Strukturelle Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt

Die Exklusion älterer Arbeitnehmer vor dem Hintergrund des Altersstrukturwandels


Hausarbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen
2.1. Rentenzugangsalter
2.2. Erwerbsquoten älterer Menschen
2.3. Arbeitslosigkeit erwerbswilliger älterer Menschen
2.4. Frühverrentungspolitik
2.5. Fazit

3. Die Situation älterer Arbeitnehmer/innen am Arbeitsplatz
3.1. Mythen und Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmer/innen
3.1.1. Gesundheit und Leistungsfähigkeit
3.1.2. Kompetenzen
3.2. Partizipation an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen
3.3. Kumulative Diskriminierung weiblicher älterer Arbeitnehmerinnen
3.4. Fazit

4. Ursachen für die Diskriminierung älterer Arbeitnehmer
4.1. Wertewandel in der Modernisierungsgsellschaft
4.2. Die Negativattributierung des Alters als Resultat der mangelnden Akzeptanz von Endlichkeit und Gebrechlichkeit
4.3. Politische und tarifliche Rahmenbedingungen

5. Rechtliche Grundlagen für die Gleichstellung älterer Arbeitnehmer/innen
5.1. Rechtsquellen auf nationaler Ebene
5.1.1. Grundgesetz Art. 3
5.1.2. Allgemeines Gleichstellungsgesetz
5.2. Rechtsquellen auf internationaler Ebene

6. Die Konsequenzen aus der aktuellen Situation älterer Arbeitnehmer/innen für den zukünftigen Arbeitsmarkt
6.1. Entgangene Wertschöpfungspotenziale
6.2. Überlastung der sozialen Sicherungssysteme

7. Zusammenfassung

8. Literatur

1. Einleitung

Die „Rente mit 67“, aktuell eines der Topthemen innerhalb der nationalen Medienlandschaft, bewegt und erhitzt die Gemüter der Bevölkerung über alle Schichten und Milieugrenzen hinweg. Bild, Badische Zeitung, Zeit etc. beschäftigen sich in sowohl bemüht-sachlich als auch gewollt-polemischer Form mit der geplanten Gesetzesänderung. Das Spektrum der Bewertung der anstehenden Reformen reicht von „notwendiger Anpassungsmaßnahme an den demografischen Wandel“ bis zum „Rentenklau“. Innerhalb des Lagers der Gegner der Gesetzesnovelle wird als eines der Hauptargumente die schon bereits derzeit bestehende prekäre Lage älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt angeführt. Abnehmende Einstellungschancen für Ältere, Entlassungen über den Weg der Frühverrentung, unterstellte Inkompetenz und Leistungsunfähigkeit, sowie zahlreiche andere Formen von Diskriminierung bis hin zu Mobbing stellten schon heute eine klare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer dar. Durch die Anhebung des Renteneintrittsalters werde diese Phase der Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt nur um einige Jahre verlängert, ohne den älteren Arbeitnehmern wirkliche berufliche Perspektiven zu bieten.

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwiefern von einer strukturellen Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt ausgegangen werden kann. In diesem Zusammenhang wird zunächst die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen dargestellt: Erwerbsquoten, Rentenzugangsalter, Frühverrentung und Arbeitslosigkeit sind hierbei Indikatoren für die Präsenz älterer Personen am Arbeitsmarkt. Im Anschluss daran soll die Situation älterer Arbeitnehmer, sowie spezifische Formen der Benachteiligung, mit denen sie am Arbeitsplatz konfrontiert sind, näher beleuchtet werden. In einem weiteren Schritt werden potenzielle Ursachen für die Diskriminierung dieser Personengruppe aufgezeigt und welche gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen sich aus der Situation ergeben können. Abschließend werden rechtliche Instrumente dargestellt, welche in Bezug auf die Diskriminierung älterer Arbeitnehmer greifen und den Missständen entgegenwirken sollen.

2. Die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen

Die Entberuflichung ist eines der 5 Altersphänomene, die im Kontext der bundesrepublikanischen Altersforschung von Hans Peter Tews im Zusammenhang mit dem Strukturwandel des Alters beschrieben werden. Die Berufsaufgabe hat sich in den vergangenen Jahren eindeutig nach unten verschoben, so dass die Anzahl der älteren Beschäftigten stark gesunken ist (vgl. Hohm, H.J. 55).

Das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ist nicht unbedingt mit dem Einsetzen des Bezugs von Altersrente verknüpft. Neben Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten sind es auch betriebliche Vereinbarungen und Sozialpläne, welche für Menschen Anlass zum Eintritt in den Ruhestand sind. Die Möglichkeit des früheren Ausstiegs aus dem Erwerbsleben wurde in den vergangenen Jahren häufig als Instrument zur Regulierung der Arbeitsmarktsituation und als Rationalisierungsmaßnahme von Unternehmen genutzt (vgl. Herfurth,M./Kohli, M./Zimmermann,K. 47).

2.1. Rentenzugangsalter

Aus einer Studie geht hervor, dass in Deutschland eine gravierende Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Renteneintrittsalter besteht. Bei dem gesetzlichen Rentenalter von derzeit noch 65 Jahren beträgt bei Männern die Differenz durchschnittlich 4,0 Jahre, bei Frauen liegt sie sogar bei 4,6 Jahren. Im internationalen Vergleich wird evident, dass ein Zusammenhang zwischen der Höhe des gesetzlichen Rentenalters und dem tatsächlichen Eintritt in den Ruhestand nicht gegeben ist, d.h. dass ein höheres gesetzliches Rentenalter keine höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen nach sich zieht (vgl. Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 34).

2.2. Erwerbsquoten älterer Menschen

Zahlen aus empirischen Untersuchungen zum internationalen Vergleich belegen, dass in Deutschland der Anteil der älteren Arbeitnehmer auffallend niedrig ist. So waren in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen 2001 bei uns nur noch 37,6 % erwerbstätig. Im Vergleich dazu zählen im Nachbarland Schweiz bzw. in Norwegen oder Schweden noch gut 68 % der Personen dieser Altersgruppe zu den Berufstätigen (vgl. Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 34). Innerhalb dieses Trends der Entberuflichung älterer Menschen zeichnen sich außerdem folgende Spezifika ab: Die Erwerbsbeteiligung der 55-bis 59-jährigen Männer nimmt seit 1970 kontinuierlich, aber mäßig ab, während die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen sich relativ stark reduziert. Bei den Frauen der Altersgruppe der 55-bis 59-Jährigen ist eher ein Zuwachs zu verzeichnen im Gegensatz zu den 60- bis 64-Jährigen, deren Präsenz auf dem Arbeitsmarkt stark abnimmt. Die Frauenerwerbsquote variiert stark nach Familienstand und Religion: Generell lässt sich sagen, dass verheiratete Frauen eine wesentlich geringere Erwerbsbeteiligung aufweisen als Unverheiratete. Die traditionell hohe Frauenerwerbsquote zu DDR-Zeiten wirkt sich in einer wesentlich höheren Frauenerwerbsbeteiligung in den neuen Bundesländern aus: Im Jahr 2000 waren z.B. von der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen in den alten Bundesländern 53,5 % Frauen erwerbstätig, während im Gegensatz dazu in den neuen Ländern 76,4 % der Frauen noch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass Arbeitssuchende in die Quoten mit eingerechnet sind. Die Anzahl der tatsächlich noch einer Berufstätigkeit nachgehenden älteren Menschen ist folglich wesentlich geringer als es diese Ergebnisse suggerieren. (Herfurth,M./Kohli, M./Zimmermann,K. 49).

2.3. Arbeitslosigkeit erwerbswilliger älterer Menschen

Die Anzahl der erwerbswilligen arbeitslosen Älteren korrespondiert mit der niedrigen Erwerbsquote älterer Menschen hierzulande. 2001 war Deutschland im europäischen Vergleich Spitzenreiter mit einem Arbeitslosenanteil bei den 55- bis 64-Jährigen von über 11 %. Es fällt auf, dass in Deutschland als einzigem in der Studie erfassten Land kein Anstieg der Integration älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt erkennbar ist. Sämtliche andere Vergleichsländer – allen voran die Schweiz – haben beträchtliche Erfolge bei der Arbeitsmarktintegration Älterer vorzuweisen (vgl. Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 35).

Ein interessanter Aspekt stellt die Tatsache dar, dass zwischen der Jugend- und Alterserwerbstätigkeit ein positiver Zusammenhang besteht. Das bedeutet, dass eine hohe Beschäftigungsquote Älterer nicht zu Lasten von Jüngeren geht, sondern dass beschäftigungs-

politisch erfolgreiche Länder eine hohe Erwerbsbeteiligung beider Alterskohorten aufweisen (vgl. Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 14-15).

Ein besonderes Problem hinsichtlich der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer liegt im überproportional hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen. Unter den über 55-jährigen Arbeitslosen wird von einem Anteil von mindestens 2/3 ausgegangen, die schon länger als 1 Jahr ohne Arbeit sind. Für viele von ihnen bedeutet die Phase längerer Arbeitslosigkeit den direkten Übergang in den Rentnerstatus: „So sind im Jahr 2002 in den alten Bundesländern 26,9 % und in den neuen Bundesländern sogar 45,4 % der Rentenzugänge der Männer in die gesetzliche Rentenversicherung in Verbindung mit vorausgehender Arbeitslosigkeit bzw. Altersteilzeit erfolgt.“ (s. Schott, T. 27). Als Ursache für die schlechte Reintegration Älterer in den ersten Arbeitsmarkt wird v.a. die schlechte Vermittelbarkeit aufgrund des hohen kalendarischen Lebensalters angeführt. Erst im Anschluss daran folgen Gründe wie mangelnde berufliche Qualifikation oder gesundheitlich bedingte Leistungseinschränkungen (vgl. Schott, T. 27)

Bedenkt man, dass Erwerbsarbeit neben der Einkommenssicherung auch eine wichtige Vorraussetzung für Gewinn an Identität, Selbstwertgefühl, sozialer Akzeptanz und Tagesstruktur bedeutet, kann man ermessen, welche Einbußen für den Betroffenen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden sind. So verwundert es auch nicht, dass die gesundheitliche Situation von erwerbstätigen älteren Menschen deutlich besser eingeschätzt werden kann als die von lediglich erwerbsbereiten, jedoch nicht berufstätigen Älteren (vgl. Deutsches Zentrum für Altersfragen 97).

2.4. Frühverrentungspolitik

Verschiedene Ursachen können dazu führen, dass Arbeitnehmer nicht bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters erwerbstätig bleiben. Neben Langzeitarbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen bedingen häufig auch „Frühverrentung“ oder - semantisch gleichbedeutend - die Versetzung in den „Vorruhestand“ das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Rechtsgrundlage für die Frühverrentung ist zum einen das Rentenversicherungsneuregelungsgesetz, das die Möglichkeit bietet, bereits ab 60 Jahren Altersrente in Anspruch zu nehmen. Betriebe nutzen diese Möglichkeit häufig, um sich mit Hilfe eines „Sozialplans“ älterer Arbeitnehmer „sozialverträglich“ zu entledigen. Im Vergleich zu jüngeren Beschäftigten sind diese nämlich besser abgesichert, so dass Sozialplanregelungen die Entlassung älterer Beschäftigter nahelegen. Diese erhalten vom Betrieb eine Aufstockung des max. 32 Monate gezahlten Alg I, welches mit Erreichen des 60. Lebensjahres durch Rente ersetzt wird, wenn die Arbeitslosigkeit schon länger als ein Jahr bestand (vgl. Bertelsmann Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 47). 1996 ist diese Regelung durch die Option mit Hilfe von „Altersteilzeit“ früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, ergänzt worden (vgl. Jungjohann, K. 1)

2.5. Fazit

Verglichen mit anderen europäischen Ländern sind in Deutschland ältere Arbeitnehmer eindeutig unterrepräsentiert. Ihre Partizipationsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt sind wesentlich geringer als die jüngerer Personen. Dies belegen sowohl die hohen Abweichungen vom gesetzlichen zum tatsächlichen Rentenalter, als auch die vergleichsweise geringen Erwerbsquoten älterer Menschen. Die hohe Arbeitslosigkeit älterer Erwerbswilliger, sowie gezielte arbeitspolitische Maßnahmen zur Exklusion älterer Arbeitnehmer sind weitere Indizien für die These der Entberuflichung des Alters von Hans-Peter Tews. Dass das frühe Aussscheiden aus dem Erwerbsleben überwiegend unfreiwillig und aufgrund defizitärer Rahmenbedingungen geschieht, belegt der Vergleich mit dem europäischen Ausland, wo entsprechende Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktintegration Älterer zum gewünschten Erfolg geführt haben.

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Strukturelle Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt
Untertitel
Die Exklusion älterer Arbeitnehmer vor dem Hintergrund des Altersstrukturwandels
Hochschule
Katholische Hochschule Freiburg, ehem. Katholische Fachhochschule Freiburg im Breisgau
Veranstaltung
Seminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V87607
ISBN (eBook)
9783638031035
ISBN (Buch)
9783638929332
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturelle, Altersdiskriminierung, Arbeitswelt, Seminar
Arbeit zitieren
Birgitta Bernhardt (Autor:in), 2007, Strukturelle Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87607

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