Nord- Süd- Kommission, Willy Brandt, und der damalige Weltbankpräsident McNamara.

[19] Engels, S.24.

[20] Hartwig, S.79f.

[21] Engels, S.7.

[22] Siehe OECD- Press Release, 20.06.1994, SG/Press (94), S.46.

[23] OECD (Fn.23), S.27ff.

[24] kurz BITs: Bilateral Investment Treaties.

[25]Treaties of Friendship, Commerce and Navigation”.

[26] UNCTAD 1997, S.295.

[27] Zur Klärung dieser Begriffe später mehr.

[28] Beer, S.270.

[29] Engels, S.25, Fitz Gerald/ Cubero- Brealey/ Lehmann, S.30ff. sowie im Internet unter: http://oecd.org/daf/cmis/mai/maidevt.htm.

[30] Damals: 26 OECD- Mitgliedsstaaten.

[31] Vgl. dazu: http://www.oecd.org/daf/cmis/codes/rulegame.htm.

[32] Kurz CIME : “Committee on International Investment and Multinational Enterprises”.

[33] Vgl. http://www.oecd,org/daf/cmis/cime/mneguide.htm.

[34] Beer, S.271.

[35] Vgl. die Äußerungen von Charles Bridge, in OECD, 1997a, S. 17.

[36] Hartwig, S.79.

[37] Karl in ZVglRWiss 99 (2000), S.143.

[38] Beer, S.272.

[39] Karl in RIW 1994, S.814.

[40]General Agreement on Trade in Services”.

[41] Engels, S.27.

[42] „Trade Related Aspects of Intellectual Property rights“.

[43] Karl in RIW 1994, S.814, Engels, S.27.

[44] „Agreement on Subsidies and Countervailing Measures“.

[45] Engels, S.27.

[46] Grodon/ Miyake (1999).

[47] Beer, S.273.

[48] Ebenroth, S.56ff.

[49] “International Labour Organisation” (Internationale Arbeitsorganisation).

[50] OECD 1999, S.89ff.

[51] Grodon/Miyake 1999; OECD 1999.

[52] Engels, S.24.

[53] Motiv für ein Industrieland, ein solches Abkommen abzuschließen, kann u.a. sein, seine Direktinvestoren vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen und Diskriminierungen zu schützen, wenn geringes Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des Partnerlandes gesetzt wird.

[54] Fitz Gerald/ Cubero- Brealey/ Lehmann, S.32.

[55] Sie fürchteten, andernfalls nicht mehr dazu in der Lage zu sein, ihre einheimischen Industrien gezielt zu fördern und ihnen Wettbewerbsvorteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu erhalten (Karl in RIW 1998, S.432).

[56] Mitglieder sind Australien, Österreich, Belgien, Kanada, Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Italien, Japan, Korea, Luxemburg, Mexiko, Holland, Neuseeland, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei, Großbritannien und die USA.

[57] OECD, 1997b, S.25f.

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Details

Title
Das multilaterale Investitionsschutzabkommen: MAI
College
University of Hamburg
Course
Direktinvestitionen im internationalen Wirtschaftsrecht
Grade
15 Punkte
Author
Year
2002
Pages
56
Catalog Number
V38382
ISBN (eBook)
9783638374613
File size
711 KB
Language
German
Notes
Die Bewertung beruht auf folgenden Erwägungen: Sie haben sich in sehr anerkennenswerter Weise in ein schwieriges, Ihnen bisher unbekanntes Thema eingearbeitet. Das Material ist umfassend ausgewertet. Die Darstellung des MAI ist Ihnen eindrucksvoll gelungen. Sie sind nicht nur auf die schwierigen rechtlichen Regelungen eingegangen, sondern auch auf die wirtschaftspolitischen Hintergründe, und Sie haben auch die Kritik und die Gründe für das bisherige Scheitern ansprechend erörtert, ohne in die weit verbreitete Polemik zu verfallen. Durch Ihre Sachlichkeit gewinnt Ihre Arbeit erheblich an Überzeugungskraft. Alles in allem eine sehr erfreuliche Leistung. 15 Punkte - gut -
Keywords
Investitionsschutzabkommen, Direktinvestitionen, Wirtschaftsrecht
Quote paper
Amir-Said Ghassabeh (Author), 2002, Das multilaterale Investitionsschutzabkommen: MAI, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38382

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