Sonderziehungsrechte: Ein Mittel gegen globale Ungleichgewichte?


Diplomarbeit, 2009

76 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise

2 Grundlagen
2.1 Begriffsabgrenzungen
2.2 Gründe zur Haltung von Währungsreserven
2.3 Geschichte der Währungsordnung
2.4 Das Triffin-Dilemma

3 Problemstellung des Systems der Weltwährungsreserven
3.1 Globale Ungleichgewichte
3.1.1 Situation
3.1.2 Erklärungsansätze
3.1.3 Kosten des gegenwärtigen Systems
3.1.4 Verbindung zur Finanzkrise
3.2 Notwendigkeit einer Reform

4 Reformvorschläge und Analyse
4.1 IWF Sonderziehungsrechte
4.2 Keynes‘ Bancor-Plan
4.3 Stiglitz‘ „global greenbacks“
4.4 Vorschlag Chinas
4.5 Schuldner-Gläubiger-Beziehung
4.6 Zukunft der Sonderziehungsrechte
4.6.1 Gestaltungsmöglichkeiten
4.6.2 Potentiale und Probleme
4.6.3 Wertdeckung
4.6.4 Stand der Diskussion
4.7 Kritische Würdigung

5 Fazit

Anhang:

Der chinesische Reformvorschlag

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Offizielle Komposition der Währungsreserven

Tabelle 2: Bestand an Währungsreserven

Tabelle 3: Zunahme der Währungsreserven und Bestand Ende 2007

Tabelle 4: Potentiale und Probleme einer SZR-Aufwertung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Internationale Währungsreserven

Abbildung 2: Leistungsbilanzsalden

1 Einleitung

Allein im Juni 2009 sind die chinesischen Währungsreserven um 42Mrd.$ angewachsen und überschreiten mit nun 2,13Bill.$ (Stand: Juli 2009) erstmals die Marke von zwei Billionen US-Dollar(PBoC, 2009).Diese immensen Währungsreserven werden auf dem amerikanischen Finanzmarkt in Staats-anleihen investiert und so der Konsum in den USA finanziert.Der berühmte US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger fürWirtschaftswissenschaften Joseph Stiglitz ist einer der größten Kritiker des heutigen Systems der Weltwährungsreserven. Er spricht von einer

„[…] selbstzerstörerischen Logik des gegenwärtigen Systems, die dazu führt, dass sich das Reservewährungsland immer tiefer ver­schuldet, bis sein Geld schließlich keine solide Reservewährung mehr ist […]“

Joseph Stiglitz (2006, S. 328)

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den vorherrschenden Problemen des gegenwärtigen Systemsund konzentriert sich auf die Reformpotentiale von Sonderziehungsrechten (SZR) als Lösungsbeitrag zur derzeitigen Währungs­reserven-Problematik.

1.1 Problemstellung

Der amerikanische US-Dollar (USD) ist gegenwärtig die dominierende Währung in der globalisierten Weltwirtschaft. 80% aller Transaktionen auf den globalen Finanzmärkten werden in USD vollzogen. Zudem sind die weltweiten Währungs­reserven zu etwa zwei Dritteln in US-Dollar denominiert. Er ist damit zur welt­weiten Leitwährung geworden. Die Emission einer Leitwährung durch einen ein­zelnen Staat führt dazu, dass dieses Leit- und Reservewährungsland ein Zahlungsbilanzdefizit aufbaut, wenn es den Rest der Welt (RdW) mit ausreichend Liquidität versorgt. Die Folgen davon sind die in den letzten Jahren an­gestiegenen globalen Ungleichgewichte der Zahlungsbilanzen sowie ein rascher Anstieg an Währungsreserven. Dieser Zusammenhang wird in der vorliegenden Arbeit als das Reservewährungsland-Problem bezeichnet.

Die Dominanz einer nationalen Währung sowie die damit verbundene Abhängigkeit des RdW von der US-Geldpolitik wird seit einiger Zeit immer wieder kritisch hinterfragt:zuletzt von Zhou Xiaochuan, Vorsitzender der chinesischen Zentralbank People‘s Bank of China (PBoC),kurz vor dem Treffen der G20 Staaten in London. Zhou fordert eine internationale Reservewährung, die einen stabilen Wert aufweist, für die reglementierte Ausgaberegeln existieren und deren Angebot flexibel steuerbar ist, um ein stabileres Finanzsystem zu erreichen.

Durch die 2008 aufgekommene Finanzmarktkrise kamen Forderungen auf alle Regularien, die für die globalen Finanzmärkte von Bedeutung sind, zu überprüfen.Durch den Vorstoß Zhou’s hat diese Diskussion eine neue Dimension mit Fokus auf die Weltwährungsordnung bekommen. Als Basis einer Reform sieht er die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) emittierten Sonderziehungsrechte. Vorschläge dieser Art sind keineswegs neu. Bereits John Maynard Keynes hatte in den 1940er Jahren die Vorstellung einer internationalen Verrechnungseinheit gehabt, die im Laufe der derzeitigen Reformdiskussion wieder aufgegriffen wurde. Die bereits erwähnten Ungleichgewichte lassen die Vorschläge Keynes‘ aktueller denn je erscheinen.Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob der chinesische Reformvorschlag –nämlich die SZR aufzuwerten– das Potential besitztdas vorhandene Ungleichgewicht aufzulösen und damit das Reservewährungsland-Problem zu beheben.

1.2 Vorgehensweise

Um der Beantwortung dieser Frage näher zu kommen, wird zunächst auf die dafür notwendigen Grundlagen eingegangen. Diese bilden die Basis für ein tieferes Verständnis der vorhandenenProblematik und die Entwicklung von Lösungsvorschlägen. Gerade die Darstellung der historischen Entwicklung fördert ein solches Verständnis. Es wird gezeigt, dass bisher noch kein optimales System gefunden wurde und sich die frühere Leitwährung, der Sterling zu einer unbedeutenden Währung entwickelt hat. Im dritten Kapitel werden die Problematiken des derzeitigen Systems dargestellt und der Bedarf an Verbesserungsvorschlägen aufgezeigt. Hier stehen die Ungleichsituation der Zahlungsbilanzen und das damit verbundene Anwachsen der globalen Währungsreserven in einigen Volkswirtschaften im Vordergrund. Anschließend werden verschiedene Erklärungsansätze der entstandenen Situation vor- und gegenüber gestellt und abschließend dargestellt warum es notwendig ist eine Reform des gegenwärtigen Systems zu diskutieren.

Im vierten Kapitelliegt dann der Fokus auf den Sonderziehungsrechten und es werden die Reformvorschläge der chinesischen Zentralbank vorgestellt, nachdem auf die historischen Vorlagen auf denen diese basieren eingegangen wurde. Zunächst wird die Entwicklung der SZR und deren Rolle im heutigen System beschrieben, um anschließend darauf einzugehen wie das Internationale Währungssystem auf Basis der Ideen von Keynes aussehen könnte. Keynes‘ Ausführungen wurden v.a. von dem zu Beginn zitierten Joseph Stiglitz ausgebaut und im Laufe der letzten Jahre immer wieder aufgegriffen. In der politischen Diskussion ist es dann China, das mit auf wirtschaftlichem Erfolg gewachsenem Selbstbewusstsein Reformen im Währungssystem fordert. Der darauf folgende Punkt ist der Beziehung von Schuldner- und Gläubigerstaaten gewidmet.Anschließend liegt der Fokusauf die mögliche Zukunftder vom IWF emittierten Sonderziehungsrechte. Hier werdendieGestaltungsmöglichkeiten der SZRnach den Vorstellungen Stiglitz‘ und Chinas auf der Basis von Keynes‘ Ideen thematisiert. Die verschiedenen AnsätzeSonderziehungsrechte in ihrer Bedeutung aufzuwerten und wie sich ein solch ausgestaltetes System auf die im dritten Abschnitt aufgezeigten Probleme auswirken könnte wird darauf aufbauend erläutert und analysiert.Nachfolgend wird der aktuelle Status dargestellt und die Frage nach einer Wertdeckung von SZR geklärt. Auf eineAnalyse von möglichen Schreckensszenarien wird verzichtet.Vielmehr erfolgt eine Darstellung und kritische Würdigung der Potentiale und Risiken, die eine SZR-Aufwertung nach sich zieht. Abschließend werden im fünften und letzten Kapitel die in dieser Arbeit aufgezeigten Erkenntnisse zusammengefasst und ein abrundendes Fazit gezogen.

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Darstellung, Untersuchung und Bewertung eines Währungssystems, indem Sonderziehungsrechten eine größere Bedeutung zukommt. Dabei steht die gesamtwirtschaftliche Sicht im Vordergrund und nicht die Analyse der politischen Realisierbarkeit. Auf die besondere Thematik die Sonderziehungsrechte zur Entwicklungshilfe zu nutzen wird weitgehend verzichtet.

2 Grundlagen

Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen dargestellt, die für das tiefere Verständnis der aufgetretenen Ungleichgewichtssituation und der existierenden Problem­atik der Währungsreserven notwendig sind. Dazu werden zunächst eine Erläuterung und Abgrenzung von den im weiteren Verlauf verwendeten Begriffen vorgenommen, ehe dann die Motive einer Volkswirtschaft zum Aufbau von Währungsreserven dargestellt werden. Um aus den in der Vergangenheit „erfolglosen“ Systemen der Währungsordnung zu lernen und die aktuellen Reformdiskussionen richtig einordnen zu können, wird in Abschnitt 2.3 auf die historische Entwicklung der Währungsordnung und die veränderte Bedeutung verschiedenerWährungen eingegangen. Anschließend erfolgt die Erläuterung des Triffin-Dilemmas, das die problematische Abhängigkeitder Vertrauensbildung in eine nationale Währung beschreibt. Dieses Dilemma offenbarte sich bereits im Bretton-Woods System (BWS) und scheint auch heute nochGültigkeit zu besitzen.

2.1 Begriffsabgrenzungen

Sonderziehungsrechte werden vom IWF als „ international reserve asset, created by the IMF in 1969 to supplement its member countries’ official reserves” definiert (IMF, 2009f) . Noch zu Zeiten des Bretton-Woods System wurde durch die Allokation von SZR die Weltwirtschaft mit zusätzlicher Liquidität versorgt und so einer Dollar-Knappheit begegnet. Alle am Währungsfonds teilnehmenden Staaten erhielten gemäß ihrer Quote einen Teil der Zuteilung. I m Zeitraum von 1970-1972 wurden 9,3Mrd.SZR und von 1979-1981 12,1Mrd.SZR ausgezahlt. Zu dieser Zeit betrug der Anteil von SZR an den globalen Währungsreserven (exklusive Gold) ungefähr 9,5%. Seither gab es keine weiteren Allokationen mehr. Die Sonderziehungsrechte verloren an Bedeutung und spielten bis heute keine nennenswerte Rolle mehr. Zum Ende des IWF-Geschäftsjahres 2008 beliefen sich die weltweiten Währungsreserven (inklusive Gold) auf 4,7Bill.SZR, davon entfielen lediglich knapp unter 0,02Bill.Auf die Haltung von tatsächlichen SZR, was einem Anteil von knapp 0,4% entspricht(Williamson, 2009, S. 2).

Unter Weltwährungsordnung wird grundsätzlich der institutionelle Rahmen verstanden, der für eine möglichst effiziente Allokation von Arbeit und Kapital notwendig ist undzum Erreichen volkswirtschaftlicher Ziele wie einen hohen Beschäftigungsgrad und ein stabiles Preisniveau beiträgt.Zentrales Problem einer Weltwährungsordnung ist der Umgang mit der Frage, inwieweit einzelne Staaten bereit sind, eigene wirtschaftspolitische Ziele zu vernachlässigen, um international aufgestellteund gültige zu akzeptieren und zu befolgen(Siebert & Lorz, 2006, S. 302).

Durch die Leitwährungsfunktion des USD ergibt sich für US-amerikanische Unternehmen und Banken der Vorteil in heimischer Währung kalkulieren zu können. Die Risiken von Wechselkursänderungen trägt das Ausland. Durch die Dominanz des Dollars, hinsichtlich Wechselgeschäften und Reservevorkommen, wird die Nachfrage nach der Leitwährung USD weiter erhöht (Betz, 2002, S. 8).Trotz der aktuellen Finanzkrise ist der US-amerikanische Finanzmarkt immer noch der weltweit am besten ausgebaute.Er besitzt die meisten Anlagemöglichkeiten und wird als sicherer Hafen („safe heaven“) für Finanz-anlagen bezeichnet.

Währungsreserven sind Auslandsaktiva. Gegenwärtig sind dies meist US-Schatzbriefe – so genannte Treasury Bills (T-Bills)– die vor allem deshalb gehalten werden, weil sie als besonders liquide gelten, also im Bedarfsfall leicht veräußert werden können. Abbildung 1 zeigt die momentane Komposition der globalen Währungsreserven.

Abbildung 1: Internationale Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (IMF, 2009e, S. 2, Appendix I)

Sie verdeutlicht eindrucksvoll die herausragende Stellung des USD, der knapp zwei Drittel der internationalen Währungsreserven ausmacht. Lediglich der Euro mit einem Anteil von gut einem Viertel an der Gesamtmenge hält gegenüber dem USD einen erwähnenswerten Anteil. Danach folgen das Pfund Sterling mit 4,7% und der japanische Yen mit 2,9%. Die verbleibenden Währungen nehmen zusammen genommen nur noch einen Anteil von ca. 2% ein.

In der vorliegenden Arbeit wird vom System der Weltwährungsreserven gesprochen, obwohl genau genommen kein solches System existiert. Der Begriff beschreibt vielmehr die derzeitige Lage der Währungsordnung. Die Dominanz einer nationalen Währung – nämlich die des US-Dollars – als Leitwährung führt zu einem hohen Leistungsbilanzdefizit in diesem Land, um den steigenden Bedarf an Währungsreserven und Liquiditätim Rest der Welt, insbesondere in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens, befriedigen zu können. Der genaue Zusammenhang wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschrieben.

Leistungs- und Handelsbilanz werden in dieser Arbeit als identisch angesehen. Zur Vereinfachung werden die Salden der laufenden Übertragungen und der Erwerbs- und Vermögenseinkommen vernachlässigt.

Um das Verständnis für die in 3.1.2 geschilderten Erklärungsansätze zu erhöhen werden einige Zusammenhänge kurz skizziert: In einer offenen Volkswirtschaft entspricht der Saldo der Leistungsbilanz (LBS) der Ersparnis privater Haushalte und Unternehmen (S(HH)), sowie der des Staates (S(St)) abzüglich der Investitionen (I).

Gleichung (1) gibt diesen Zusammenhang wieder.

(1) LBS = S(HH) + S(St) - I

Bei einer globalen Betrachtung beträgt der Saldo aller Volkswirtschaften (Ges tiefgestellt)Null, da einem Überschuss immer ein entsprechendes Defizit gegenübersteht.

(2) LBSGes = S(HH)Ges + S(St)Ges- IGes = 0

Um die gegenwärtige Situation des Systems der Weltwährungsreserven mit einzubeziehen, wird zwischen den Reservewährungsländer(R tiefgestellt) und allen anderen Ländern (N tiefgestellt) unterschieden. In Summe ergibtder LBS wieder null.

(3) LBSGes = LBSR + LBSN = 0

Aus den vorstehenden Gleichungen ergibt sich nun für das Reservewährungsland folgendes.

(4) LBSR = S(HH)R + S(St)R - IR = - LBSN = S(HH)N + S(St)N- IN

Der Saldo desReservewährungslandes (LBSR) entspricht damit dem Saldo der RdW (LBSN) mit umgekehrtem Vorzeichen(Greenwald & Stiglitz, 2006, S. 2 f. veränderte Notation). Weisen die USA ein großes Defizit auf, muss der RdW einen entsprechend großen Überschuss haben und vice versa.

2.2 Gründe zur Haltung von Währungsreserven

Für die Haltung bzw. den Aufbau von Währungsreserven einer Notenbank gibt es mehrere Gründe, von denen die wesentlichen im Folgenden dargestellt werden. Ein zentraler Faktor ist die Beeinflussung von Wechselkursen (Wechselkurs-Management).In einem System fester Wechselkursparitäten kann dieser durch den An- oder Verkauf von Devisen (Devisenintervention) verteidigt bzw. die Volatilität des Kurses abgeschwächt werden. Um sich diese Möglichkeit offen zu halten, sind ausreichende Devisenreserven notwendig. Ebenso können in einem System flexibler (floatender) Wechselkurse Währungsreserven zur Beeinflussung eines bestimmten Niveaus eingesetzt werden. Ein weiterer Aspekt der Reservehaltung ist die Möglichkeit durch die aufgebauten Reserven einer Volkswirtschaft die eigene Kreditwürdigkeit, die Bonität, auszuweisen bzw. zu erhöhen. Des Weiteren dienen die Reserven als Puffer in Krisenzeiten zur Finanzierung von Importen über einige Monate hinweg. Zudem sind Devisenreserven eine Art der Vermögenshaltung zu deren Gunsten auf den Aufbau von Sachvermögen zumindest teilweise verzichtet wird. Die Akkumulierung von Devisenreserven aus diesem Grund wird als Vorsichtsmotiv, oder „self-insurance“ bezeichnet(Muchlinski, 2009, S. 157).

Diese „self-insurance“ spielt für die in der vorliegenden Arbeit thematisierte Problematik eine besondere Rolle, da gegenwärtig insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Währungsreserven aus diesem Grund unverhältnismäßig ausbauen. Einige aufstrebende Länder vor allem Asiens nutzen ihre Reserven als Absicherung gegen eine Währungskrise und investieren nach Liquiditätsüberlegungen in hoch-liquide US-Schatzwechsel. Des Weiteren versuchen sich diese Volkswirtschaften durch den vermehrten Aufbau von Devisenreserven vor einer zu großen Abhängigkeit gegenüber dem IWF, deren Kreditvergabe grundsätzlich an Auflagen verbunden ist, zu schützen. Negatives Vorbild sind jene Staaten, die aufgrund der Asienkrise Ende der 1990er Jahren auf Kredite seitens des Internationalen Währungsfonds angewiesen waren.[1]

Obwohl es über die optimale Höhe von Währungsreserven keine Einigung gibt und diese über die Zeit hinweg schwanken, lässt sich laut Stiglitz (2006, S. 309) als Faustregel “im Interesse einer umsichtigen Risikovorsorge“ formulieren, dass ein Land zumindest im Stande sein sollte, seinen Verbindlichkeiten für Importe über ein paar Monate hinweg nachkommen zu können. Hierzu werden dann Reserven aufgelöst. Die „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“kommt in ihrem 77.Jahresbericht zu dem Schluss, dass mehr Gründe als eine reine „Liquiditätsüberlegung“ eine Rolle bei der Akkumulierung spielen. Nach dem Stand von Ende 2006 wäre Russland für 20 Monate und China für 16 Monate in der Lage, ihre Importe durch Währungsreserven zu finanzieren (BIZ, 2007, S. 109). Nach der Greenspan-Guidotti Regel sollten die Währungsreserven so hoch sein, dass die in einem Jahr fälligen Auslandsschulden getilgt werden können.Währungsreserven und Auslandschulden sollten also in einem Verhältnis von 1:1 stehen(Greenspan, 1999).

Mit dem Halten von Währungsreserven sind zudem Opportunitätskosten verbunden, da eine Zentralbank alternativ zum Halten von Reserven Erträge aus der Bildung von Sachvermögen ziehen kann. Die Erträge aus der Haltung von Währungsreserven (z.B. Zinsen auf T-Bills oder die Aufwertung der Devisen) müssen von den möglichen Alternativerträgen subtrahiert werden, um die Nettoalternativkosten für das Halten von Währungsreserven zu errechnen. Somit ergibt sich eine Möglichkeit die Höhe von Währungsreserven zu evaluieren(Muchlinski, 2005). Rodrik definiert die durch die Akkumulation von Währungsreserven entstehenden Kosten als den „Spread“(die Differenz) zwischen den Zinsen, die dem privaten Sektor für kurzfristige Kredite entstehen und dem Zinssatz, den die Zentralbank auf ihre liquiden ausländischen Vermögenswerte erhält (Rodrik, 2005, S. 7).

2.3 Geschichte der Währungsordnung

Das internationale Währungssystem bildet die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, um den freien multilateralen Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital zu gewährleisten. Basis dafür ist die Konvertibilität, die Möglichkeit, die eigene Währung gegen jede andere auszutauschen (Adebahr, 1990, S. 391).

Um die gegenwärtigen Vorschläge verstehen und einordnen zu können, ist es notwendig, die Entwicklung der Währungsordnung im Laufe der Geschichte zu kennen. Beginnend mit dem Goldstandard erfolgt ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Systems, mit der jeweiligen Leitwährung.

Im Jahr 1821 ging das Vereinte Königreich als erste Nation zum Goldstandard über. Zwischen etwa 1880 und 1914, in der Zeitspanne, die als klassischer Goldstand bezeichnet wird, schlossen sich alle bedeutenden Volkswirtschaften diesem Währungsstandard an, so bereits 1879 auch die USA. Vor allem seine Kolonialpolitik machte das Vereinte Königreich zur größten Weltwirtschaftsmacht jener Zeit. Das Pfund Sterling wurde zur Weltreservewährung und die britische Zentralbank,die Bank of England (BoE), gewann an Bedeutung. Der herrschende Standard war von der Solidarität der Staaten getragen und nicht durch einen multilateralen Vertrag. Es „war das erste international gültige Währungssystem mit partieller Golddeckung des Papiergeldes“ (Handler, 2008, S. 3 f.).Die teilnehmenden Staaten fixierten Paritäten ihrer eigenen Währung zu Gold. Sie garantierten den An- oder Verkauf von Gold zu diesem Preis durchzuführen.So entstand ein System fester Wechselkurse. War der existierende Leistungsbilanzüberschuss eines Landes größer als der Kapitalbilanzüberschuss (ohne Währungsreserven) werden die Exporte nicht vollständig durch eigene Kredite finanziert.Folglich muss ein Teil durch Währungsreserven finanziert werden. Somit fließt Gold in das Land mit der überschüssigen Leistungsbilanz und erhöht dessen Geldmenge, was wiederum einen Anstieg des Preisniveaus zur Folge hat. Da es im Goldstandard feste Wechselkurse gab, folgte automatisch eine reale Aufwertung der inländischen Währung, was wiederum zu einer Nachfrageverschiebung führte, die sowohl den Überschuss, als auch das Defizit verringerte. Langfristig führte dies zu einem Zahlungsbilanzgleichgewicht(Krugman & Obstfeld, 2006, S. 686 f.).Die Nachteile dieses Systems lagen in der fehlenden Autonomie der Zentralbanken sowie in der starken Abhängigkeit von der Förderung bzw. der Existenz von realem Gold. Entsprach die Goldproduktion nicht der Höhe des Handelswachstums entstand eine Liquiditätslücke. Dieses Problem hatten die goldproduzierenden Staaten nicht. Sie konnten somit eine eigenständige Geldpolitik fahren (Rose, 1995, S. 2).Während dieses Währungsstandards war das britische Pfund Sterling die einzige (neben Gold) bedeutende Reservewährung. Der US-Dollar spielte eine untergeordnete Rolle. Es gab (noch) keine US-amerikanische Zentralbank und der Dollar wurde für internationale Transaktionen kaum genutzt. Im Jahr 1899 wurden 64% der offiziellen Devisenreserven in Sterling gehalten. Der Francs machte 16% und die Mark 15% aus. Von 1860 bis zum Ende des Goldstandards lauteten 60% der Rechnungen im internationalen Handel auf Sterling (Eichengreen, 2007, S. 131 f.).Für das Ende des Goldstandards sorgte der erste Weltkrieg, in dessen Verlauf die immensen Rüstungsausgaben nicht mehr durch eine ausreichende Goldproduktion kompensiert werden konnten. Dies war zugleich der Beginn einer Wachablösung in der Leitwährungsfunktion, da der Sterling an Bedeutung verlor und der USD mit der im Jahr 1913 gegründeten amerikanischen Zentralbank, der Federal Reserve Bank (Fed), parallel dazu immer mehr an Bedeutung gewann. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kehrte Großbritannien noch einmal zum Goldstandard zurück. Da der Goldpreis aus der Zeit vor dem Krieg beibehalten wurde, verlor das Land durch einen überbewerteten Sterling jedoch weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Es folgte eine “unruhige“ Zeit mit Hyperinflation in Europa und der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. 1933 scheiterte eine Währungskonferenz in London mit der Folge, dass sich daraufhin die wichtigsten Industriestaaten auf ihre nationalen Interessen fokussierten. Lediglich die USA kehrten zum Goldstandard zurück. Dies taten sie mit einer starken Dollarabwertung bis auf einen Goldpreis von35$ je Feinunze Gold. Erst der zweite Weltkrieg und seine Folgen führten zu einer Suche nach einem international gemeinschaftlichen neuen Weltwährungssystem (Handler, 2008, S. 4 f.).Robert Mundell resümierte bei seiner Verleihung des Nobelpreises, dass ausgerechnet die Fed – die unerfahrenste unter den Zentralbanken – die Möglichkeit besaß den Goldstandard zu beenden (1999, S. 6).

Bei der Währungskonferenz im Juli 1944 in BrettonWoods, New Hampshire (USA), trafen sich die Vereinten Nationen und beschlossen die Gründung des Internationalen Währungsfonds IWF sowie eines neuen auf festen Wechselkursen zum US-Dollar beruhenden Währungssystems. Da die teil-nehmenden Staaten die Möglichkeiten hatten bei der Fed. ihre Reserven in Gold (Preis für eine Feinunze blieb unverändert bei 35$) zu tauschen, wird auch von einem Gold-Dollar-Standard oder nur Dollar-Standard gesprochen. Der USD entwickelte sich zur bedeutendsten Reservewährung und übernahm die Rolle des Pfund Sterling. Als Restriktion einer autonomen Geldpolitik ist die Verpflichtung zu werten, dass der Goldpreis bei 35$ verbleiben musste. Somit war es den USA nicht möglich eine zu expansive Geldpolitik zu betreiben, da diese den Goldpreis verändert hätte. Zudem mussten die Vereinigten Staaten garantieren jederzeit Dollar in Gold zu tauschen. Um Währungsreserven auf einem adäquaten Niveau zu akkumulieren, häuften die Notenbanken Dollar an, da das weltweite Goldangebot nicht mit dem Wachstum des Welthandels Schritthalten konnte. Das System beruhte somit auf Vertrauen in den USD bzw. die Geldpolitik der Fed. Die Nachkriegszeit war von Dollarknappheit geprägt. Wegen kaum möglicher Kapitalbilanztransaktionen und schwer zugänglichen ausländischen Krediten waren die Zentralbanken gezwungen im Falle eines Defizits Währungsreserven abzubauen. Die Bereitschaft dazu fehlte jedoch weitestgehend, da die Notenbanken die Reserven zur Fixierung des Wechselkurses hielten (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 697 ff.).Der US-Dollar geriet immer häufiger in Schwierigkeiten, die zu einer Flucht aus dem Dollar und somit starken Goldabflüssen führten. Das Vertrauen in die Währung sank und mehrere Nationen tauschten ihre Dollarreserven in Gold um. Im August 1971 endete der offizielle Goldmarkt, da es von Seiten der USA keine Bereitschaft mehr gab Dollarreserven anderer Notenbanken in Gold umzutauschen. Das endgültige Ende des BWS erfolgte im März des Jahres 1973, als das System der festen Wechselkurse – die Basis des BWS – aufgehoben wurde(Adebahr, 1990, S. 409 ff.).Die USA stellten ihre Gegenspieler vor die Wahl entweder die ansteigenden US-Preise zu importieren oder das Festkurssystem aufzugeben. Die teilnehmenden Volkswirtschaften waren nicht mehr bereit hohe Inflationsraten, die vom Reservewährungsland USA ausgingen, zu importieren und ließen die Wechselkurse frei floaten. Nun wurde deutlich, dass das System darauf beruhte und nur so lange funktionieren konnte wie das Reservewährungs-land willens war die eigenen wirtschaftspolitischen Ziele in den Hintergrund zu stellen und zum Wohle der Weltwirtschaft zu handeln(Krugman & Obstfeld, 2006, S. 717 f.).Die amerikanische Fiskal- und Geldpolitik richtete sich jedoch nicht nach den Erfordernissen des internationalen Währungssystems. Dennoch entwickelte sich der USD zum sicheren Hafen für Finanzanlagen (Mundell, 1999, S. 7).

Heute herrscht ein System weitgehend flexibler Wechselkurse. So schwanken die Kurse zwischen den bedeutendsten Währungen US-Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling frei. Der entscheidende Unterschied zum BWS liegt in der großen Bedeutung von internationalen Kapitalbewegungen, die stark zugenommen (Siebert & Lorz, 2006, S. 292 f.) und die Dominanz des USD weiter gestärkt haben. Bei fast 90% der globalen Wechselgeschäfte ist der Dollar auf einer der zwei Transaktionsseiten, der Euro erreicht hierbei 37%, der Yen 20% und das Pfund Sterling 17% (Siebert, 2006, S. 3).

Tabelle 1 zeigt die historische Entwicklung der Komposition von Devisen-reserven. Nach dem Ende des BWS 1973 war der USD mit 84,5% die fast einzige Reservewährung. Lediglich die Deutsche Mark (DM) und das Pfund Sterling hatten mit 6,7%, bzw. 5,9% einen nennenswerten Anteil an globalen Reserven. Innerhalb der letzten Dekaden hatte der USD mit 71,5% im Jahr 2001 seinen Spitzenwert. Seitdem ist sein Anteil fallendund beträgt momentan knapp zwei Drittel. Diese leichte Umschichtung erfolgt zu Gunsten des Euros, der sich direkt nach seiner Einführung an die zweite Position hinter den Dollar schob und mittlerweile gut ein Viertel der weltweiten Devisenreserven ausmacht. Er ist damit bedeutender als es zuvor die einzelnen europäischen Währungen zusammen genommen waren. Auffällig ist zudem die sinkende Bedeutung des japanischen Yen und des britischen Sterlings, die mittlerweile nur noch knapp 3% bzw. knapp 5% ausmachen.Alle übrigen Währungen nehmen zusammen nur einen Anteil von weniger als 2% ein.

Tabelle 1: Offizielle Komposition der Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: IWF

Das gegenwärtige System wird auch als „Non-System“ bezeichnet, da es weder ein internationales Abkommen noch einen Vertrag gibt, auf dem das Währungssystem beruht.

Eine andere Beschreibung des derzeitigen Zustandes liefern die drei US-Ökonomen Michael Dooley, David Folkerts-Landau und Peter Garber, die 2003 den Begriff „Bretton-Woods II“ geprägt haben. Ihrer Auffassung nach ist das heutige Währungssystem eine Anlehnung an das ursprüngliche BWS u.z. wegen der halb-offiziellen Wechselkursanbindung der Peripherie-Länder an den US-Dollar. Die Peripherie bilden einige Staaten Asiens (v.a. China), Lateinamerikas und die NettoÖlexporteure (Dooley, Folkerts-Landau, & Garber, 2003). Mehr zu der vorherrschenden Situation und den Auswirkungen in Gliederungspunkt 3.1.

2.4 Das Triffin-Dilemma

Das bereits erwähnte Vertrauensproblem gegenüber der Reservewährung im Bretton-WoodsSystem ist auch als Triffin-Dilemma bekannt. Der Ökonom Robert Triffin stellte 1960 fest, dass die zunehmenden Währungsreserven der ausländischen Zentralbanken mit einem Anstieg der Dollareinlagen einhergingen und die Goldreserven der USA nicht ausreichen würden, diese zu decken und eintauschen zu können. Gesetzt den Fall, alle ausländischen Notenbanken würden ihre Dollarreserven zur gleichen Zeit in Gold eintauschen, würde dies zum Zusammenbruch des BWS führen(Krugman & Obstfeld, 2006, S. 709).

Triffin zeigte auf, dass eine internationale Reservewährung, die von der dominierenden Volkswirtschaft emittiert wird, inhärente Instabilität aufweist. Zum einen ist es für ein Land nur dann möglich Netto-Dollar Assets zu akkumulieren, wenn das Reservewährungsland ein Zahlungsbilanzdefizit aufweist. Zum Anderen hat das emittierende Land einen Vorteil an autonomer Geldpolitik, die sie dem Rest der Welt aufoktroyieren kann.Die Gründe dafür sind, dass die Staatsanleihen und T­-Bills als sicherste Anlagen der Welt gelten und das amerikanische Zinsniveau im Vergleich zu anderen Ländern relativ unabhängig von Wechselkursen des Dollars zu anderen Währungen macht (Ocampo, 2007, S. 3).

Das Wachstum von nationalen Währungen ist nicht ausreichend, um die entstandene Liquiditätslücke zu füllen (Triffin, 1960, S. 70). Das Dilemma für die USA und den RdW lag somit in der Wahl zwischen zwei nachteiligen Alternativen: Entweder a) die USAstoppen das wachsende Leistungsbilanz-defizit, was zu einer Unterversorgung der Weltwirtschaft mit Liquidität führen würde, oder b) sie führen das Defizit fort. Dies sorgt dann für einen Verlust des Vertrauens in den USD bzw. in dessen Goldkonvertibilität, was das gesamte System ins Schwanken brächte. Triffin‘s Vorschlag, um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden war die Einführung eines neuen Reservemediums, das den USA helfen sollte ihr Leistungsbilanzdefizit abzubauen undgleichzeitig Liquidität für den Rest der Welt zur Verfügung stellt. Aus diesem Lösungsvorschlag entstanden die Sonderziehungsrechte des IWF (Handler, 2008, S. 11).

Aus den unterschiedlichen Gründen zum Halten von Währungsreserven steht in der gegenwärtigen Situation besonders das Vorsichtsmotiv der aufstrebenden Volkswirtschaften z.B. Asiens im Vordergrund. Zudem wurde gezeigt wie sich die Stellung einer Währung im Laufe der Geschichte verändern kann. Das Pfund Sterlings hat seine ehemalige Vormachtstellung an den US-Dollar verloren. Dieser ist seit Beginn des BWS die Leitwährung der internationalen Währungsordnung und damit die Hauptreservewährung. Die Erfahrung zeigt, dass es keine garantierte und unbefristete Vormachtstellung einer Währung gibt, da das Triffin-Dilemma ein systemimmanentes Problem darstellt und auch in ursächlichem Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftskrise steht.

3 Problemstellung des Systems der Weltwährungsreserven

Im vorangegangenenAbschnitt wurden theoretische Grundlagen gelegt und die Ent­wicklung der Währungsordnung im letzten Jahrhundert aufgezeigt. Im folgenden Kapitel geht es darum, die Grundprobleme des derzeitigen Systems herauszuarbeiten. Der erste Teil befasst sich mit der seit Jahren ansteigenden Ungleichgewichtssituation in den Zahlungsbilanzen der Volkswirtschaften und der damit verbundenen Akkumulierung immenser Währungsreserven einiger Staaten. Die Erörterung der Frage, wie hoch die Notwendigkeit ist das bestehende System zu reformieren, am Ende dieses Kapitel bildet dann die Basis und den Übergang zu den unter Punkt 4 behandelten Reformvorschlägen.

3.1 Globale Ungleichgewichte

Zahlungsbilanzen können aufgrund der doppelten Buchführung zwar nicht ungleichgewichtig sein, in der Literatur hat sich die Bezeichnung eines Ungleichgewichts für die anhaltende Situation jedoch etabliert. Bleibt der Blick auf die Teilbilanzen Leistungs- und Kapitalbilanz. Nach einer Deskription der gegenwärtigen Lage erfolgt eineVorstellung der verschiedenen Erklärungs-ansätzezuderen Entstehung.Darauf aufbauend werdendie Kosten, die mit der jetzigen Ausgestaltung des Systems der Weltwährungsreserven verbunden sind, aufgezeigt. Gerade Stiglitz sieht in „Die Chancen der Globalisierung“ allein in diesen ausreichende Argumente für eine Reform des Systems.Im dritten Teil wird die Verbindung zur allgegenwärtigen Finanzmarktkrise hergestellt. Es soll und kann nicht die Frage geklärt werden, in wieweit die Ungleichsituation tatsächlich zur Krise beigetragen hat. Allerdings besteht die Notwendigkeit den möglichen Einflussfaktor der Ungleichgewichte auf die Finanzmarktkrise zu erörtern, um die Tragfähigkeit der herrschenden Situation einschätzen zu können.

3.1.1 Situation

Die USA bilden mit dem Dollar als dominierende Währung das Zentrum des gegenwärtigen internationalen Währungssystems. Der starke Konsum in den Vereinigten Staaten hat das weltweite Wachstum in den 1990er Jahren getragen und beschleunigt. Die USA fungierten als „consumer of the last resort“, wovon der RdW profitierte(Muchlinski, 2009, S. 156). Dem gegenüber stehen die Staaten der Peripherie, die nun nicht mehr aus nur einem Block bestehen. Der Peripherie werden vor allem Staaten Asiens und Lateinamerikas zugeordnet, ebenso wie Netto Ölexportländer und einige Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas. Das entwickelte Europa kann als ein weiterer Block gesehen werden, der jedoch weder dem Zentrum, noch der Peripherie zuzuordnen ist. Ein Block innerhalb der Peripherie sindBrasilien, Russland, Indien und China, die als BRIC-Staaten zusammengefasst werden. Die BRIC-Staatenweisen im Gegensatz zur westlichen, industrialisierten Welt hohe Wachstumsraten[2] auf. In der Literatur, vor allem aber auch in der akademischen Diskussion, wird besonderes Augenmerk auf das bilaterale Verhältnis von den Vereinigten Staaten von Amerika zur VolksrepublikChina gelegt. Die Bilanzen beider Staaten sind gegenwärtig ökonomisch eng miteinander verflochten. Die Volksrepublik China weist hohe Sparquoten auf und fördert das eigene Wirtschaftswachstum durch eine „export-ledgrowth“-Strategie, bei der dem Export die konjunktur-treibende Wirkung zukommt. Die chinesische Währung, der Renminbi (RMB)[3], ist an einen Korb gekoppelt, der die Währungen der Handelspartner widerspiegelt. Es herrscht Konsens darüber, dass der Renminbizur Exportunterstützung durch die chinesische Regierung unterbewertet ist. Die Schätzungen über das Ausmaß der Unterbewertung gegenüber dem USD schwanken und reichen bis zu 25% des jetzigen RenminbiWertes. Durch den „billigen“ Renminbi werden Importe für das Ausland aus China günstiger und die Nachfrage nach Exportgütern steigt. Die USA hingegen weisen eine niedrige Sparquote auf. Amerikanische Haushalte leben sozusagen über ihre Möglichkeiten und finanzieren den übertriebenen Konsum über Kredite.Dadurch ergibt sich ein Doppeldefizit (twindeficit) miteinem defizitärem Staatshaushalt sowie einem Defizit in der Leistungsbilanz.

Die Währungsreserven, die durch die RMB-Unterbewertung angehäuft werden, werden wiederum in US-amerikanische T-Bills investiert. Für die USA ergibt dies einen massiven Kapitalimport mit dem das Leistungsbilanzdefizit finanziert wird.

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Leistungsbilanzsalden von 2001 bis 2009 einiger ausgewählter Volkswirtschaften. Die USA weisen dabei das mit Abstand größte und bis 2006 wachsende Leistungsbilanzdefizit auf. Im Jahr 2006 hat es den „Spitzenwert“ von -731Mrd.$ erreicht. Die neun Staaten[4], die nach den USA die höchsten Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen, haben im Vergleich dazu ein relativ kleines Defizit. Summiert ergibt sich für diese Volkswirtschaften ein Defizit von „lediglich“ 517Mrd.$.Auf Seiten der Überschussländer hat sich die Volksrepublik China in den vergangenen Jahren zum Land mit dem höchsten Leistungsbilanzüberschuss entwickelt. Mit der Bundesrepublik Deutschland und Japan stehen zwei weitere exportorientierte Nationen auf Seiten der Überschussländer. Ansonsten weisen vor allem ölexportierende Volkswirtschaften wie Saudi-Arabien und die russische Föderation Überschüsse auf.

Abbildung 2: Leistungsbilanzsalden

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung Quelle: (IMF, 2009g)

Defizite in der Leistungsbilanz der USA sind historisch gesehen nichts Unübliches.Unüblichist jedoch die Höhe des Defizits gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Defizit der Vereinigten Staaten belief sich laut Jahresbericht der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“(BIZ, 2008, S. 15 f.) Ende 2007 auf 692Mrd.$, was einem Anteil von 4,9% vom BIP entspricht, nachdem es im Vorjahr mit811Mrd.$ und 6,2% vom BIP seinen historischen Höchststand erreicht hatte. 1991 war die Leistungsbilanz noch ausgeglichen.Somit ist das Defizit innerhalb von 15 Jahren von 0 auf 811Mrd.$ gestiegen.Seit dem Höchststand des Defizits im Jahr 2006 ist eine Entspannung der Situation zu erkennen. Im Geschäftsjahr 2008 gab es einen Rückgang des US-Defizits, dem eine Verminderung der Überschüsse der Volkswirtschaften der Bundesrepublik Deutschlands und Japans gegenübersteht. Für das Jahr 2009 rechnet der IWF mit einem weiteren Rückgang auf -393Mrd.$.Dieser Rückgang ist vornehmlich auf die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zurückzuführen. Bis 2014 wird mit einem erneuten Anstieg des Defizits auf 476,8Mrd.$ gerechnet. China, das Land mit dem höchsten Überschuss in der Leistungsbilanz, erreichte 2008 440Mrd.$, was einem Anteil von 10% des chinesischen BIP entspricht.Die Tendenz für die Entwicklung des Saldos ist weiter steigend (IMF, 2009g). Um das Leistungsbilanzdefizit wieder auf ein adäquates Niveau zu bringen, ist eine Abwertung des Dollars notwendig. Amerikanische Güter werden so auf dem Weltmarkt billiger und die US-Exporte steigen. Dass eine Dollarabwertung bevorsteht entspricht der allgemeinen Sicht führender Ökonomen.Ein Problem besteht auch darin, dass das Defizit der USA nicht für ertragreiche Investitionen, sondern vor allem für den Konsum genutzt wird.

Hinsichtlich des Bestandes von Währungsreserven besteht eine weitere Perspektive des globalen Ungleichgewichts. Auch hier nehmen die BRIC-Staaten eine besondere Rolle ein. Die Verteidigung des unterbewerteten Renminbi sorgt zusammen mit der „self-insurance“ der chinesischen Regierung für die Akkumulierung von hohen Währungsreserven. Tabelle 2 zeigt die aktuellen Währungsbestände von ausgewählten Staaten. Vor allem die BRIC-Staaten weisen enorme Bestände auf, die weit über das hinausgehen, was zur Finanzierung von Importen über ein paar Monate hinweg nötig wäre. Chinas Bestand an Währungsreserven im Jahr 2009 beträgt z.B 186% der Importe eines Jahres, d.h. sie könnten knapp zwei Jahre ihre Importe durch das Auflösen ihrer Währungsreserven finanzieren. Auch Brasilien und Russland weisen vor allem in Relation zu ihren kurzfristigen Auslandsschulden und Importen beträchtliche Währungsreserven auf. Die Regel, dass die Währungsreserven zur Finanzierung von Importen in Krisenzeiten für ein paar Monate ausreichen sollten, ist damit weit übertroffen.

Tabelle 2: Bestand an Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (BIZ, 2009, S. 101)

Auch unter Anwendung der Greenspan-Guidotti Regel (siehe 2.2)zeigt sich, dass die Bestände an Währungsreserven einiger Volkswirtschaften weit über ein einfaches Vorsichtsmotiv hinaus gehen. Ende 2008 betrug das Verhältnis von Währungsreserven zu kurzfristigen Auslandsschulden in Asien knapp 6:1, im Gegensatz zu einem als angemessen bezeichneten Verhältnis von 1:1. Der extremste Fall ist wieder die VR China mit einem Verhältnis von über 18:1, aber auch die anderen BRIC-Staaten wiesen mit einer Relation von über 3:1 einen enormen Währungsbestand auf.

3.1.2 Erklärungsansätze

„Geld ist […] eine Fiktion, wertloses Papier, das Wert nur erwirbt, weil sehr viele Menschen ihm Wert beimessen. Das System beruht auf Vertrauen. Nicht auf Wahrheit oder Realität, sondern auf kollektivem Glauben“.

Paul Auster (1997, S. 51)

Um die Entstehung der Ungleichgewichtssituation zu erklären, gibt es in der Literatur vielfältige Erklärungsansätze, die im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden. Wie aus dem Zitat von Paul Auster hervorgeht beruht das heutige System auf einer Konvention, dem Vertrauen in die Wertstabilität des Dollars. Aus den in 2.1 gezeigten Gleichungen, lässt sich die gegenwärtige Situation einfach erklären. Ein hoher Überschuss der USA steht einem hohen Defizit des RdW gegenüber. Das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA entspricht einem großen Leistungsbilanzüberschuss des RdW. Greenwald und Stiglitz(2006) führen zwei, zur Erklärung der Situation dienliche, Sichtweisen auf: die des Doppeldefizits (twin deficit) und die des Überangebots von globalen Ersparnissen (saving glut). Nach dem Modell des Doppeldefizits führen der negative Staatshaushalt, sowie niedrige Ersparnisraten und hohe Investitionsraten zu einem hohen Leistungsbilanzdefizit der USA, welches wiederum zu Überschüssen in den Leistungsbilanzen des RdW führt.Die Sichtweise der„savingglut“ bemisst der Gleichung (2) mehr Bedeutung zu und bezieht sich auf hohe private Ersparnisse des RdW. Auch hier lässt sich als extremes Beispiel die VR China nennen. Diesem stehen relativ geringe staatliche Ersparnisse und Investitionen gegenüber, was zu den erwähnten Überschüssen in dem Rest der Welt führt. Diese Überschüsse werden aufgrund der sicheren Anlagemöglichkeitenauf dem attraktiven US-Finanzmarkt angelegt und ziehen dort das starke Leistungsbilanzdefizit nach sich. Die Sichtweise der „saving glut“ gewann durch den jetzigen Vorsitzenden der Fed, Ben Bernanke, an Popularität (Bernanke, 2005). Er(Bernanke, 2007, S. 7 f.)verweist bei der Frage nach der Tragfähigkeit des US-Defizits auf drei Faktoren, die das beschriebene Ungleichgewicht relativieren. Als ersten nennt er die Attraktivität des US-Finanzmarkts. Kapitalimporte werden angezogen, was wiederum erst die Kapitalbilanz aktiviert und nachfolgend die Leistungsbilanz passiviert. Die Leistungsbilanz folgt nach dieser Ansicht der Kapitalbilanz. Der zweite Faktor ist der positive Einfluss auf die Konjunktur der gegenüberstehenden Überschussländer. Der starke Export kann Tendenzen rezessiven oder über-hitzendem Wirtschaftswachstums entgegenwirken. Als dritten Punkt führt Bernanke die weiterhin positive Nettoanlagenposition auf. Die negative Net International Investment Position (NIIP)[6] ist in Relation zum Wohlstand der US-Bürger mit weniger als 5% relativ klein. Nichtsdestotrotz gesteht der Fed-Vorsitzende ein, dass ein Defizit auf aktuellem Level (Stand 2007) langfristig nicht beibehalten werden kann und fordert unter anderem Maßnahmen, die zu einer höherenUS-Sparquote führen. Er bevorzugt eine zeitnahe Adjustierung des Defizits, um potenzielle Belastungen zu vermeiden. Zudem verweist er darauf, dass grundsätzlich Kapital von der USA in die aufstrebenden und entwickelnden Volkswirtschaften fließen sollte und nicht wie zurzeit in umgekehrter Richtung. Die Rendite, die in nochnichtindustrialisierten Staaten zu erwarten ist, liegt über der von US T-­Bills, was sowohl den USA als Kapitalgeber, als auch dem empfangenden Land, das sich weiter entwickeln kann, helfen würde.

[...]


[1] Zu „self-insurance“ siehe Feldstein, M., “A Self-Help Guide for Emerging Markets”, Foreign Affairs, March/April 1999, der die mathematischen Hintergründe für den Strategiewechsel nach der Asienkrise liefert.

[2] Wachstumsraten des BIP 2008 laut IMF World Economic Outlook: Brasilien 5,1 %, Russland 5,6 %, China 9 %, Indien 7,3 %, während die USA mit 1,1 %, die Euro-Zone mit 0,9 % und Japan mit -0,6 % klar langsamer wuchsen.

[3] Renminbi (RMB) oder Yuan; Offizielle Bezeichnung: Chinese Yuan CHY.

[4] Spanien, Vereintes Königreich, Australien, Italien, Griechenland, Türkei, Frankreich, Rumänien und Portugal.

[5] NOE = Netto Ölexportländer

[6] NIIP = Von Inländern im Ausland gehaltene Vermögenswerte – Von Ausländern im Inland gehaltene Vermögenswerte.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Sonderziehungsrechte: Ein Mittel gegen globale Ungleichgewichte?
Hochschule
Universität Trier
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
76
Katalognummer
V199707
ISBN (eBook)
9783656281962
ISBN (Buch)
9783656282396
Dateigröße
723 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
SZR, Sonderziehungsrecht, Globale Ungleichgewichte, Dollar, Währunsordnung, Triffin Dilemma, Währunsreserven, Bancor, Stieglitz, IWF, Global greenbacks, Zhou Xiaochuan
Arbeit zitieren
Lennart Marxen (Autor:in), 2009, Sonderziehungsrechte: Ein Mittel gegen globale Ungleichgewichte?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199707

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